Protocol of the Session on April 25, 2013

Nicht nur am 15. April 2013, lieber Kollege Thomas, sondern bereits am 14. Dezember 2012 forderte der Handwerkstag Sachsen-Anhalt die Rücknahme der im Jahr 2006 eingeführten Vorfälligkeit von Sozialversicherungsbeiträgen und er forderte den Landtag des Landes Sachsen-Anhalt auf, noch auf seiner heutigen Sitzung eine entsprechende Bundesratsinitiative zu beschließen. Ich

habe mich gewundert, warum Sie nicht schon damals aktiv geworden sind.

Sie haben völlig Recht: Bereits in der vorigen Woche haben vor allem die ostdeutschen Handwerkskammerverbände noch einmal sehr massiv die Forderung erhoben, dieses Problem endlich zu lösen, vor allem auch deshalb - das ist interessant -, weil es ein Wahlversprechen der CDU aus dem Jahr 2009 war, für klare Verhältnisse zu sorgen.

Nun kennt man das ja: Wenn die CDU etwas verspricht, wird sie es irgendwann einmal auch einlösen.

(Zustimmung von Herrn Harms, CDU)

Die FDP müsste diesen Anträgen ohnehin zustimmen. Mir zumindest ist bekannt, dass die Koalitionsfraktionen im Bundestag diesbezüglich entsprechende Bereitschaft signalisiert haben. Aber dass nichts passiert, zeugt eigentlich von der Unfähigkeit der jetzigen Bundesregierung, selbst in weltpolitisch nicht ganz so bedeutsamen Vorhaben Problemlösungen herbeizuführen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn man hätte eigentlich mit einem Antrag im Deutschen Bundestag längst Klarheit haben können; in den Ländern ist das Thema eigentlich unstrittig. Deswegen wundere ich mich, dass wir diese Diskussion hier führen wollen.

Der Weg über den Bundesrat ist ziemlich umständlich, es sei denn, Sie wollen das Thema wirklich auf die lange Bank schieben. Warum Sie erst einen Prüfauftrag erteilen wollen, ob eine solche Bundesratsinitiative überhaupt sinnvoll ist, und wen Sie der Regierung als Konsultationspartner vorschlagen, das bleibt uns allerdings unklar.

Diese Landesregierung verlangt ja einen zupackenden Arbeitsstil. Warum also erst einen Prüfungsauftrag? Machen Sie also Nägel mit Köpfen! Folgen Sie unserem Änderungsantrag, der die Regierung auffordert, zeitnah eine Bundesratsinitiative zu starten und im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft und wegen mir auch im Ausschuss für Arbeit und Soziales darüber zu beraten. Mit wem sich die Regierung dann konsultieren will, das bleibt ihr selbst überlassen. Sonst wird möglicherweise der Beschluss des Landtages in den Waschmaschinen des aktuellen Wahlkampfes weichgespült.

Allerdings, meine Damen und Herren, sollte in diesem Verfahren nach unseren Vorstellungen gleich eine weitere Ungerechtigkeit mit beseitigt werden. Das betrifft die Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bei der Berechnung der Abführung an die Krankenkassen.

Derzeit müssen Arbeitnehmer 8,2 % und Arbeitgeber 7,3 %, insgesamt also 15,5 %, der Bruttolohnsumme an die Krankenkassen zahlen. Die

Beiträge für die Pflege- und die Rentenversicherung werden paritätisch geleistet. Aus unserer Sicht ist diese Parität ein wesentlicher Bestandteil einer solidarisch finanzierten Sozialversicherung.

(Beifall bei der LINKEN)

Denn, meine Damen und Herren, alle Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge und der Krankheitsbehandlung kommen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen zugute. Deshalb werbe ich um Unterstützung für unseren Änderungsantrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr, Kollege Thiel. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mormann.

Frau Präsidentin! Sehr verehrte Damen und Herren! Der Ihnen vorliegende Antrag der Koalitionsfraktionen beschäftigt sich im Kern mit der Prüfung, wann die Sozialversicherungsbeiträge einzuziehen sind.

