„Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes von Sachsen-Anhalt. Er übt die gesetzgebende Gewalt aus und beschließt über den Landeshaushalt. […] Er überwacht die vollziehende Gewalt nach Maßgabe dieser Verfassung und verhandelt öffentliche Angelegenheiten.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Exekutive ist gerade dabei, die neuen EU-Programme zu schreiben. Bereits im Mai 2018 wurden erste Verordnungsentwürfe von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Im September des vergangenen Jahres wurden zwei Positionspapiere verabschiedet und es wurde auf der Landesebene eine interministerielle Arbeitsgruppe eingesetzt. Es ist also höchste Zeit, dass wir das Steuer in die Hand nehmen und nicht wieder das Nachsehen haben. Dazu müssen wir schon weit vor der neuen Förderperiode informiert werden und mitbestimmen können.
Der Begleitausschuss soll bis zum dritten Quartal darüber informiert werden, für welche Schwerpunkte die Fördermittel des EFRE und des neuen ESF+ in der kommenden Förderperiode eingesetzt werden sollen. In der interministeriellen Arbeitsgruppe unter der Leitung der Staatskanzlei sind alle Ministerien vertreten. Diese wiederum ist Teil des Begleitausschusses, in dem die EU, die Wirtschafts- und Sozialpartner und die Generaldirektion Mitglied sind. Hierin muss künftig auch der Landtag mit einem Abgeordneten bzw. einer Abgeordneten pro Fraktion mitwirken können.
Aber warum wollen wir das eigentlich? Der ca. viermal jährlich tagende Begleitausschuss ist ganz unmittelbar an der Ausgestaltung der operationellen Programme beteiligt. Er bekommt die Informationen der Regierung als Diskussions- und Entscheidungsgrundlage. In den Sitzungen können Fragen gestellt und Veränderungen vorgenommen werden. Am Begleitausschuss kommt die Regierung nicht vorbei, am Landtag aber bisher offensichtlich schon. Das muss sich ändern. Der Landtag muss über die EU-Programme und damit über den Einsatz der Landesmittel für die nächsten zehn Jahre mitentscheiden können.
Aber worüber wird denn bei dieser Programmierung eigentlich entschieden? Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Der neue ESF+ hat das politische Ziel: ein sozialeres Europa - Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte.
Bei den sozialen Rechten finden sich unter anderen folgende Punkte: Kinder haben ein Recht auf hochwertige bezahlbare frühkindliche Bildung und Betreuung. Kinder haben ein Recht auf Schutz vor Armut. Kinder aus benachteiligten Verhältnissen haben ein Recht auf besondere Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit.
Wissen Sie, was mir dazu einfällt? - Ein Thema, über das wir hier schon mehrfach diskutiert haben, ein Thema, das einen nicht unwesentlichen Teil der Menschen in diesem Land betrifft: Schulsozialarbeit.
Oder nehmen wir das Thema Gesundheitsversorgung, mit dem sich hier im Landtag eine EnqueteKommission beschäftigt. In der europäischen Säule steht: Jede Person hat ein Recht auf rechtzeitige hochwertige und bezahlbare Gesundheitsversorgung und Heilbehandlung. Dazu fallen mir ein: Krankenhausschließungen, medizinische Versorgungszentren, das Projekt „Vera“ und Stipendien für Hausärzte.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Parlament darf die Beschlussfassung zu den EU-Programmen nicht der Regierung überlassen. Die Dachverordnung der Europäischen Kommission vom Mai 2018 regelt die Zusammensetzung und die Kompetenzen des sogenannten Über
wachungsausschusses, bei uns Begleitausschuss genannt. In Artikel 34 der Dachverordnung steht, dass eine ausgewogene Vertretung der relevanten Behörden und der zwischengeschalteten Stellen der Mitgliedsstaaten sowie weiterer Partner sicherzustellen ist.
Der Finanzminister, der gleich nach mir sprechen wird, wird sicherlich sagen: Wir werden Sie doch, wie in der Vergangenheit auch, in geeigneter Form informieren. - So steht es auch in der Antwort auf die Kleine Anfrage, die ich zu dem Thema gestellt habe.
Die geeignete Form sah bisher übrigens so aus, dass die Landtagsabgeordneten zu e i n e r Dialogveranstaltung eingeladen wurden, um dort über die Programmentwürfe zu diskutieren. Vorher gab es für das Parlament die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme. Die Abgeordneten dürfen zum Programmentwurf Stellung nehmen und sogar in einer Dialogveranstaltung mit der Verwaltung diskutieren.
Man könnte hier glatt den Eindruck gewinnen, die Exekutive ist bei der Verteilung von EU-Mitteln zur Legislative geworden. Normalerweise macht doch
der Landtag Anhörungen und holt Stellungnahmen ein, nicht andersherum. Auch die Gleichsetzung des Parlaments mit sogenannten Stakeholdern bzw. Lobbyvereinen, wie es in der Antwort auf die Kleine Anfrage erfolgt ist, lässt auf eine systematische Missachtung des Landtages
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Dieser Antrag trägt zu der Beseitigung eines Missstandes bei, der sich in den vergangenen Jahren hier manifestiert hat, nämlich die Aushebelung des Haushaltsgesetzgebers. Es geht hierbei um Ihre Rechte als Parlamentarierinnen und Parlamentarier. Was wir hier nicht beeinflussen können, das können wir im Rahmen eines Haushalts auch nicht verantworten. - Herzlichen Dank.
