Protocol of the Session on July 11, 2013

Ich bin der festen Überzeugung, dass die betreffenden Stellen, wenn jemand einen Beratungsbedarf hat, so sensibel sind, dass es auch ohne eine gesetzliche Vorschrift passiert. Es wäre ja schlimm, wenn wir jeder zustimmenden Behörde vorschreiben müssten, dass sie zu beraten habe. Das ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Die Behörden arbeiten für die Bürger und sollten dementsprechend auch die Beratungsleistungen ohne Aufforderung durch den Gesetzgeber frei anbieten. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Thomas. - Damit ist die Debatte zur Einbringung dieses Gesetzentwurfs beendet. Wir stimmen jetzt ab über die Drs. 6/2220. Ich habe nicht den Wunsch vernommen, den Gesetzentwurf nicht zu überweisen.

Ich habe Folgendes gehört: Überweisung in den Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft zur federführenden Beratung und in die Ausschüsse für Arbeit und Soziales, für Bildung und Kultur sowie für Inneres und Sport zur Mitberatung. - Das erfährt keinen Widerspruch. Dann lassen Sie uns darüber abstimmen.

Wer ist dafür, den Gesetzentwurf in die genannten Ausschüsse unter der Federführung des Ausschusses für Wissenschaft und Wirtschaft zu überweisen? - Das ist das gesamte Haus. Ist jemand dagegen? - Enthält sich jemand der Stimme? - Das ist nicht der Fall. Damit ist der Gesetzentwurf in die genannten Ausschüsse überwiesen worden und wir haben den Tagesordnungspunkt 18 erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Kommunalverfassungsrechts des Landes Sachsen-Anhalt und zur Fortentwicklung sonstiger kommunalrechtlicher Vorschriften (Kommunalrechts- reformgesetz)

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/2247

Änderungsantrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/2257 neu

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2271

Einbringer ist der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht. Herr Minister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, herzlichen Dank. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir treten heute in die erste Beratung über eine einheitliche Kommunalverfassung ein. Das hat es in Sachsen-Anhalt bislang nicht gegeben.

Wir haben drei Gesetze gehabt: das Einheitsgemeindengesetz, das normale Gemeindeordnungsgesetz für Verbandsgemeinden und die Landkreisordnung. Diese Gesetze sind im Laufe der letzten zwei Jahrzehnte mehrfach geändert worden, weil wir Kommunalreformen durchgeführt haben, weil wir andere Dinge nachbeschlossen und nachbearbeitet haben, sodass die jetzt geltenden Gesetze zunächst einmal als nicht anwenderfreundlich zu bezeichnen sind.

Am Ende sind es ja Ehrenamtliche, die sich in den Landkreisen und Gemeinden engagieren. Für sie muss es möglich sein, ein solches Gesetzeswerk inhaltlich zu verstehen, ohne dass zu jedem Paragrafen oder zu jedem Absatz immer erst der Justiziar der Gemeinde zu befragen ist.

Insofern war das zunächst angestrebte Ziel, drei Gesetze in einer einheitlichen Verfassung zu verankern und die Sprache und die Gesetzessystematik anwenderfreundlich zu machen. Wir sind bei dieser Grundsatzentscheidung bereits den Weg gegangen, dass wir sowohl den Städte- und Gemeindebund, als auch den Landkreistag in diese Entscheidung einbezogen haben. Hierzu haben uns beide Verbände signalisiert, dass sie eine einheitliche Kommunalverfassung als gut und richtig empfinden. Dann haben wir angefangen zu arbeiten.

Dieses Gesetzesvorhaben war insoweit auch ein Novum, als wir von Anfang an - anfangs durch

eine Großveranstaltung und dann durch Workshops - die kommunalen Interessenvertretungen in die Überlegungen einbezogen haben. Wir haben die hauptamtlichen Bürgermeister und Landräte in die Workshops einbezogen und haben die Ortschaften in einem schriftlichen Anhörungsverfahren beteiligt. Wir haben über die Zwischenstände auch immer im Innenausschuss berichtet und zu den beiden großen Veranstaltungen auch die Mitglieder des Innenausschusses eingeladen.

Insoweit ist zu dieser Kommunalverfassung, die Ihnen heute vorliegt, ein großer Konsens mit den Gemeinden, Ortschaften und Landkreisen erzielt worden; es gibt nur ganz wenige Dinge, die von grundsätzlicher politischer Natur sind, bei dem der Städte- und Gemeindebund bzw. der Landkreistag eine andere Auffassung haben als wir. Einige Punkte will ich exemplarisch nennen.

Wir haben geregelt, dass Bürgerbegehren erleichtert werden. Wir haben die Quoren gesenkt.

