Protocol of the Session on October 17, 2013

Trotz aller sachlichen Differenz sollten wir aufpassen, dass wir unser Hochschulsystem, unsere Hochschulstruktur, so wie wir sie haben, nicht

schlechtreden. Ich denke, dass uns der Wille eint, es besser zu machen. Aber ich glaube, wir jammern, wenn wir überhaupt jammern wollen, auf einem hohen Niveau.

Wir sollten uns davor hüten, das schlechtzumachen, gerade vor dem Hintergrund der neuen Einschreibungen. Ich weiß, dass beispielsweise die Hochschule in Magdeburg auch in diesem Jahr eine Rekordanzahl an Einschreibungen zu verzeichnen hat. Darüber bin ich sehr froh. Ich glaube, das spricht für die Qualität der Hochschulen im Land Sachsen-Anhalt.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Meine Damen und Herren! Die GRÜNEN haben uns heute einen Gesetzentwurf zur Änderung des Hochschulgesetzes in Bezug auf die TenureTrack-Stellen vorgelegt.

Das kommt aus dem angelsächsischen Bereich. Wir haben es bereits gehört: Das sind Stellen, auf die Wissenschaftler für eine Bewährungszeit berufen werden. Dort sollen sich die Angestellten fünf bis acht Jahre bewähren - Sie schlagen vor, eventuell zweimal sechs Jahre - und danach wird aus dieser Anstellung eine Festanstellung in Form einer sogenannten Lebenszeitprofessur.

Ich gebe Ihnen durchaus Recht, Sie haben sich viel Mühe gegeben. Nichtsdestotrotz stimmen wir als CDU-Fraktion mit den Ansichten des Ministers überein, sodass wir sagen, dass wir dieses Verfahren für nicht zielführend halten, weil wir schon ähnliche Instrumente haben. Diese sind heute schon genannt worden. Das ist beispielsweise die Möglichkeit einer Juniorprofessur. Damit bewegen wir uns - das zu sagen, gehört zur Ehrlichkeit - durchaus im Kontext mit anderen Ländern in der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere die Juniorprofessur ermöglicht Wege der Chancengleichheit und des Wettbewerbs.

Mir leuchtet auch nicht ein, wie der Grundsatz von Qualität und Leistung sowie der gesunde wissenschaftliche Wettbewerb mit dieser Gesetzesänderung verbessert werden sollen. Aber wir werden genügend Möglichkeiten haben, darüber im Ausschuss zu diskutieren. Dort lasse ich mir das von Ihnen auch gern erklären.

Heute, meine Damen und Herren, gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten für eine Langzeitprofessur. Das eine ist die bereits erwähnte Juniorprofessur und das andere ist die Habilitation. Beide Wege ermöglichen zum Ende der Qualifikationsphase hin gleiche Chancen für eine mögliche Berufung.

Meine Sorge ist, meine Damen und Herren, dass wir ein Problem eröffnen, das es anderenfalls nicht gibt. Ich halte es mit Blick auf Lehre und Forschung im Hochschulbereich für nicht zielführend, wenn wir Arbeitsverhältnisse quasi von der Lehre

bis zur Bahre schaffen wollen, deren einziges Auswahlkriterium in dem Bestehen einer Bewährungszeit besteht.

Wir brauchen stattdessen mehr Auswahl, mehr Wettbewerb. Es ist immer gut, wenn man an unterschiedlichen Arbeitsorten auch über den Tellerrand hinausschaut oder hinausgeschaut hat. Für mich wäre deswegen eine solche Gesetzesänderung auch eine Abwertung der Habilitation, meine Damen und Herren.

