Herr Präsident! Ich hoffe, dass bei der Beratung dieses wichtigen Anliegens später mehr Kollegen der anderen Fraktionen zugegen sein werden. Wie heißt es so schön: Die Hoffnung stirbt zuletzt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mit unserem Antrag mit dem Titel „Interkommunale Funktionalreform endlich auf den Weg bringen“
- offensichtlich brauchen einige Kollegen noch etwas Zeit, um sich zu positionieren - greifen wir ein Anliegen erneut auf, das wir und auch die kommunalen Spitzenverbände bereits in den vergangenen Legislaturperioden - zum Beispiel mit dem in der 68. Sitzung am 17. Januar 2002 gefassten Beschluss des Landtags in der Drs. 3/5222 - immer
In dieser Wahlperiode streben auch SPD und CDU laut Koalitionsvertrag eine interkommunale Funktionalreform mit dem Ziel der orts- und bürgernahen Erledigung der dafür zweckmäßigen Aufgaben an, um die Rathäuser zum Eingangsportal für möglichst viele Bürgeranliegen zu machen. Dafür sollen - so der Koalitionsvertrag - kooperative Ansätze zwischen den Gebietskörperschaften durch die Gesetzgebung weiter befördert und durch geeignete Anreize unterstützt werden.
Hoffnungsvoll blickten wir also zu Beginn der Legislaturperiode in Richtung Landesregierung. Diese forderte die kommunalen Spitzenverbände zunächst auf, sich ihrerseits auf einen Aufgabenkatalog zu einigen. Bereits mit Datum vom 10. April 2012 - also vor anderthalb Jahren - legten die kommunalen Spitzenverbände dem Ministerium für Inneres und Sport gemeinsame Vorschläge dazu vor.
In ihrem Schreiben an das Ministerium wiesen sie unter anderem darauf hin, dass die in der vom Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt im Jahr 2008 vorgelegten Liste enthaltenen Vorschläge zur Fahrerlaubnisbehörde, zur unteren Denkmalschutzbehörde sowie zur unteren Bauaufsichtsbehörde gestrichen werden.
Neu aufgenommen wurden unter anderem Zuständigkeiten in den Bereichen der Kinderbetreuung, des Wohngeldes, des Verkehrs sowie des Rechts und der Sicherheit und der Ordnung. Für das Gelingen der Reform gaben der Landkreistag und der Städte- und Gemeindebund zu bedenken, dass bedeutsame Folgefragen, insbesondere der Mehrbelastungsausgleich gemäß Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung und ein gegebenenfalls erforderlicher Personalübergang, im Rahmen der Erarbeitung eines Gesetzentwurfes zu klären wären.
Meine Damen und Herren! Erst auf Nachfrage erfuhr der Landtag am 20. Juni 2013, dass das Ministerium für Inneres und Sport auf der Staatssekretärskonferenz am 22. April 2013 den Entwurf eines Gesetzes zur interkommunalen Funktionalreform und zur Entlastung der Kommunen vorgestellt hat und dass darin die Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände vollständig eingearbeitet worden seien.
In der erwähnten Landtagssitzung kündigte der Herr Innenminister an, dass der entsprechende Gesetzentwurf dem Landtag demnächst zugehen werde, dass er sich jedoch noch in der Ressortabstimmung befinde. Das Warten hat sich bisher nicht gelohnt. Dies unterstrichen insbesondere auf negative Weise die Sitzungen der Enquete-Kommission des Landtags am 11. Oktober 2013 und am 8. November 2013, als es in den Anhörungen
zum Themenschwerpunkt 1 um den notwendigen Struktur- und Aufgabenwandel in der öffentlichen Verwaltung ging.
Die Ergebnisse zeigen, dass bisher nicht viel geschehen ist. Insbesondere die Zurückhaltung der Landesregierung, wenn es um die Umsetzung der im Koalitionsvertrag enthaltenen selbstgesteckten Ziele geht, muss an dieser Stelle schon verwundern.