Wir haben dafür Sorge getragen, dass das Ehrenamt gestärkt wird, auch das Ehrenamt derjenigen, die eben nicht Bürger einer Gemeinde sind, sodass ehrenamtliche Aufgaben insbesondere auch für ausländische Mitbürgerinnen und Mitbürger möglich sind, was nach der bisherigen Gemeindeordnung nicht ging. Das ist auch ein Beitrag zur Migration und Integration.

Wir haben die Aufwandsentschädigungen auch für freiwillige Feuerwehren in ihrer Ausgestaltung erleichtert.

Wir haben für die Rechtssicherheit den hochumstrittenen Bereich der Haftungsfragen so geregelt, dass er gut justiziabel ist.

Wir haben auch das Heimat- und Wir-Gefühl unserer Ortschaften gestärkt, indem dort die Bezeichnung „Stadt“ wieder verwendet werden kann. Nehmen wir einmal die Stadt Seehausen - Frau Schindler und ich kennen die Gemeinde ganz gut -, die sich gern wieder Ortschaft Stadt Seehausen nennen möchte. Das hat keinen konstitutiven Charakter in dem Sinne, dass es dafür mehr Geld oder sonstige Rechte gibt, aber es ist für die Menschen wichtig, in ihrer Tradition fortleben zu können. Das Bekenntnis zur Demokratie - wir haben heute Morgen darüber gesprochen - beginnt immer mit Kommunalpolitik und mit dem Gefühl, dass sich die Menschen in ihrer Identität dort wiederfinden.

Wir haben aus den Anhörungen der Ortschaftsräte auch gehört, dass sie innerhalb ihres finanziellen Spielraumes, der immer abhängig von der Entscheidung der Einheitsgemeinde und ihrer Bonität ist, freier verfügen möchten als bislang. Insofern haben wir zu den gesetzlich vorgesehenen Aufgaben, die ein Ortschaftsrat nach wie vor entscheiden darf, festgelegt, dass unter den von mir

genannten Voraussetzungen eine gewisse Summe dem Ortschaftsrat zur Verfügung gestellt wird und er für sich entscheiden kann, welche der Aufgaben er mit welchem finanziellen Rahmen untersetzt.

Ich denke, das sind die wesentlichen Dinge. Das Handout ist Ihnen bereits ausgeteilt. Es liegen Änderungsanträge vor. Dafür bin ich Ihnen außerordentlich dankbar, weil diese zeigen, dass wir gemeinsam an einer zukunftsfähigen Kommunalverfassung arbeiten wollen.

Wir haben heute über einen Bereich gesprochen, der in der Kommunalverfassung Berücksichtigung finden müsste, wenn man es denn machen wollte, dass Kinder beteiligt werden können, aber nicht müssen. Da sind wir wieder bei dem Artikel 87 Abs. 3 der Landesverfassung, Frau Kollegin.

Insofern denke ich, dass wir gemeinsam mit Ihnen und den Gemeinden ein gutes Gesetz erarbeitet haben. Es liegt Ihnen heute vor. Wir wollen es gemeinsam beraten und dann - das wäre die Bitte an Sie als Hohes Haus -, wenn es geht, noch in diesem Jahr in zweiter Lesung beschließen, weil wir dann im Hinblick auf die neuen Gemeinderäte, die nächstes Jahr gewählt werden, mit der neuen Kommunalverfassung als Grundlage arbeiten können. - Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Es wurde eine Zehnminutendebatte vereinbart. Der Kollege Loos beginnt sie für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute liegt uns der Entwurf des Kommunalrechtsreformgesetzes der Landesregierung vor, welcher neben der Gemeinde- und Landkreisordnung das Verbandsgemeindegesetz und weitere, erst vor wenigen Monaten beschlossene Gesetze ändern will.

Nach langjähriger kommunaler Praxis hat sich gezeigt, dass Anpassungen im Kommunalverfassungsrecht unumgänglich sind. Der Minister ist ebenfalls darauf eingegangen. Anders als in den vorherigen Wahlperioden hat die Landesregierung die kommunalen Verwaltungen und Mandatsträger umfangreich in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen, was positiv zu bewerten ist.

Die kommunale Ebene des Landes Sachsen-Anhalt ist seit der Wiedervereinigung und dem neu strukturierten Aufbau der Kommunalverwaltung immer wieder Veränderungen unterworfen gewesen. Diese betrafen die kommunalen Strukturen nicht nur in Bezug auf den Gebietstand, sondern auch in Bezug auf die Organisation der Verwaltung.

