Protocol of the Session on November 14, 2013

Meine Damen und Herren! Es ist bei solchen komplexen Themen zu erwarten: Einiges ist erreicht, abgearbeitet und durchgesetzt, manches ist nicht erreicht und vieles hat sich bereits überlebt. Was heißt das konkret?

Eines der wichtigsten erreichten Ziele ist die Ablösung des Bundesheimgesetzes durch das Wohn- und Teilhabegesetz des Landes Sachsen-Anhalt. Durch die implementierten neuen Wohnformen unterhalb der Ebene Heim, selbstorganisierte und nicht selbstorganisierte Wohngemeinschaften und Wohngruppen, sind die Voraussetzungen geschaffen worden, auch im Falle der Pflegebedürftigkeit ein selbstbestimmtes Umfeld zu organisieren.

Grundsätzlich ist das gut so. Doch aufgrund der immer noch nicht erarbeiteten Verordnungen, insbesondere der zu den baulichen Änderungen, ist es für die handelnden Akteure im Bereich der Pflege nicht einfach, bei den zuständigen Behörden Wohngemeinschaften und Wohngruppen als solche unterhalb des Heimgedankens durchzusetzen. In letzter Zeit höre ich aus der Praxis, dass unsere Absicht, kleinere, individuelle Wohneinheiten zuzulassen, gerade im intensivpflegerischen Bereich durch die Verwaltungsebene infrage gestellt wird. Es kommt zu kontraproduktiven Interpretationen des Gesetzes durch die Verwaltung. Darum müssen wir uns kümmern.

Die Schaffung gesellschaftlicher Verhältnisse, die die Hindernisse des Lebens vermeiden, ist das Gebot, ob materiell wie beim Wohnen oder ideell wie beim Benutzen der einfachen Sprache. Dazu hat es in den letzten Jahren vielfältige Aktionen und Fachveranstaltungen gegeben, die auch Erfolg gezeigt haben.

So habe ich vor wenigen Tagen in den „Zahnärztlichen Nachrichten Sachsen-Anhalt“ zur Kenntnis genommen, dass im September eine Koopera

tionstagung „Barrieren abbauen“ durchgeführt worden ist. Diese Veranstaltung sollte der Sensibilisierung aller Akteure des Gesundheitswesens dienen, für die Belange der über neun Millionen Menschen mit Behinderungen offen zu sein. 75 % der Behinderungen erwerben die Menschen im Laufe ihres Lebens. Sie sind dann meist schon älter.

Ich hatte eigentlich vor, den ganzen Block Bauen herauszulassen. Aber da der Minister darauf angespielt hat, dass inklusive Wohnräume auch die Möglichkeit inklusiver Wohnungen erfordern, mache ich es doch noch.

Barrierefreiheit ist die Grundvoraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben auch im Alter. Wir haben während der Novellierung der Bauordnung insbesondere bei der Veröffentlichung der technischen Baubestimmungen das Merkzeichen „R“ nicht berücksichtigt gefunden. Ich habe eine Kleine Anfrage gestellt. Die Antwort darauf ist symptomatisch. Ich zitiere:

„Vielmehr sind mit den Änderungen der §§ 8, 49 und 50 BauO LSA die Belange von Menschen mit Behinderungen künftig in allen vom Bauordnungsrecht geregelten Bereichen insoweit zu berücksichtigen, dass Anlagen für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise ohne besondere Erschwernis … zugänglich und nutzbar sind.“

„Anlagen für Menschen mit Behinderungen“. Das ist unser Anspruch an barrierefreies Bauen. Diese Einstellung zeigt, dass wir im Verwaltungshandeln der Ressorts noch lange nicht den Stand erreicht haben, der der Situation und der Bevölkerungsentwicklung angemessen wäre.

