Protocol of the Session on July 11, 2013

Auch hier in Sachsen-Anhalt sind wir, vielleicht sogar mehr als in anderen Regionen der Bundesrepublik Deutschland, auf gut ausgebildete Fachkräfte sowie auf kluge und kreative Köpfe angewiesen.

Um dieses Problem zu lösen, gibt es mehrere Ansätze, die nicht einzeln, sondern nur als Gesamtpaket zum Erfolg führen. Ich denke, die Personengruppen sind allen hier im Hause hinlänglich bekannt.

Die Ansätze sind: durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf die Erwerbspartizipation von Frauen zu erhöhen; gute Bildung, an deren Ende qualifizierte Abschlüsse stehen, für jeden zu ermöglichen; Abbruchquoten bei Schülern, Azubis und Studenten zu verringern und die Beteiligung von älteren Arbeitnehmern ab dem 55. Lebensjahr zu erhöhen.

Dazu zählt eben auch, mit Anreizen, aber vor allem auch mit Erleichterungen die Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften zu steuern und zu forcieren.

Meine Damen und Herren! In Sachsen-Anhalt leben zwar unterdurchschnittlich viele Zugewanderte; aber aufgrund der Herkunftsstruktur verfügen wir über überdurchschnittlich viele Zugewanderte mit akademischen und Fachqualifikationen, die häufig aufgrund fehlender Anerkennung bislang nicht angemessen dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.

Rund drei Viertel aller in Sachsen-Anhalt lebenden ausländischen Zugewanderten kommen aus sogenannten Drittstaaten und haben daher bislang keinen Rechtsanspruch auf Prüfung ihrer Qualifikation. An dieser Stelle macht dann immer das Beispiel vom taxifahrenden Ingenieur aus Pakistan die Runde.

Kolleginnen und Kollegen! Das Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen im Bund war ein erster Schritt zum Einstieg in eine Anerkennungssystem in Deutschland. Nunmehr sind die Bundesländer gefordert. Einige haben bereits Landesanerkennungsgesetze beschlossen, wie Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und das Saarland. In anderen Bundesländern werden die Gesetze im parlamentarischen Raum beraten; der Minister erwähnte es.

Alle Gesetze orientieren sich am Berufsqualifizierungsgesetz des Bundes. Das ist im Sinne einer einheitlichen Verfahrensweise und Anerkennungspraxis auch vernünftig.

Meine Damen und Herren! Jetzt macht sich auch Sachsen-Anhalt auf den Weg. Mit dem uns vorliegenden Gesetzentwurf der Landesregierung nehmen wir nun in Sachsen-Anhalt das Problem der Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen im Kontext des am 1. April 2012 in Kraft getretenen Anerkennungsgesetzes des Bundes in Angriff. Das ist wichtig und richtig.

Er beinhaltet erstmals eines Rechtsanspruch auf die Anerkennung eines im Ausland erworbenen Berufsabschlusses und - das ist aus unserer Sicht sehr vernünftig - begrenzt die maximalen Gebühren auf ein vertretbares Maß von 600 €. Dass diese Obergrenze in das Landesgesetz übernommen wird, unterstützen wir ausdrücklich. Eine solche Obergrenze ist erforderlich, damit insbesondere die schon in Sachsen-Anhalt lebenden Zugewanderten vom Gesetz profitieren können, da sie oft weit unterhalb ihrer Qualifikation im Niedriglohnbereich beschäftigt oder trotz der Qualifikation arbeitslos sind.

Es gilt, die Kompetenzen und die beruflichen Qualifikationen von Migrantinnen und Migranten unabhängig davon, in welchem Land sie erworben wurden, für deren Zugang zum sachsen-anhaltischen Arbeitsmarkt nutzbar zu machen und sie in Beschäftigung einmünden zu lassen. Natürlich muss die Vergleichbarkeit der im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen mit den deutschen Berufs- und Studienabschlüssen gewahrt bleiben. Genauso muss dem Antragsteller deutlich gesagt werden, an welchen Stellen die Vergleichbarkeit nicht gegeben ist und wie dies ausgeglichen werden kann.

Meine Damen und Herren! Dabei sind auch einige landesspezifische Gegebenheiten zu beachten.