Sehr geehrte Damen und Herren! Mit unserem Antrag holen wir dieses Thema auf die Ebene der Landespolitik zurück. Dies tun wir auch, weil es uns notwendig erscheint, dass sich der Landtag mit seiner Mehrheit gegenüber der Landesregierung zum Grundsatz der Subsidiarität und zu einer interkommunalen Funktionalreform bekennt, die die orts- und bürgernahe Erledigung der hierfür zweckmäßigen Aufgaben ermöglicht, um die Rathäuser tatsächlich zum Eingangsportal für möglichst viele Bürgeranliegen zu entwickeln und die kommunale Leistungsfähigkeit zu steigern.
Dazu sind die gemeinsamen Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände als Grundlage zu begrüßen, die eine Konsensliste mit den Aufgaben vorlegten, die von den Landkreisen auf die kreisangehörigen Gemeinden übergehen könnten.
Notwendig erscheint zudem, dass der Landesregierung nach mehr als zweieinhalb Jahren Stillstand eine Frist gesetzt wird und dass diese vom Landtag verbindlich aufgefordert wird, dem Landtag auf der Grundlage der gemeinsamen Vorschläge der kommunalen Spitzenverbände bis Ende des ersten Quartals 2014 einen Gesetzentwurf zur interkommunalen Funktionalreform in Sachsen-Anhalt vorzulegen.
Dem Grundsatz der Subsidiarität folgend, könnten durch eine interkommunale Funktionalreform in Sachen-Anhalt vorhandene Leistungspotenziale besser ausgeschöpft werden, ohne die Notwendigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen der Landes- und der Kommunalverwaltung aus den Augen zu verlieren.
Meine Damen und Herren! Große Strukturreformen liegen hinter den Kommunen in Sachsen-Anhalt. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Kreis- und Gemeindegebietsreform. Notwendig erscheint hiernach eine Atempause, um die notwendige gemeindliche Identität zu entwickeln, die in den neuen größeren Strukturen oftmals noch nicht vorhanden ist. Schwerpunkt sollten daneben die kommunale Konsolidierung und die Binnenmodernisierung vor Ort sein.
Die interkommunale Zusammenarbeit bietet dafür viele Ansatzpunkte, insbesondere wenn es um die Überwindung eines gewissen Kirchturmdenkens und um die Steigerung der Leistungsfähigkeit in den Gemeinden und Städten geht.
Meine Damen und Herren, Sie wissen, dass die interkommunale Funktionalreform für die gemeindliche Ebene eine grundsätzliche Bedeutung hat. Würde sie in dieser Wahlperiode ausfallen, wäre die Gemeindegebietsreform, die eine Steigerung der Leistungsfähigkeit ermöglichen sollte, ohne inhaltliche Begründung.
Aus dem Blickwinkel der Kommunen ist es letztendlich auch eine Frage der Glaubwürdigkeit, wie sich die Überlegungen zur Gemeindegebietsreform im Ergebnis weiterentwickeln.
Dass dieser Grundsatz auch für die Funktionalreform zwischen dem Land und den Landkreisen zutrifft, wird sicherlich von keiner Fraktion im Landtag ernsthaft bestritten. An dieser Stelle sei auf die Drs. 6/2573 mit dem Titel „Unverzüglich das Personalentwicklungskonzept zum Personalmanagementkonzept qualifizieren“ verwiesen. Wir werden diesen Prozess, der maßgeblicher Gegenstand der Siebenten Enquete-Kommission ist, sehr genau verfolgen und durch unser Zutun inhaltlich anreichern.
- Ja, das soll es geben. - Sehr geehrte Damen und Herren! Wir vertreten die Auffassung, dass alle alltäglichen Anliegen, Bedürfnisse und Wünsche von Bürgerschaft und Wirtschaft auf der örtlichen Ebene gebündelt sein sollten. Mit Blick auf die Möglichkeiten moderner Informationstechnik bestünde unabhängig von den formalen Zuständigkeiten bereits heute die Chance, viele Bürgeranliegen in den Rathäusern zu bearbeiten, die ansonsten im Landratsamt an erster Stelle vorgetragen werden, aber auch Anliegen, die die unmittelbare Landesverwaltung betreffen.
