Protocol of the Session on December 15, 2011

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 3:

Beratung

Missbilligung der Haushaltsdurchführung der Landesregierung

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/631

Einbringerin ist Frau Dr. Klein. Frau Dr. Klein, Sie haben das Wort.

(Herr Dr. Thiel, DIE LINKE: Wir müssten erst einmal die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses feststellen!)

Herr Dr. Thiel, habe ich Sie übersehen?

Herr Präsident, wir bitten, erst einmal die Beschlussfähigkeit des Hohen Hauses festzustellen. Vor allem bitten wir den betroffenen Minister, hier zu erscheinen.

Ich hatte die Hoffnung, dass über die Lautsprecher alle die, die noch nicht anwesend sind, unausgesprochen ermahnt werden. Ich sehe, das Haus ist eher nicht beschlussfähig.

(Herr Striegel, GRÜNE: Ich zweifle die Be- schlussfähigkeit an!)

Zumindest wäre die Opposition in der Lage, die Verhältnisse neu zu ordnen. Die, die es angeht, sollten hier sein. Vor allem der zuständige Minister weilt noch nicht unter uns. Vorhin ist doch aber deutlich 14.40 Uhr gesagt worden.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Wir haben es so vernommen!)

Es steht mir zwar nicht zu, Fraktionen zu loben oder zu tadeln, aber ich kann feststellen, dass einige Fraktionen fast vollzählig vertreten sind.

Herr Kollege Dr. Thiel, ich unterstelle, dass Ihr Hinweis auf die Frage der Beschlussfähigkeit sich nicht auf die Geschäftsordnung bezogen hat, sondern in einem umfassenden Sinne gemeint war. Unsere Geschäftsordnung stellt darauf ab, dass die Beschlussfähigkeit vor einer Wahl oder Abstimmung angezweifelt wird. Bei der Abstimmung sind wir noch nicht angekommen. Wir unterhalten uns jetzt noch ein wenig, bis sich der Plenarsaal gefüllt hat.

Es hätte ja sein können, dass die Diskussionsbeiträge so kurz ausfallen, dass wir gleich zur Abstimmung gekommen wären. Dann hätten wir ein Problem gehabt. Zumindest wäre zu erwarten, dass der zuständige Finanzminister an seinem Platz erscheint. Bitte sorgen Sie dafür.

Sie fordern also den Finanzminister auf, jetzt zu erscheinen. Wir schließen uns dieser Forderung an.

(Herr Striegel, GRÜNE meldet sich zu Wort)

- Herr Striegel.

(Minister Herr Bullerjahn betritt den Plenar- saal - Zurufe: Oh!)

- Hat sich das damit erledigt?

(Herr Striegel, GRÜNE: Meinem Begehren ist stattgegeben worden!)

Das hat sich also erledigt.

Die Lage hat sich in vielfältiger Hinsicht gebessert. Erstens hat sich der Raum mehr gefüllt. Zweitens wird der Kultusminister zu dem Antrag sprechen. Er war übrigens die ganze Zeit anwesend. Er war pünktlich, sogar schon vor mir da.

Wenn es keinen Widerspruch gibt, fahren wir jetzt fort. Frau Dr. Klein bekommt jetzt zum zweiten Mal das Wort.

Danke schön, Herr Vizepräsident. - Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Das Konjunkturpaket des Bundes, auch Zukunftsinvestitionsgesetz genannt, hat eine Menge Gutes für das Land und die Kommunen gebracht.

(Beifall bei der CDU)

Die meisten Baumaßnahmen, Sanierungsmaßnahmen gingen nach anfänglichen Schwierigkeiten relativ geräuschlos über die Bühne. Für viele liegt inzwischen die Schlussrechnung vor, zumindest bei denen, die uns die Landesregierung regelmäßig vorgelegt hat. Bei einigen wenigen wird sie in den nächsten Monaten kommen.

Aber manches läuft auch richtig schief. So wurde am 3. Dezember das neue Gebäude der Kunststiftung feierlich eingeweiht. Die Kritiken und Auseinandersetzungen dazu haben sich fast zwei Jahre lang hingezogen und sind auch noch nicht beendet. Der Prüfbericht des Landesrechnungshofes liegt uns jetzt vor.

