Protocol of the Session on July 11, 2013

Das betrifft auch die Ausweitung der Gestaltung der Aufwandsentschädigung. Vor Ort wird immer wieder darüber diskutiert, für welche Arbeiten und wann eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden darf. Die Kommunalpolitiker wollen immer wissen, dass ihnen der Runderlass eine entsprechende Vorgabe macht und darüber hinaus keine Aufwandsentschädigung gezahlt werden darf.

Das soll jetzt aufgeweitet werden, zum Beispiel und vor allem für die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr, und zwar dahin gehend, dass nicht nur Funktionsträger eine entsprechende Aufwandsentschädigung erhalten. Das ist gut und richtig. Vielleicht kann auch die ehrenamtlich tätige Bibliothekarin eine Aufwandsentschädigung erhalten.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Es sollen Haftungsgrenzen eingezogen werden, sodass derjenige, der ehrenamtlich tätig ist, nicht Gefahr läuft, mit seiner ehrenamtlichen Tätigkeit vielleicht sein Hab und Gut aufs Spiel zu setzen.

Von allen wird auch begrüßt, dass mit dem Gesetz versucht werden soll, die Effizienz der Verwaltung zu verbessern und Standards abzubauen - es soll versucht werden; nicht an allen Stellen wird es möglich sein.

Weiterhin geht es um die Zulässigkeit rechtswirksamer Internetbekanntmachungen. Sie haben schon gehört, die Zeiten haben sich geändert. Das Internet sollte in den Kommunalverwaltungen für Bekanntmachungen Verwendung finden.

Zur Heilung von Einberufungsmängeln sollen in dem Gesetz kleine Änderungen vorgenommen werden. Das wird die Arbeit vor Ort erleichtern.

Auch Kleinigkeiten sollen geregelt werden, zum Beispiel dass das Ausscheiden eines Mitglieds des Gemeinderates, das mitteilt, dass es auf eigenen Wunsch oder wegen Wegzugs aus dem Gemeinderat ausscheidet, nicht noch zusätzlich durch einen Beschluss des Gemeinderates bestätigt werden muss.

Beim Ortschaftsrecht hätten sich viele Ortschaftsräte mehr gewünscht. Es ist aber auch gesagt worden, dass man das Ortschaftsrecht nicht erweitern will, gerade weil wir in der letzten Legislaturperiode mit der Gebietsreform eine Stärkung der Einheitsgemeinde als Ganzes auf den Weg gebracht haben.

An dieser Stelle möchte ich auf ein Beispiel eingehen, das der Minister genannt hat. Es ist umstritten, ob den Ortschaften, die bislang die Bezeichnung Stadt trugen, eingeräumt werden soll, diesen Titel weiterhin zu tragen. Ich führe an dieser Stelle das Beispiel einer Gemeinde bei mir vor Ort an: Ein Ortsteil mit 36 Einwohnern, der den Namen Stadt Frankfurt trug, durfte diesen behalten, aber die ehemalige Stadt Seehausen mit 1 200 Einwohnern musste auf den Titel Stadt verzichten. - So ist das.

(Herr Daldrup, CDU: So geht’s nicht!)

Das bedeutet, innerhalb einer Einheitsgemeinde heißt der eine Ortsteil Stadt Frankfurt und der andere nur noch Seehausen. Dieses Problem kann jetzt gelöst werden, denke ich. Es befindet sich auf einem guten Weg.

Die Klarstellungen zum Anhörungsrecht und zu den Zuständigkeiten des Ortschaftsrats und des Ortsbürgermeisters helfen den Leuten vor Ort.

Beim Haushaltsrecht sollen Kleinigkeiten geändert werden. Diese sind letzten Endes aber doch von großer Bedeutung. Im weiteren Verfahren werden wir bestimmt noch die eine oder andere Diskussion erleben, nämlich bezüglich der Bindungswirkung von Haushaltskonsolidierungskonzepten und bezüglich des Genehmigungsvorbehalts für den Höchstbetrag von Liquiditätskrediten. Liquiditätskredite sind das, was wir noch immer unter dem Namen Kassenkredite kennen.

