Wir GRÜNE finden uns ähnlich wie die SPD tatsächlich an einigen Punkten auch inhaltlich wieder. Schon in unserem Landtagswahlprogramm haben wir darüber reflektiert, wie man direktdemokratische Elemente in diesem Land stärken kann, wie man künstlich-technokratische Hürden beseitigen kann. Auch wir haben uns für eine Aufhebung oder eine geringere Trennung zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite und Einwohnerinnen und Einwohnern auf der anderen Seite eingesetzt. Wir haben immer gesagt: Wer hier lebt, wer sich hier engagiert, wer hier vielleicht auch noch Steuern zahlt, soll hier auch verbindlich mitbestimmen können. Er soll nicht nur besser fragen dürfen, sondern sich eben auch verbindlich engagieren und einbringen dürfen.
Die unterschiedlichen Elemente dazu sind benannt worden: Einwohnerinitiativen und Volksinitiativen. In der Tat haben wir gerade gestern erlebt, wie zielführend solches Engagement tatsächlich sein kann auch angesichts dieser hohen Hürde, die wir im Moment haben.
Alle haben im Hohen Hause festgestellt, dass sie sehr überrascht waren, wie der zuständige Minister und die Koalitionsfraktionen jetzt doch sehr konstruktiv darauf eingehen. Das ist ein Erfolg. Auch ich meine, wir müssen es den Menschen da nicht so schwer machen. Wir müssen uns da tatsächlich noch einmal die Rahmenbedingungen anschauen; wir müssen sie in einem besseren Handling solcher Aktivitäten unterstützen.
Nun wird es Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, natürlich nicht überraschen, dass die Koalitionspartner in ihrer Begeisterungsfähigkeit für das Vorgetragene etwas unterschiedlich waren. Aber Sie können sich tatsächlich auf die Fahnen schreiben, erreicht zu haben, dass sich der koalitionsinterne Diskussionsprozess jetzt stark beschleunigt, dass wir jetzt sehr intensiv in unsere weiteren Debatten einsteigen.
Zudem haben wir, wie der Minister erwähnte, einiges bereits auf den Weg gebracht. An dieser Stelle verweise ich auf das Kommunalverfassungsgesetz. Es stehen aber auch noch die Landesverfassung, das Volksabstimmungsgesetz und viele andere Gesetze in Rede.
Kollegin Schindler hat es auch schon gesagt: Wir sind in der koalitionsinternen Meinungsbildung. Das ist ein Prozess. Da ist es tatsächlich so: Eine spätere Einigung ist an diesem Punkt besser als eine schnelle Einigung. Uns ist auch sehr bewusst, dass wir, wenn wir an die Landesverfassung herangehen, natürlich auch Stimmen aus der Opposition für unsere dann gefundenen Positionen gewinnen müssen. Aber bei allem Ringen um mehr Beteiligung dürfen wir nicht vergessen, dass wir im Moment auch die repräsentative Demokratie stärken müssen.
Diesen Prozess werden wir jetzt forcieren. Vielen Dank, dass Sie das so unterstützen. Wir werden das in unsere weiteren Beratungen einbeziehen und selbstverständlich auch in direkten Gesprächen mit Ihnen dazu in Kontakt kommen. - Vielen Dank.
Ich sehe keine Fragen. Dann danke ich Frau Lüddemann für die Ausführungen. - Für die CDU spricht der Abg. Herr Borchert. Herr Borchert, Sie haben das Wort.
Danke schön, Herr Präsident. - Sehr geehrte Damen und Herren! Sowohl unsere Landesverfassung als auch das Volksabstimmungsgesetz geben dem Volk die Möglichkeit, sich über Instrumente der direkten Demokratie unmittelbar an der Gesetzgebung zu beteiligen.
Die Fraktion der LINKEN hat nicht recht, wenn sie sagt, dass bestimmte Quoren für Volksentscheide nicht zu erreichen seien. Es ist vieles möglich, wenn man will; aber es ist nur dann möglich, wenn es einen Sinn macht. Einen Sinn macht es nur dann, wenn ein Parlament eine Entscheidung trifft, die gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung ist. Deshalb lebt die Demokratie von Mehrheitsverhältnissen.