Daher sollten wir in den entsprechenden Fachausschüssen eine produktive Diskussion über einzelne Inhalte führen. Ich denke dabei zum Beispiel an die Änderungen im Landesbeamtengesetz, ich denke an Lehrer, Architekten, Ingenieure usw. Das Spektrum ist groß. Angesichts sowohl der integrationspolitischen als auch der für mich als wirtschaftspolitischer Sprecher genauso hoch zu bewertenden wirtschaftspolitischen Bedeutung dieses Gesetzes sollten wir uns die Zeit für eine gute inhaltliche Debatte nehmen.

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion beantragt daher, den Gesetzentwurf der Landesregierung zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft und zur Mitberatung in die Ausschüsse für Inneres und Sport, für Arbeit und Soziales sowie für Bildung und Kultur zu überweisen.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Mormann. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt Herr Dr. Thiel. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Professor Dalbert, wir warten nicht erst seit acht Monaten auf eine solche Regelung. Bereits im Jahr 2005 hat die Europäische Union den Rahmen festgelegt und die Länder aufgefordert, auf diesem Gebiet endlich aktiv zu werden.

Ich sage das deshalb, weil wir uns auch in der letzten Legislaturperiode im Landtag mit diesen Fragen beschäftigt haben. Wir haben das Ingenieurgesetz angefasst, wir haben das Dolmetschergesetz angefasst, wir haben das Architektengesetz angefasst, um dem Thema der ausländischen Qualifikationen den Stellenwert beizumessen, den es wirklich verdient hat.

Es ist richtig: Seit der Öffnung des europäischen Marktes haben wir immer wieder im Sinne der Beschäftigten gefordert, auch deren berufliche Qualifizierung bei uns anzuerkennen. Deshalb begrüßen wir den vorliegenden Gesetzentwurf grundsätzlich im Sinne der Arbeitnehmerfreizügigkeit. Aber das ist nur die eine Hälfte der Wahrheit.

Die andere Hälfte ist: Wir sollten eigentlich das Recht ausländischer Mitbürger achten, dort zu leben, zu arbeiten und sich einzubringen, wo sie es wollen. Das ist eigentlich der springende Punkt. Wir dürfen sie nicht nur als willkommene Ergänzung des Arbeitskräftepotenzials betrachten.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn auch das gehört zur Wahrheit, die man hier heute sagen müsste: Tausende von Migrantinnen und Migranten in Deutschland haben sehr lange

auf die Anerkennung ihrer Berufsabschlüsse warten müssen bzw. sie warten immer noch.

Herr Mormann hat gesagt, dass sie nicht selten als Hilfskräfte auch völlig artfremd eingesetzt werden. Deshalb war es an der Zeit, dass Deutschland endlich seine Rechtsetzung den EU-Normen anpasst. Künftig gibt es diesen Rechtsanspruch auf ein Feststellungsverfahren zur beruflichen Qualifikation, und zwar unabhängig von Herkunfts- und Aufenthaltsland. Das betrachten wir als sehr positiv.

Wir möchten dennoch für die Debatte in den zuständigen Ausschüssen ein paar Anmerkungen mitgeben. Erstens. Die Kosten für das Anerkennungsverfahren sind bereits angesprochen worden. Im Gesetz ist geregelt, dass die Grenze bei 600 € liegen sollte. Das sind aber nur die Kosten für das formale Verfahren. Es kommen noch weitere Kosten hinzu, zum Beispiel für beglaubigte Kopien und die Übersetzung von Dokumenten oder für Qualifizierungen, über die bereits gesprochen wurde. Also, es kommt eine ganze Menge auf die Betroffenen zu.

Deswegen sollte man eventuell über die Regelung des Landes Mecklenburg-Vorpommern nachdenken und die behördliche Kostengrenze bei 250 € einziehen. Das wäre eine Möglichkeit, über die man im Ausschuss diskutieren könnte.

Zweitens die Problematik des Unterschieds zwischen reglementierten und nicht reglementierten Berufen. Hier gibt es feine Unterschiede. Bei den reglementierten Berufen ist eine mögliche Nachqualifizierung durchaus erforderlich. Bei den nicht reglementierten Berufen ist sie nicht notwendig.