Ein weiterer Grund dafür, dass wir den Gesetzentwurf kritisch sehen, ist das Verfahren. Der eine oder andere von Ihnen kann sich noch an den Beamten auf Widerruf erinnern. Dieser ist in der alten Bundesrepublik in den 70er-Jahren abgeschafft worden, weil man in der Starre des Beamtentums keine Möglichkeit sah, mit dem Widerrufsverfahren einen wissenschaftlichen Leistungsfilter zu verknüpfen. So etwas Ähnliches organisieren wir uns mit dem Tenure-Track. Wir würden ein altes und starres System beleben, das sich bereits vor 40 Jahren als unbrauchbar erwiesen hat, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Deswegen hält sich der Beifall aus den Hochschulleitungen für dieses Thema auch in Grenzen, und das ist bei der CDU-Fraktion ebenso. Wir stehen für ein offenes und leistungsorientiertes System, das vor allem die Qualität der Lehre und Forschung im Blick hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Eine Verkrustung des Systems - ich denke, darin sind wir uns wieder einig - gilt es zu vermeiden. Es gilt auch, Ängste an unsere Hochschulen auszuschließen, den einen oder anderen vielleicht ungeliebten Mitarbeiter, der eventuell nicht zu den Leistungsträgern an der Hochschule gehört, übernehmen zu müssen. Auch das soll es ja gelegentlich geben.

Meine Damen und Herren! Wir sehen diesen Gesetzentwurf aus den von mir beschriebenen Gründen äußerst kritisch, wollen uns aber einer Diskussion - auch nach Rücksprache mit unserem Koalitionspartner - nicht verschließen und stimmen der Überweisung in den Ausschuss zu.

Zu dem Änderungsantrag der LINKEN möchte ich heute noch nichts sagen. Ich will nur die Bitte äußern, dass Sie uns, wenn Sie dann mit Ihren Vorstellungen kommen, auch gleich das notwendige Finanzierungskonzept dazu mitbringen und sagen, wie Sie das, was Sie beantragen, den Hochschulen gegenüber bezahlen wollen.

(Zuruf von der LINKEN: Machen wir immer!)

Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Thomas. Herr Kollege Thomas, der Kollege Lange würde Sie gern etwas fragen.

Ja, gern.

Herr Thomas, ich stimme ja mit Ihnen darin überein, dass man als junger Wissenschaftler über seinen Tellerrand hinausschauen soll, dass die Mobilität von Wissenschaftlern im Wissenschaftssystem Normalität ist und dass man diese Mobilität durchaus fördert und auch fordert. Diesbezüglich sind wir durchaus d’accord. Ich sehe nicht, dass das durch den Gesetzentwurf der GRÜNEN in irgendeiner Weise infrage gestellt wird.

Trotzdem, wenn wir über Mobilität reden: Was sagen Sie dem Herrn Ministerpräsidenten und dem Herrn Finanzminister, die immer jammern, dass unsere Hochschulen Leute für andere Bundesländer ausbilden?

(Minister Herr Möllring: Tun wir gar nicht!)

Wie bewerten Sie denn das?

Kollege Lange, ich habe weder den Finanzminister noch den Ministerpräsidenten darüber jammern hören, dass wir Menschen aus anderen Bundesländern ausbilden.

Nein, für andere Bundesländer.

Ganz im Gegenteil: Wir sind stolz darauf. - Sie wissen ganz genau, dass wir die Hochschulen an dieser Stelle auch als Werbefaktor für das Land betrachten und dass wir auch die Hoffnung haben, dass viele junge Studenten aus anderen Bundesländern oder aus anderen Teilen Europas zukünftig vielleicht in Sachsen-Anhalt ihren Lebensmittelpunkt finden.

Daher würde ich Sie doch herzlich bitten, die Äußerungen richtig zur Kenntnis zu nehmen und nicht sinnentstellt darzustellen.

Herr Lange würde gern nachfragen.

Herr Thomas, nur um es zu konkretisieren: Ich habe nicht behauptet, dass man sich darüber beschwert, dass Leute aus anderen Bundesländern hierher kommen und sich hier ausbilden lassen,

sondern es wird sowohl vom Finanzminister als auch vom Ministerpräsidenten kritisiert, dass diese jungen Menschen dann weggehen, wenn sie ausgebildet sind. Das hat ja etwas mit Mobilität zu tun, die Sie eben auch gefordert haben. Wie finden Sie das?

