Protocol of the Session on October 19, 2012

Sofern sich bei der Gestaltung der Energiewende nicht deutlich etwas verändert, ist das Bundesland Sachsen-Anhalt doppelter Verlierer dieser Energiewende. Zum einen deshalb, weil wir mit den strukturbestimmenden Unternehmen in der Chemie, im Bereich der Metallindustrie, der Gießerei und der Ernährungsgüterindustrie eigentlich alle Unternehmen haben, die immer noch ausgenommen sind bei den Preisen, die sie zu zahlen haben. Herr Erdmenger, Gott sei Dank ist das immer noch der Fall.

Wenn für diese Unternehmen die Preise steigen, dann liegt das nicht an dem EEG, sondern es liegt an den Stromunternehmen, mit denen sie das ver

handeln, weil sie diese Umlage nämlich gar nicht zahlen. Bezüglich der Frage, wie lange dieses System noch hält, sich dehnen lässt und immer noch weiter auf die andere Seite verlagert werden kann, geht natürlich eine große Angst um.

Es sind aber die strukturbestimmenden Unternehmen in Sachsen-Anhalt, die dafür sorgen, dass wir Arbeitsplätze haben, die, wenn wir uns an die gestrige Debatte erinnern, vernünftig bezahlt werden, und bei denen Menschen arbeiten, die es sich leisten können zu sagen, die Energiewende sei insgesamt etwas Gutes; denn sie als Verbraucher können das mit ihren Löhnen aushalten.

Angesichts dessen ist es wirklich ein hohes Risiko, das wir fahren. Das wird sich auf Sachsen-Anhalt niederschlagen, wenn es keine vernünftige kurz-, mittel- und langfristige Konzeption für die Energiewende gibt. Diese Konzeption gibt es noch nicht; die gibt es einfach nicht. Es wird immer nur an irgendwelchen Stellen herumgedoktert. Dieses Problem auf das EEG oder auf die erneuerbaren Energien zu schieben, ist aus meiner Sicht ein grundfalscher Ansatz.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Zum anderen ist Sachsen-Anhalt auch bei dem Thema der erneuerbaren Energien ein Verlierer. Denn das Thema erneuerbare Energien erstreckt sich bei uns nicht nur auf den Bereich Solarindustrie. Vielmehr haben wir einen industriepolitischen Ansatz im Bereich der erneuerbaren Energien verfolgt, nämlich eine Industrie in Sachsen-Anhalt zu etablieren und diese mit einigen großen Unternehmen der Windkraftbranche, die Gott sei Dank noch da sind, zu besetzen. Diese Unternehmen zahlen auch vernünftige Löhne. Es ist davon auszugehen, dass es einen weiteren Ausbau nicht nur der Industriestandorte, sondern der erneuerbaren Energien, nämlich mit den Windkraftanlagen in Sachsen-Anhalt gibt.

Dies hat mit Augenmaß zu erfolgen; das wissen wir. Dabei ist auch die Bevölkerung zu berücksichtigen. Oft erledigt sich dieses Augenmaß bereits durch einen Austausch vorhandener Anlagen, weil es heute bereits andere Maschinen gibt.

Meine Damen und Herren! Herr Thomas, Herr Altmaier hat einen Satz gesagt, der mich sehr aufhorchen ließ. Er wolle von Berlin aus bestimmen, an welchen Stellen regional ausgebaut werden dürfe, wo es ein zusätzliches Aufkommen von erneuerbaren Energien gebe.

Ich habe Herrn Altmaier bei einer kleinen Frühstücksrunde in Berlin erlebt, bei der er sinngemäß Folgendes sagte: Die Bundesländer im Norden hätten die ganzen erneuerbaren Energien und brächten sie in das Stromnetz ein. Im Süden werde die Energie verbraucht. Und nun wollten die

Bundesländer im Norden auch noch weiter ausbauen. Hierfür sollten die Netze von Nord nach Süd gebaut werden und das sollten alle zahlen.

