Protocol of the Session on July 11, 2013

Herr Kolze, ich habe weniger eine Frage als vielmehr eine Bitte. Können Sie bitte Ihren Fraktionskollegen Stahlknecht darüber aufklären

(Minister Herr Stahlknecht: Der ist hier!)

- ich bitte jetzt Herrn Kolze; das ist offensichtlich nicht so einfach -, dass sich die Absenkung des passiven Wahlalters in unserem Vorschlag ausweislich dessen, was man hätte lesen können, auf § 40 bezieht. In § 40 wird ausdrücklich die Wählbarkeit der Vertretungsmitgliedschaft geregelt, während sein Problem in § 62 geregelt wird oder in § 84 oder in § 85. Letztere sind von unserem Vorschlag zur Absenkung des passiven Wahlalters auf 16 Jahre nicht betroffen.

Wenn Sie ihm dann noch erklären, dass der Fall, den er skizziert hat, nach unserem Vorschlag überhaupt nicht eintreten kann, sind wir alle erleichtert. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN - Zuruf von Minister Herrn Stahlknecht)

Lieber Kollege Gallert, wir werden wie immer Ihre Anregungen ernst nehmen und ich werde natürlich mit dem Kollegen Stahlknecht das eine oder andere von dem, was Sie gesagt haben, erörtern.

(Herr Lange, DIE LINKE: Das können Sie im Protokoll nachlesen! - Zuruf von Herrn Gal- lert, DIE LINKE)

Das war eine indirekte Kurzintervention. - Nun ist Herr Striegel dran. Mal sehen, ob er direkt vorgeht.

Herr Präsident, herzlichen Dank. - Herr Kollege Kolze, ich finde, man kann trefflich darüber streiten, welche Quoren bei Bürgerentscheiden, bei Bürgerbegehren und ähnlichen Dingen gelten sollen. An dieser Stelle ist viel Raum für jedwede politische Verortung.

Sie irritierten mich aber mit einer Aussage und ich bitte diesbezüglich um eine Klarstellung von Ihnen: Sie haben Wahlen als das wichtigste Instrument der Mitbestimmung definiert. Sie haben sie damit in eine Art Gegensatz zu Elementen direkter Demokratie gestellt bzw. eine Wichtung vorgenommen. Das hat mich irritiert. Ich bin immer davon ausgegangen, dass das Volk durch Wahlen und Abstimmungen an der politischen Willensbildung teilnimmt und dass es keine Präferenzen in eine bestimmte Richtung gäbe.

Ich bin ein großer Verfechter von Formen der parlamentarischen Demokratie, auch im kommunalen Raum. Mich irritiert jedoch diese Abwertung direkter demokratischer Elemente. Vielleicht können Sie dazu noch einmal Stellung nehmen; denn ich fände es schwierig, wenn von der heutigen Debatte das Signal ausginge, dass direkte demokratische Elemente weniger wert seien als Wahlen.

Verehrter Kollege Striegel, den Gegensatz, den Sie zu konstruieren versuchen, kann man, wenn man meiner Rede genau zugehört hat, nicht konstruieren. Ich habe gesagt - dazu stehen ich und meine Fraktion -: Die repräsentative Demokratie ist aus unserer Sicht etwas, das sich seit Jahrzehnten hervorragend bewährt hat.

(Zustimmung bei der CDU)

Unser Ziel ist es, Wahlbeteiligungen zu erhöhen sowie gute und positive Wahlergebnisse zu erzielen. Darüber hinaus haben wir - darin haben Sie vollkommen Recht, aber ich habe auch nichts anderes gesagt - die Möglichkeit der Bürgerbeteiligung durch Bürgerbegehren, Bürgerentscheide etc. Aber um diese Möglichkeiten auch qualitativ auf einem bestimmten Level zu halten, bedarf es entsprechender Quoren. Davon sind wir überzeugt.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren. Ich habe eine allgemeine Zustimmung zur generellen Überweisung sowohl des Gesetzentwurfes als auch der beiden Änderungsanträge vernommen. Ich glaube, als federführender Ausschuss wurde lediglich der Innenausschuss genannt. - Ich vernehme keinen Widerspruch.

Hinsichtlich der mitberatenden Ausschüsse habe ich Unterschiedliches gehört. Es wurden die Ausschüsse für Arbeit und Soziales sowie für Recht, Verfassung und Gleichstellung genannt.

