Protocol of the Session on August 30, 2018

(Lebhafter Beifall bei der LINKEN)

Herr Lippmann, es gibt zwei Wortmeldungen. Stehen Sie zur Beantwortung zur Verfügung? - Herr Schumann, Sie haben das Wort.

Die erste Frage: Herr Lippmann, ist Ihnen bekannt, dass jeder dritte Bufdi seinen Dienst quittiert, weil er mit den Umständen, unter denen er beim Bundesfreiwilligendienst Arbeit tun soll, nicht zufrieden ist?

(Zuruf von der AfD: Richtig!)

Die zweite Frage: Halten Sie es eigentlich für falsch, dass junge Menschen nach ihrer Schulausbildung für ein Jahr vielleicht eine Qualifizierung in der Gesellschaft erfahren, wo sie mit den wirklichen Lebensumständen von Menschen in Berührung kommen, die Pflege notwendig haben etc.?

Ich weiß, es gibt einen Pflegenotstand, und Pflegeheime würden sich sehr freuen, wenn es mehr von diesen jungen Menschen geben würde. - Danke.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Genau! Wie wäre es denn damit mal?)

Herr Lippmann, Sie haben die Möglichkeit zu antworten.

Herr Schumann, damit sind Sie ganz bei mir. Das finden Sie in unserem Antrag. Wenn die Bedarfe vorhanden sind und die Zahl der Plätze von heute

100 000 auf 150 000 oder auf 200 000 erhöht werden kann, was eine Verdoppelung wäre, wenn das freiwillige Engagement, das vorhanden ist - es gibt heute mehr Interesse -, durch bessere Rahmenbedingungen erzeugt werden kann, dann sind wir voll dabei. Ich habe ausdrücklich in meiner Rede gesagt: Alles, was in diesem Kontext an positiven Dingen berichtet wird, bestreite ich doch überhaupt gar nicht, ganz im Gegenteil. Das Problem ist, wenn es zur Pflicht wird.

Dann sage ich noch einmal: Nicht einmal darüber können wir uns streiten, weil wir es nicht hinkriegen können. Wir können es nicht hinkriegen - und zwar kontinuierlich, jedes Jahr -, 700 000 junge Menschen, die keine Berufsqualifikation haben, zwölf Monate lang in solchen Diensten einzusetzen. Es sind nicht die anspruchsvollen Tätigkeiten, die sie machen können. Es sind nur Anlerngeschichten, Hilfsarbeiten.

(Guido Heuer, CDU: Das war es doch frü- her auch! Verstehe ich nicht!)

Das sollen sie alles machen. Wenn es 150 000 sind, dann sind wir mit dabei. Natürlich müssen sich die Bedingungen verbessern. Aber es ergibt sich, auch aus dem, was Sie gefragt haben, kein Ansatz dafür, dass ein ziviles Pflichtjahr sinnvoll und vor allem umsetzbar ist. Ich bestreite, dass es umsetzbar ist, und deswegen halte ich es für einen Sturm im Wasserglas.

(Beifall bei der LINKEN - Siegfried Borg- wardt, CDU: Durch Wiederholungen wird es nicht besser!)

Herr Lippmann, Herr Loth hat sich noch zu Wort gemeldet.

Herr Loth, Sie haben das Wort.

Mein Vorredner hat das schon sehr gut erklärt. In der Zeitung stand letztens erst, dass nur beim DRK die Stellen für Bufdis knapp sind. Überall woanders gehen sie weg. Also ist es nicht so, dass es beliebt ist, dass es gefördert wird, dass alles funktioniert. Nein, im Gegenteil: Nur beim DRK funktioniert das, woanders nicht.

Ich möchte Ihnen auch noch sagen, dass ich es für sehr wichtig halte, dass die jungen Menschen nach der Schule ein soziales oder freiwilliges Jahr irgendwo ableisten, einfach um zu erkennen, was es für Berufe gibt und wie die Anforderungen in

Berufen sind, mit denen sie nie wieder in Verbindung kommen, außer wenn sie alt sind. Auch die Wertschätzung für die Berufe, die sie dort ausüben, wird steigen. Dafür ist das da. Das finde ich gut. Das sollten wir machen. Dem steht Ihre Ablehnung konträr entgegen.

Herr Lippmann, Sie haben noch einmal das Wort.

Herr Borgwardt hat mich schon darauf aufmerksam gemacht, dass manches durch Wiederholungen nicht besser wird, jedenfalls dann, wenn man es nicht hören will. Da ist etwas dran.

(Siegfried Borgwardt, CDU: Das ist ein pä- dagogisches Mittel! Das kennst du doch! Hör doch auf!)

Für diejenigen, die sich freiwillig dafür entscheiden - ich finde 100 000 Jugendliche nicht wenig -, ist genau diese Argumentation, ist genau diese Welt in Ordnung. Dagegen habe ich nicht ein einziges Wort gesagt.

