Protocol of the Session on July 11, 2013

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es gibt auch keinen vernünftigen Grund, Kinder und Jugendliche, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, von dem wichtigsten Instrument der Willensbildung in der parlamentarischen Demokratie auszuschließen. Ab 14 Jahre sind Jugendliche religionsmündig, sie dürfen ihren Aufenthaltsort selbst bestimmen und sie werden strafmündig. Die Gesellschaft traut jungen Menschen in diesem Alter also bedeutsame Lebensentscheidungen zu. Es wird vorausgesetzt, dass Menschen ab 14 Jahren sich entsprechend unseren gesellschaftlichen und juristischen Werten und Normen verhalten.

Jugendliche stehen heute früher im Leben als noch vor 20 Jahren.

Zur Stärkung der Beteiligungsrechte von Einwohnerinnen und Einwohnern ist zudem das plebiszitäre Element des Einwohnerantrags hinsichtlich seines Zulässigkeitsquorums auf 1 % abzusenken. Beim Bürgerbegehren als zentralem Instrument effektiver Bürgerbeteiligung im kommunalen Bereich sollten es zukünftig 3 % sein.

Ich habe hier gerade gehört, nicht jeder Jugendliche sei im Alter von 14 Jahren schon zum Wählen fähig. Diesem Argument möchte ich nur ganz deutlich entgegenwerfen: Wenn wir das zum Kriterium machen, dann müssten wir auch über Altersgrenzen beim Wählen nachdenken.

(Zustimmung bei der LINKEN - Herr Leim- bach, CDU: War das jetzt Altersdiffamie- rung, Herr Striegel?)

Die sprungdegressive Staffelung der Mindestzahl der Unterschriften nach Gemeindegrößen wollen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN streichen, da dies zu einer faktischen Ungleichbehandlung der Gemeinden untereinander führt. Hinsichtlich des Bürgerentscheids muss gelten, was bei jeder Wahl gilt: dass dieser angenommen ist und einem Beschluss der Vertretung gleichsteht, wenn die Mehrheit der abgegebenen Stimmen dem Bürgerbegehren zustimmt, ohne dass dies wie bisher an ein Zustimmungsquorum gebunden ist.

Bürgerinitiativen sind heute in den Kommunen zu Recht ein Wesensmerkmal aktiver Bürgerbeteiligung. Es ist daher folgerichtig, auch in SachsenAnhalt Einwohnerinnen und Einwohnern, die sich zu Bürgerinitiativen zusammenschließen, wieder ein Initiativrecht in gemeindlichen Angelegenheiten einzuräumen.

Zudem soll den Bürgerinnen und Bürgern ein verbindliches aktives Fragerecht bei öffentlichen Sitzungen in Ausschüssen als weiteres Instrument effektiver Bürgerbeteiligung eingeräumt werden und zu mehr Transparenz der Entscheidungen der Kommunalparlamente beitragen. Wir haben deshalb einen entsprechenden Vorschlag in unseren Änderungsantrag aufgenommen.

Zur Frage des Wahlkorridors bei Bürgermeister- und Landratswahlen kommen wir unter dem Tagesordnungspunkt 30. Ich werde mich also an anderer Stelle dazu äußern.

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen mehr Demokratie und echte Beteiligung in den Kommunen. Wir hadern deshalb mit den Vorschlägen der Regierung und sehen die Notwendigkeit, diese sichtbar zu verbessern. Dem dient unser Änderungsantrag.

Wir haben in diesem Zusammenhang auch die Änderungsvorschläge der LINKEN betrachtet, die

zunächst ähnlichen Zielen dienen. Die vorgeschlagenen Regelungen scheinen uns jedoch häufig zu kompliziert und zu kleinteilig. Wir sind auch nicht überzeugt davon, dass ein Petitionsrecht auf kommunaler Ebene mehr Demokratie möglich macht. Statt einer Eingabe an den Rat der Stadt ohne echte Rechtsfolge setzen wir auf mehr und unmittelbare Mitbestimmung.

Ich bitte Sie, mit dem Gesetzentwurf der Landesregierung auch die Änderungsanträge in die Ausschüsse zu überweisen, und sichere Ihnen zu: Es wird von uns weitere Anträge geben. Denn beim Thema Kommunalverfassungsrecht gibt es noch jede Menge Details zu regeln. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Striegel. - Für die CDU spricht jetzt Herr Kolze. Bitte, Herr Abgeordneter.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Durch das Gesetzesvorhaben werden die bestehenden Regelungen der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und des Verbandsgemeindegesetzes in einer Kommunalverfassung zusammengeführt werden, die wohl zukünftig eine der modernsten Kommunalverfassungen Deutschlands sein wird.