Der uns vorliegende Gesetzentwurf fordert eine Stärkung dieser Instrumente durch die Senkung der Quoren für Volksbegehren, Volksentscheide und Verfassungsreferenden. Er fordert eine Beschleunigung der Umsetzungsverfahren der eben genannten Instrumente sowie die Entlastung der Initiatoren.
Unser Regierungssystem ist eine parlamentarische Demokratie. Demokratie bedeutet Herrschaft des Volkes. Das Volk ist der Souverän und der Träger der Staatsgewalt. Es ist aber nicht vorgesehen, dass das Volk diese Staatsgewalt unmittelbar ausübt, sondern über die von ebendiesem Volk gewählten Repräsentanten, also uns. Und das, meine Damen und Herren, ist gut so.
Nehmen wir als Beispiel Artikel 79a Ihres Gesetzentwurfs, in dem Sie Einwohnerinitiativen ermöglichen wollen. Danach sollen Einwohner des Landes Sachsen-Anhalt das Recht haben, die ständigen Ausschüsse des Landtages mit bestimmten Gegenständen der politischen Willensbildung, die unser Bundesland betreffen, zu befassen. Um dies zu erreichen, sind lediglich 1 000 Unterschriften notwendig.
Sollten wir das zulassen, so fürchte ich, dass unsere Ausschüsse regelmäßig durch eine Flut von sogenannten Selbstbefassungsanträgen der Bürger blockiert werden würden. Ich stelle mir vor, dass ein Sozialkundelehrer an einer Schule das Thema aufgreift - er wäre dumm, wenn er es nicht machte -, sodass wir dann von jedem Gymnasium in jedem Jahr mindestens einen entsprechenden Antrag bekämen, weil dies eine Supermöglichkeit wäre, an den Schulen Unterricht in dieser Weise zu praktizieren. Ist das aber Sinn der Sache?
Ich sage damit nicht, dass mir die Sorgen der Bürger nicht am Herzen liegen. Aber wir alle, die wir hier sitzen, haben unsere Wahlkreisbüros und sind als Ansprechpartner vor Ort. Wir nehmen Probleme wahr und spielen diese über Anträge, Anfragen und Selbstbefassungsanträge in die Arbeitsgruppen und Ausschüsse und in das Plenum ein. Das hat bisher funktioniert; ich denke, das wird auch weiter funktionieren.
Ein weiteres Beispiel von Ihnen ist die Senkung der Quoren für den Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens von 6 000 auf 2 000 Wahlberechtigte. Auch dieses Quorum ist verdammt niedrig, zumal wir erst im Rahmen der Parlamentsreform 2014 die Regelungen zum Volksabstimmungsgesetz geändert und die Hürde für den Antrag auf Durchführung eines Volksbegehrens von 8 000 auf 6 000 Unterzeichner gesenkt haben. Eine Senkung auf verschwindend geringe 2 000 Unterschriften halten wir für falsch.
Das Volksbegehren ermöglicht es Bürgern, direkt darauf hinzuwirken, ein Landesgesetz zu erlassen, zu ändern oder aufzuheben. Ich glaube nicht, dass man derart weitreichenden Entscheidungen ein solch niedriges Quorum zugrunde legen sollte; denn auch diese Entscheidung ist eine Frage des Demokratieverständnisses. Meinem Verständnis nach kann es nicht richtig sein, jeglicher Randgruppe Tür und Tor zu öffnen, um direkt an Entscheidungen mitzuwirken, die unsere Landesgesetze betreffen.
Auch die von Ihnen vorgeschlagene Änderung in Artikel 78 Abs. 2 unserer Verfassung wirft bei mir ganz praktische Fragen auf. Sie fordern, dass das Volk im Wege von Verfassungsreferenden zustimmen soll, wenn wir im Landtag Änderungen der Verfassung beschließen.
dann, dass diese Referenden gemeinsam mit ohnehin anstehenden Wahlen stattfinden sollen. Der Landtag soll aber auch einen anderen Sonntag oder gesetzlichen Feiertag als Abstimmungstag benennen können; schön und gut. Aber welcher Aufwand ist damit verbunden, welche Kosten entstehen, wenn zufällig gerade keine Wahl ansteht und ein solcher gesonderter Abstimmungstag anzuberaumen ist? - Man kann noch viele andere Dinge nennen, die dagegen sprechen, so etwas durchzuführen, wenn es nicht unbedingt notwendig ist.