Insgesamt ist es ein gutes Werk. Zusammen mit den Änderungsanträgen haben wir viel Diskussionsstoff für den Ausschuss, und in der Anhörung werden wir, denke ich, sicherlich noch weitere Anregungen bekommen. Ich wünsche uns für die Beratung viel Erfolg.

Namens der SPD-Fraktion möchte ich eine Überweisung an den Innenausschuss beantragen.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Frau Schindler. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Striegel. Bitte schön, Herr Kollege.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der Schaffung eines zentralen Gesetzeswerkes im Kommunalverfassungsrecht, das heißt mit der Zusammenführung der Gemeindeordnung, der Landkreisordnung und des Verbandsgemeindegesetzes in ein einheitliches Gesetz, geht die Landesregierung ein überfälliges Vorhaben an.

Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN begrüßt dies ausdrücklich; denn ein solches einheitliches

Kommunalverfassungsgesetz dient der Übersichtlichkeit und der Gesetzesanwendung. Es ist mit Blick auf die zu regelnden Inhalte in und für die Kommunen folgerichtig. Die Zusammenfassung in einem Gesetzestext ist auch im Sinne der ehrenamtlichen Vertreterinnen und Vertreter in den Kommunalparlamenten und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Kommunalverwaltungen dienlich.

Aus rechtstechnischer Sicht kann und will ich der Landesregierung und insbesondere dem verantwortlichen Staatssekretär Herrn Professor Dr. Gundlach, einem ausgewiesenen Experten für die Materie, also keinen Vorwurf machen, sondern ihm im Gegenteil sogar ausdrücklich danken.

(Zustimmung von Herrn Kolze, CDU)

Bei diesem Gesetzentwurf war ein beflissener Jurist am Werke, der als vorheriger Verfasser von Kommentaren zur Gemeindeordnung nunmehr die Chance zur Vereinheitlichung und Vereinfachung weidlich genutzt hat - so weit, so gut, doch leider auch so wenig. Denn so sehr die Landesregierung auf ihr neues gelungenes Gesetz verweist, so wenig Gestaltendes hat sie in das neue Kommunalverfassungsrecht eingebracht.

Eine echte Reform, lieber Jens Kolze, ist das uns Vorgelegte nicht. Modern war allenfalls der Weg, wie der Gesetzentwurf zustande gekommen ist, nämlich der Versuch, frühzeitig zumindest die verfassten kommunalpolitischen Akteure - will heißen: die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die Landräte, die Räte - in Workshops und Symposien einzubinden. Dies und mehr würde man sich bei ähnlichen Gesetzesvorhaben auch zukünftig wünschen.

Das Ergebnis in materieller Hinsicht hingegen ernüchtert - jedenfalls aus dem Blick derjenigen, die in den Kommunen die Kernzelle unserer Demokratie erkennen wollen und die die Städte, Gemeinden und Landkreise für Orte unmittelbarer demokratischer Verwirklichung halten.

Die Krise der Demokratie, ihre verschärften Herausforderungen durch notwendige Gebietsreformen, die häufig unüberschaubar groß gewordenen kommunalen Gebietskörperschaften und die damit verloren gegangenen Möglichkeiten unmittelbarer Mitbestimmung aller Bürgerinnen und Bürger werden in dem vorliegenden Gesetzentwurf weder gespiegelt, geschweige denn angegangen. Hier verwaltet die Regierung Haseloff einmal mehr, statt zu gestalten.

Das ist bedauerlich, zumal in Sachsen-Anhalt in diesem Bereich noch immer die rote Laterne zu Hause ist. Unser Bundesland rangiert in Sachen demokratischer Beteiligung in Rankings regelmäßig am hinteren Ende. Zitat: Die Hürden für eine direkte Beteiligung der Bürgerinnen und Bür

ger - so beklagt es zum Beispiel der Verein „Mehr Demokratie“ - seien in unserem Land viel zu hoch.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Dabei formuliert die Landesregierung in der Begründung zu dem Gesetzentwurf auf Seite 130 selbst:

