Protocol of the Session on October 19, 2012

Wir werden am 2. November 2012 einen Energiegipfel im Kanzleramt haben, bei dem alle 16 Bundesländer mit der Bundesregierung zusammentreten werden. Dabei wird es vor allem darum gehen, dass wir uns einigen, ob die Bundesländer an ihren einzelnen energiepolitischen Ansätzen festhalten wollen und die Energiewende von jedem Bundesland weiterhin autark betrieben werden soll oder ob wir das zu einer nationalen Energiepolitik im großen Rahmen der Europäischen Union in Mitteleuropa zusammenführen wollen. Das ist für Sachsen-Anhalt von existenzieller Bedeutung, sowohl von den Auswirkungen als auch von den Investitionen her.

Solange einzelne Bundesländer auf energiepolitische Autarkie setzen, wird das, was wir im Zusammenhang mit dem Offshore- und Leitungsausbau auf den vier geplanten Trassen von Norden nach Süden planen, ins Leere laufen. Das wird für den Bürger und für die gesamte Volkswirtschaft nicht bezahlbar sein. Es muss eine Angleichung bzw. Vernetzung der Landesenergiekonzepte geben. Sonst werden wir ein Desaster erleben.

Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung betreffend die Strompreisentwicklung in den letzten Tagen machen. Ich bitte um eine sachliche Diskussion auch im Sinne der Bürgerinnen und

Bürger, die an dieser Stelle das Vertrauen in die Politik nicht verlieren dürfen.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Das, was jetzt bekannt gegeben worden ist und am 1. Januar 2013 wirksam werden soll, ist keine Überraschung. Jeder wusste, wie hoch die Zubauraten in den letzten Quartalen waren. Das hat noch nicht einmal etwas mit den Novellen zum EEG zu tun, die wir in den letzten Monaten in Berlin auf der Agenda hatten.

Jeder wusste, dass das kommt und - das muss ich auch ganz klar sagen - dass wir diese Zubauraten im Rahmen des Energiekonzepts der Bundesrepublik Deutschland geplant haben.

Wir wissen, wie hoch die Zubauraten sein müssen, damit wir die Ziele, die wir in Richtung Brüssel bis zum Jahr 2020 abgegeben haben, aber auch die Ziele im Rahmen der Energiewende, die auf das Jahr 2050 gerichtet sind, einhalten können. Ein Zubau ist notwendig. Es ist aber ganz klar, dass er auf Jahresscheiben aufgeteilt, vernünftig gesteuert und umgesetzt werden muss, damit es im System nicht zu Brüchen und Unwuchten kommt.

Das, was jetzt offenkundig geworden ist, ist also bezogen auf das EEG keine Überraschung, sondern erwartet worden. Wir müssen uns aber darüber unterhalten, dass der Strompreis zwar auf der einen Seite wegen des EEG um ca. 1,5 bis 1,6 Cent pro Kilowattstunde steigt, dass er auf der anderen Seite aber an der Strombörse in den letzten sechs Monaten, die statistisch erfasst worden sind, um 1 Cent gefallen ist, dass das von den Erzeugern aber nicht an die Verbraucher weitergegeben wird.

Wir müssen uns darüber verständigen, was politisch bis in das Kartellrecht und das Marktdesign der Strombörse in Deutschland hinein nachjustiert werden muss. Es kann nicht sein, dass wir das, was wir politisch im Rahmen der Energiewende präjudiziert haben, 1 : 1 weitergeben, aber der niedrigere Preis, der sich am Markt gebildet hat - der der niedrigste seit zehn Jahren ist - beim Kunden nicht ankommt. Das ist eine Sache, die wir nicht hinnehmen werden.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Das hat mit Wettbewerb nichts zu tun. Diesen Wettbewerb wollten wir gerade durch die Deregulierung in den letzten zehn Jahren erzeugen, auch durch das Hinzunehmen weiterer Komponenten wie Stadtwerke und Kleinerzeuger, damit wir in Sachsen-Anhalt eine grundlastfähige Struktur haben, die auf Braunkohle basiert und einen ständig zunehmenden Anteil erneuerbarer Energien aufweist, der speicherbar sein, aber auch bezahlbar bleiben muss.

