- Ja, natürlich ist das dann eine Fähre und kein Flüchtlingsboot mehr. Aber dafür müssen ja Voraussetzungen geschaffen werden.
Europa muss das gemeinsam regeln, ob uns das gefällt oder nicht. Wir brauchen eine geordnete Zuwanderung in die Europäische Union. Deshalb will ich mit folgendem Satz schließen: Hilfe geben, Verantwortung wahrnehmen, Menschlichkeit bewahren - meine Damen und Herren, das gilt nicht nur in Sachsen-Anhalt, sondern das gilt auch im Mittelmeer.
Danke schön, Frau Kollegin Budde. - Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN die Abgeordnete Frau Professor Dr. Dalbert.
Wir können als weitere Gäste Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule „Unteres Geiseltal“ Braunsbedra im Hohen Haus begrüßen. Willkommen im Hohen Haus!
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Tröglitz ist überall? - Nein, Herr Ministerpräsident, nicht überall sind die NPD und andere Rassisten so gut gerüstet, sich die Ängste der Menschen zunutze zu machen. Aber überall finden wir Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Ausgrenzung von Menschen, die vermeintlich anders sind als die Menschen, die sich von ihnen bedroht fühlen. Überall ist Rassismus leicht zu entzünden, weil Rassismus wieder salonfähig geworden ist. Rassismus ist kein Tabu mehr.
Dass es so ist, liegt eben auch in der Verantwortung von Politikerinnen und Politikern. Damit meine ich nicht nur die vom rechten Rand, die Nazis und die AfD. Damit meine ich auch die Politikerinnen und Politiker, die im Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung nur von Kosten sprechen. - Ja, es entstehen Kosten. Es muss geklärt werden, welche Schultern in welcher Höhe Kosten schultern müssen.
Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, es kommen doch vor allem Menschen in Not zu uns, Menschen, die vor Hunger und Krieg zu uns fliehen, Menschen, die alles verloren haben. Viele sind von dem, was sie erlebt haben, traumatisiert. Es sind Kinder, denen in ihrer Heimat die Zukunft geraubt wurde. Es sind Familien, die auf eine neue Zukunft bei uns hoffen. An dieser Stelle ist unsere Mitmenschlichkeit gefragt, diesen Menschen zu helfen.
Zum Tabubruch Rassismus tragen auch jene Politikerinnen und Politiker bei, die zulassen, dass das Mittelmeer zum Massengrab wird, auch die Politikerinnen und Politiker, die für die Abschaffung der Seenotrettung „Mare Nostrum“ gestimmt haben, mit der immerhin Zehntausende Flüchtlinge im Mittelmeer gerettet wurden.
Herr Ministerpräsident, ich bin Ihnen dafür dankbar, dass Sie sich heute Morgen dafür ausgesprochen haben, ein solches Seenotrettungsprogramm weiterzuführen.
In den letzten sieben Tagen sind vermutlich mehr als Tausend Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Es macht mich fassungslos und betroffen, dass angesichts dieses Flüchtlingsdramas der Innenminister Thomas de Maizière und die Bundeskanzlerin Angela Merkel vor allem mit den Worten zitiert werden, man müsse jetzt entschieden gegen die Schleuserbanden vorgehen.
Dazu sage ich Ihnen ganz klar: Die Fluchthelfer sind nicht das Problem. Vielmehr entsteht das Problem dadurch, dass wir die Menschen nicht legal zu uns einreisen lassen.
Ich frage Sie, auch Sie, Herr Schröder: Welchen Wert menschlichen Lebens vermittelt Politik, wenn sie angesichts einer solchen Tragödie so reagiert?
Es ist unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker, klar zu sagen: Wir haben an dieser Stelle eine mitmenschliche Pflicht und dieser humanitären Verpflichtung werden wir entschieden nachkommen.
Wir müssen mit mehr Transparenz Vertrauen schaffen. Wir müssen beharrlich vor Ort Sorgen entkräften. Dies ist eine gemeinsame Herausforderung für den Staat und die Zivilgesellschaft. Davon kann sich keine Gemeinde in Sachsen-Anhalt ausnehmen. Dort, wo geeignete Liegenschaften vorhanden sind, muss gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort über das Wie der Unterbringung von Asylsuchenden und Flüchtlingen gesprochen werden. Das Ob darf dabei nicht infrage stehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist unsere Verantwortung als Politikerinnen und Politiker, ebenso klar zu sagen: Jeder Mensch, der zu uns kommt und hier bei uns in Sachsen-Anhalt
Dies umfasst alle Menschen, die zu uns kommen, die Einwanderung aus den Staaten der Europäischen Union, die Einwanderung aus Drittstaaten, die Einwanderung von Menschen, die im Rahmen des Familiennachzugs zu uns kommen, ebenso wie die humanitäre Einwanderung. Alle sind uns willkommen, weil wir allein nur sehr schwer unsere Zukunft gestalten können.