Wir beginnen mit der Abstimmung über die Überweisung in den federführenden Ausschuss. Wer ist dafür, dass der Gesetzentwurf und die Änderungsanträge zur federführenden Beratung in den Innenausschuss überwiesen werden? - Das ist das gesamte Haus. Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Nein. Damit sind der Gesetzentwurf und die Änderungsanträge zur federführenden Beratung in den Innenausschuss überwiesen worden.

Wer ist dafür, dass der Gesetzentwurf und die Änderungsanträge zur Mitberatung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen werden? - Das sind die Fraktionen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit sind der Gesetzentwurf und die Änderungsanträge nicht zur Mitberatung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen worden.

Wer ist dafür, dass der Gesetzentwurf und die Änderungsanträge zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwie

sen werden? - Das sind die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Es heißt Kom- munalverfassung!)

Damit sind der Gesetzentwurf und die Änderungsanträge nicht zur Mitberatung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen worden.

Wer ist für eine Überweisung in den Finanzausschuss? - Das sind einige Abgeordnete der Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das ist die große Mehrheit des Hauses. Wer enthält sich der Stimme? - Damit wurde einer Überweisung in den Finanzausschuss ebenfalls nicht zugestimmt.

Das heißt, der Gesetzentwurf und die Änderungsanträge sind lediglich in den Innenausschuss überwiesen worden.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

So ist es. Dann haben wir das in der repräsentativen Demokratie entschieden. Vielen Dank. Damit ist der Tagesordnungspunkt 19 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes über die Eingemeindung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/2248

Einbringer ist der Minister für Inneres und Sport. Herr Stahlknecht, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, vielen Dank. - In § 3 des Gesetzes über die Neugliederung der Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt betreffend den Landkreis Harz vom 8. Juni 2010 wurden die drei Gemeinden Stadt Gernrode, Bad Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg eingemeindet.

Die drei Gemeinden hatten im Gesetzgebungsverfahren vorgebracht, dass sie sich trotz nicht leitbildgerechter Größe zu einer Einheitsgemeinde zusammenschließen wollten. Eine Eingemeindung nach Quedlinburg lehnten sie ab. Sie stützen sich dabei auch auf die Bürgeranhörung vom 29. März 2009, die in allen drei Gemeinden deutliche Mehrheiten für den Zusammenschluss zu einer Einheitsgemeinde erbracht hatten.

Klagen der drei Gemeinden gegen § 3 des oben genannten Gesetzes vor dem Landesverfassungsgericht waren erfolgreich. Mit dem Urteil vom 19. Februar 2013 erklärte das Landesverfassungsgericht die Eingemeindungen für nichtig, da zwischen der öffentlichen Bekanntmachung am 8. Oktober 2009 und dem Tag der Bürgeranhörung am 29. November 2009 nicht die nach § 55 Satz 1 und § 6 Abs. 2 Satz 1 des Kommunalwahlgesetzes gesetzlich vorgeschriebene Spanne von zwei Monaten gelegen hat. Die Zuordnung wurde nur wegen dieses formalen Mangels und Verstoßes aufgehoben.

Eine Kritik an den Grundsätzen der Gemeindegebietsreform war damit nicht verbunden. Sie war im Übrigen bereits durch die vorherige Rechtsprechung des Landesverfassungsgerichts als verfassungsgemäß gebilligt worden. Die drei Gemeinden sind mithin derzeit selbständig.

Vor Ort hatten Bürgeranhörungen in den drei Gemeinden eine deutliche Mehrheit für eine Einheitsgemeinde mit den drei Orten ergeben. Aus mehreren Erwägungen ist das jedoch keine wünschenswerte Option. Eine Einheitsgemeinde Gernrode würde dem im Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz niedergelegten Auftrag widersprechen, zukunftsfähige gemeindliche Strukturen zu schaffen.

Die Regelungen des § 2 Abs. 1 und 3 des Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetzes sehen Einheitsgemeinden mit mindestens 10 000 Einwohnern vor. Die vor Ort gewünschte Einheitsgemeinde hätte aktuell nur rund 7 100 Einwohner.

Ausnahmen von der Mindesteinwohnerzahl sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich; diese liegen jedoch in diesem Fall nicht vor. Weder hat der Landkreis Harz eine Bevölkerungsdichte von unter 70 Einwohnern pro Quadratkilometer, noch sprechen geografische Gegebenheiten gegen die Eingemeindung nach Quedlinburg.