Wir brauchen diese einheitlichen und verständlichen Vorschriften für die ehrenamtlich und hauptamtlich in den Kommunen Tätigen, da insbesondere unsere alte Gemeindeordnung aufgrund der zahlreichen Änderungen und Verweisungen an vielen Stellen schlichtweg ein Regelwerk ist, das selbst für Juristen nicht mehr lesbar und nicht mehr verständlich ist. Den vielen Ehrenamtlichen und Nichtjuristen in den Gemeinderäten wird durch dieses Vorhaben ein verständliches und anwenderfreundliches Regelwerk an die Hand gegeben. Das begrüßen wir sehr.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ebenso begrüßen wir die Herangehensweise bei der Erarbeitung des einheitlichen Kommunalverfassungsgesetzes durch das Innenministerium. Im Vorfeld der Erarbeitung wurden in Workshops und Symposien die in den Kommunen haupt- und ehrenamtlich Verantwortlichen, die Vertreter kommunaler Verbände und Interessierte aus der Landespolitik, aus Behörden und Institutionen aktiv an der Ermittlung des Reformbedarfes beteiligt.

Das Ministerium leitete hiermit noch vor einer Kabinettsbefassung einen Diskussionsprozess mit Gesprächen, Workshops und Regionaltagungen mit denjenigen ein, für die wir über dieses Regelwerk beraten. Diese praktischen Erfahrungen, Er

wartungen und Änderungsvorschläge sind Grundlage der Entwurfsfassung der Landesregierung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich möchte nunmehr auf die Punkte eingehen, die aus der Sicht meiner Fraktion bei diesem Vorhaben von besonderer Bedeutung sind.

Eine zentrale Zielsetzung des Gesetzentwurfes ist es, die Bedingungen für die Teilhabe erheblich zu erleichtern und so die Mitwirkung und die direkte Beteiligung an kommunalen Entscheidungsprozessen zu stärken. Wir wollen, dass sich die Bürger auf kommunaler Ebene mit Bürgerbegehren und Einwohneranträgen künftig leichter beteiligen und einbringen können.

Zur Stärkung der Mitwirkung der Bürger an Entscheidungsprozessen der Gemeinderäte gehören zum Beispiel auch die Ausweitung der Einwohnerfragestunden und die grundsätzliche Zulässigkeit von Film- und Tonaufnahmen in öffentlichen Sitzungen.

Zukünftig wird es leichter sein, ein Bürgerbegehren und Einwohneranträge einzuleiten. Derzeit müssen sich für ein Bürgerbegehren noch 15 % der Einwohner auf einer Unterschriftenliste eintragen. Zukünftig sollen es nur noch 10 % sein. 10 % der Einwohner für ein wichtiges Anliegen zu mobilisieren, ist nun wahrlich keine große Hürde.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Zukünftig wird es auch so sein, dass die bisherigen Themenbegrenzungen für ein Bürgerbegehren wegfallen. Bislang ist der Gegenstand eines Bürgerbegehrens noch auf wichtige Angelegenheiten der Kommune begrenzt. Im Übrigen wird den Initiatoren eines Bürgerbegehrens zukünftig Hilfestellung durch die Kommunen gegeben.

Auch wird die Frist für die Einreichung eines Bürgerbegehrens oder eines Einwohnerantrages, die sich gegen einen Beschluss des Gemeinderates richten, von sechs Wochen auf zwei Monate ausgeweitet. Damit wird die Einbringung der erforderlichen Unterstützerunterschriften erheblich erleichtert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auf das erfolgreiche Bürgerbegehren folgt der Bürgerentscheid. Bereits im Vorfeld des Kabinettsverfahrens wurde kritisiert, dass die Quoren für die Wahlbeteiligung am Bürgerentscheid zu hoch angesetzt seien. Die für einen gültigen Bürgerentscheid notwendige Mehrheit der Stimmen soll nach unserem Willen auch in Zukunft bei 25 % aller Wahlberechtigten liegen.

Wir wollen die Quoren beim Bürgerentscheid nicht verändern; denn wir sehen ein Problem mit der Legitimation, wenn bei einem Bürgerentscheid deutlich weniger als 25 % der Wahlberechtigten abstimmen. Dass dieses Quorum von 25 % erreicht

werden kann, zeigt uns zum Beispiel der Bürgerentscheid in Oschersleben im Februar dieses Jahres in Bezug auf den Erhalt des dortigen Freibades.