Das ist unsere Herausforderung. Das ist keine leichte Aufgabe. Wir müssen sie bewältigen. Wir

werden sie bewältigen. Wir sollten gemeinsam dafür sorgen, dass wir politisch das Signal geben, dass die Bevölkerung den handelnden Politikern parteiübergreifend vertrauen kann. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD - Zu- stimmung von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Herr Gallert würde Ihnen gern eine Frage stellen. Würden Sie die Frage beantworten?

Ja.

Ich verbinde meine Frage mit der Ankündigung, dass ich nicht noch einmal als Fraktionsvorsitzender reden werde. Ich war mit dem Redebeitrag meiner Kollegin völlig einverstanden und muss das nicht noch einmal machen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Haseloff, ich glaube, Sie haben im letzten Teil Ihrer Rede einen ganz wichtigen Punkt berührt. Frau Hunger hat dargestellt, dass die Gewinne von RWE und E.ON im letzten Jahr größer gewesen sind als das Gesamtvolumen der EEG-Umlage, nämlich 19 Milliarden € im Verhältnis zu 16 Milliarden €. Diese Dinge entwickeln sich offenbar galoppierend weiter. Wir wissen, wir haben vier große Stromkonzerne. Ich kenne die Zahlen für die beiden anderen nicht. Die Gewinne sind also deutlich höher als die Kosten der EEG-Umlage.

Die Frage ist: Welche politischen Schritte schlagen Sie vor, um diese extreme Gewinnabschöpfung, die die Preise offenbar viel stärker ansteigen lässt als die EEG-Umlage, politisch in den Griff zu bekommen und die Gewinne an den Verbraucher weiterzuleiten?

Herr Gallert, ich möchte eines grundsätzlich klarstellen. Ich hätte ein riesengroßes Problem damit, wenn diese Konzerne keinen Gewinn machten.

(Zustimmung von Herrn Rosmeisl, CDU)

Dann hätten wir ein richtiges Problem.

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

Es wäre das Schlimmste, was einer Volkswirtschaft passieren könnte, dass Wirtschaftsunternehmen unterwegs sind, die keine Gewinne machen.

Die Frage ist nur, wie groß der Gewinn ist, ob er opportun ist, ob er von den Instrumentarien her, die wir gesetzgeberisch geschaffen haben, in die

ser Größenordnung politisch gewollt ist und wofür er verwendet wird, ob er an die Aktionäre ausgeschüttet oder für Investitionen und Vorkehrungen verwendet wird, die auch der Energiewende dienen.

Es wird kein Kinderspiel sein, den Anteil der Energieerzeugung aus Atomkraft in Höhe von 25 % in den nächsten Jahren, die uns zur Verfügung stehen - es sind nicht einmal mehr zehn Jahre -, zu substituieren. Wir müssen das einigermaßen bewältigen, bis hin zu dem Problem der Endlagerung.

Völlig aus dem Ruder gelaufen ist der gesamte Mechanismus - ich habe es vorhin mit dem Stichwort „Marktdesign“ benannt - aus der Pflicht zum Einbringen des erzeugten Stroms, dem formalen Zurückkaufen und dem Vorrang der erneuerbaren Energien, was auf die Strompreise an der Strombörse wirkt. Dadurch wird der Preis an der Strombörse immer durch den Überschussstrom bestimmt, der eigentlich nicht mehr benötigt wird. Es besteht aber auch kein Anreiz mehr, in Deutschland ein Gas- oder Kohlekraftwerk zu errichten. Es sind Widersprüche aufgebaut worden, die damals, als man das System aufgebaut hat, nicht erwartbar und nicht gewollt waren.

Deswegen müssen das EEG, das KWK-Gesetz, die Systematik der Strombörse einschließlich Vorrang und die kartellrechtliche Bewertung dieses Gesamtsystems als formalem Oligopol, von dem wir in bestimmten Bereichen trotz Netzentflechtung und Unbundling immer noch sprechen müssen, auf den Tisch kommen und einer Generalrevision zugeführt werden.

