Die Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage meiner Kollegin Edeltraud Thiel-Rogée in der Drs. 6/3053 zu dem Umfang bisheriger Anerkennungsmaßnahmen veranlasst mich doch noch zu der folgenden Überlegung:
Die Zahl der Anträge, die in verschiedenen Bereichen, unter anderem auch im Lehrerbereich, aber auch bei anderen Berufen eingegangen sind, ist gemessen an der Gesamtbeschäftigung relativ gering. Ich sehe hier noch zu erschließende Chancen für eine weitere gesellschaftliche Internationa
lisierung. Es ist durchaus ein Nachteil, dass an den Schulen Sachsen-Anhalts nur so wenige Lehrkräfte aus dem Ausland arbeiten.
Ein Mehr an Mitbürgerinnen und Mitbürgern mit ausländischen Wurzeln in Berufen, die das gesellschaftliche und kulturelle Leben in besonderem Maße prägen, hätte sicherlich einen wohltuenden Einfluss in verschiedener Hinsicht.
Die Umsetzung des neuen Gesetzes sollte ferner dazu führen, Impulse auszulösen, um aktiv mehr zu tun für Internationalität, für kulturelle Vielfalt, zur Öffnung zu anderen Perspektiven und Erfahrungen. Es war an der Zeit, dass ein solches Gesetz endlich in Sachsen-Anhalt beschlossen wird. Seine Wirksamkeit wird sich in den nächsten Jahren beweisen müssen. Ein Evaluierungszeitraum ist vereinbart. Dann werden wir sehen, in welchen Fällen nachgebessert werden muss. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Kollege Dr. Thiel. - Für die CDU spricht jetzt Herr Thomas. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit dem sogenannten Berufsanerkennungsgesetz machen wir heute, wie ich meine, einen entscheidenden Schritt zu einer besseren Vergleichbarkeit und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse und zur Deckung des hiesigen Fachkräftebedarfs.
Meine Damen und Herren! Wir nehmen mit diesem Gesetz auch eine entscheidende Weichenstellung vor; denn es geht um nicht mehr und um nicht weniger als um sehr gute Rahmenbedingungen für unsere Wirtschaft im internationalen Wettbewerb in Europa und darüber hinaus.
Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, wir können unsere zukünftigen Fachkräfte aus drei Säulen rekrutieren, zum einen aus dem Nachwuchs, aus den jungen Menschen, die in Deutschland zur Welt kommen und sich hier ausbilden lassen. Aber wir müssen feststellen, dass die derzeitige Zahl von knapp 700 000 Geburten pro Jahr nur die Hälfte von einstigen geburtenstarken Jahrgängen darstellt. Das heißt, das Reservoir ist endlich.
Wir wissen auch - das ist die zweite Säule -, dass sich viele Arbeitskräfte und Arbeitnehmer über 50 Jahre in Arbeitsmaßnahmen befinden. Auch ihre Anzahl ist übersichtlich. So bleibt nur noch eine dritte Säule, nämlich die Säule derjenigen, die aus anderen Ländern, aus anderen Regionen zu uns kommen, um uns zu helfen und um hier ihren Lebensmittelpunkt zu finden.
Wir kennen diese demografischen Probleme und müssen darauf reagieren. Deswegen denke ich schon, dass wir es mit diesem Gesetz schaffen, für eine Transparenz zu sorgen, die zeigt, dass ausländische Arbeitskräfte nicht nur willkommen sind, sondern dass wir auch von einer Willkommenskultur reden. Wir haben das bereits gehört.
Dabei geht es nicht nur um eine betriebliche Integration der ausländischen Fachkräfte, sondern es geht auch um eine gesellschaftliche Integration. Diese muss von Anfang an gut funktionieren. Dabei ist Transparenz angesagt. Der Bewerber muss wissen, was ihm hier blüht, was er hier kann und was er hier leisten darf. Das muss vorher geklärt werden. Dafür soll dieses Gesetz Hilfestellung geben.