Es ist bereits lange eine gemeinsame Forderung, dass es nicht nur eine EEG-Umlage gibt, sondern dass es auch beim Netzausbau eine Umlage gibt, sodass nicht die Regionen, die die Energiewende vorantreiben und die erneuerbaren Energien erzeugen, doppelt belastet werden.

In der Aussage von Herrn Altmaier sehe ich eine Gefahr. Herr Ministerpräsident, an dieser Stelle appelliere ich auch an Sie, und ich gehe davon aus, dass wir die gleiche Auffassung haben: Es kann nicht sein, dass über dieses Instrument, ob ausgebaut werden darf oder nicht, von Berlin aus entschieden wird, in welchen Regionen es einen weiteren Ausbau gibt, und damit das Vorhaben ad acta gelegt wird, dass es Netze von Nord nach Süd geben wird, weil das dann auch die anderen Bundesländer betreffen wird. An dieser Stelle sehe ich eine sehr große Gefahr, übrigens die zweite für Sachsen-Anhalt bei diesem Thema.

(Beifall bei der SPD)

Bei dem Thema Braunkohle befinden wir uns in einem Streit. Aber Streit ist nichts Schlechtes und jedes Argument enthält etwas Wahres. Die SPD steht ganz klar zum Thema Braunkohleabbau und für einen Übergangszeitraum auch für eine Verstromung. Besser ist die stoffliche Nutzung. Aber auch bei der stofflichen Nutzung werden wir weiterhin Braunkohle abbauen müssen.

Hierbei handelt es sich um ein Spannungsfeld. Aber das müssen wir aushalten. Das ist eine große Industrie. Wir sind ein rohstoffreiches Land. Deshalb wird das Spannungsfeld weiterhin bestehen bleiben. Hierzu kann man unterschiedlicher Auffassung sein. Denn es ist egal, ob eine Verstromung oder eine Verwertung stattfindet; in jedem Fall wird Braunkohle abgebaut.

Ja, auf der anderen Seite haben die GRÜNEN und auch andere natürlich Recht, wenn sie immer wieder darauf hinweisen, dass das ein Eingriff in die Natur ist. Das hilft aber auch, bei den Unternehmen - diese sind anders aufgestellt, als es noch vor 20 Jahren der Fall war - den Blick dafür zu schärfen, dass man diese Eingriffe möglichst minimiert.

Dieser Streit ist ein konstruktiver Streit. Hierzu kann man unterschiedliche Auffassungen haben. Aber die Argumente, die Ihrerseits vorgetragen werden, wische ich nicht einfach vom Tisch. Vielmehr müssen wir auch bei einem weiteren Braunkohleabbau vernünftige Lösungen finden.

Ein letzter Satz: Die Energiewende wird es nicht zum Nulltarif geben. Diesen Satz unterschriebe ich. Der beste Weg, eine Sozialverträglichkeit herzustellen, ist der, dass wir es erreichen, dass aus

kömmliche und gute Löhne gezahlt werden, die den Menschen die Luft lassen, dass sie diese Energiewende akzeptieren können und gut finden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Ich habe drei Wortmeldungen vorliegen, und zwar vom Ministerpräsidenten und vom Fraktionsvorsitzenden der CDU. Ich glaube, Herr Weihrich möchte Ihnen eine Frage stellen.

Herr Ministerpräsident, sind Sie damit einverstanden, dass wir erst zur Fragestellung kommen und Sie danach reden?

Ich spreche am Schluss.

Dann stellt zunächst Herr Weihrich seine Frage an Frau Budde. - Bitte schön, Herr Weihrich.

Frau Budde, ich möchte auf das Thema Klimaschutz zurückkommen. Herr Thomas hat für die CDU-Fraktion, Ihren Koalitionspartner, geäußert - so habe ich es jedenfalls verstanden -, dass man sich von dem Klimaschutz komplett verabschieden will und überhaupt niemand mehr über den Klimaschutz reden will. Meine Frage: Wie bewerten Sie diese Aussage?

Die SPD wird sich nicht vom Klimaschutz verabschieden.

(Herr Thomas, CDU: Das haben wir auch nicht gesagt!)