Meine Damen und Herren! Ich gebe zu, man erkennt allein am Umfang des Gesetzentwurfes, dass man sich hier wirklich Gedanken gemacht hat. Wie ich in meiner Rede aber wohl deutlich gemacht habe, haben meine Fraktion und ich große Bedenken, was den Inhalt angeht. Daher werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen. - Danke schön.
der Volksabstimmung, das bei nur 12,5 % eine Zustimmung fände - das ist dann wirklich das Minimale, was bei uns gehen würde -, in Kraft treten würde, ja das Mehrheitsprinzip außer Kraft setzte und auch ein Stück weit die repräsentative Demokratie infrage stellte. So ähnlich habe ich Ihre Rede in etwa verstanden.
Jetzt frage ich Sie einmal etwas. Es gibt drei Länder in der Bundesrepublik Deutschland, die beim Volksabstimmungsgesetz überhaupt gar keine Quoren mehr vorsehen. Das sind die Länder Bayern, Hessen und Sachsen. In allen diesen drei Bundesländern haben Ihre Parteifreunde dies übrigens ausdrücklich mit befürwortet bzw. leben unter dieser verfassungsrechtlich nach den Worten des Innenministers kritischen Situation. Wie sehen Sie das? Halten Sie die parlamentarische Demokratie in diesen drei Bundesländern für substanziell gefährdet und das Mehrheitsprinzip für aufgegeben?
(Minister Holger Stahlknecht: Da ist das Volksbegehren vorgeschaltet, bei dem man eine Mehrheit braucht!)
Ich glaube, dass es nie einen Punkt geben wird, an dem wir eine Zahl nennen werden, anhand derer wir sagen, das ist richtig und das ist falsch. Ich denke, da sollen die Parlamentarier entscheiden, was sie als richtig oder falsch empfinden; denn wir sind gewählt worden, um darüber zu entscheiden.
Ich habe noch eine Nachfrage, weil Sie befürchten, dass es eine Flut von Selbstbefassungen in den Ausschüssen gibt. Herr Borchert, stimmen Sie mir zu, dass manchmal ein einziger Brief reicht, um eine Ausschussbefassung zu initiieren, und zwar durch eine Fraktion? Wieso haben Sie dann Angst davor, dass es Ausschussbefassungen gibt, wenn ein höheres Quorum gilt?
Ich bin schon sehr oft im Petitionsausschuss gewesen und weiß, dass dort sehr viele Anträge vorliegen, die alle eine Daseinsberechtigung haben, aber bei denen ich mich manchmal frage, welchen Sinn sie haben. Das darf man ja an dieser Stelle sagen.
Ich stehe dazu, wenn ich sage: Wenn wir es zuließen, dass es möglich wird, mit 1 000 Unterschriften jeden Ausschuss unseres Hauses dazu zu verpflichten, an einem Thema zu arbeiten, dann bekämen wir so viele Anfragen, dass wir ihrer unmöglich Herr werden könnten. Denn was sind 1 000 Unterschriften? - Nichts.
Erfahrungsgemäß ist es auch nicht so einfach, 1 000 Unterschriften zusammenzubekommen, und es bereitet einen gewissen Aufwand. Zumindest bedeutet es einen höheren Aufwand, als wenn manch einflussreicher Mensch vielleicht einen Brief an einen einzelnen Abgeordneten schreibt.
Ich entnehme aber Ihren Worten, dass Ihnen das bisherige Prozedere lieber ist, bei dem einzelne Abgeordnete entscheiden, welches Thema sie denn dann aufgreifen wollen, um darüber im Ausschuss zu beraten, dies aber nicht geschieht, wenn es ein größeres Quorum von Menschen gibt, die eben auch tatsächlich ein Anliegen haben.
Das sehen Sie völlig falsch; denn wenn es eine größere Gruppe von Menschen gibt, die in meinem Bereich - vielleicht kann ich ja jetzt über mich sprechen; Sie sprechen ja mich an - einen Wunsch haben, etwas zu verändern, dann können sie sich darauf verlassen, dass ich das dann in den Ausschüssen ansprechen werde.
Bevor ich dem letzten Redner das Wort erteile, habe ich die ehrenvolle Aufgabe, Seniorinnen und Senioren aus Aspenstedt in unserem Hohen Hau