Notwendig erscheinen mir weitere Überlegungen im Hinblick auf die Prozessoptimierung und die Aufgabenbündelung als eine in den nächsten Jahren mit Sicherheit erforderlich werdende Reaktion auf die demografische Entwicklung und die Gewährleistung einer aufgabengerechten Finanzausstattung der Kommunen.
Erhebliche Chancen bietet darüber hinaus die Bündelung von Aufgaben, die die Aufgabenwahrnehmung in verteilten Rollen von größeren, sich freiwillig findenden Einheiten wie Zweckverbänden ermöglichen. Der eine übernimmt vielleicht die Aufgaben des Standesamtes, der andere übernimmt möglicherweise Aufgaben im Pass- und Meldewesen und Ähnliches.
Lösungen, die es ermöglichen, das Know-how zu bündeln und die notwendigen Potenziale zu schaffen, um auch schwierige Fälle bearbeiten zu können, die bei getrennter Aufgabenwahrnehmung zu selten auftreten, sind vorstellbar und langfristig machbar.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie uns gemeinsam die Landesregierung auffordern, ihre Zurückhaltung aufzugeben, wenn es um die Umsetzung der im Koalitionsvertrag enthaltenen selbstgesteckten Ziele geht. Mit den nunmehr vorliegenden Organisationsuntersuchungen besteht objektiv die Notwendigkeit, die Aufgabenzuständigkeiten weiter zu optimieren. - In diesem Sinne bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit und werbe um Ihre Unterstützung.
Vielen Dank für die Einbringung, Herr Kollege Grünert. - Für die Landesregierung hat jetzt Herr Minister Stahlknecht das Wort. Bitte schön, Herr Minister.
Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der Gemeindegebietsreform, die mittlerweile abgeschlossen ist, haben wir die Verwaltungs- und Leistungskraft der Städte und Gemeinden, also der Verbandsgemeinden und der Einheitsgemeinden, erhöht. Insofern haben wir im Koalitionsvertrag im Jahr 2011 festgeschrieben, dass wir eine interkommunale Funktionalreform mit dem Ziel der orts- und bürgernahen Erledigung von hierfür zweckmäßigen Aufgaben anstreben, Herr Grünert.
Wir haben die erforderlichen Gespräche mit den Spitzenverbänden geführt und haben auf der Grundlage ihrer Vorschläge einen Gesetzentwurf zur interkommunalen Funktionalreform und zur Entlastung der Kommunen erarbeitet. Dieser befasst sich auch mit der Entlastung von Landkreisen und Gemeinden von kostenintensiven Standards. Dafür gab es in meinem Haus eine Arbeitsgruppe.
Wir sind jetzt so weit, dass folgende Aufgaben übertragen werden sollen: Aufgaben der unteren Straßenverkehrsbehörde nach dem Straßenverkehrsrecht, Zuständigkeit zur Sperrung von Waldflächen nach dem Feld- und Forstordnungsgesetz, Aufgaben nach dem Wohngeldgesetz, Aufgaben auf dem Gebiet des Namensrechts sowie Zuständigkeiten nach dem Personenstandsgesetz.
Da es hierdurch zu einer Aufgabenverlagerung kommt und sich zudem natürlich auch Konnexitätsfragen stellen werden, soll mit Artikel 2 des Gesetzentwurfs dieser Verlagerung gedacht werden durch eine Veränderung des Finanzausgleichsgesetzes. Die Ermittlungen zum Mehrbelastungsausgleich erfolgen in enger Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden.
diesen Gesetzentwurf im ersten Quartal 2014 zuzuleiten. Ich denke, damit ist das, was Sie angesprochen haben, in einer kurzen und bündigen Rede beantwortet worden. - Herzlichen Dank.