Meine Damen und Herren! Mir rennt, wie es zu erwarten war, die Zeit weg. - Wichtig ist: Die Schaffung von inklusiven Sozialräumen für eine älter werdende Gesellschaft ist eine große Herausforderung. Das Land kann die Schaffung gleicher Lebensbedingungen überall im Lande begleiten und Rahmenbedingungen setzen. Die Arbeit im Einzelnen ist auf kommunaler Ebene zu konkretisieren und zu leisten.

Ich komme zu einem weiteren Aspekt, den ich noch anreißen will. Wenn man als Senioren die Gruppe der über 60-Jährigen betrachtet - dann schauen wir uns alle einmal gegenseitig tief in die Augen -, dann geht man an der heutigen Lebensrealität vorbei. Wir sprechen mittlerweile vom dritten und vierten Lebensalter und weiten die Spanne auf 80- bis 100-Jährige aus.

Folglich haben wir es mittlerweile mit völlig unterschiedlichen Lebensweisen und Erwartungen zu tun, die man nicht in eine starre Programmatik und Planung pressen kann. Folglich finde ich die Sicht des Ministeriums richtig, dass es darum geht, - ich zitiere -

„die Menschen in der Gestaltung der vielfältigen Lebensphasen Altern und Alter und in der Vorsorge und Planung für diese Zeit zu unterstützen und den Prozess der Vorsorge zu fördern… Dabei orientiert sich die Landesregierung an den Wünschen … nach Teilhabe und Mitwirkung an Kultur und Lebensumfeld, nach der Fortsetzung des lebenslangen Lernens und am Gesundbleiben aktiv mitzuwirken.“

Das spiegelt sich auch in den Ausführungen zur Großen Anfrage wider. Vom Gender-Ansatz, Bildung, Kultur, Ehrenamt, Kunst und gesellschaftliches Engagement werden alle Themen berührt, wenn auch, wie bereits gesagt, nicht jede Zahl bis ins Detail dargestellt wurde.

Ein Aspekt ist mir nach all diesen Ausführungen ganz besonders wichtig. Bei manchen Ausführungen und auch beim intensiven Studium der verwandten Fachliteratur ist auffallend, dass sich die betrachteten Sachverhalte keineswegs nur auf Menschen beziehen, die älter als 60 Jahre sind, sondern eigentlich Anforderungen und Rahmenbedingungen beschreiben, die auf Menschen jedes Alters zutreffen. Geschlechtersensible Umfangsformen, Ansätze nach Nationalitäten und Religionen ausrichten - auch das gilt unabhängig vom Lebensalter.

Mit dem Ansatz der Schaffung von inklusiven Sozialräumen wären einige Fragestellungen gar nicht mehr nötig. Damit wären auch die Lebensräume für eine älter werdende Gesellschaft entstanden. Aber noch sind wir nicht so weit. Ich halte es aber für sinnvoll, die Arbeit auf allen kommunalen Ebenen und in allen Ressorts daran zu orientieren. Dazu bedarf es aber noch einiger Aufklärung und der Änderung mancher gesetzlicher Regelung auf Bundesebene.

Jetzt wollte ich eigentlich die Chance nutzen und einen Ruf an die Koalitionsverhandlungen in Berlin starten, zum Beispiel nach dem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff, der Reform der Pflegeversicherung usw. Aber meine Redezeit ist zu Ende. Ich hoffe, dass die in Berlin trotzdem das Richtige tun. - Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Abgeordnete Dr. Späthe. - Das Schlusswort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Frau Dirlich. Bitte schön.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Es ist immer am besten, wenn man in der eigenen Häuslichkeit selbstbestimmt wohnen kann. Das trifft für Menschen zu, die alt sind, die jung sind, die gesund sind, die krank sind,

die sinnes- oder körperbehindert oder auch geistig behindert sind, im Grunde genommen für alle. In diesem Sinne sind natürlich dieser Inklusionsgedanke und auch der Gedanke, den der Minister hier ausgeführt hat, der andere Ansatz zu dieser Politik hochlöblich und wunderschön.