Nun hat der Fraktionsvorsitzende Herr Schröder das Wort, da der Ministerpräsident zum Schluss der Debatte reden möchte. Dadurch wird die Debatte neu eröffnet. Bitte schön, Herr Schröder.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich gestatte mir einige wenige Anmerkungen. Erstens. Die Debatte, die auch außerhalb dieses Hauses geführt wird, zeigt aus meiner Sicht, dass es richtig ist, ein solches aktuelles Thema durch unsere Fraktion aufzugreifen. Deswegen kündige ich für meine Fraktion an, dass wir bei dem Thema Energiepolitik am Ball bleiben und dieses Thema auch immer wieder im Landtag be

handeln werden. Weil wir wissen, dass wir gute Argumente für unsere Positionen haben, werden wir natürlich immer wieder versuchen, diesen Argumenten auch Gehör zu verschaffen.

Zweitens. Ich möchte Katrin Budde ausdrücklich Recht geben in der Aussage, dass in Sachsen-Anhalt spezifische Interessen vorhanden sind. Wir müssen bei der Frage, wie wir künftig mit dem EEG umgehen, und bei der Frage der Weiterentwicklung der Gesetzesgrundlage auf der Bundesebene auch die Realitäten in Sachsen-Anhalt berücksichtigen, beispielsweise bei der Debatte über die Abstimmung des Ausbaus der erneuerbaren Energien mit dem Ausbau der Netze und bei der Debatte über die regionale und geografische Koordinierung und Abstimmung.

Der Eindruck, den die Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU bei ihrer Konferenz gewonnen haben, bei der auch um dieses Thema gerungen wurde, ist noch frisch. Die Kosten für den Netzausbau können nicht einfach bundesweit umgelegt werden, ohne die Vorleistungen und Realitäten zu berücksichtigen. An dieser Stelle haben wir spezifische Interessen einzubringen.

Aber ich glaube, die Diskussion dreht sich nicht um die Frage, ob man eine EEG-Reform macht oder nicht. Ich glaube, hierüber besteht Konsens; da muss man ran. Es geht jedoch um die Frage, inwieweit man diese EEG-Reform nutzen sollte, um eine Gesamtbetrachtung der Energiewende mit dieser Reform vorzunehmen. Vor diesem Hintergrund würde das EEG ein zentrales Instrument zur Steuerung der Energiewende.

Wir als CDU-Landtagsfraktion unterstützen Bundesumweltminister Altmaier ausdrücklich bei seinem Vorhaben, diesen Ausbau der erneuerbaren Energien berechenbar zu machen, indem man hierfür einen Rahmen vorgibt, indem man die Herstellung von Markt- und Wettbewerbsfähigkeit und die Marktintegration erneuerbarer Energien, die wir alle wollen, forciert, indem man letztlich auch die Kopplung der Förderung an diese Ausbauziele vorantreibt und die Koordinierungsaufgabe zwischen dem Bund und den Bundesländern löst.

Nach der Wiedervereinigung galt bei uns ein Bundesverkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Ich bin persönlich der Überzeugung, dass wir für die rasche Ertüchtigung unserer Energienetze ebenfalls ein Beschleunigungsgesetz auf der Bundesebene benötigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir brauchen bei der Abstimmung im Länderkontext und zwischen den Energieträgern vor allem auch die Einbeziehung konventioneller Energien. Es ist in dem Redebeitrag von Herrn Thomas noch einmal deutlich geworden, dass die CDU auch weiterhin auf diesen Energiemix setzt und den Ausbau erneuerbarer Energien berechenbar gestalten will.

Hierüber können sich die Parteien trefflich streiten und werden das wohl auch in Zukunft tun.

Die CDU-Landtagsfraktion hat als erste Fraktion zu Beginn dieser Wahlperiode im Landtag ein Positionspapier zur Energiepolitik vorgelegt, an dem man weiter arbeiten muss; denn es ist ein stetiger Prozess. Aber ich reklamiere für uns, dass wir bei diesem Thema auch in Zukunft konstruktiv mitarbeiten werden. - Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Vielen Dank, Herr Fraktionsvorsitzender. - Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich möchte für die Landesregierung abschließend Folgendes klarstellen:

Die Energiewende ist irreversibel. Wir haben in der Runde der Ministerpräsidenten mit 16 : 0 Stimmen beschlossen, wie wir aus der Sicht der Länder diese in Deutschland im Zusammenspiel mit der Bundesregierung und mit Europa herbeiführen wollen.