Vom Kollegen Tögel haben wir bereits gehört, dass dieses Gesetz recht kompliziert ist. Denn es geht um viele unterschiedliche Abschlüsse. Es geht um viele unterschiedliche Zertifikate, die man bewerten muss und die man vor allen Dingen auch in die Systematik der deutschen Unterlagen und der deutschen Abschlüsse einordnen muss.
Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen, das Sie alle kennen. Ich gehe davon aus, dass Sie alle einen Führerschein haben. Sie werden sich nicht wundern, wenn ich Ihnen erzähle, dass es in Europa über 110 verschiedene Führerscheinmodelle gibt. Das heißt, ob nun in Riga oder in Lissabon, es zeigt jeder einen anderen Führerschein und möchte, dass dieser Führerschein anerkannt wird, und möchte dokumentieren können, dass er mit diesem Schein Auto fahren darf.
Was ich an diesem Beispiel, das wir alle nachvollziehen können, exemplarisch dargestellt habe, betrifft auch die Berufsabschlüsse. Es ist ein Unterschied, ob Sie in Spanien Elektriker werden oder in Deutschland. In Spanien erlernen Sie diesen Beruf über zwei Jahre, in Deutschland über mindestens drei Jahre.
Außerdem gibt es Hürden, die nicht nur im fachlichen Bereich liegen, sondern auch im sprachlichen Bereich. Natürlich muss jemand, der hier arbeitet, Deutsch sprechen, aber nicht nur das Alltagsdeutsch, sondern auch das Fachdeutsch. Er muss die Fachbegriffe kennen. Das muss man den Menschen sagen. Wir wollen mit den Menschen durchstarten. Deswegen müssen wir sie im Vorfeld startklar machen. Dazu soll dieses Berufsanerkennungsgesetz dienen und helfen.
Natürlich wollen wir den Menschen helfen und sie unterstützen, bevor sie hierher kommen. Sie sollen an ihrem derzeitigen Wohnort bereits Klarheit darüber bekommen, was wir in Sachsen-Anhalt und in Deutschland von den Fachkräften erwarten. Deswegen haben wir in § 20 des Gesetzentwurfes einen Beratungsanspruch formuliert. Wir wollen den Leuten so weit und so gut es geht helfen,
damit sie, wenn sie hier sind, möglichst viele Voraussetzungen erfüllt haben, um hier entsprechend ihrer Qualifikation auch Beschäftigung zu finden. Es nützt uns herzlich wenig, wenn wir diesen Menschen Arbeitsplätze unterhalb ihrer Qualifikation anbieten. Sie sollen das machen, was sie können und was sie leisten wollen. Das ist für uns als CDU-Fraktion auch sehr wichtig.
Meine Damen und Herren! Dass die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf ein Mammutprogramm waren, haben Sie bereits gehört. Fünf Ausschüsse waren hieran beteiligt. Die fachliche Beratung war sehr konstruktiv. In der zeitlichen Abarbeitung konnten wir nicht so schnell vorankommen, wie ich es mir persönlich gewünscht hätte. Aber das muss man akzeptieren. Denn letztlich wollen wir ein Gesetz vorlegen, das handhabbar ist und das sich in der Praxis auch bewährt. Nicht zuletzt galt es auch, zwölf Einzelgesetze zu bewerten und auf den Weg zu bringen.
Meine Damen und Herren! Dieses Berufsanerkennungsgesetz ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Wir wissen, dass es gerade bei den Berufsbildern und bei den Fachkräften immer wieder neue Richtlinien, neue Herausforderungen und neue Bedingungen gibt. Deswegen sehe ich dieses Gesetz als ein sehr dynamisches Gesetz an. Deswegen werden wir es auch in kurzer Zeit evaluieren. Ich freue mich bereits auf die Beteiligung der Kammern und der Verbände. Die Ingenieurkammer wurde bereits erwähnt. Ich hoffe auf einen weiteren konstruktiven Beratungsvorgang, um damit insbesondere im Ingenieurwesen, um das exemplarisch zu nennen, die gewünschte Transparenz und Leistungsfähigkeit sicherzustellen.