Mit den Reformen der kreislichen und gemeindlichen Ebene gingen zahlreiche Ergänzungen und Änderungen der rechtlichen Grundlagen in der Gemeindeordnung wie auch der Landkreisordnung einher, die das Kommunalverfassungsrecht zum Teil unübersichtlicher gemacht haben und auch zu Umsetzungsdefiziten in der Anwendung einzelner Vorschriften in der kommunalen Praxis beitrugen.

Überwiegend reformbedingte Gründe haben dazu geführt, dass die Kommunalverfassung des Landes Sachsen-Anhalt seit ihrem ersten Inkrafttreten am 1. Juli 1994 einer permanenten und nicht nur punktuellen Veränderung unterzogen wurde. Eine Gesamtüberarbeitung erfolgte nicht. Daraus haben sich zum Teil Defizite bei der Anwendung des Kommunalverfassungsrechts in der Praxis ergeben, die häufig zu Rechtsunsicherheiten und Rechtsunklarheiten führten.

Unsere Hoffnung, meine Damen und Herren, dass mit den vorgeschlagenen Änderungen eine Reform und Fortentwicklung des Kommunalverfassungsrechts als wesentlicher Aspekt in Angriff genommen wird, wird mit diesem Gesetzentwurf nicht erfüllt. Die aufgeführten Problemstellungen und vorgeschlagenen Regelungsansätze führen eher nicht zu einer Verbesserung, nein, in Teilen werden eine bestehende Entwicklung und eine notwendige Angleichung der rechtlichen Normen ins Gegenteil verkehrt.

Entwicklungen, wie sie im Einsetzungsbeschluss der Enquete-Kommission zur Verwaltungsmodernisierung enthalten sind, werden mit diesem Gesetzentwurf nicht eingefangen. Fragen der Verbesserung und der Entwicklung des Dreiecksverhältnisses zwischen Verwaltung, kommunaler Vertretung und Einwohnerschaft, bis hin zur Entwicklung einer Bürgerkommune, werden völlig ausgeblendet.

Meine Damen und Herren! Ich möchte gern auf Kernaussagen unseres Änderungsantrages in Drs. 6/2257 eingehen.

Die beabsichtigte Regelung der Landesregierung zu den plebiszitären Einflussmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch sollten diese Möglichkeiten allen Einwohnern der Kommunen zur Verfügung stehen, die mindestens drei Monate in der Kommune wohnen.

Wir schlagen den Ausbau von Kinder- und Jungendrechten vor.

(Beifall bei der LINKEN)

Die erforderliche Zahl von Unterstützungsunterschriften beim Einwohnerantrag wollen wir auf 1 v. H. der Einwohner, höchstens jedoch auf 300 Einwohner begrenzen. Wir erachten eine altersmäßige Begrenzung ab dem vollendeten 14. Lebensjahr bei Einwohneranträgen für angemessen.

Bürgerinitiativen sollen aufgrund ihrer Stellung in den Kommunen nach unserer Vorstellung ein entsprechendes Mitspracherecht erhalten.

Bei einem Bürgerbegehren beantragen wir einen allgemeinen Kostendeckungsvorschlag. Dieser

kann durch die Einreichenden definiert werden und gegebenenfalls mit Unterstützung der Verwaltung qualifiziert werden. Gleichzeitig sollen nach unserer Auffassung Bürgerbegehren zur Höhe von Abgaben und privatrechtlichen Entgelten zulässig sein, soweit das Kostendeckungsprinzip beachtet wird. In Thüringen ist dies gesetzlich verankert.

Im Sinne der Motivation für bürgerschaftliches Engagement fordern wir ein Vorprüfungserfordernis für Bürgerbegehren. Für Bürgerentscheide möchten wir das Zustimmungsquorum auf 5 % der wahlberechtigten Einwohner reduzieren. Dies würde eine Willkürlichkeit ausschließen und den notwendigen Verwaltungsaufwand angemessen berücksichtigen.

Wir halten eine mindestens einmal im Jahr durchzuführende Einwohnerversammlung für unumgänglich und haben einen konkreten Vorschlag dazu unterbreitet.

Aus unserer Sicht ist das Argument der Nichtzulässigkeit von Einwohnerfragen zu Beratungsgegenständen der Tagesordnung nicht mehr zeitgemäß. Allein über die sozialen Netzwerke wie Facebook und Twitter wird mehr Einfluss auf die Entscheidung genommen als über die Einwohnerfragestunde.

Um das ehrenamtliche Engagement für unsere Gemeinden, Städte und Landkreise nicht zu entwerten, fordern wir, dass Aufwandsentschädigungen nicht den Zwängen der Haushaltskonsolidierung unterworfen werden.

Die LINKE fordert neben dem aktiven nunmehr ein passives Wahlrecht für alle Einwohner ab dem vollendeten 16. Lebensjahr.