Das ist jetzt aber eine andere Fragestellung.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Zunächst habe ich das jetzt vernommen: Die haben bei uns ihr Studium absolviert und dann hier keine Anstellung gefunden.

(Unruhe)

Ich kann mit Ihnen so weit mitgehen, dass es durchaus eine Herausforderung ist, diese Menschen zum Hierbleiben zu bringen. Lassen Sie uns mal weiterregieren. Dann werden wir Ihnen zeigen, wie wir das machen, dass die Absolventen in den kommenden Jahren hierbleiben.

(Zustimmung bei der CDU - Lachen bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Thomas. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat jetzt noch einmal Frau Professor Dalbert das Wort. Bitte schön.

Danke, Herr Präsident. Das Wort ergreife ich gern. - Herr Thomas, man muss im internationalen Wettbewerb auch bestehen können. Wir haben die Sorge, ob das tatsächlich gelingt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir wollen den Hochschulen Mittel und Werkzeuge an die Hand geben, die es ihnen besser ermöglichen, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Ob sie diese einsetzen, liegt in der Entscheidung der selbständig agierenden Hochschule.

Herr Minister, wir haben eben keine Tenure-TrackProfessuren, wir haben Juniorprofessuren. Der entscheidende Unterschied - ich wiederhole das gern und werde es auch im Ausschuss gern noch einmal erklären - ist, ob ich bei der Erstberufung weiß, wie es weitergeht, wenn ich exzellent bin. Das ist der entscheidende Unterschied.

Der Juniorprofessor weiß es eben nicht und deswegen ist er auch schlechter ausgestattet hinsichtlich seiner Arbeitsmöglichkeiten. Das ist doch die Konsequenz. Deswegen beobachten wir zunehmend, dass exzellente junge Leute eben nicht bei uns bleiben, sondern dorthin gehen, wo ihnen diese Möglichkeiten eröffnet werden.

Dann haben Sie gefragt, Herr Minister: Warum zweimal sechs Jahre? - Ich bin diesbezüglich völlig offen. Aber der Gedanke dahinter ist, dass wir die Besoldungsstufen W 1, W 2 und W 3 haben und dass ich zunächst den Hochschulen im Gesetz gar nicht vorschreiben wollen würde, ob sie mit W 1 oder mit W 2 beginnen. Dafür gibt es durchaus unterschiedliche Modelle in der Bundesrepublik. Wenn man mit W 1 anfängt, kann es auch Sinn machen, zweimal sechs Jahre zu betrachten. Aber was das betrifft, sind wir völlig offen.

Ein weiterer Punkt bezieht sich auf die Habilitation. Herr Lange, uns beiden fällt das vielleicht leichter; denn wir kommen aus den Naturwissenschaften und die Naturwissenschaften hängen nicht so an den Habilitationen wie die Geisteswissenschaften und auch ein Teil der Sozialwissenschaften. Ich finde, das ist immer so eine Sache. Es lohnt sich gar nicht, sich im Hinblick auf die Habilitationen zu verkämpfen. Ich finde es nicht schlimm, dass es zwei Wege gibt.

Ich sage immer: In den USA gibt es auch die Habilitation, sie heißt nur anders. Denn wenn man dort nach sechs Jahren seine Schriften einreichen muss und ein internationales professorales Kollegium diese bewertet, ist das auch nicht viel anders als eine Habilitation und am Ende muss man auch einen Vortrag halten.

Daher stehe ich auch dieser Frage sehr offen gegenüber. Ich möchte keine Scheingefechte führen. Ich verstehe Ihr Argument. Wenn man die Habilitation abschaffen würde, wäre es vielleicht leichter, in Richtung Tenure-Track zu gehen. Wenn das das Ergebnis der Ausschussberatungen wäre, wäre ich immer dafür; denn ich hänge nicht an der Habilitation. Ich will nur nicht, dass wir nachher in Scheingefechten landen, die uns nicht weiterbringen.