Ich sage nur vier Gründe, die dem immer wieder entgegenstehen. Das sind die Krankenkasse, die Rentenkasse, die Pflegekasse und die Eingliederungshilfe. Es geht damit los, dass sich die Pflegekasse mit der Krankenkasse darüber streitet, was denn nun noch zur medizinischen Pflege gehört und was die bezahlen muss und was zu der allgemeinen Pflege gehört und was die bezahlen muss. Solange das so ist, sind wir von Inklusion so weit entfernt wie von der Sonne. Damit müssen wir aufhören.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich finde, dass unsere Große Anfrage auch ein Stückchen Anerkennung für die Arbeit ist, die in den Jahren 2007 und 2008 geleistet worden ist. Wir haben nämlich dieses Programm nicht in einer Schublade versenkt und hinterher vergessen. Wir sind auch davon ausgegangen - das war auch so -, dass das mit dem Programm insgesamt auch passiert.

Ich kann mich nicht daran erinnern, ob es das schon einmal gegeben hat, dass eine Fraktion so ein Programm genommen hat und Seite für Seite abgefragt hat, was wir denn nun gemacht haben. Diesen Ansatz fand ich recht gut. Ich denke, dass man diese Arbeitsweise auch einmal loben darf.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Dirlich. Beschlüsse werden nicht gefasst. Wir haben damit den Tagesordnungspunkt 5 beendet.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 6:

Kleine Anfragen für die Fragestunde zur 28. Sitzungsperiode des Landtages von Sachsen-Anhalt

Fragestunde mehrere Abgeordnete - Drs. 6/2570

Ihnen liegen, meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Drs. 6/2517 zehn Kleine Anfragen vor. Ich rufe den ersten Fragesteller auf. Das ist der Kollege Grünert. Er stellt die Frage 1 zum Thema Wechselnde Zuständigkeit für das kommunale Entschuldungsprogramm Stark IV.

In der amtierenden Landesregierung ist das Ministerium der Finanzen für den kommunalen Finanzausgleich zuständig. Am 30. Januar 2013 befasste

sich der Finanzausschuss des Landtages mit dem kommunalen Entschuldungsprogramm Stark IV, welches dort vom damals zuständigen Finanzminister vorgestellt wurde. Dieser beantwortete noch zur Fragestunde im Juli 2013 eine Kleine Anfrage meines Kollegen Swen Knöchel zu den kommunalen Altfehlbeträgen und dem Ausgleichsstock.

Blickt man nunmehr auf den Organisationsplan des Ministeriums für Inneres und Sport mit Stand vom 1. September 2013, ist die Zuständigkeit für das kommunale Entschuldungsprogramm Stark IV im Ministerium für Inneres und Sport angesiedelt. Zudem befasst sich das Referat 32 mit den Kommunalfinanzen in Sachsen-Anhalt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welcher sachlichen Begründung kam es zum Wechsel der ministeriellen Zuständigkeiten für das kommunale Entschuldungsprogramm Stark IV?

2. Inwiefern können durch die Teilung der ministeriellen Zuständigkeiten Doppelstrukturen verhindert sowie eine wirkungsvolle und effiziente Arbeitsweise für den Bereich der Kommunalfinanzen realisiert werden?

Vielen Dank. - Für die Landesregierung antwortet Herr Minister Bullerjahn. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Da beide Fragen, denke ich, inhaltlich eng miteinander verknüpft sind, gestatten Sie mir, dass ich sie im Zusammenhang beantworte.

Soweit die Anfrage einen Zuständigkeitswechsel zwischen dem Ministerium für Finanzen einerseits und dem MI andererseits unterstellt, hat es diesen nicht gegeben. Das sage ich eindeutig. Beide Häuser haben im Rahmen des Programms Stark IV ihre jeweiligen spezifischen Aufgaben. Das habe ich, glaube ich, auch im Ausschuss schon einmal ausführlich erzählt, als wir über das Programm Stark IV geredet haben.

