Protocol of the Session on April 6, 2017

(Beifall bei der CDU)

Das Strafgesetzbuch fällt in die Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung. Auf der Bundesebene - weder im Bundestag noch im Bundesrat - sind derartige Bestrebungen zu einer Novellierung des § 130 des Strafgesetzbuches nicht bekannt bzw. auch in naher Zukunft nicht ersichtlich. Ihr Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von der AfD, geht daher schon dem Grunde nach ins Leere.

Ich habe meine Zweifel daran, dass es dieser Erweiterung der Strafrechtsnorm um die Deutschen als Volk bedarf. Der Bundestag hat die Volksverhetzung unter Strafe gestellt und bereits in mehreren Gesetzesnovellen die Tatbestandsvoraussetzungen geändert, zuletzt vor ca. zehn Jahren.

§ 130 des Strafgesetzbuches kann auf eine weit zurückliegende Entstehungsgeschichte mit kriminalpolitischer Bedeutung zurückblicken. Dem Ursprung nach war die Anreizung zum Klassenkampf von der Strafnorm erfasst. Das Schutzgut ist vordergründig das Allgemeininteresse an einem friedlichen Zusammenleben im Staat.

Mit der Formulierung „nationale, rassistische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe“ usw. wird deutlich, dass herabwürdigende Äußerungen gegen gesellschaftliche Minderheiten besonders schützenswert sind. Hetze gegenüber Angehörigen von als minderwertig dargestellten Gruppen bringt eine Gefährlichkeit zum Vorschein, die es rechtfertigt, eine hohe Strafandrohung zu erwirken.

Zur Wahrung des öffentlichen Friedens gehört schlichtweg ein vernünftiges und faires Miteinander der Mehrheit der Bevölkerung mit den jeweiligen Minderheiten. Es darf gerade nicht sein, dass durch die Ausnutzung von Macht Minderheiten in unserer Bevölkerung unterdrückt werden.

(Beifall bei der CDU, bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Dass ein Rechtsstaat ein solches Vorgehen nicht duldet, wird mit der Strafrechtsnorm des § 130 des Strafgesetzbuches zum Ausdruck gebracht.

Diesen wesentlichen Aspekt der Schutzrichtung der Norm, nämlich den Minderheitenschutz, lässt der Antrag der AfD-Fraktion völlig außer Betracht. Deshalb halte ich den Antrag nicht für zielführend.

Rein verbale Äußerungen, wie sie im Antrag formuliert worden sind - ich zitiere beispielhaft: „Scheißdeutscher“ -, erfüllen den Straftatbestand der Beleidigung. Solche herabwürdigenden Äußerungen sind also unter die §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches zu subsumieren. Die mögliche Ahndung verbaler Entgleisungen nach den Beleidigungsdelikten halten wir für ausreichend. Einen weiteren Regelungsbedarf sehen wir nicht.

Im Übrigen sind für uns diese verbalen Entgleisungen überhaupt nicht zu tolerieren. Im Hinblick auf eine Leitkultur fordert meine Partei mehr Patriotismus. Für unsere Gesellschaft sind gemeinsame Selbstverständlichkeiten immanent.

Heimat und Weltoffenheit schließen sich nicht gegenseitig aus, sie verbinden sich vielmehr. Dazu gehört ebenfalls das Tragen von Symbolen unserer Nation. Nicht nur alle vier Jahre zur Weltmeisterschaft im Fußball sollten die Deutschlandfahnen die Balkons der Menschen im Land schmücken.

(Beifall bei der CDU)

Dass dies bei der grünen Jugend auf Unmut stoßen wird, ist mir bewusst. Aber das muss ich in Kauf nehmen.

Gleichwohl nehmen wir zur Kenntnis, dass die Volksverhetzung eine privilegierte Sonderbeleidigung darstellt. Die Volksverhetzung und die Beleidigung unterscheiden sich jedoch. In § 130 StGB ist ein Offizialdelikt geregelt. Das heißt, die Ermittlungsbehörde muss - im Gegensatz zur Beleidigung - im Falle des Vorliegens eines Anfangs

verdachtes auch ohne Anzeige des Betroffenen ermitteln.

Überdies ist die Volksverhetzung deshalb so gefährlich, weil Personen aufgrund von Religion, Herkunft oder Ethnie aus der Gesellschaft ausgegrenzt werden.

Hinzu kommt, dass Bürger mit volksverhetzenden Äußerungen gegenüber Personen einer auszugrenzenden Gruppe übergriffig werden. Im Kern geschieht dies in der Öffentlichkeit, zum Beispiel auf Kundgebungen, neuerdings allerdings zunehmend auch in Kommentaren in den sozialen Medien.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach dem Vorgenannten sind wir der Auffassung, dass eine Neufassung des § 130 des Strafgesetzbuches nicht erforderlich ist. Deshalb werden wir den Antrag der AfD-Fraktion ablehnen. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Abg. Kolze. Es gibt zwei Anfragen, nämlich von Herrn Tillschneider und von Herrn Raue. Möchten Sie sie beantworten? - Bitte, Herr Tillschneider.

