Protocol of the Session on June 13, 2003

In § 7 wird geregelt, dass zur Durchsetzung des Naturschutzrechts Verträgen der Vorrang vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu geben ist. Auch diese Regelung widerspricht Bundesrecht; denn dort wird eindeutig klargestellt, dass die Befugnisse der Naturschutzbehörden auch durch die Möglichkeit zum Abschluss vertraglicher Vereinbarungen nicht beeinträchtigt werden dürfen.

Unausgewogen und zum Teil unverständlich sind die in § 18 geregelten Bestimmungen zu Eingriffen in Natur und Landschaft. Die Positivliste ist unverständlicherweise gekürzt und im Einzelfall nicht nachvollziehbar, wie zum Beispiel beim Grünlandumbruch an erosionsgefährdeten Hängen, der in § 18 als Eingriff aufgeführt ist, aber gemäß § 5 sowieso schon explizit untersagt ist. Genauso unverständlich ist, warum Veränderungen der Bodendecke nicht mit aufgenommen worden sind und warum von der Möglichkeit der Ermächtigung zur Herausnahme von bestimmten Vorhaben aus der Genehmigungspflicht kein Gebrauch gemacht wird.

Ich sehe das Blinken. Herr Präsident, ich glaube, ich habe etwas mehr Redezeit, weil die Ministerin ihre Redezeit überzogen hat.

Sie haben noch etwas mehr Redezeit, Herr Oleikiewitz.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Die Möglichkeit der Schaffung von so genannten Ökokonten in § 20 sehen wir positiv. Sie wird ja unter anderem auch im Bundesgesetz nicht ausgeschlossen. Die wenig klaren Regelungen dazu allerdings dürften für Verwirrung sorgen und erfordern deswegen notwendigerweise mehr Durchsichtigkeit.

Zu § 28 - Genehmigung des Abbaus von Bodenschätzen. Der Abbau von Bodenschätzen ist immer ein Eingriff nach § 18 dieses Entwurfs und auch nach der bundesrechtlichen Rahmenregelung. Das bedeutet, dass die

in Absatz 1 vorgesehene Regelung, wonach die Genehmigung zu erteilen ist, wenn das Abbauvorhaben mit dem Naturschutzrecht, mit dem öffentlichen Baurecht und mit sonstigem öffentlichem Recht vereinbar ist, klar sowohl der Eingriffsregelung in § 18 als auch Bundesrecht widerspricht, denn Eingriffe sind in aller Regel unzulässig. Selbst bei Vorliegen aller gesetzlichen Voraussetzungen, die in § 28 genannt sind, ist eine Abwägung zwischen den Interessen des Antragstellers und denen des Naturschutzes zwingend erforderlich. Die Aushebelung dieses Prinzips wäre deswegen klar bundesrechtswidrig.

In § 30 - Erklärung zum Schutzgebiet - soll unter anderem geregelt werden, dass Biosphärenreservate und Naturparke durch einfache Bekanntmachung erklärt werden. Das ist aus unserer Sicht ein nicht begründbares Zurückgehen hinter die geltende, sich am Bundesnaturschutzgesetz orientierende Verfahrensweise. Um Beteiligungsrechte, Auslegungsfristen und anderes zu sichern, aber auch um die Gebiete selbst rechtsverbindlich zu sichern, ist aus unserer Sicht eine entsprechende Regelung unerlässlich.

Aus unserer Sicht abzulehnen sind die in § 40 enthaltenen Festsetzungen von Formvorschriften. Insbesondere die Einschränkungen bei der Beteiligung der Öffentlichkeit sind weder zeitgemäß noch werden sie bei Bürgerinnen und Bürgern die Akzeptanz gegenüber Schutzgebieten erhöhen. Möglicherweise aber, meine Damen und Herren von der Koalition, ist das ja so gewollt.

Zu § 57 - Beteiligung der Verbände, Verbandsklagerecht. In der Begründung für den Wegfall der Verbandsklage wird die Beschleunigung der Genehmigung von Investitionsvorhaben als wesentlicher Grund herangezogen. Mit Verlaub, meine Damen und Herren von der Koalition, das ist schlichtweg eine Sauerei!