Das Programm Stark IV wird gemäß § 18 des Finanzausgleichsgesetzes aus dem Ausgleichsstock finanziert. Das Finanzministerium und das Innenministerium werden nach den Haushaltsberatungen dazu noch weiter und tiefer gehende Vorschläge für die Landesregierung erarbeiten und diese dann den Regierungsfraktionen und natürlich dem Gesamtparlament vorstellen.

Für die Verwaltung des Ausgleichsstocks - das ist schon angesprochen worden, Herr Grünert - ist nach dem Beschluss der Landesregierung über den Aufbau der Landesregierung das Ministerium

der Finanzen zuständig, das im Einvernehmen mit dem MI entscheidet. Ich kann mich an keinen Fall in den letzten Jahren erinnern, bei dem die Zusammenarbeit nicht geklappt hat. Hieran hat sich nichts geändert. Die Federführung für das Programm Stark IV liegt daher nach wie vor beim Finanzministerium.

Im Rahmen der Planung des Programms Stark IV wurde festgestellt, dass es zweckmäßig ist, das MI und die verschiedenen Ebenen der Kommunalaufsicht in den Abschluss von Vereinbarungen zwischen dem Land und den Kommunen schon in die Diskussion grundsätzlich einzubeziehen bzw. das gemeinsam zu machen.

Die vom Kabinett am 1. Januar 2013 gebilligte gemeinsame Kabinettsvorlage des MF und des MI legt daher fest, dass die im Rahmen des Programms Stark IV zu schließenden Verträge in enger Zusammenarbeit mit den verschiedenen Ebenen der Kommunalaufsicht entwickelt und durch das Ministerium der Finanzen und durch das Ministerium für Inneres und Sport abgeschlossen werden; denn sie sind dann natürlich ein Teil der Konsolidierungsstrategie über das übliche Maß der Aufsicht hinaus.

Nach dem genannten Kabinettsbeschluss entscheidet das Ministerium der Finanzen im Einvernehmen mit dem Ministerium für Inneres und Sport dann auch über die zwangsweise Durchsetzung der von den Kommunen eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen. Wir haben jetzt einige kritische Fälle auch in Sachsen-Anhalt.

Ich kann mich an eine Debatte im Finanzausschuss erinnern, in der es darum ging, was passiert, wenn bestimmte Entscheidungen vor Ort nicht getroffen werden. Was rechtfertigt dann überhaupt den möglichen Einsatz des Programms Stark IV? Denn das sind zusätzliche Mittel über das FAG und das Programm Stark II hinaus. Ich weiß, dass gerade die Regierungsfraktionen damals gesagt haben, dann muss die jeweilige kommunale Einrichtung auch ganz klar wissen, dass sie sich an Verabredungen halten muss.

Es gibt auch innerhalb des Ministeriums für Inneres und Sport keine Doppelzuständigkeiten. Das Referat Z 4 im MI - Kommunale Konsolidierungsstrategien - ist im zentralen Leitungsstab angesiedelt und hat andere Zuständigkeiten als das Referat 32 im Bereich der Kommunalfinanzen. Das Referat Z 4 ist speziell für die kommunalrechtliche und haushaltswirtschaftliche Beratung von mit Altfehlbeträgen belasteten Kommunen eingerichtet worden.

Ich sage einmal ganz klar: Die Gemeinden, mit denen wir nachher solche Verabredungen treffen, werden solche sein, die wir bei ihren Anstrengungen dauerhaft werden begleiten müssen. Das ist keine Einmaligkeit. Da geht es nicht darum, irgend

welche Briefe zu schreiben, sondern es geht darum, sie sehr eng und verzahnt auf ihrem Weg zu begleiten. Das wird sicherlich nicht ohne Streit und Diskussionen abgehen. Das ist in dem Referat, das sich mit der allgemeinen Kommunalaufsicht beschäftigt, anders.