Ich muss sagen, angesichts Ihrer Position zu unserem Antrag ist Ihr Bekenntnis zum Patriotismus ein reines Lippenbekenntnis.

(Beifall bei der AfD)

Ich bin schon sehr enttäuscht. Die CDU ist wirklich nicht mehr das, was sie einmal war. Ich will Ihnen einmal sagen, was einer Ihrer Kollegen im Jahr 2008 gesagt hat, nämlich der damalige Vorsitzende der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag Christean Wagner. Er hat im Jahr 2008 gesagt: Wenn hier einer „Scheißdeutscher“ sagt, dann hat er hier sein Aufenthaltsrecht verloren. Das war noch eine CDU!

(Beifall bei der AfD)

Das war keine Fragestellung, sondern eine Kurzintervention.

Ich würde trotzdem gern - -

Ich würde doch darum bitten, dass Sie vorher ein Signal geben, ob Sie eine Frage stellen möchten oder eine Kurzintervention. - Bitte, Herr Kolze.

Ich halte mich auch kurz. - Mir ist nicht ganz klar, ob Sie den Regelungsgehalt des § 130 des Strafgesetzbuches wirklich verstanden haben.

(Eva von Angern, DIE LINKE: Nein! - Cor- nelia Lüddemann, GRÜNE: Nein!)

Das ist ein Minderheitenschutz. Das, was Sie beschreiben, ist, wie ich es bereits sagte, unter die §§ 185 ff. zu subsumieren. Dazu bedarf es natürlich - das will ich einräumen - einer Rechtsprechung, die das auch entsprechend ahndet. Vielleicht ist das ein Punkt, an dem man den Finger in die Wunde legen könnte.

(Zuruf von Daniel Roi, AfD)

Denn ich bin auch der Meinung, dass derartige Entgleisungen durch uns, auch als Parlamentsmitglieder, nicht zu tolerieren sind.

(Zustimmung von Markus Kurze, CDU)

Herr Raue, bitte. Eine Frage? - Bitte immer signalisieren.

Ja, das ist eine Frage. - Die Minderheit ist eigentlich immer in der Vorstellung der schwächere Teil der Gesellschaft.

(Stefan Gebhardt, DIE LINKE: Die Minder- heit ist weniger als die Mehrheit!)

Ich sehe auch häufig, dass Clans zum Beispiel auch so auftreten, als stellten sie die Mehrheit. Das möchte ich voranstellen.

(Lachen bei und Zurufe von der LINKEN)

Aus meiner Sicht trifft es den § 130 StGB - -

(Daniel Roi, AfD: Die GRÜNEN vor allem!)

Lassen Sie doch erst einmal Herrn Kolze - - Einen kleinen Moment, Herr Raue. - Geben Sie Herrn Kolze zumindest die Möglichkeit, die Frage - aber stellen Sie bitte auch eine Frage - überhaupt zu hören.

Genau. - Aus meiner Sicht können Sie § 130 also auch darauf beziehen. Das will ich voranstellen. Aber ich möchte Sie gern fragen, wie Sie denn selbst zu dem Urteil stehen, das das Hamburger Gericht in Bezug auf den Begriff „Köterrasse“ gesprochen hat, der Sie ja auch angehören, und wie Sie sich so fühlen als Köter.

(Unruhe)

Ich kann Ihnen eines sagen: Ich fühle mich mitnichten als Köter. Mitnichten! Ich habe als Demokrat eines verinnerlicht: dass ich die Rechtsprechung respektiere, auch wenn ich ihr vielleicht nicht in vollem Umfang folgen kann. Ich habe mir zudem die Auffassung zu eigen gemacht, dass es unanständig ist, Richterschelte oder Ähnliches zu betreiben. Daher kann ich Ihnen leider keine andere Antwort darauf geben.

(Beifall bei der CDU - Alexander Raue, AfD: Wir sind aber der Gesetzgeber!)

Vielen Dank, Herr Kolze. - Wir kommen zum nächsten und letzten Debattenredner, Herrn Kirchner von der AfD-Fraktion. Sie haben das Wort, Herr Abgeordneter.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Sehr geehrte Abgeordnete! Hohes Haus! „Deutschland verrecke!“, „Nie wieder Deutschland!“ oder „Alles Gute kommt von oben“, „Bomber Harris, do it again!“ - viel zu oft gehört, niemals irgendwie irgendwann irgendwo ernsthaft strafrechtlich verfolgt.

(Beifall bei der AfD - Dr. Hans-Thomas Till- schneider, AfD: Pfui!)

Allein diese Tatsache zeigt, dass der Antrag auf Neufassung des § 130 StGB, also des Tatbestandes der Volksverhetzung, gerade in Zeiten wie diesen mehr als notwendig erscheint.

Wenn der Tatbestand der Volksverhetzung dazu verkommt, ihn als Wahlkampfmittel oder als Mittel gegen unliebsame politische Gegner zu missbrauchen, sollte jeder Demokrat aufsehen und genauestens verfolgen, ob dieses Mittel der Strafverfolgung die richtige Anwendung findet.