Im Rahmen des Rentenentlastungsgesetzes vom 3. August 2005 wurde beschlossen, ab Januar 2006 die Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge für Unternehmen vorzuverlegen. Anstatt bis zum 15. des Folgemonats mussten die Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge für den Folgemonat bereits am drittletzten Bankarbeitstag zahlen. Damit sollte insbesondere die Liquidität der gesetzlichen Rentenversicherung verbessert werden.

Die Diskussion über den Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge kann natürlich aus unterschiedlichen Sichtweisen betrachtet werden. Einerseits sieht man im Bereich der Wirtschaft den gesteigerten bürokratischen Aufwand, der durch die Vorverlegung der Fälligkeit entstanden ist. Genauso wird der Entzug von Liquidität aus den Unternehmen kritisiert. Angesichts der Überschüsse der Sozialversicherungen in Milliardenhöhe scheint ein Zurücksteuern auf den späteren Termin möglich zu sein.

Auf der anderen Seite dürfte nicht nur den Sozialversicherungen, sondern auch der Wirtschaft und den Arbeitnehmern an einer soliden Finanzausstattung gelegen sein, damit nicht wieder die latente Gefahr von Beitragserhöhungen im Raum steht und somit als wirtschaftspolitische Konsequenz auch die Lohnnebenkosten steigen müssten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, dass man auch den so oft zitierten Milliardenüberschuss der Sozialversicherungen realistisch betrachten muss. Erstens ist er an eine gesetzliche Unter- und Obergrenze geknüpft. Das heißt, dass der Gesetzgeber bei Unter- bzw. Überschreiten dieser Gren

zen handeln muss, was im Übrigen mit dem Herabsetzen des Rentenbeitragssatzes auf 18,9 % zum 1. Januar 2013 bereits geschehen ist.

Zweitens ist uns, denke ich, allen bewusst, wie konjunkturabhängig die Einnahmenseite der Sozialversicherungen ist. Insofern sollte uns allen an einer wirklich soliden und gesunden finanziellen Ausstattung gelegen sein.

Im Interesse unserer heimischen Wirtschaft, die durch eine Vielzahl von kleinen und mittelständischen Unternehmen geprägt ist und immens von zusätzlicher Bürokratie betroffen ist, sollten wir jedoch im Moment nicht die Möglichkeit verstreichen lassen, uns dieses Diskussionsprozesses anzunehmen und uns nach einem ausführlichen Abwägen des Für und Wider zusammen mit der Landesregierung eine Meinung zu bilden. Für mich ist dieser Abwägungsprozess ergebnisoffen.

Deshalb, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, möchten wir die Landesregierung bitten, sich mit dem im Land ansässigen Sachverstand zu diesem Thema zusammenzusetzen. Ich denke, dass wir mit den Kammern, den Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretungen und den Sozialversicherungsträgern im Land über diesen Sachverstand mehr als verfügen. Über die Ergebnisse möchten wir dann im federführenden Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft und im mitberatenden Ausschuss für Soziales diskutieren.

Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, vielleicht noch ein Wort zu Ihrem Änderungsantrag.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Ja!)

Ich war etwas überrascht, als ich den Absatz, in dem Sie die Bundesratsinitiative zur Rücknahme der vorfristigen Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge geradezu vehement fordern, gelesen habe. Damit sind Sie den Kollegen der CDU ja fast näher als wir.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das ist in der letz- ten Zeit öfter so gewesen! - Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Wir würden gern an dieser Stelle noch ein wenig mehr Klarheit haben, um dann abzuwägen, ob dieses Verfahren wirklich das beste im Interesse aller ist. Dem schließe ich mich gern an. - Frank, bis zum 22. September 2013 kann es der Bundestag mit seiner schwarz-gelben Mehrheit noch allein erledigen, wenn es denn wirklich gewollt sein sollte.

Den zweiten Teil halte ich übrigens nicht für wirklich zielführend. Dieses Thema mit einer Forderung nach paritätischer Beitragszahlung in der Sozialversicherung zu verbinden, das geht an unserem Antrag vorbei.

Ich bitte Sie, unserem Antrag zuzustimmen. - Danke.

Herr Mormann, es gibt eine Nachfrage von Herrn Gallert. Möchten Sie diese beantworten?

Bitte, Herr Gallert.