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Frau Dr. Sitte, PDS)

Nennen Sie mir auch nur einen Fall, in dem die Wahrnehmung dieses Klagerechts seitens der Verbände auch nur eine Investition aufgehalten hätte. - Ich höre nichts, meine Damen und Herren.

(Zuruf von Herrn Gürth, CDU)

Aus meiner Erfahrung lagen bisher die Bremsklötze in ganz anderen Ebenen, Herr Gürth, in Ebenen, die nicht zu den Naturschutzverbänden gehören. Sie wissen das genauso gut wie ich. Wir haben im Landtag oft darüber geredet, warum Investitionen in unserem Lande so langsam vorankommen. Am Naturschutz liegt es jedenfalls nicht.

(Herr Gürth, CDU: Da gibt es auch genügend Beispiele!)

Völlig fassungslos müssen die vielen ehrenamtlich tätigen Frauen und Männer des Landes, die sich seit vielen Jahren für den Naturschutz engagieren, gewesen sein, als sie feststellten, dass sie im Gesetz nicht mehr vorkommen; denn Sie haben den ehemals im Gesetz enthaltenen Paragrafen, der diese Leute betraf, einfach weggestrichen. Behindern etwa auch diese Leute Ihre Investitionen, oder welchen vernünftigen Grund kann es dafür geben, diese Leute aus dem Gesetz zu streichen?

(Herr Gürth, CDU: Sie haben den Deregulie- rungsgedanken nicht verstanden!)

Ich erkenne nur - das soll meine Schlussfolgerung zum gesamten Thema sein, meine Damen und Herren -, dass

Sie Naturschutzarbeit behindern wollen, wo es auch immer geht. Das ist ein schlechtes Signal in einer Zeit, in der die Menschen wieder Ziele brauchen, in der der Frust über die Politik wächst und die Menschen, die sich freiwillig für die Gesellschaft und für die Natur engagieren, nicht mehr werden. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Oleikiewitz.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Begrüßen Sie mit mir auf der Tribüne Damen und Herren aus Kronberg im Taunus, die von der Partnerstadt Ballenstedt eingeladen worden sind.

(Beifall im ganzen Hause)

Als nächsten Redner rufe ich für die CDU-Fraktion den Abgeordneten Herrn Koch auf. Bitte sehr, Herr Koch.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Oleikiewitz, wir kennen uns schon sehr lange, aber die Polemik, die ich heute von Ihnen gehört habe, hat alles Bisherige übertroffen.

(Zustimmung von Herrn Gürth, CDU - Lebhafter Widerspruch bei der SPD)

- Warten Sie nur ab!

Meine Damen und Herren! Wir haben heute einen Gesetzentwurf der Landesregierung vorliegen, der uns zeigt, dass es in Zukunft möglich sein wird, mit dem Tourismus, mit der Wirtschaft und mit dem Naturschutz besser zusammenzuarbeiten. Ich frage mich auch ernsthaft, warum Sie das unter Ihrer Landesregierung in den vergangenen Jahren nicht selbst eingebracht haben. - Sie haben wahrscheinlich selbst gewusst, dass Sie genau die Schwierigkeiten bekommen würden, die Sie uns heute leichtfertig andichten wollen.

Wir wollen mit dem Gesetz ein Zeichen setzen. Wir wollen erreichen, dass es den Menschen möglich ist, mit der Natur zu leben, und den Menschen die Möglichkeit geben, bestimmte Veränderungen vorzunehmen, die dringend notwendig sind, um uns stärker voranzubringen.

Wir haben die EU-Richtlinie, die Zoorichtlinie und andere Bestimmungen, die Sie längst hätten aufgreifen sollen, jetzt in Angriff genommen.

Zu dem Thema Landwirtschaftsminister oder Umweltminister. Wissen Sie, uns allen ist bewusst, dass wir eine Landwirtschaftsministerin haben, die sich auch dafür einsetzt, auf ihre und unsere Art und Weise, nicht aber so, wie Sie das in den letzten Jahren getan haben.

Die politische Auseinandersetzung, die wir zu führen haben, und die Anhörungen werden zeigen, welche Möglichkeiten wir noch haben, um miteinander über das Gesetz zu sprechen.