Das heißt, an dieser Stelle werden noch einmal entsprechende Aufwendungen für die Antragsteller notwendig sein. Frau Professor Dalbert hat es bereits gesagt. Ich will das ausdrücklich unterstützen, vor allem dann, wenn es um einen längeren Zeitraum geht, in dem die Nachqualifizierung zu absolvieren ist. Insbesondere für diejenigen, die keine Einkünfte haben, sollte man nach Mitteln und Wegen suchen. Das ist leider bisher im Gesetzentwurf noch nicht näher spezifiziert.

Es wird zwar davon gesprochen, dass Inhalt und Durchführung der Ausgleichsmaßnahmen über Verordnungen durch das zuständige Ministerium zu regeln seien. Deswegen erwarten wir, dass man uns in den jeweiligen Fachausschüssen wenigstens mitteilt, in welche Richtung die Verordnungen und Regelungen gehen sollen.

Drittens. Positiv sind die konkreten Fristen für die Erteilung der Zulassung zu bewerten. Drei Monate mit einer Verlängerung - das ist mal ein wichtiger Ansatzpunkt. Es existiert also kein unbegrenzter Zeitraum, sondern es sind konkrete Fristen festgelegt worden. Deshalb ist es wichtig, dass man

noch einmal genau bestimmt, welche Bedingungen gegeben sein müssen, um diese Fristen einhalten zu können.

Viertens. Für wichtig halte ich den Beratungsbedarf. Das ist auch von Frau Professor Dalbert gesagt worden. Es geht darum, dem Antragsteller dabei zu helfen, sich im Antragsdschungel der deutschen Bürokratie zurechtzufinden. Er wird in dieser Frage von dem Gesetz so ziemlich alleingelassen. Deswegen sollten wir im Ausschuss noch einmal nacharbeiten, was hier getan werden könnte, um das zu vereinfachen.

Eine Bemerkung zum Schluss. In der letzten Landtagssitzung haben die Koalitionsfraktionen einen Beschluss gefasst, nämlich die Landesregierung zu bitten, bei Gesetzesvorhaben die Standards für das Land und die Kommunen zu prüfen, abzuwägen und auf ein notwendiges Maß zu beschränken, sofern EU- und Bundesrecht nichts anderes vorgeben.

Hierbei sind wir auf Ihre Bewertungen in den Ausschussberatungen gespannt, also auf die Bewertung der Frage, ob der Gesetzentwurf dem entspricht. Wir plädieren für den Vorschlag des Kollegen Mormann, für die Überweisung in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft zur federführenden Beratung und in die Ausschüsse für Bildung und Kultur, für Arbeit und Soziales sowie für Inneres und Sport zur Mitberatung.

Wir denken, dass auch eine Anhörung der Betroffenen und deren Interessenvertreter sowie der dazugehörigen Fachverbände notwendig ist. Denn wir haben es immerhin mit weiteren 13 Landesgesetzen zu tun, die geändert werden müssen. Wie gesagt, wir stimmen der Überweisung des Gesetzentwurfes in die genannten Ausschüsse zu. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Dr. Thiel. - Für die Fraktion der CDU spricht der Abgeordnete Herr Thomas. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn man sich mit Unternehmen, mit Wirtschaftsbetrieben oder mit Handwerkern unterhält, dann wird als eines der Hauptprobleme der Fachkräftemangel genannt. Wir haben es heute Morgen schon erlebt, dass es viele Versuche und Initiativen gibt, dieses Problems Herr zu werden.

Man kann sich diesem Problem ja aus mehreren Richtungen nähern. Die erste Variante, die über Jahrzehnte in Deutschland durchaus auch erfolgreich war, besteht darin, den Mangel mit eigenem Nachwuchs zu decken, mit Jugendlichen, die

nachwachsen. Wir wissen aber, dass gerade in Sachsen-Anhalt die Demografie ein großes Problem ist.

Wir haben heute Morgen schon gehört, dass es offensichtlich einen Wettbewerb zwischen den grünen Berufen und den Pflegeberufen gibt. Das zeigt einmal mehr, wie hart der Markt auf diesem Segment umkämpft ist.