Herr Präsident! Eines möchte ich noch sagen, auch wenn meine Zeit bereits abgelaufen ist. Bei der Anerkennung anderer Berufsabschlüsse oder ausländischer Qualifikationen wollen wir nicht von deutschen Standards und Qualifikationen abrücken. Ich denke, wir haben in Deutschland gute Standards und gute Ausbildungsniveaus. Diese wollen wir halten. Daher rufe ich alle, die zu uns kommen wollen, auf, diese Ansprüche zu erfüllen. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Kollege Thomas. Zum Glück war nur Ihre Redezeit abgelaufen. - Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Professor Dalbert. Bitte schön.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In Sachsen-Anhalt leben mehr als 40 000 Migranten und Migrantinnen. Ihr Anteil an der Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten beträgt
weniger als 1 %. Jeder fünfte Migrant verfügt über einen Hochschulabschluss. Diese wenigen Angaben deuten sehr gut an, worum es bei dem Gesetz über die Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen geht.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN meint, dieses Gesetz ist eine wesentliche Säule der Willkommenskultur in Sachsen-Anhalt.
Deswegen ist es gut, dass es heute endlich vorliegt. Wir haben bereits gehört, dass wir viele Jahre auf die erste Lesung des Gesetzentwurfes warten mussten. Wir haben noch einmal zehn Monate warten müssen, bis die Endfassung vorliegt, die heute auch nur deswegen vorliegt, weil alle Abgeordneten willens waren, das Gesetzesvorhaben in Sondersitzungen auf den Weg zu bringen. Wir sind damit eines der letzten, wenn nicht sogar das letzte Bundesland, das ein solches Gesetz heute beschließen wird.
Die Frage ist, ob das Gesetz sein Ziel erreichen wird, dass mehr Menschen ihre berufliche Qualifikation in unserem Land einbringen können. Wenn man sich diese Frage stellt, dann ist es gut, auf die Randbedingungen des Gesetzes zu schauen, die für alle Berufe gelten. Ich denke, an dieser Stelle ergibt sich ein gemischtes Bild.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN war es von Anfang wichtig - das wurde uns auch von den Partnern vor Ort gespiegelt, dass dies wichtig ist -, dass es einen Beratungsanspruch gibt, dass der Beratungsanspruch im Gesetz festgeschrieben wird, dass die Menschen, die hier ihre beruflichen Qualifikationen anerkannt bekommen wollen, Beratung aus einer Hand bekommen, also nicht an viele verschiedene Türen klopfen müssen, sondern von einer Stelle von Anfang bis Ende begleitet werden. Das ist zum einen ein Zeichen dafür, dass wir es ernst meinen mit dem Willkommen in SachsenAnhalt. Zum anderen wird dadurch aber auch viel Bürokratie reduziert, weil aus einer Hand dazu beraten wird, dass die richtigen Unterlagen vollständig vorliegen. Das spart Frust auf beiden Seiten.
Deshalb hatten wir einen Änderungsantrag dazu vorgelegt. Ich freue mich sehr, dass es BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gelungen ist, CDU und SPD von diesem Beratungsanspruch zu überzeugen. Sie haben unseren Vorschlag nahezu wortgleich übernommen.
Deswegen haben wir dann unseren Antrag auch zurückgezogen und Ihrem Antrag sehr gern zustimmt. Ich denke, es ist eine richtig gute Sache, dass dieser Beratungsanspruch jetzt im Gesetz verankert ist.
Hinsichtlich der Kostenseite sieht das Bild dann anders aus. Wir halten zwei Punkte des Gesetzes für unzureichend. Wir haben eine ausführliche
Debatte über die Gebühren geführt. Das Gesetz ist jetzt so gestaltet, dass Gebühren bis zu einer Höhe von 600 € anfallen können. Wenn man bedenkt, dass die Mehrzahl der Menschen, die hier einen solchen Antrag stellen werden, Arbeit suchend ist und über kein eigenes Einkommen verfügt, dann sind 600 € wirklich sehr viel Geld.