Den ehrenamtlichen Naturschützern sei gesagt, dass wir ihnen mit diesem Gesetz keinesfalls zeigen wollten, dass wir sie nicht achten. Im Gegenteil: Wir geben ihnen die Möglichkeit, in Eigenverantwortung weiterhin das zu tun, was sie auch bisher gemacht haben. Es ist gesagt worden, dass auch die Landkreise und die Gemeinden,

die dafür verantwortlich sind, gemeinsam mit den Ehrenamtlichen mehr Verantwortung übernehmen können als bisher.

Meine Damen und Herren! Werte Kollegen! Es ist an der Zeit, dass wir für die Zukunft unseres Landes im Naturschutz gemeinsam neue Wege gehen und dass wir mit den Menschen ein größeres Vertrauen gegenüber der Wirtschaft aufbringen. Ich denke, es kann nicht sein, dass jemand, der in einem Waldgebiet, in der Landwirtschaft etwas verändern möchte, ausgebremst und beschimpft wird. Dies müssen wir ändern.

Ich freue mich auf die Zusammenarbeit in den nächsten Wochen und denke, dass wir das Gesetz nach den Anhörungen verabschieden können. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Besten Dank, Herr Koch. - Für die PDS-Fraktion erteile ich als nächstem Redner dem Abgeordneten Herrn Dr. Köck das Wort. Bitte sehr, Herr Dr. Köck.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Naturschutzpolitik des Landes soll durch weniger Administration und Ordnungspolitik geprägt sein. Sie soll sich dem Bürger zuwenden und ihn mitnehmen, soll aufklären und um freiwillige Rücksichtnahme werben. Die Landnutzer werden sich vertraglich zu einer Landnutzung verpflichten, die dem Schutz der Natur den Vorrang einräumt.

Kooperativer Naturschutz, der von den Menschen akzeptiert wird - so lautet dieser moderne Ansatz der Naturschutzpolitik. Man spricht auch von weichen Naturschutzstrategien. Die Formulierung von ambitionierten Zielen ist eine Voraussetzung für eine problembezogene Kommunikation - so heißt es im Sondergutachten Naturschutz des Rates der Sachverständigen für Umweltfragen vom Juni vergangenen Jahres.

Die strategische Neuausrichtung der Naturschutzpolitik wird aber nicht durch die Entlehnung eines Schlagwortes für eine plakative Überschrift erreicht. Diese Landesregierung ist ohne jegliche konzeptionelle Vorstellung darüber gestartet, wie eine solche neue Strategie aussehen könnte. Das Wort „Naturschutz“ taucht nur an einer einzigen Stelle im Koalitionsvertrag auf, und zwar dort, wo es darum geht, den Landwirten ein Zubrot zu bescheren.

(Herr Borgwardt, CDU: Oh, oh, oh!)

Mit dem vorliegenden Entwurf einer Novelle zum Naturschutzgesetz des Landes Sachsen-Anhalt ist die Landesregierung dabei, die Tür zu einem kooperativen Naturschutz zuzuschlagen, ehe sie richtig geöffnet worden ist.

(Zustimmung bei der PDS)

Eine Kooperation setzt Partner mit ähnlichen oder sich ergänzenden Zielen bzw. Interessen und ein Mindestmaß an gegenseitigem Vertrauen voraus. So genannte Win-win-Strategien müssen erzielt werden.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Die Landesregierung ist jedoch dabei, gerade der Kooperation mit jenen Kräften die Geschäftsgrundlage zu entziehen, die in den Zeiten knapper Kassen für weiche

Naturschutzstrategien wichtiger denn je sind, dem ehrenamtlichen Naturschutz.

Gestatten Sie mir, aus einem Brief des Ornithologischen Vereins Dessau zu zitieren, den die Mitglieder des Umweltausschusses gestern auf den Tisch bekommen haben. Ob derjenige, der hier schreibt, Mitglied der Grünen oder der PDS ist, weiß ich nicht. Ich zitiere:

„Persönlich betroffen macht mich die ersatzlose Streichung der §§ 49 - Naturschutzbeauftragte - und 50 - Naturschutzhelfer - des noch gültigen Landesnaturschutzrechts, da ich darin eine Nichtachtung der geleisteten Arbeit der Ehrenamtlichen im Naturschutz sehe.“