Sicherlich würde man auch einem gewissen Zeitgeist gerecht, wenn man die Hürden hierfür noch weiter herunterfahren wollte. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass sich das von der Verfassung vorgeschriebene System der repräsentativen Demokratie mit gewählten Vertretern der Bürgerschaft, die die Verantwortung für Entscheidungen tragen, gerade und nicht zuletzt zur Bewältigung komplexer Sach- und Entscheidungsprozesse auf kommunaler Ebene bewährt hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Daneben stehen die bereits seit 1994 im Kommunalverfassungsrecht verankerten direktdemokratischen Möglichkeiten der Mitwirkung und Mitgestaltung. Die wesentlichste Form der Bürgerbeteiligung ist also die Teilnahme an den Wahlen. Daher ist nach unserer Auffassung der richtige Ansatzpunkt hierfür, eine größtmögliche Bürgerbeteiligung herbeizuführen. Ich bin auch der festen Überzeugung, dass zum Beispiel die Stichwahl aufgrund der im Vergleich zum ersten Wahlgang eigentlich immer geringeren Wahlbeteiligung perspektivisch abgeschafft gehört.

(Zustimmung bei der CDU)

Ein Beispiel ist die Landratswahl im Landkreis Börde. Erster Wahlgang: knapp 21 % Wahlbeteiligung, zweiter Wahlgang: knapp 13 % Wahlbeteiligung. Hans Walker hätte auch im ersten Wahlgang deutlich gewonnen. Im ersten Wahlgang hat Hans Walker aber absolut mehr Stimmen bekommen als im zweiten Wahlgang, obwohl im ersten Wahlgang noch alle Kandidaten im Rennen gewesen sind.

Ich finde es schlichtweg nicht seriös, auf der einen Seite eine fehlende Bürgerbeteiligung zu beklagen, aber auf der anderen Seite dafür zu sorgen, dass die ohnehin schon geringe Wahlbeteilung noch künstlich verringert wird.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Wir können mor- gen bei dem Antrag zu den Wahlterminen sehen, wie die CDU dazu steht! - Herr Schröder, CDU: Positiv!)

- Ja, dazu werde ich Ihnen morgen etwas sagen.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Meine Damen und Herren! Weitere Schwerpunkte des Gesetzentwurfes sind neben der Stärkung der bürgerschaftlichen Teilhabe auch die Fortentwicklung des Rechts der Verbandsgemeinden und des Ortschaftsrechts.

Zur Stärkung der Rechte der Ortschaften: Die vorgesehene Möglichkeit der Zuweisung eines Budgets für den Ortschaftsrat finden wir richtig gut.

Diese Haushaltsmittel sollen für die dem Ortschaftsrat obliegenden Aufgaben zugewiesen werden. Daneben werden Umfang und Verfahren zur Anhörung des Ortschaftsrates und des Ortsvorstehers zu wichtigen Angelegenheiten, die die Ortschaft betreffen, gesetzlich klargestellt.

Auch die Sicherstellung einer wirksamen Ortschaftsvertretung und die Einführung der Direktwahl des Ortsvorstehers mit Beginn der Wahlperiode 2019 werden von uns ausdrücklich begrüßt. Hiermit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass es oft schwierig ist, Einwohner zu finden, die sich im Ortschaftsrat engagieren möchten.

Für die Identifikation vor Ort finden wir es zudem richtig, dass nach dem Abschluss der Reform der gemeindlichen Ebene ehemaligen Gemeinden und nunmehrigen Ortsteilen von Einheitsgemeinden Möglichkeit eröffnet wird, ihre bisherige Bezeichnung „Stadt“ künftig wieder auf Briefen und Schildern führen zu dürfen.

Es war ein Anliegen vieler ehemaliger Gemeinden, dass mit der Wiedererlangung der langjährig geführten Bezeichnung ein Teil der historischen Identifikation zum Ausdruck gebracht wird. Das klingt nach einer Kleinigkeit, ist jedoch vor Ort im Hinblick auf die Bindung zur Ortschaft von großer Bedeutung.

Gestatten Sie mir abschließend einige Worte zur Haftung der ehrenamtlich Tätigen. Wir wollen für die ehrenamtlichen Mitglieder der Vertretungen die ehrenamtlich tätigen Bürgermeister, Ortsbürgermeister und Ortsvorsteher die Rahmenbedingungen für diese ehrenamtliche Mitwirkung attraktiver gestalten. Daher wird im Interesse der Rechtsklarheit bestimmt, dass eine Haftung ehrenamtlich tätiger Mandatsträger nur bei vorsätzlichem oder bei grob fahrlässigem Handeln in Betracht kommen kann und diese sich an der Höhe der der Aufwandsentschädigung orientiert.

Ich bitte Sie abschließend um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes der Landesregierung und der bereits vorliegenden Änderungsanträge in den Ausschuss für Inneres und Sport zur weiteren Beratung. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kolze. Es gibt zwei Fragesteller. Wollen Sie sich ihnen stellen? - Es beginnt Herr Gallert.

Herr Kolze, ich habe weniger eine Frage als vielmehr eine Bitte. Können Sie bitte Ihren Fraktionskollegen Stahlknecht darüber aufklären