Wenn man dazu bedenkt, dass auch leicht Beträge von mehr als 1 000 € zusammenkommen können, um die Zeugnisse zusammenzusuchen, übersetzen und beglaubigen zu lassen und um möglicherweise noch Unterlagen im Heimatland zu besorgen, dann entsteht tatsächlich ein sehr hoher Betrag, den viele der potenziellen Antragsteller nicht schultern können.
Deswegen haben wir vorgeschlagen, dass die Gebühren nach sozialen Gesichtspunkten gestaffelt werden können. Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat an dieser Stelle eine sehr klare Haltung. Wir möchten nicht, dass in Sachsen-Anhalt auch nur ein einziger Antrag an den Gebühren scheitert.
Dann gibt es häufig Teilanerkennungen. Man sagt also, ja, wir können uns das vorstellen und wesentliche Teile erkennen wir auch an; aber es muss eine Nachschulung geben. Dann kommen natürlich noch einmal ganz andere Beträge auf die Kandidaten zu.
Deswegen wollen wir, dass ein Stipendienprogramm aufgelegt wird. Im Kern entstehen dem Land dadurch keine Kosten, weil ein Stipendium zurückgezahlt wird, wenn die Leute am Ende ihren Beruf anerkannt bekommen und damit in die Lage versetzt werden, Geld zu verdienen und das Stipendium zurückzuzahlen. Auch das wurde von der Mehrheit von CDU und der SPD abgelehnt.
Ich finde beides sehr bedauerlich. Deswegen ist das der Gegenstand unseres Änderungsantrages, den wir hier heute mit der Bitte einreichen, das doch noch einmal in Ihrem Herzen zu bewegen, damit wir es wirklich allen möglich machen, ihre Berufsqualifikation bei uns in unsere Gesellschaft einzubringen, und damit keiner an finanziellen Hürden scheitert. - Herzlichen Dank.
Vielen Dank, Frau Professor Dr. Dalbert. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt Frau Dr. Pähle. Bitte schön - Entschuldigung. Ich habe es mir zwar aufgeschrieben, aber dann trotzdem vergessen. Frau Thiel-Rogée - das ist so ein schöner Name - würde Sie gern etwas fragen.
Ich möchte Frau Dalbert eine Frage stellen, weil ich davon ausgehe, dass Sie das wahrscheinlich wissen. In der vorletzten Legislaturperiode gab es mehrere sporadische Diskussionen über den Europäischen Qualifikationsrahmen. Weil ich es wirklich nicht mehr weiter verfolgt habe, lautet meine erste Frage, ob dieser denn inzwischen abgeschlossen worden ist.
Die zweite Frage bezieht sich auf das Gesetz. Welche Rolle spielt der Europäische Qualifikationsrahmen bei der Bewertung der beruflichen Qualifikationen? Spielt er innerhalb des Gesetzes überhaupt eine Rolle oder war das einfach nur eine Beschäftigung?
Das ist eine interessante Frage. Soweit ich weiß, sind da die Zuordnungen abgeschlossen. Ich kann keinen direkten Bezug erkennen.
Es gibt natürlich einen indirekten Bezug. Stellen Sie sich vor, dass zum Beispiel der Meisterabschluss dem Abitur, also der Studierfähigkeit, gleichgesetzt wird. Jemand, der einen Meistertitel hat, kann also unabhängig von seinem Beruf und seinem Schulabschluss aufgrund des Meistertitels an die Universität gehen und studieren, was immer er will. Das ist eine Folge dieser Gleichsetzung.
Jetzt können Sie sich natürlich vorstellen, dass jemand aus dem Ausland kommt und sagt, ich bin dem Meister gleichzusetzen und darf hier studieren. Aber einen direkten Zusammenhang sehe ich nicht.