Eine Kosten-Nutzen-Rechnung, nach der weniger Asylbewerber und -bewerberinnen mehr Geld in den Kassen von Land und Kommunen bedeuten, verkennt die wirkliche Lage. Die wahren Kosten werden durch Vorfälle wie in Tröglitz verursacht, die die Botschaft senden, bei uns seien Einwanderer nicht willkommen.
Die wahren Kosten entstehen auch durch Menschen, die zu uns kommen, um bei uns zu leben, und Sachsen-Anhalt am Ende verlassen. Beispielhaft ist der syrische Asylbewerber zu nennen, der Sachsen-Anhalt verlässt, um in Hessen als Arzt zu arbeiten, oder der Flüchtling, der uns verlässt, um in Niedersachsen als Lehrer zu arbeiten. Diese Beispiele zeigen: Unsere Integrationspolitik ist noch nicht gut genug.
Es ist ein erster Schritt, dass die Menschen zu uns kommen, um mit uns zu leben, aber sie müssen auch erfolgreich integriert werden. Die Förderung der deutschen Sprache für Kinder und Erwachsene vom ersten Tag, gute Schulkarrieren, die rasche Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse und die dezentrale Unterbringung von Flüchtlingen und Asylsuchenden in Wohnungen - all das sind zentrale Bausteine einer gelingenden Ankommenskultur.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir leben in Sachsen-Anhalt in einem Landstrich, der seit beinahe 70 Jahren ausschließlich durch Abwanderung gekennzeichnet war. Wenn wir dem nicht entgegensteuern, dann werden wir weniger werden und damit werden auch die Menschen weniger, die in der Lage sind, Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen. Auch deswegen sage ich Ihnen: Zukunft gibt es nur gemeinsam.
Deswegen lassen Sie mich zum Schluss wiederholen: Wir haben eine mitmenschliche Pflicht gegenüber Flüchtlingen. Und: Jeder, der zu uns kommt, um hier bei uns zu leben, ist ein Geschenk für Sachsen-Anhalt. Lassen Sie uns diese beiden Botschaften heute gemeinsam in das Land senden!
Danke schön, Kollegin Dalbert. - Als Nächster spricht für die CDU Herr Fraktionsvorsitzender Schröder.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt zu viele Flüchtlinge, sagen die Menschen. Es gibt zu wenig Menschen, sagen die Flüchtlinge. Dieser Aphorismus beschreibt möglicherweise ganz gut das Spannungsfeld, in dem die heutige Regierungserklärung gehalten worden ist.
Ich möchte für meine Fraktion zu Beginn meiner Rede feststellen, dass die Landesregierung in den letzten Wochen und Monaten - erst recht nach dem feigen Brandanschlag von Tröglitz - klar Position bezogen hat. Sie hat in unzähligen Gesprächen um Finanzierungsfragen, Abstimmungen zu Integrationsmaßnahmen oder Klarstellungen beim Versammlungsrecht - viele dieser Themen haben zahllose Gespräche bestimmt - Gesicht gezeigt.
Die Landesregierung hat gehandelt und klar Position bezogen. Ich möchte ausdrücklichen den Dank meiner Fraktion insbesondere dem Ministerpräsidenten und dem Innenminister dieses Landes aussprechen.
Sehr geehrter Kollege Gallert, mehr als der Ministerpräsident in diesen Tagen integriert hat, könnte dies auch kein Integrationsminister eines Bundeslandes leisten.
Es ist ganz klar: Es darf kein Zurückweichen vor Gewalt geben. Menschen, die unseren Schutz brauchen, sind in diesem Land willkommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die CDU-Landtagsfraktion bekennt sich klar zu diesem humanitären Flüchtlingsschutz. Wir haben aus den Töpfen im Landeshaushalt Mittel in Höhe von ca. 63 Millionen € zur Verfügung. Wir wissen, wenn
die Zahl der Asylsuchenden weiter ansteigt, dann müssen wir über eine Finanzierungslücke reden und möglicherweise im vierten Quartal Lösungen finden.
Für meine Fraktion gilt - meine Vorrednerin Katrin Budde hat es bereits gesagt -, wir wollen die Kostenerstattung für die Bewältigung der gesetzlichen Vorgaben trotz der steigenden Flüchtlings- und Asylbewerberzahlen sicherstellen. Keine Kommune soll geplante Vorhaben zurückstellen müssen, weil sie sich bei dem Thema Unterbringung und Betreuung Asylsuchender alleingelassen fühlt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Möglicherweise müssen wir auch noch über andere Formen der Entlastung reden oder diese zumindest ernsthaft prüfen. Denkbar wäre eine Aufwandsreduzierung auf kommunaler Ebene, zum Beispiel auch dadurch, dass man Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern oder diejenigen, die nach dem geltenden Dublin-Abkommen in Deutschland keinen Antrag stellen dürfen, nicht erst auf die Kommunen verteilt. Inwieweit neue Kapazitäten für eine zentrale Aufnahmestelle benötigt werden, wäre mindestens zu untersuchen.