Herr Mormann, da Sie jetzt so geschockt sind, dass wir die CDU-Forderung unterstützen: Wir haben eigentlich gedacht, wir tun Ihnen etwas Gutes. Wir haben uns gedacht, damit es nicht ganz so schwierig wird, nehmen wir eine SPD-Forderung auf, nämlich die der paritätischen Sozialversicherungsfinanzierung. Deshalb frage ich mich jetzt, warum Sie sich darüber so ärgern. Denn das müsste doch eigentlich eine Geschichte sein, die Sie vollen Herzens mit in die Debatte einbringen können. Es wundert mich, warum Sie das nicht machen.

Weil es für mich ein völlig anderes Thema ist.

(Zustimmung von Herrn Harms, CDU)

Wir haben hier über den Zeitpunkt zu debattieren, nicht über die inhaltliche Frage. Das ist etwas völlig anderes.

Danke sehr, Herr Mormann. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht Herr Abgeordneter Erdmenger.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zeit ist Geld. Das wird besonders deutlich, wenn man über die Unternehmensfinanzierung spricht. Geld für andere auslegen zu müssen gehört in Unternehmen zum Alltag. Da müssen Lieferanten bezahlt werden, bevor ein Auftrag ausgeführt ist. Da winken Rabatte, wenn man größere Stückzahlen beschafft und nicht nur das, was man für den nächsten Auftrag braucht. Da verzögert sich die Begleichung von Rechnungen durch andere. All dies führt immer wieder dazu, dass Unternehmen vor der Frage stehen: Habe ich das Geld noch oder muss ich es mir teuer von der Bank leihen?

Vor diesem Hintergrund ist es gut, dass sich der vorliegende Antrag um die Liquidität der Unternehmen kümmert. Die Idee ist auf den ersten Blick auf jeden Fall bestechend; denn die Sozialversicherungen könnten sich zurzeit wieder später

kommende Beträge leisten. In diesem Sinne ist das eine gute Initiative.

Wenn man mit den Praktikern redet, dann stellt man fest, dass es unter ihnen dummerweise zwei Meinungen gibt. Diejenigen, die auch an uns geschrieben haben, sagen: Wir wollen zurück in das alte System; wir wollen den Liquiditätsvorteil. Es gibt aber auch andere, die sagen: Jetzt haben wir die EDV-Systeme gerade umgestellt; wissen Sie, was eine erneute Umstellung für einen Aufwand bedeutet? So ein EDV-System für die Lohnabrechnung aktualisiert sich nicht mal eben so.

Diese beiden Meinungen müssen wir gegenüberstellen. Denn eines können wir nicht gebrauchen: dass wir ein Hin und Her erzeugen, indem wir sagen: Jetzt machen wir es einmal in die eine Richtung und ein paar Jahre später drehen wir es womöglich in die andere Richtung - und jedes Mal haben wir Umstellungskosten.

Deswegen ist der Antrag gut. Das geht offenbar aus geteilten Motivationen hervor. Die Koalitionsfraktionen haben gesagt, die Landesregierung möge prüfen und man solle eine Anhörung durchführen. Man hätte sich auch vorstellen können, dass eine Anhörung durch den Landtagsausschuss selbst initiiert würde. Aber gut, überlassen wir der Landesregierung die Anhörung. Es geht darum, dass wir die Argumente gegenüberstellen können.

Genau aus diesem Grund können wir dem Änderungsantrag der LINKEN nicht zustimmen. Uns geht es einen Schritt zu schnell, auch wenn wir gern Ihre Forderung unterstützt hätten, die Parität in der Sozialversicherung einzuführen. Herr Mormann, ich kann es nachvollziehen, wenn Sie fragen: Muss man diese beiden Aktivitäten in eine Bundesratsinitiative tun? Ich glaube, das hätte man sich auf dem Weg noch taktisch überlegen können.

Das Anliegen ist auf jeden Fall richtig. Das hätten wir gern unterstützt. Aber hinsichtlich des eigentlichen Anliegens des Antrags würden wir lieber noch einmal genauer hinhören, als durch ein unnötiges Hin und Her Verwirrung zu stiften. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es gibt eine Nachfrage, Herr Erdmenger. - Bitte sehr, Herr Gallert.