Protocol of the Session on May 5, 2017

Mein Dank gilt auch der Kirche und den Kirchen bei dem Umgang mit Kirchenasyl. Natürlich, Herr Farle, haben Sie völlig recht, dass das Kirchenasyl überhaupt kein Rechtsinstrument im Sinne unserer Verfassung ist und dass auch die Kirche an dieser Stelle überhaupt kein Gestaltungsrecht in rechtlicher Hinsicht hat, weil nämlich nach der Weimarer Verfassung, die in diesem Fall fortgilt, das Asylverfahren nicht in den Kompetenzbereich

der Kirche fällt. All das ist völlig unstreitig untereinander.

Aber die Kirchen in unserem Bundesland sind mit der Gewährung von Kirchenasyl sehr zurückhaltend und sehr vorsichtig umgegangen. Auch das gehört dazu.

Natürlich gehört auch dazu, dass unsere Polizeibediensteten, wenn dann in einem Ausnahmefall „Kirchenasyl“ gewährt wurde, die Kirche achten und in einer Kirche nicht anfangen werden, Vollstreckungsmaßnahmen durchzuführen.

(Zustimmung von Sebastian Striegel, GRÜ- NE)

Das ist sicherlich auch aus einer religiösen Tradition, die uns geprägt hat, geboren. Wir werden diese religiösen Traditionen, soweit nicht schwere Straftaten drohen, auch nicht durchbrechen.

Leitend ist für uns die Vereinbarung, die mit dem BAMF getroffen worden ist. Diese haben Sie vorgetragen. Dort ist auch geregelt, dass ein Dossier einzureichen ist, und zwar vor Ablauf der sechsmonatigen Überstellungsfrist. Für uns ist das Entscheidende, dass die Kirchen sich an diese Sechsmonatsfrist halten; denn das führt am Ende eben nicht zu einer Unterlaufung des staatlichen Rechts - am Ende. In diesen sechs Monaten kann dann in besonderen Härtefällen noch einmal überprüft und geprüft werden.

Insofern sage ich, verbunden mit dem Dank am Anfang: Solange es zurückhaltend genutzt wird und die Kirchen, was sie auch getan haben, selbst anerkennen, dass das kein Rechtsinstrument ist, werden wir das im Sinne der von mir zitierten moralischen Zumutung hier in unserem Bundesland miteinander aushalten. Es darf eben nur nicht überhandnehmen.

Eines ist völlig klar: Das ist ein Recht des Staates, das in einer säkularisierten Welt durchzusetzen ist, und nicht ein Recht der Kirche. Aber auch in diesem Spannungsverhältnis halten wir das hier aus. Bezüglich der juristischen Grundsätze gibt es überhaupt keine Meinungsunterschiede zwischen uns beiden. Aber in der Umsetzung werden wir das auch mit der gebotenen Rücksicht tun, solange die Kirchen das, was sie tun, mit der gebotenen Zurückhaltung tun. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei den GRÜ- NEN und von der Regierungsbank)

Herr Minister, es gibt eine Frage von Herrn Raue.

Herr Minister, ist das nicht das Gleiche wie, wenn jemand in den Supermarkt geht, den Supermarkt beraubt und es dann an die Armen verteilt? - Das,

was Sie beschreiben, ist doch nichts anderes. Sie machen Unrecht zu Recht, nichts anderes. Sie legitimieren Unrecht.

Also, ich würde einen Supermarkt nicht zwingend mit einer Kirche vergleichen wollen.

(Sebastian Striegel, GRÜNE, lacht)

Dieser Vergleich fällt mir als Christ außerordentlich schwer.

(Zustimmung bei den GRÜNEN, von Ga- briele Brakebusch, CDU, und von Guido Heuer, CDU)

Das ist auch insofern nicht vergleichbar, als das in dem Fall im Supermarkt ein vollendeter Diebstahl wäre, der verfolgbar wäre, während beim Kirchenasyl, solange diese Sechsmonatsfrist eingehalten wird, das Recht am Ende ja noch nicht ausgehebelt wird.

Ich sage Ihnen nochmals: Das sind Graubereiche, die wir uns mit einer, sage ich mal, gewissen Zurückhaltung auch unter dem Begriff Zumutung zumuten können. Nur, die Zumutung darf eben nicht zum Regelfall werden. Darin sind wir uns völlig einig.

(Zustimmung bei der CDU und von Sebas- tian Striegel, GRÜNE)

Es gibt keine weiteren Fragen. - Dann steigen wir jetzt in die Debatte ein. Es ist eine Redezeit von fünf Minuten je Fraktion vorgesehen. Für die SPD spricht die Abg. Frau Schindler. Frau Schindler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Tief im christlichen Glauben verankert ist es, Armen, Kranken, Benachteiligten und Flüchtlingen zu helfen. Dies tun die Kirchen auch aus der eigenen Geschichte der Verfolgung heraus. Dieser Glaube hat auch Eingang in unser Grundgesetz und in unsere Landesverfassung gefunden. Nicht zuletzt heißt es in der Präambel zum Grundgesetz: Im Bewusstsein der Verantwortung vor Gott und den Menschen haben wir uns dieses Grundgesetz gegeben.

(Zustimmung von Andreas Schumann, CDU)

Auch deshalb muss die Kirche weiterhin Beistand und Schutzraum bleiben. Es bleibt dabei - dies ist kein Widerspruch; ich bestätige es -: Die Bundesrepublik ist ein Rechtsstaat und wir haben ein rechtsstaatliches Asylverfahren.