Herr Minister, würden Sie eine Frage von Frau Dr. Paschke beantworten? Ich weise darauf hin, dass wir heute gelernt haben, dass geantwortet werden muss.
Gut. Herr Minister, Sie haben gesagt: Wir sind jetzt so weit, dass wir dieses und jenes übertragen - ich möchte das jetzt nicht wiederholen. Heißt das: Wir sind jetzt so weit, dass diese Aufgaben im Gesetzentwurf stehen? Oder heißt das: Wir sind jetzt so weit, dass es bei diesen Aufgabenkomplexen keine Widerstände in den Fachressorts mehr gibt, dass diese also klar sind, während andere noch nicht klar sind? Was heißt „wir sind jetzt so weit“?
Das heißt, dass der Gesetzentwurf, der sich derzeit im Mitzeichnungsverfahren befindet, das, was ich Ihnen vorgetragen habe, beinhaltet. Derzeit läuft das normale Kabinettsverfahren, in dem die Häuser mitzeichnen.
Ich habe noch eine zweite Frage: Haben Sie alle Punkte in den Gesetzentwurf aufgenommen, die die kommunalen Spitzenverbände in ihrem Papier zur interkommunalen Funktionalreform vorgeschlagen haben? Oder haben Sie von vornherein sortiert und es dann in die Fachbereiche gegeben?
Es hat eine Sortierung gegeben. Es ist nicht alles übernommen worden. Das werden wir Ihnen dann gern noch im Innenausschuss vortragen und natürlich dann, wenn der Gesetzentwurf im ersten Quartal 2014 eingebracht wird.
Vielen Dank für Frage und Antwort. - Für die SPD-Fraktion eröffnet jetzt Herr Dr. Brachmann die Fünfminutendebatte. Bitte schön, Herr Abgeordneter.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Interkommunale Funktionalreform - man ist versucht zu sagen: Klappe, die vierte. Um im Bild zu bleiben: Zu welchem Genre könnte dieser Film gehören? - Ein Thriller ist es aus meiner Sicht nicht mehr, weil die Spannung aus dem Streifen längst raus ist. Wir haben aber eine gemeinsame Verantwortung dafür, dass daraus nicht eine Tragikomödie wird. Insoweit ist die heutige Debatte wichtig.
Eine unendliche Geschichte ist es ohnehin schon. Jetzt alle Details aufzuzählen, wäre nicht möglich. Es hat aber in der Tat schon diverse Versuche in verschiedenen Legislaturperioden gegeben. Ich erinnere mich daran, dass ich selbst im Jahr 2002 einen Antrag zur interkommunalen Funktionalreform mit eingebracht habe. In der vergangenen Legislaturperiode war es die Fraktion DIE LINKE, die wiederum ein Konzept für eine interkommunale Funktionalreform gefordert hat.
Abgesehen von punktuellen Veränderungen ist bisher wenig passiert. Diejenigen, die die Thematik bereits länger verfolgen, wissen, dass ich zu denjenigen gehöre, die immer gesagt haben, dass eine Gebietsreform für ihre innere Rechtfertigung auch eine Funktionalreform benötigt.
Im Zusammenhang mit der Kreisgebietsreform haben wir gefordert, dass alle Anliegen, die die Bürger unmittelbar betreffen, vor Ort belegt erledigt werden. Dieser Forderung ist entgegengehalten worden, dass die Gemeinden hierfür nicht die erforderliche Leistungskraft aufwiesen. Dann ist eine Gemeindegebietsreform durchgeführt worden, mit der Folge, dass diese Leistungsfähigkeit nunmehr vorhanden ist. Dennoch verhielt man sich in Bezug auf die Funktionalreform weiterhin zurückhaltend.
Deswegen wurde der heute bereits oft zitierte Satz in den Koalitionsvertrag aufgenommen, dass das Rathaus das Eingangsportal sein soll und dass wir eine Funktionalreform bei Aufgaben, die zweckmäßigerweise verlagert werden können, einfordern.