Wollte man an dieser Stelle eine Ausnahme zulassen, müsste man sich den Vorwurf gefallen lassen, dass die Exekutive den gesetzgeberischen Auftrag aus dem Leidbild nicht ernst nimmt. Nach Abwägung aller Umstände hat sich Landesregierung deshalb am 19. März 2013 entschieden, durch eine Gesetzesinitiative eine erneute Eingemeindung der drei Gemeinden nach Quedlinburg einzuleiten.

Mit der Bürgeranhörung am 23. Juni 2013 fand das von der Landesregierung durchgeführte Anhörungsverfahren seinen Abschluss. Die Verwaltungsgemeinschaft Gernrode-Harz, die Städte Thale und Ballenstedt, der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt sowie der Landkreistag Sachsen-Anhalt haben keine Stellungnahmen abgegeben.

Die Städte Quedlinburg und Harzgerode, der Landkreis Harz sowie die regionale Planungsgemeinschaft Harz haben sich für die Eingemeindung der Stadt Gernrode und der Gemeinden Bad Suderode und Rieder in die Stadt Quedlinburg ausgesprochen. Dabei wurden im Wesentlichen die den Gesetzentwurf tragenden Gründe für die Eingemeindung bestätigt.

Einer Einheitsgemeinde mit nur drei beteiligten Gemeinden wurde auch vor Ort die Leistungsfähigkeit abgesprochen. Insbesondere vor dem Hintergrund der mittlerweile in Kraft getretenen Verordnung zum Landesentwicklungsplan vom 11. März 2011, die für ein Grundzentrum 3 000 Einwohner im Kernbereich vorsieht und im gesamten grundzentralen Verflechtungsbereich mindestens 12 000 Einwohner vorschreibt, wird eine Einheitsgemeinde Stadt Gernrode als nicht tragfähig angesehen.

Die drei Gemeinden lehnen den Gesetzentwurf kategorisch ab. Sie halten das Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz nicht mehr für abwendbar. Alternativen seien nicht hinreichend abgewogen worden. Dies sei ein Abwägungsausfall. Im Übrigen handele es sich um eine Mehrfachneugliederung, für die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besondere hohe Voraussetzungen erfüllt sein müssen.

Die Argumentation der drei Gemeinden geht ins Leere. Das Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz ist weder befristet noch außer Kraft getreten. Die Gemeindegebietsreform ist erst dann abgewickelt, wenn alle Gemeinden im Land Sachsen-Anhalt leitbildgerecht strukturiert sind. Erneut wurden alle Nachbarkommunen untersucht, in die die drei Gemeinden eingemeindet werden können. Eine neuerliche Abwägung ergab die Eingemeindung nach Quedlinburg.

Um eine Mehrfachneugliederung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich nicht, weil der Gesetzentwurf weder die Zuordnungsmaßstäbe aus dem Gemeindeneugliederungs-Grundsätzegesetz verändert, noch von sich aus unter Wechsel des Maßstabes eine vorherige bestandskräftige Zuordnungsentscheidung des Gesetzgebers korrigiert.

Bei der Bürgeranhörung ist das Ergebnis in Bad Suderode hervorzuheben. Die Einwohner haben sich mit einer knappen Einstimmenmehrheit für die Eingemeindung in die Stadt Quedlinburg ausgesprochen.

In der Gemeinde Rieder und der Stadt Gernrode wird die Eingemeindung in die Stadt Quedlinburg nach wie vor abgelehnt. Dabei ist zu beachten, dass das Votum der Bürgerschaft lediglich einen Gesichtspunkt innerhalb der Abwägung darstellt. Die Ablehnung einer Neugliederungsmaßnahme durch die Bürger ist nicht der alleinige Maßstab

für eine gesetzgeberische Entscheidung. Artikel 90 der Landesverfassung Sachsen-Anhalt räumt dem Gesetzgeber gerade das Recht ein, auch gegen den Willen der Bürger eine Eingemeindung vorzunehmen. Gründe des Gemeinwohls sprechen deutlich für eine Stärkung des Mittelzentrums Quedlinburg.

Meine Damen und Herren, ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um die Überweisung in den Ausschuss für Inneres.

(Zustimmung bei der CDU)