Wir wissen, dass es eine nationale Herausforderung ist, die es in dieser Form noch nicht gegeben hat, die nur vergleichbar ist mit den Herausforderungen, die wir bei der Wiedervereinigung in Deutschland erlebt haben. Wir wissen, dass es auch eine volkswirtschaftliche Herausforderung bedeutet, nicht nur technologisch, sondern auch gesamtgesellschaftlich Lösungen herbeizuführen, die es ermöglichen, dass die Akzeptanz in der Bevölkerung für diese Energiewende nicht verlorengeht.

Wir haben aber auch die Aufgabe, politisch dafür zu sorgen, dass es nicht nur als Herausforderung gesehen wird, sondern auch als Chance. Denn die Wege, die wir beschreiten, sind in gewisser Weise eine Fortsetzung der Schritte, die wir schon in den 90er-Jahren und auch im letzten Jahrzehnt eingeleitet haben. Das Energie- bzw. Stromeinspeisegesetz, das damals noch von der Bundesumweltministerin Angela Merkel in Gang gesetzt wurde, war eine erste Stufe, die dann fortgesetzt wurde mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Wir wissen, dass in der nächsten Legislaturperiode von einer neuen Bundesregierung weitere Entscheidungen und gesetzgeberische Aktivitäten erforderlich sind.

Das merken wir in Sachsen-Anhalt gerade auch an den Punkten, an denen es - das sagte Frau Budde - den Netzausbau betrifft, aber auch die Justierung verschiedener, zu unterschiedlichen histori

schen Zeitpunkten gesetzter Gesetzgebungsstrukturen.

Damit meine ich zum Beispiel das KWK-Gesetz, das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz, das nicht mehr mit dem kompatibel ist, was im ErneuerbareEnergien-Gesetz auch im Sinne des Vorrangs definiert ist. Beispielsweise können Unternehmen in Staßfurt derzeit ihren klimafreundlichen KWKStrom nicht mehr ans Netz und an den Markt bekommen. Damit werden auch industrielle Strukturen infrage gestellt, bei denen es darum geht, den Verlust von Industriearbeitsplätzen in Europa zu vermeiden und ein Abwandern in andere Kontinente nicht zu provozieren.

Ich weise auch darauf hin, dass es Handlungsbedarf innerhalb des EEG gibt, und zwar über das hinaus, was im Rahmen der letzten Novellen aufgegriffen wurde, unter anderem im Hinblick auf große Biogasanlagen und angesichts des Umstandes, dass wir eine Umsteuerung der agrarischen Urproduktion in Richtung Energie erleben, wie wir sie ethisch und moralisch nicht mehr verantworten können.

Auch vor dem Hintergrund der Einspeisevergütung unterschiedlicher Strukturen, vor allem im Sinne der dezentralen Strukturen und nicht der großindustriellen Produktionsstrukturen, sehen wir dringend Handlungsbedarf. Deswegen ist eine generelle Novelle des EEG im Zusammenhang mit anderen Gesetzen in Deutschland erforderlich.

Wir werden am 2. November 2012 einen Energiegipfel im Kanzleramt haben, bei dem alle 16 Bundesländer mit der Bundesregierung zusammentreten werden. Dabei wird es vor allem darum gehen, dass wir uns einigen, ob die Bundesländer an ihren einzelnen energiepolitischen Ansätzen festhalten wollen und die Energiewende von jedem Bundesland weiterhin autark betrieben werden soll oder ob wir das zu einer nationalen Energiepolitik im großen Rahmen der Europäischen Union in Mitteleuropa zusammenführen wollen. Das ist für Sachsen-Anhalt von existenzieller Bedeutung, sowohl von den Auswirkungen als auch von den Investitionen her.