Deswegen, denke ich, besteht eine zweite Alternative darin, die Menschen, die momentan nicht aktiv am Arbeitsleben teilnehmen, durch diverse Maßnahmen, Qualifizierungsmaßnahmen, Weiterbildungsmaßnahmen oder Integrationsmaßnahmen, zu aktivieren. Auch hier - das wissen wir aus den Erfahrungen der letzten Jahre - sind die Möglichkeiten begrenzt.

Die dritte Variante ist, dieses Problem mit Fachkräften aus dem Ausland zu lösen. Ich bin der Landesregierung außerordentlich dankbar, dass sie uns heute diesen Gesetzentwurf vorgelegt hat, den wir als Beratungsgrundlage in die Ausschüsse überweisen wollen. Denn er versucht, das mithilfe von Zugewanderten und von Migranten zu lösen, indem eine Vergleichbarkeit von Abschlüssen und Qualifikationen hergestellt wird. Vor allem soll - das ist im Sinne der Betroffenen - das Verfahren der Qualifikationsanerkennung vereinfacht werden.

Jawohl, es gibt Beispiele, in denen ausgebildete Lehrer aus anderen Ländern hier keine Anerkennung gefunden haben bzw. unter Auflagen, die schwer nachzuvollziehen sind. Frau Dalbert, da gebe ich Ihnen vollkommen Recht. Das sind natürlich Punkte, über die wir im Ausschuss reden müssen, ob wir die Lehrer mit hineinnehmen wollen und können. Ich bin Ihnen diesbezüglich zugeneigt.

Ich kann aber nicht verstehen, dass Sie von einer Minimalvariante sprechen, ohne es zu begründen. Aber ich denke, die Begründung dafür, warum es aus Ihrer Sicht nur eine Minimalvariante ist, werden wir ja im Ausschuss kräftig diskutieren und uns darüber austauschen.

Herr Kollege Thiel, vielleicht noch als ein Resümee zu Ihrem Beitrag: Ich glaube schon, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus dem Ausland, die hier als Fachkraft arbeiten - der bulgarische Arzt im Krankenhaus ist mittlerweise zur Normalität geworden -, respektiert und anerkannt werden. Ich denke, das ist ein gutes Beispiel für kommende Verfahren. Wir als SachsenAnhalter können sagen, wir sind weltoffen und akzeptieren die Berufsabschlüsse in Zukunft transparenter.

Aber - das sage ich für die CDU-Fraktion mit aller Deutlichkeit - eine Anerkennung von vergleichbaren Berufsqualifikationen kann nicht dazu füh

ren, dass Standards, die sich bei uns über Jahre hinweg bewährt haben, abgesenkt werden. Das kann nicht dazu führen, dass wir das Anforderungsprofil absenken. Vielmehr sind wir der Meinung, dass wir die vorhandenen Standards mit Blick auf die Berufsbilder auch weiterhin als Norm benennen wollen. Ich denke, das wird auch akzeptiert.

Hinsichtlich der Finanzierung von Beratungsleistungen bin ich eher skeptisch. Alle, die nach Deutschland kommen und bestimmte Unterlagen, persönliche Dokumente und dergleichen vorlegen müssen, müssen das auch selber finanzieren. Es wird noch einmal darüber zu reden sein, inwiefern wir einen Beratungsanspruch gesetzlich festschreiben wollen.

Denn wir wollen - das haben Sie noch einmal gesagt und dafür bin ich Ihnen dankbar - mit unserem Standardmoratorium aus der letzten Landtagssitzung keine weitere Verkomplizierung, sondern eine Vereinfachung des Verfahrens erreichen.

Ich bin der festen Überzeugung, dass die betreffenden Stellen, wenn jemand einen Beratungsbedarf hat, so sensibel sind, dass es auch ohne eine gesetzliche Vorschrift passiert. Es wäre ja schlimm, wenn wir jeder zustimmenden Behörde vorschreiben müssten, dass sie zu beraten habe. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Die Behörden arbeiten für die Bürger und sollten dementsprechend auch die Beratungsleistungen ohne Aufforderung durch den Gesetzgeber frei anbieten. - Vielen Dank.