Diese fast zwei Jahre waren beispielhaft für alle, die schon immer mal wissen wollten, wie man es als Landesregierung schaffen kann, am Parlament vorbei gegen möglichst viele Regelungen der Landeshaushaltsordnung und gegen Beschlüsse des Parlaments vollendete Tatsachen zu schaffen.

Da der Minister, unter dessen Regie dies begann, im Mai 2010 Sachsen-Anhalt verlassen hat und wir zu diesem Zeitpunkt gerade erst dabei waren, die verschiedenen Knäuel zu entwirren, war er einer eigentlich notwendigen Rücktrittsforderung zuvorgekommen. Die nachfolgende Ministerin und den nun amtierenden Kultusminister wollten wir nicht für diese - gelinde gesagt - Unordnung, die es in dem Bereich der Stiftungen gibt, in Haftung nehmen.

Aber inzwischen zeigt sich, dass manches einfach so weiter gelaufen ist, ohne dass Einhalt geboten wurde. Trotz vielfältiger Debatten und Beschlüsse der zuständigen Ausschüsse wurden in dem zurückliegenden Jahr durch das Kultusministerium - egal, wer ihm vorstand - vollendete Tatsachen geschaffen.

Und es ging und geht weiter so. Während der Beratungen zum Nachtragshaushalt erfuhren wir mehr oder weniger beiläufig, dass die 2 Millionen €, die der Kunststiftung im Rahmen des Konjunkturpaketes II zugedacht waren, ursprünglich gar nicht für die Kunststiftung vorgesehen waren. Diese stand nämlich zunächst in der Prioritätenliste des Kultusministeriums ganz weit hinten; ich glaube, auf Platz 19 oder sogar in den Zwanzigern. Innerhalb weniger Wochen ist sie vorgerutscht.

Auf Platz 19 stand sie, weil sie zunächst einen Neubau wollte. Sie hatte einen wunderschönen Prospekt verschickt, nachdem sie einen Brief erhalten hatte, in dem es so ungefähr hieß: „Hallo Leute, wir haben Geld zu verteilen. Wer möchte welches?“ Daraufhin wollte sie einen Neubau. Ihr wurde gesagt: „Neubau ist nicht! Sucht euch einen Altbau, den ihr sanieren könnt.“

Die Ursachen für das Vorziehen der Kunststiftung innerhalb von wenigen Wochen auf einen vorderen Platz konnten wir trotz intensiven Aktenstudiums in der vergangenen Legislaturperiode nicht ermitteln. Aber es gab natürlich immer Gerüchte rund um den Domplatz, die ich jetzt aber nicht erörtern möchte.

Der Stiftung Kloster Michaelstein waren nach Aussagen in der Sitzung des Finanzausschusses zunächst 4 Millionen € zugedacht gewesen, um die

Baumaßnahme „Musikscheune“ durchzuführen - dies übrigens, ohne den Landtag zu informieren. Das heißt, das Kultusministerium hatte den ihm zugedachten Anteil an den Geldern aus dem Konjunkturpaket recht großzügig verteilt und sich nicht an die vom Finanzausschuss beschlossene Zeitachse gehalten.

In diesem Beschluss, den wir damals auch in diesem Hohen Hause diskutiert haben, hieß es unter anderem, dass nur die Projekte, die bis zum 9. April 2009 beim damaligen MLV vorlagen, in den Genuss von K-II-Geldern kommen sollten. Alles andere Geld sollte in den Bereich der Bildung fließen, um Kitas und Schulen zu sanieren. Dieser Beschluss wurde übrigens generell nicht eingehalten. Aber beim Kultusministerium ist es nun augenscheinlich am drastischsten.

Wir haben dann immerhin im Juni - oder so - erfahren, dass 9,3 Millionen € in die Stiftungen gehen sollten. Wir haben aber nicht erfahren, welche Stiftung wie viel und zu welchem Zweck bekommen sollte, während wir aus anderen Bereichen eine genaue Auflistung bekommen haben, zum Beispiel aus dem MJ. Wir wissen heute, dass man manche Haftanstalt wahrscheinlich zunächst einmal nicht schließen kann, weil dort K-II-Gelder geflossen sind. Dort muss man erst ein paar Jahre absitzen, da sonst die Fördermittel zurückgefordert werden.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Dort hatten wir einen genauen Überblick. Das gilt auch für den Bereich des MI und andere.