Wir reden über die Schnittstelle, wir reden darüber, warum wir die anderen 400 000, 500 000, die das für sich nicht brauchen, die ihren Weg ins Erwachsenenleben, die ihren Weg in den Beruf zielstrebig, kontinuierlich verfolgen, durch diesen Pflichtdienst gehen lassen sollen, zumal es die Plätze nicht gibt. Das können Sie doch nicht beantworten.

Für alle anderen ist doch alles in Ordnung. Für den Rest gibt es nicht den Bedarf und, individuell gesehen, nicht die Notwendigkeit, sie durch einen Pflichtdienst zu bringen.

Lasst uns die Freiwilligendienste! Die Struktur ist da. Lasst uns gucken, warum es dort Probleme gibt. Lasst uns gucken, ob es dort noch Plätze gibt. Und lasst uns diese beiden Dinge zusammenbringen. Dann kommen am Ende vielleicht nicht 100 000, sondern 150 000 Plätze heraus. Wir wollen doch erst einmal sehen, ob wir 150 000 Freiwilligendienstplätze schaffen und auch entsprechend besetzen können. Damit haben wir alle genug zu tun.

Wir brauchen nicht mit einem Pflichtdienst zu kommen, bei dem wir uns dann nicht um die Bedingungen kümmern. Denn da besteht dann der Druck, da müssen sie, also brauchen wir darauf nicht mehr zu gucken. - Nein. Jetzt müssen wir uns um die jungen Leute bewerben und müssen uns um die Bedingungen kümmern, unter denen sie arbeiten. Dann ist die Empathie auch für diese Bereiche da. Dann arbeiten sie dort auch ordentlich und haben etwas davon.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Lippmann, es gibt noch eine Wortmeldung. Herr Diederichs hat sich zu Wort gemeldet.

Na gut, aber die letzte.

Herr Lippmann, bitte nehmen Sie doch Folgendes zur Kenntnis: Gemäß dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 hat die Bundeswehr von den Siegermächten ein Soll von 370 000 Mann zugesprochen bekommen. Sie sprachen von 170 000.

150 000.

Also haben wir noch 100 000 Mann Luft. - Danke.

Ach, Soldaten.

Herr Lippmann, wenn Sie darauf noch antworten möchten, bitte.

Nein. - Herr Diederichs, was wollen Sie denn damit sagen?

(Heiterkeit und Beifall bei der LINKEN)

Es gibt doch Gründe dafür. Die Personalstärke liegt zwar bei ungefähr 170 000 oder 180 000, aber darin ist auch der ganze technische Bereich, Sicherstellung usw., enthalten.

(Zuruf von Cornelia Lüddemann, GRÜNE)

Soldatinnen und Soldaten sind es wohl ungefähr 150 000. Das ist dann eine ganz andere Debatte. Es ist doch eine ganz andere Debatte, ob das wieder 200 000 werden sollen. Die Debatte, ob wir wieder eine so große Bundeswehr brauchen, müssen wir dann international führen, die müssen wir dann in Europa führen.

Aber dann besteht ja immer noch das Problem, das Sie alle jetzt nicht angesprochen haben - ich im Übrigen auch nicht -, nämlich dass all diejenigen, die das nutzen, gegen den Pflichtdienst sind, gerade die sozialen Träger.

Bei der Bundeswehr haben wir doch nicht nur das Geldproblem gehabt, sondern dort haben wir auch das Problem gehabt, dass man bei dem, was die Bundeswehr heute technisch betreibt - das zu sagen ist gar nicht mein Part -, in den zwölf Monaten

vielleicht noch jemanden für den Wachdienst ausrüsten kann, aber doch nicht mehr so, dass er auf irgendetwas fahren oder irgendwohin gehen kann, schon gar nicht in einen Einsatz.

Für die Sicherstellung, für die rückwärtigen Dienste usw. könnten Sie noch jemanden gewinnen. Und darüber, wie sie eine geteilte Strategie gestaltet, kann sich auch die Bundeswehr mehr Gedanken machen. Das ist nicht unser Problem. Jedenfalls machen wir nicht einerseits eine Pflichtdienstdebatte auf, um andererseits der Bundeswehr die Leute zuzuführen. Das machen wir nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich danke Herrn Lippmann.

(Hagen Kohl, AfD, meldet sich zu Wort)

- Herr Kohl, Herr Lippmann hat gesagt, er steht für keine weiteren Fragen mehr zur Verfügung. Wenn Sie noch eine Intervention machen möchten, dann erteile ich Ihnen das Wort.

(Wulf Gallert, DIE LINKE: Eigentlich immer zwei jeweils!)

Herr Kohl, Sie haben das Wort.