In der Debatte ist eine Redezeit von drei Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die Landesregierung spricht der Minister Herr Schröder. Herr Minister, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es folgt die erwartete Gegenrede, sehr geehrte Frau Heiß. Wir können den Antrag zumindest zum jetzigen Zeitpunkt aus der Sicht der Landesregierung nicht zur Annahme empfehlen, insbesondere da er Entscheidungen vorgreift, die zum jetzigen Zeitpunkt einfach noch gar nicht getroffen werden können.
Sie sagen zu Recht, die Europäische Kommission hat einen ersten Verordnungsentwurf im Mai bzw. im Juni 2018 veröffentlicht. Aber darin sind allenfalls grobe Richtungen vorgegeben worden und keinesfalls konkrete Einzelheiten, die zum jetzigen Zeitpunkt sicher sind, die aber in Ihrem Antrag in einzelnen Punkten angesprochen werden, zum Beispiel die Besetzung von Gremien, die zum jetzigen Zeitpunkt, zu dem endgültige Rechtsgrundlagen noch nicht vorliegen, überhaupt nicht möglich ist.
Selbstverständlich hat sich die Landesregierung bereits zu den Verordnungsentwürfen verhalten. Es sind erste Schritte im Programmierungsprozess unternommen worden. Die Konstituierung einer interministeriellen Arbeitsgruppe haben sie angesprochen. Ich will das Engagement unseres Staatssekretärs für Bundes- und Europaangele
genheiten Herrn Dr. Schneider hervorheben, der mit zu den am besten vernetzten Landespolitikern, auch im Ausschuss der Regionen in Brüssel, gehört. Er bringt sich hierbei in besonderer Weise ein.
Wie in der Vergangenheit auch - ich sehe darin ausdrücklich keine Missachtung - wird es einen Partizipations-, einen Austauschprozess geben, ein partnerschaftliches Miteinander von Legislative und Exekutive, so möchte ich es nennen.
Die EU-Verwaltungsbehörde, die übrigens die Federführung bei der Programmierung hat, wird gemeinsam mit der Staatskanzlei die Stakeholder, die Wirtschafts- und Sozialpartner, den Landtag und die Zivilgesellschaft zu gegebener Zeit wieder über den Stand informieren.
Diese Anhörungsrunden ermöglichen es trotzdem, dass der Landtag sich hierbei zu gegebener Zeit mit eigenen Veranstaltungs- oder Anhörungsformaten einbringt. Das schließt sich überhaupt nicht aus.
Aber am Ende meiner kurzen Ausführungen will ich Sie doch noch auf etwas vorbereiten: Wir werden uns in dem Programmierungsprozess für die neue Strukturfondsperiode auf eine Reduzierung der verfügbaren Mittel einstellen müssen. Wir werden mit erheblichen Einschränkungen konfrontiert werden, sowohl was die Höhe der Mittel insgesamt betrifft, die rückläufig sind, als auch was steigende Kofinanzierungsraten betrifft. Wir werden also einen konzentrierteren Einsatz der Mittel mit verengten Handlungsspielräumen und die Notwendigkeit von stärkeren Schwerpunktsetzungen haben. Insofern bitte ich Sie schon jetzt, sich darauf einzustellen und das in der weiteren politischen Debatte entsprechend zu berücksichtigen. - Vielen Dank.
Herr Minister, es gibt zwei Fragesteller. Herr Gallert hat sich als Erster gemeldet. - Herr Gallert, Sie haben das Wort.
Danke. - Ja, Herr Schröder, genau deshalb, weil die Mittel knapper und die Rahmenbedingungen vielleicht auch noch ein bisschen komplizierter werden, möchte ich wissen: Welche rechtliche Voraussetzung spricht eigentlich dagegen, dass die operationellen Programme, bevor das Land sie in Brüssel anmeldet, hier im Landtag beschlossen werden?
Wir haben, wie in der Vergangenheit auch, vor, gemeinsam mit der EU-Verwaltungsbehörde - ich betone: die EU-Verwaltungsbehörde ist federführend bei der Programmierung -, gemeinsam mit der Staatskanzlei und Ministerium für Kultur die relevanten Stakeholder, die Wirtschafts- und Sozialpartner, den Landtag einschließlich der Landtagsausschüsse und die Zivilgesellschaft über den Programmierungsprozess zu informieren. Ein anderes, vom bisherigen partnerschaftlichen Miteinander abweichendes Verfahren haben wir in der Tat nicht vorgesehen. Wir wollen diesen Prozess des Miteinanders fortführen. Genau das werden wir vorschlagen.
Ihr Antrag spricht wichtige Punkte an, geht aber auf so viele Einzelheiten ein, die zum jetzigen Zeitpunkt wirklich noch nicht vertiefend beraten werden können bzw. zu entscheiden wären, weil auch die EU noch nicht so weit ist.
Meine Frage ist: Gibt es eine rechtliche Regelung, die dagegenspricht, dass der Landtag die operationellen Programme, die dann in Brüssel durch das Land angemeldet werden, beschließt?
Der Landtag ist der Haushaltsgesetzgeber und er wird auch das letzte Wort in diesen Fragen haben. Stakeholder sind - das ist wieder der EU-Jargon - an der Stelle natürlich die gesellschaftlichen Ak
teure. Der Landtag gehört selbstverständlich dazu und wird darüber hinaus im Rahmen der Haushaltsgesetzgebung auch die Entscheidung treffen.
Und auf die Frage, ob wir ein anderes Verfahren als bisher vorschlagen, habe ich bereits mit Nein geantwortet.