- Aber doch nicht bei einem Deutschen. Der wird doch nicht automatisch abgeschoben, wenn er seinen Ausbildungsvertrag verliert.
(Unruhe - Siegfried Borgwardt, CDU: Aber die Abhängigkeit besteht immer zwischen denen! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Des- wegen wollen wir nicht abschieben! - Katrin Budde, SPD: Die deutschen Gesetze gelten für alle!)
- Aber es besteht in besonderem Maße eine Abhängigkeit, weil davon mehr abhängt als der Ausbildungsvertrag. Es hat ja dann Konsequenzen.
(Swen Knöchel, DIE LINKE: Nein, das ha- ben wir auch nicht erwartet! - Sebastian Striegel, GRÜNE: Nein! - Matthias Büttner, AfD: Ist beantwortet! - Daniel Roi, AfD: Das mit dem Zu-Ende-Denken klappt da drüben nicht!)
Herr Kohl, danke schön für Ihre Ansprache. - Als Nächste rufe ich Abg. Frau Lüddemann von den GRÜNEN an das Rednerpult.
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Gerade erst in der letzten Woche wurden Zahlen in den Medien zur Ausbildungsmarktsituation hier bei uns in Sachsen-Anhalt veröffentlicht. Man kann zusammenfassend sagen: Die Situation spitzt sich zu. Oder - wenn ich Frau Simone Danek, die Geschäftsführerin für Aus- und Weiterbildung der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau zitieren darf -:
„Die Ausbildungssituation ist in der Tat für viele Unternehmen dramatisch, wir haben einfach zu wenige Jugendliche im Land.“
Die Folge: Von aktuell 11 000 vorhandenen Ausbildungsplätzen sind noch mehr als die Hälfte, nämlich 6 800 Ausbildungsplätze, unbesetzt - und das Ausbildungsjahr beginnt am 1. August. Das ist für die Jugendlichen natürlich eine günstige Ausgangslage; sie haben im Zweifelsfall die Qual der Wahl - auch wenn klar ist, dass natürlich nicht jeder das Arbeitsfeld besetzen kann, das er besetzen möchte.
Aber angesichts dieser von mir beschriebenen Bedingungen kann ich für meine Fraktion ganz klar sagen: Wir freuen uns über jeden jungen Menschen, der sich hier im Interesse unseres Landes engagieren will, der sich einbringen will, der mit uns gemeinsam an der Zukunft unseres Landes arbeiten will.
(Beifall bei den GRÜNEN, bei der LINKEN und bei der SPD - Zustimmung von Ministe- rin Prof. Dr. Claudia Dalbert)
Wir haben auch ein großes Interesse daran, dass es den Unternehmen in unserem Land gut geht. Für diese ist die beschriebene Situation äußerst schwierig. Wenn auf Dauer derartig viele Ausbildungsplätze unbesetzt sind, sind auf Dauer auch Arbeitsplätze unbesetzt. Auch das bringt die Zukunftsfähigkeit unseres Landes, an der Sie sonst immer ein so großes Interesse haben, in eine dauerhafte Schieflage. Und das wollen wir nicht.
Die sachte Öffnung des Ausbildungsmarktes im Zuge des im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Integrationsgesetzes auf der Bundesebene ist insofern zu begrüßen.
Einige Forderungen aus dem Antrag der LINKEN sind mit dem Kabinettsbeschluss vom 29. Mai 2016 zumindest ein bisschen erfüllt worden. So ist Punkt 9 des Eckpunktepapiers unverändert in Artikel 8 Abs. 8 des Integrationsgesetzes zu finden. Das finde ich aus der Sicht unseres Landes begrüßenswert.
Punkt 2 zeigt, dass wir als Kenia-Koalition aber auch schon über dieses Integrationsgesetz hinausdenken, was auch nötig ist - wenn ich diese Seitenbemerkung machen darf -; denn insgesamt ist dieses Integrationsgesetz, das der Bund vorgelegt hat, eher schwierig. Im Land wäre ein solches Gesetz mit grüner Beteiligung sicherlich etwas anders gestrickt worden. Ich glaube, es ist eher ein Integrationsverhinderungsgesetz.
Deswegen ist es uns wichtig, deswegen möchten wir eine Evaluierung der zuletzt beschlossenen neuen Regelungen. Wir wollen im Zuge dieser Evaluierung eine Prüfung möglicher grundsätzlicher Neuerungen. Insbesondere verweisen wir auf den von der LINKEN ebenfalls genannten Aufenthaltsstatus für Auszubildende. Wir GRÜNE finden es richtig, dass auch für Auszubildende, wie es bei Studierenden der Fall ist, ein dauerhafter Aufenthaltsstatus geschaffen wird. Denn eine Duldung ist quasi nur eine fortwährende Hinausschiebung der drohenden Abschiebung.