Nur dann bekommen wir es hin, dass von den Unternehmen auf der einen Seite opportune, vernünftige Gewinne erzielt werden, auch von den Stadtwerken, und auf der anderen Seite die erneuerbaren Energien vernünftig weiter ausgebaut werden, damit wir auf der einen Seite unsere Wettbewerbsfähigkeit nicht verlieren und die Menschen und die Volkswirtschaft auf der anderen Seite davon ausgehen können, dass in Deutschland Versorgungssicherheit gegeben ist.

Was sich derzeit abspielt, ist, dass sich wesentliche volkswirtschaftliche Elemente abkoppeln, dass Großkonzerne eine eigene Stromversorgung auf konventioneller, fossiler Basis planen. Das Ergebnis wäre, dass unsere ganzen staatlichen Planungselemente ins Leere liefen. Zudem könnte die Autarkie zum Beispiel von Großabnehmern, indem sie sich ihre eigenen Versorgungsstrukturen schaffen, dazu führen, dass wir unsere klimapolitischen Ziele nicht erreichen und woanders nicht kompensieren können. Das ist eine Geschichte, die wir nicht einfach laufen lassen können. Deshalb ist jetzt der Staat gefordert.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Ich wollte Sie bitten, noch für einen Moment am Podium zu verweilen, weil sich Frau Dalbert gemeldet hat. - Sie hat sich aber als Fraktionsvorsitzende gemeldet. Dann können Sie sich jetzt gern setzen, Herr Ministerpräsident. Ich wollte Sie nicht hin und her laufen lassen - wegen des Energiesparens.

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD - Herr Schröder, CDU: Zu spät!)

Sie möchte als Fraktionsvorsitzende sprechen. Dann können Sie sich jetzt setzen. - Vielen Dank.

Sie wollte nicht zu mir reden, sondern zu uns allen.

Zu uns allen, aber selbstverständlich auch zu Ihnen.

Das ist eine große Freude, Frau Dalbert.

Frau Professor Dr. Dalbert, Sie haben das Wort als Fraktionsvorsitzende.

Danke, Herr Präsident. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe dieser Debatte und ihrer Fortführung aufmerksam gelauscht. Es war eine Debatte mit Höhen und Tiefen - um es einmal so zu beschreiben.

Um einmal so anzufangen: Ich respektiere es, dass sich Herr Thomas entschuldigt hat. Ich möchte mich bei Frau Budde ausdrücklich für ihre einleitenden Worte bei ihrem Statement als Fraktionsvorsitzende bedanken.

Die Debatte über die Energiepreise hat mehrere Dinge sehr deutlich gemacht. Sie hat sehr deutlich gemacht, dass wir in der Tat ein Energiepreisproblem haben. Sie hat aber auch deutlich gemacht, dass es zu kurz gesprungen wäre, wenn wir uns hier nur über die Energiepreise unterhielten.

Ich muss Ihnen sagen, Herr Ministerpräsident: Es geht nicht um die Justierung von Gesetzesstrukturen. Das wird am Ende der Debatte stehen, an dem sich politisches Handeln in Gesetze niederschlägt.

Es geht um die Frage, wie wir mit der Energiewende weiter umgehen wollen. Dabei geht es zunächst darum, welche Vorstellungen wir davon haben, wie die Energiewende weiterentwickelt wird und wie der Energiemarkt aussehen soll. Wir sagen sehr

deutlich, wir müssen zeitnah eine Energiewende hinbekommen, die eine CO2-neutrale Energieversorgung gewährleistet.

Der Unterschied besteht eben darin, wie man die Energiewende betrachtet. Wir richten den Blick darauf, wie man die CO2-Neutralität erreicht, und zwar so, dass die Strom- und Wärmeversorgung genauso wie die Mobilität gewährleistet sind, dass die Leute das bezahlen können und dass sich die Industrie auch am Standort Sachsen-Anhalt entwickeln und Gewinne machen kann.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Seien Sie versichert, auch wir vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN stehen in engem Kontakt mit der Industrie am Standort Sachsen-Anhalt und unterhalten uns mit ihnen über ihre Probleme und über ihre Strompreise.

Bei den Preisen müssen wir feststellen, dass die Energiepreise für die Industrieunternehmen gesunken sind, während sie für die Haushalte gestiegen sind. Im Augenblick lastet das Problem auf den Haushalten und nicht auf der Industrie.