Protocol of the Session on August 30, 2018

Herr Kohl, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Herr Vizepräsident. - Ich war etwas verschreckt ob der Äußerung des Herrn Lippmann, als er den Begriff Frauenberufe verwendete. Ich dachte, so etwas gibt es in Ihrer Welt nicht mehr. Dann denke ich mir natürlich: Wenn der Hauptteil dieser sozialen Dienste in Frauenberufen absolviert wird, dann wäre doch genau das die Gelegenheit für junge Männer, sich darin auszutesten.

(Heiterkeit und Zustimmung bei der AfD - Lydia Funke, AfD: Das ist Gleichstellung!)

Damit ist die Einbringung beendet. - Wir steigen jetzt in die Debatte ein. Je Fraktion ist eine Redezeit von fünf Minuten vorgesehen. Für die Landesregierung spricht Minister Herr Stahlknecht. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich persönlich stehe einem sozialen Jahr sehr positiv gegenüber,

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU, und von Andreas Schumann, CDU)

weil es jungen Menschen die Chance gibt, auch in Bereichen tätig zu sein, in denen sie später möglicherweise nicht beruflich tätig sein werden. Wenn sie dann in anderen Berufen tätig sind, bringen sie dem, was andere in ganz anderen Berufsbereichen tun, möglicherweise Wertschätzung entgegen.

Ich finde ein soziales Pflichtjahr auch deshalb empfehlenswert, weil man damit dem Staat etwas zurückgibt, was er einem gegeben hat und auch zukünftig noch geben wird, Herr Lippmann.

(Oliver Kirchner, AfD: Genau so ist es!)

Denn wir haben einen Staat, der uns auch als Sozialstaat mit all den Dingen, die wir haben, einen großen Rahmen gibt und viel Freiheit ermöglicht. Insofern finde ich es gut, wenn man dem Staat etwas zurückgibt.

Ich finde ein Pflichtjahr auch deshalb gut, weil es eine Zäsur zwischen Schule und Ausbildung darstellt. Denn dieses eine Jahr des Innehaltens bringt möglicherweise auch eine andere Reifeentwicklung und Kenntnisentwicklung mit sich, die man später in der Berufsausbildung oder im Studium brauchen kann.

Ob man dieses pflichtig und verpflichtend macht, ist eine Frage, über die gesamtgesellschaftlich diskutiert werden muss, für die es Mehrheiten geben muss, für die es auch die Plätze geben muss und für die es am Ende, wenn man es denn will, auch eine Mehrheit im Bundestag geben muss, weil man dann nämlich eine Änderung der Verfassung braucht. Insofern ist es gut, dass wir darüber reden, dass wir darüber streiten; denn damit haben wir auch einen Diskurs in der jungen Generation, die sich dazu positionieren kann. - Vielen Dank.

(Zustimmung von Markus Kurze, CDU, und von Ulrich Thomas, CDU)

Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Herrn Minister Stahlknecht für die Ausführungen. - Für die CDU-Fraktion spricht der Abg. Herr Kurze.

(Oliver Kirchner, AfD: Jetzt kommt‘s! - To- bias Rausch, AfD: Jetzt geht‘s los! - Oliver Kirchner, AfD: Jetzt geht’s los!)

Herr Kurze, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland ist eine reiche und starke Nation. Es gewährt seinen Bürgern Freiheiten, Rechte und vor allem eine soziale Absicherung. Das ist leider nicht in allen

Ländern dieser Welt so und auch bei uns nicht gottgegeben. Deshalb kann es angemessen und vorteilhaft sein, dem Staat dafür in Form eines Pflichtdienstes bei der Bundeswehr oder eben im sozialen Bereich etwas zurückzugeben.

(Zustimmung von Guido Heuer, CDU)

Schon John F. Kennedy hat gesagt: Frag nicht, was dein Land für dich tun kann, sondern frag dich, was du für dein Land tun kannst.

(Zustimmung bei der AfD, von Guido Heuer, CDU, und von Minister Holger Stahlknecht)

Genau das bringt es auf den Punkt.

Im Rahmen der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 haben einige CDU-Politiker der Bundestagsfraktion bereits über die Einführung eines einjährigen Pflichtdienstes für Jugendliche diskutiert. Dabei ging es bereits um ein Jahr bei der Bundeswehr oder in einer sozialen Einrichtung, um in vielen unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen für Entlastung zu sorgen. Zu diesem Zeitpunkt war an die AfD hier im Landtag von Sachsen-Anhalt noch nicht zu denken. Daher ist es uns leider nicht möglich, die geistige Urheberschaft dieser Idee, wie im Antrag beschrieben, Ihnen, liebe Mitglieder der AfD, zuzusprechen.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Genau so ist das!)

Grundsätzlich ist die Forderung nicht falsch, aber in ihrem Antrag erkennt die AfD nicht den Bedarf für eine Änderung des Grundgesetzes an, was ebenso strittig ist wie der Konflikt mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dazu hat der Innenminister eben schon etwas gesagt.

Genauso diskussionswürdig ist die strikte Ablehnung eines Pflichtdienstes, wie sie der Antrag der Fraktion DIE LINKE vorsieht. Deshalb halten wir es für sinnvoll, beide Anträge in die Ausschüsse für Inneres, für Soziales sowie für Bundes- und Europaangelegenheiten sowie Medien zu überweisen.