Nun aber brauchte man für die Kunststiftung, aus welchen Gründen auch immer, Geld. Da die Stiftung Kloster Michaelstein den größte Batzen bei den Stiftungen abbekommen hatte, nämlich 4 Millionen € von den 9,3 Millionen €, hat man dort 2 Millionen € weggenommen und zur Kunststiftung umgewidmet. Das ist und war machbar. Das wollen wir nicht kritisieren.

Mit dem Nachtragshaushalt - das ist der Punkt -, der heute beschlossen wurde, erhält Kloster Michaelstein einen Aufwuchs in Höhe von 2 Millionen € für die Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts der Maßnahme „Musikscheune“. In einem ersten Änderungsantrag aus dem Bildungs- und Kulturausschuss sollten dazu noch einmal 600 000 € draufgepackt werden, und das alles ohne Gegenfinanzierung.

Begründet wurde dies alles vonseiten des Kultusministeriums damit, man könne doch keinen halbfertigen Bau zulassen. Das Land sei in der Pflicht, dass die nun einmal begonnene Baumaßnahme ordentlich zu Ende geführt werde, und das für 2,6 Millionen €. Wir haben vorhin über 1,5 Milliarden € VE beim Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr diskutiert. Aber auch 2 Millionen € sind Landesgeld, öffentliche Gelder, die sorgsam angelegt werden wollen.

Was mit dem Nachtragshaushalt passiert ist, bedeutet, dass die Stiftung Kloster Michaelstein gebaut hat, als hätte sie mindestens 4 Millionen € zur Verfügung und nicht nur 2 Millionen €. Das halten wir schon für ein ganz schön starkes Stück.

(Beifall bei der LINKEN)

Da die Stiftung Kloster Michaelstein die Geschäftsbesorgung nicht allein macht, sondern diese von der Stiftung Dome und Schlösser übernommen wurde, muss man schon fragen: War das vorsätzlich oder war das Dummheit?

Kultusministerium und auch Finanzministerium müssen doch mitbekommen haben, was dort in welcher Dimension gebaut wird. Wenn ich nur 2 Millionen € zur Verfügung habe - Gott verdammt! -, kann ich nur ein Projekt für 2 Millionen € hinstellen, nicht aber eines, das 4 Millionen € oder noch mehr kostet. Dann muss ich die Bauplanung ändern und einen Zacken kleiner bauen. Das wäre logisch und wäre das, was die immer wieder zitierte schwäbische Hausfrau machen würde.

(Beifall bei der LINKEN)

Das alles ist nicht geschehen. Mit der Nachforderung von 2 Millionen € seitens des Kultusministeriums zum Nachtragshaushalt 2011 ist nachgewiesen, dass die Stiftung Kloster Michaelstein am alten Projekt festgehalten hat und dass gebaut wurde in der Hoffnung, dass das Land schon Geld nachschießt. Außerdem muss man damit rechnen, dass die jetzt eingestellten Mittel nicht reichen werden, sondern ein Nachtrag notwendig wird. Das bedeutet, dass dem Land zunächst ein Schaden von 2 Millionen € entstanden ist. Dieses Geld hätte man für den Abbau der Nettoneuverschuldung verwenden können.

Diese Art der Haushaltsführung durch das Kultusministerium und das Finanzministerium, die auch noch die Rechtsaufsicht und die fachliche Aufsicht haben, ist aus unserer Sicht zu missbilligen. Auch wenn es sich um Stiftungen des öffentlichen Rechts handelt, muss ihr Handeln im Einklang mit dem Haushaltrecht stehen. Ausgaben können nur in Höhe der zu erwartenden Einnahmen getätigt werden. Wenn nur Mittel in Höhe von 2 Millionen € für einen Bau zur Verfügung stehen, dann kann nicht für 4 Millionen € gebaut werden. Wir erwarten Konsequenzen für die Verantwortlichen bis hin zur Durchsetzung von Regressforderungen.

Bei Zuschüssen an Stiftungen, aber auch generell sind der Bedarf und die Wirtschaftlichkeit sowie auch die Folgekosten, die möglicherweise auf das Land zukommen, künftig wesentlich gründlicher zu prüfen. Es kann auch nicht sein, dass wir als Landtag ein lapidares Schreiben bekommen, in dem uns der Staatsminister mitteilt, dass die Fragen von Stiftungsaufsicht, Rechtsaufsicht und Fachaufsicht geklärt werden, weil es eine neue Geschäftsbesorgung im Rahmen der Landesregierung gibt.