(Robert Farle, AfD: Eben!)

Wir haben auch eine Härtefallkommission, so wie Sie, Herr Farle, es beschrieben haben. Aber gerade die angesprochenen Dublin-III-Fälle sind nicht Gegenstand der Härtefallkommission; sie werden dort nicht behandelt. - Aber zu dem Dublin-Verfahren kommen wir heute unter einem anderen Tagesordnungspunkt noch.

Das Kirchenasyl, wie es der Minister gerade dargestellt hat, ist ein transparentes Verfahren. Es geht nicht am Rechtsstaat vorbei, sondern es schafft lediglich die Zeit für eine nochmalige Überprüfung, um mit den Behörden gemeinsam eine Lösung zu finden, und zwar nicht wahllos, sondern in begründeten Einzelfällen.

Jüngst sagte der evangelische Bischof Markus Dröge in einem Gastbeitrag im Magazin „The European“:

„Gemeinden, die Kirchenasyl anbieten, stellen weder den Rechtsstaat infrage, noch verwenden sie dieses bewährte christlichhumanitäre Instrument systematisch als Mittel politischer Kritik.“

Kirchenasyl setzt keine andere Rechtsnorm als die in der Verfassung gegebene, aber es unterstellt, dass natürlich das staatliche Handeln im Einzelfall auch über Einzelrechtsnormen hinwegsehen kann.

Dass es sich um Einzelfälle handelt, belegen die Zahlen. Mit Stand vom 20. April 2017 gab es bundesweit 231 Kirchenasyle. Davon betroffen sind 239 Personen, darunter 143 Kinder. In SachsenAnhalt haben wir laut der gleichen Statistik vom 20. April 25 Fälle von Kirchenasylen zu verzeichnen.

Die gestiegene Zahl, die in der Vergangenheit dargestellt worden ist, hängt natürlich auch mit der gestiegenen Zahl von Flüchtlingen in unserem Land zusammen. Wenn allein im Jahr 2017 bis heute 222 000 Entscheidungen durch das BAMF getroffen worden sind, sehen Sie die Relation. Das ist ein ganz, ganz geringer Anteil von Einzelfällen.

Kirchgemeinden gewähren ihren Beistand öffentlich und gewaltfrei. Kirchenasyl wird durch Spendengelder finanziert. Unterkunft, Lebenshaltung, Krankenbehandlung und rechtliche Unterstützung müssen von der Gemeinde bereitgestellt werden. Schon allein deshalb gehen die Gemeinden sehr sorgfältig damit um.

Kirchenasyl gehört nicht abgeschafft. Ihr Antrag gehört abgelehnt. Ich beantrage die Zustimmung zu unserem Alternativantrag.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Es gibt keine Fragen. - Dann bitte ich Herrn Gallert von der LINKEN nach vorn. Herr Abg. Gallert, Sie haben das Wort.

Werter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD-Fraktion kommt mit tiefen Sorgenfalten auf der Stirn daher. Die Kirchen unterlaufen mit ihrem Kirchenasyl die Grundlagen unseres Rechtsstaates! Das Abendland ist in Gefahr,

(André Poggenburg, AfD: Richtig!)

deswegen muss die abendländische Tradition des Kirchenasyls radikal und endgültig ausradiert werden!

(André Poggenburg, AfD: Richtig!)

Das ist die Position der AfD zu diesem Thema, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(André Poggenburg, AfD: Alles Blödsinn!)

Im Grunde genommen stellt sich für unsereinen inzwischen schon fast die Frage: Kann man auf solche Positionen denn überhaupt noch mit Worten reagieren? - Aber wir sind ein Parlament, wir haben dazu keine Alternative,

(André Poggenburg, AfD: Doch, die Alter- native für Deutschland!)

also müssen wir uns damit auseinandersetzen. Man muss sich auch argumentativ mit solchen Dingen auseinandersetzen.

Ich sage ausdrücklich: Ja, über Kirchenasyl hätte man in diesem Landtag vielleicht vorher schon einmal reden müssen; denn Kirchenasyl ist tatsächlich ein wichtiger Fingerzeig für uns.

Was passiert dort eigentlich? - Da gibt es Menschen, die sich aus ihrer religiösen Identität, aus ihrem religiösen Wertegefüge heraus, aus tiefster Mitmenschlichkeit, aus Sorge, ja, aus - ich verwende sogar einmal dieses alte Wort - Mitleid bereit erklären, Zeit, Liebe und Geld dafür zu geben, dass Menschen nicht in eine unsichere, möglicherweise sogar tödliche Vergangenheit abgeschoben werden. Das ist das, was Kirchenasyl ausmacht. Ich bedanke mich namens meiner Fraktion ausdrücklich bei jeder einzelnen Gemeinde, die diese Form der Menschlichkeit zeigt, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nun stellt sich aber die Frage: Warum ist dieses Kirchenasyl denn notwendig? - Es ist deshalb notwendig, weil es in der Asylgesetzgebung der Bundesrepublik Deutschland in der Konsequenz

leider viel zu viele Fälle gibt, in denen Menschen zurück in eine lebensgefährliche, zumindest extrem bedrohliche Vergangenheit abgeschoben werden sollen oder, wie wir bei dem Dublin-IIIVerfahren wissen, in eine Perspektive, die in ungarischen Konzentrationslagern enden kann

(Oh! bei der AfD)