Als GRÜNE hätten wir uns natürlich - das möchte ich der Vollständigkeit halber sagen, aber das haben wir im Land nicht zu regeln - auch die Duldung für Angehörige aus sogenannten sicheren Herkunftsstaaten für die Zeit der Ausbildung und der sich daran anschließenden Stellensuche gewünscht. Das Schicksal von Herrn G. ist aus unserer Sicht inhuman und volkswirtschaftlich
Wir werden mit dem Alternativantrag nicht vollumfänglich weiterkommen, auch das ist klar. Lassen Sie mich deswegen abschließend noch ein paar wenige grundsätzliche Worte zum Integrationsgesetz sagen. Ich habe schon gesagt, wie wir als Fraktion dieses Gesetz einordnen.
Es gibt einige Gesetze auf der Bundesebene, die nicht ganz dem entsprechen, was wir als GRÜNE wollten. Es wäre auch das SGB-Vereinfachungs
gesetz zu nennen, das eher ein SGB-Verschärfungsgesetz ist. Das zeigt nur, dass das, was wir in Sachsen-Anhalt mit der sogenannten KeniaKoalition, mit Schwarz, Rot und Grün, gerade versuchen, nämlich neue Wege zu gehen, auch im Bund dringend nötig ist. Ich kann Ihnen versprechen: Wir werden alles, was wir können, dafür tun, um im nächsten Jahr auch auf der Bundesebene Veränderungen herbeiführen zu können, damit auch dort andere Integrationsgesetze zum Tragen kommen. - Vielen Dank.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN und bei der SPD - Ulrich Sieg- mund, AfD: Wenn Sie überhaupt reinkom- men!)
Frau Lüddemann, Sie sagten, wir brauchen zugewanderte Jugendliche, da wir zu viele Ausbildungsplätze bzw. offene Stellen haben. Laut GEW, also der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, blieben im Jahr 2015, also im letzten Jahr, 80 000 Jugendliche - ich betone: deutsche Jugendliche - ohne Ausbildungsplatz, während es im Jahr 2014 noch 40 000 waren und im Jahr 2013 waren es 20 000. Diese 80 000 Jugendliche bekommen keine Lehrstelle, weil ihr Bildungsstand - so schreibt es die GEW - nicht den Anforderungen entspricht, die unsere Wirtschaft stellt.
Sind Sie der Meinung, dass zugewanderte Jugendliche einen höheren Ausbildungsstand bereits vor dem Beginn ihrer Ausbildung haben und deswegen einen Vorzug vor den deutschen Jugendlichen erhalten können und die Ausbildungsplätze dann wirklich füllen können?
Ich habe immer davon gesprochen, dass es eine Chancengleichheit für alle geben muss, die sich hier engagieren wollen. Es muss auch eine Chancengleichheit dahin gehend geben - das sind wir auch den Unternehmen schuldig -, dass diejenigen, die sich um einen Ausbildungsplatz bewerben, natürlich auch die nötige Ausbildungsplatzreife haben.
Herr Keindorf kann davon - das hat er in der letzten Legislaturperiode im Übrigen weidlich getan - durchaus ein Lied singen, wie junge Menschen zum Teil unsere Schulen verlassen und nicht ausbildungsreif sind. Auch dazu gibt es Projekte, die sich diese Landesregierung verstärkt auf die Fahnen geschrieben hat, um in diesem Bereich tatsächlich tätig zu werden.
(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN und von Ministerin Petra Grimm-Benne - Ministerin Prof. Dr. Claudia Dalbert: Genau!)
Frau Kollegin, es geht hierbei nicht unbedingt darum, dass die deutsche Regierung oder die Regierung Sachsen-Anhalts Chancengleichheit herstellt zwischen Zuwanderern
- Moment, lassen Sie mich ausreden - und der eigenen Bevölkerung. Die Landesregierung ist dafür zuständig, einen Vorteil für die eigene Bevölkerung zu generieren. Dafür wird sie gewählt. Im Übrigen: Deswegen wurden Sie abgewählt.
Meine Frage: Hans-Werner Sinn spricht von Hunderten Milliarden, die die Zuwanderung dieses Land in den nächsten Jahren kosten wird. Wenn Sie, die SPD, in Ihrer Regierungsverantwortung
in den letzten 25 Jahren nur einen Teilbetrag dieser Summe für Familien ausgegeben hätte, dann brauchten wir heute nicht den Kommentar von Ihnen zu hören, dass wir Zuwanderung für Ausbildungsbetriebe und in unsere Wirtschaft brauchen.
Das brauchten wir nicht, wenn Sie damals Ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Demografie ist Mathematik. Das ist seit Urzeiten klar.
(Minister Holger Stahlknecht: Da gehört das Kinderkriegen auch dazu! - Robert Farle, AfD: Sie müssten mal etwas für junge Fa- milien tun! - Zurufe von der LINKEN, von der SPD und von den GRÜNEN - Unruhe)