„Eine wesentliche Voraussetzung für ein funktionierendes demokratisches Gemeinwesen auf kommunaler Ebene sind Einwohner und Bürger, die am kommunalpolitischen Geschehen Anteil nehmen. Ohne die bürgerschaftliche Beteiligung und Mitwirkung an der kommunalen Selbstverwaltung ist lebendige örtliche Demokratie nicht möglich. Die Einbeziehung und direkte Teilhabe der Einwohner und Bürger in lokale Prozesse und Entscheidungen ist deshalb im kommunalen Raum von herausragender Bedeutung. Sie trägt nachhaltig zur Identifikation der Einwohner und Bürger mit der Kommune bei, in der sie leben, und fördert das bürgerschaftliche Engagement in kommunalen Angelegenheiten.“

Diesen wohlgesetzten Worten folgen jedoch keine Taten. Von einem großen demokratischen Aufbruch ist in Ihrem Gesetzentwurf nichts zu entdecken, außer dass im Bereich des Einwohnerantrags auf einen Kostendeckungsvorschlag verzichtet wird und die erforderliche Mindestzahl an Unterschriften herabgesetzt wurde.

Gleiches gilt auch für das Bürgerbegehren. Die Absenkung des Quorums auf 10 % ist gleichfalls nicht bahnbrechend. Es gibt keine Reform des wichtigen Bürgerentscheids. Hier bleibt alles beim Alten, außer dass eine halbherzige Option zur Fristverlängerung bei Durchführung eines Entscheids eingeführt wird.

Das Demokratie und wirkliche Bürgerbeteiligung hemmende Quorum von 25 % Zustimmung der Wahlberechtigten für die Annahme eines solchen Bürgerentscheids bleibt weiterhin bestehen. Diese Schwelle von einem Viertel stellt eine immer wieder nicht überwindbare Hürde für ernstgemeinte Bürgerbeteiligung dar. Es ist ein Verhinderungsquorum durch die Hintertür, das endlich abgeschafft gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind die Kommunen unmittelbar demokratisch gestaltbare Orte sui generis. Deshalb legen wir mit unseren in den Landtag eingebrachten Änderungsanträgen den Schwerpunkt auf die Stärkung der Demokratie in diesem Bereich. Wir gehen zunächst die Frage an, wer in unseren Kommunen überhaupt mitbestimmen darf, und wollen nicht hinnehmen, dass Tausende Menschen in Sachsen-Anhalt zwar wohnen und Steuern zahlen, aber in ihren jeweiligen Hei

matorten aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder ihres Alters von der Mitbestimmung ausgeschlossen sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Das ist ein Anachronismus und hebt auf einen überkommenen Volksbegriff ab.

(Minister Herr Stahlknecht: Och, nee!)

Mit der Einführung des aktiven und passiven Kommunalwahlrechts für Unionsbürgerinnen und Unionsbürger hat sich der Begriff des Staatsvolks inzwischen grundlegend weiterentwickelt. Ein weiterer Ausschluss von Nicht-EU-Bürgern von der Teilnahme an kommunalen Wahlen und Abstimmungen stellt ein nicht zu rechtfertigendes demokratisches Defizit dar.

(Zurufe von der CDU)

Er ist außerdem ein Demokratiehindernis und ein Integrationshindernis.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die Diskriminierung der dauerhaft in Deutschland lebenden und in Sachsen-Anhalt wohnhaften Drittstaatsangehörigen, die Teil unserer Gesellschaft sind - sie sind der Rechtsordnung unterworfen und zum Beispiel durch die Steuerpflicht in gleicher Weise verpflichtet -, muss beendet werden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Echte Integration ermöglicht chancengleiche Bedingungen für die Artikulation und Beteiligung am politischen Prozess.

(Herr Rosmeisl, CDU: Das ist ein bisschen mehr!)

Menschen aus Drittstaaten sollen in gleicher Weise an der Gestaltung ihrer örtlichen Lebensverhältnisse teilhaben können wie ihre Mitbürgerinnen und Mitbürger. Die meisten EU-Staaten gewähren Drittstaatsangehörigen bereits ein kommunales Wahlrecht. Das muss auch in SachsenAnhalt möglich sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)