Eines sollte klar sein: Wir können über das Thema in den Ausschüssen lang und breit debattieren, aber die Entscheidung wird in Berlin getroffen. Aber wir können - so haben es im Grunde genommen unsere Minister schon vorgetragen und auch Vorsitzende und Vizevorsitzende der Parteien - in Berlin dafür werben. Und das werden wir tun.

Innerhalb der Bevölkerung ist die Zustimmung groß, wie wir wissen. Laut ZDF-Politbarometer sprechen sich mehr als zwei Drittel unserer Menschen für eine Dienstpflicht aus. Deswegen werden wir als Volkspartei genau diesen Wunsch der Menschen nicht ignorieren.

Und das als Sturm im Wasserglas zu bezeichnen, Herr Lippmann … Das ist Ihre Sicht der Dinge. Aber wir sehen das so, wie ich es eben vorgetragen habe. Ich denke, dass es genügend Argumente dafür gibt, in genau die Richtung zu marschieren, die wir Ihnen vorgeben.

Laut der „Stern“-Ausgabe vom 9. August 2018 stehen wir als Gesellschaft vor dem Phänomen, dass auf 10 % der Haushalte 40 % der Einkommen entfallen. Das führt dazu, dass die sozialen Milieus immer stärker voneinander getrennt werden. Darum kann es nicht schaden, schon in jungen Jahren über den sozialen Tellerrand zu schauen.

Der Kommandeur unseres Landeskommandos Halvor Adrian hat das in einem persönlichen Aufsatz sehr schön formuliert. Er schreibt:

„[…] eine Pflicht zum Dienst für das Allgemeinwohl [ist] für alle jungen Deutschen als Chance sehen, die auseinanderdriftenden Teile der Gesellschaft mit mehr Kenntnis von- und mehr Verständnis füreinander zu versehen.“

Vor diesem Hintergrund können wir in einer allgemeinen Dienstpflicht nur eine Win-win-Situation sehen. Zum einen bekommen die Bundeswehr oder eben auch soziale Einrichtungen regelmäßig neues Personal, um den gegenwärtigen akuten Mangel zumindest ein Stück weit abzufedern.

Zum anderen profitieren auch die Jugendlichen, die vor dem Hintergrund von 350 Ausbildungs- und mehr als 20 000 Studiengängen eine Orientierung bekommen, die möglicherweise über die spätere Berufswahl entscheidet. Eine Orientierung kann bei einer Abbrecherquote von 25 % in Lehre und Studium wahrlich nicht schaden. Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, vielleicht kann man letztlich in diesem einen Jahr mehr Lebenserfahrung sammeln als zuvor in zehn Jahren in der Schule. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU und bei der AfD)

Fragen sehe ich nicht. Dann danke ich Herrn Kurze für die Ausführungen. - Für die GRÜNEN spricht die Abg. Frau Lüddemann. Frau Lüddemann, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Ich halte ein verpflichtendes Dienstjahr für junge Menschen für mit großer Wahrscheinlichkeit für grundgesetzwidrig. Es ist ein massiver Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit und

steht meines Erachtens in klarem Widerspruch zu dem Verbot von Arbeitszwang gemäß Artikel 12 Abs. 2 des Grundgesetzes.

Ob die nun vonseiten der CDU-Generalsekretärin angestoßene Debatte überhaupt auf rechtlich tragfähigen Füßen steht, darf bezweifelt werden. Ich bin dankbar dafür, dass Minister Herr Stahlknecht auf die nötigen rechtlichen Implikationen hinsichtlich einer Verfassungsänderung hingewiesen hat.

Dass nun von Frau Kramp-Karrenbauer zudem ein Pflichtjahr für Geflüchtete - das kam eben noch gar nicht zur Sprache - ins Spiel gebracht wurde, zeigt meines Erachtens relativ deutlich, dass beide Gruppen, die Geflüchteten und die jungen Menschen, eher so behandelt werden: Mit denen kann man es ja machen; wir haben Lücken und die stopfen wir jetzt mal.

Wie wäre es denn mit einer einjährigen Dienstpflicht für Rentnerinnen und Rentner?

(Zustimmung von Dr. Andreas Schmidt, SPD - Zuruf von der CDU)

Ich glaube, dazu hat jeder von Ihnen schon einen anderen emotionalen Zugang.

(Zuruf von Siegfried Borgwardt, CDU)

Rechtssystematisch wäre es genau das Gleiche. Man würde eine Bevölkerungsgruppe dazu verpflichten, sich einzubringen. Das ist rechtssystematisch das Gleiche.

(Zuruf von Andreas Schumann, CDU)

Davon abgesehen ist es ein Unding. Im sozialen Bereich geht es um Fachkräftemangel. Es ist denen, die in der Pflege eine wirklich schwierige Arbeit tun, nicht angemessen, diesen Pflegenotstand nun mit unqualifizierten jungen Menschen - nichts anderes können Schulabgängerinnen und Schulabgänger sein - füllen zu wollen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist unangemessen, das ist fahrlässig. Wenn die jungen Leute gezwungen werden, einen solchen Pflichtdienst zu tun, kann man davon ausgehen, dass die Motivation entsprechend gering ist. Wir tun damit niemandem einen Gefallen, weder den jungen Leuten noch den Trägern, in deren Dienst sie sich stellen sollen.

Sicherlich ist der Einsatz für andere eine wertvolle Erfahrung. Die sinnvolle Orientierung für die eigene Biografie erfolgt aber weniger über einen Zwangsdienst als vielmehr über freiwilliges Engagement. Ich denke, nur selbstbestimmt übernommene Aufgaben erzeugen auch wirklich positive intrinsische Motivationen. Nur sie haben einen