Protocol of the Session on June 13, 2003

„Persönlich betroffen macht mich die ersatzlose Streichung der §§ 49 - Naturschutzbeauftragte - und 50 - Naturschutzhelfer - des noch gültigen Landesnaturschutzrechts, da ich darin eine Nichtachtung der geleisteten Arbeit der Ehrenamtlichen im Naturschutz sehe.“

(Zustimmung bei der PDS)

Weiter die Stimme der Ehrenamtlichen:

„Allerdings möchten wir darauf aufmerksam machen, dass, wenn Sie die Ehrenamtlichen mit der oben monierten Nichtanerkennung im Entwurf des Naturschutzgesetzes per Gesetzeskraft so verprellen, die behördliche Naturschutzarbeit enorme Schwierigkeiten hinsichtlich des Umweltmonitorings - siehe § 9 - Umweltbeobachtung - in Ihrem Entwurf - bekommen wird. Denn wer - so frage ich Sie - soll dann diese Umweltbeobachtung realisieren, wenn nicht die ehrenamtlichen Aktivposten vor Ihrer Haustür? So viele biologisch versierte Ranger, freiberufliche Biologen oder Expertenbüros kann sich das Land gar nicht leisten, um sich dieser Aufgabe zu stellen.“

Weiter heißt es in dem Brief:

„Die Berufung und Bestellung ehrenamtlich wirkender Naturschutzbeiräte, Naturschutzbeauftragter und Naturschutzhelfer - eine eher ostdeutsche Tradition, und nicht nur das, sondern die Tradition des Naturschutzes überhaupt; denn darin hat er seine Wurzeln - hat sich in Jahrzehnten bestens bewährt und ist, noch dazu sehr preiswert, von kaum einzuschätzendem gesellschaftlichen und naturschutzfachlichen Wert. So meine Meinung. Diese Praxis der Einbindung Ehrenamtlicher in den Naturschutz sollte unserer Meinung nach fortgeführt werden.

Die sich im oben genannten Entwurf ausdrückende Ignoranz gegenüber der ehrenamtlichen Arbeit lässt das ohnehin nur schwach entwickelte Vertrauen hinsichtlich der Naturschutzintentionen dieser Landesregierung noch weiter schwinden.“

(Zuruf von Frau Wybrands, CDU)

Meine Damen und Herren! Frau Minister Wernicke, ja, es ist schon verfassungsrechtlich bedenklich, dass der Auftrag, den dieses Land zum Schutz der Natur, der Tiere und Pflanzen hat, dass die Rahmenvorgaben des Bundesnaturschutzgesetzes nicht eingehalten werden. Das Bundesnaturschutzgesetz ist ein Rahmengesetz und verschafft den Ländern erstmalig einen großen Spielraum, dieses auszugestalten. Es kommt nun darauf an, - daran wird sich die Qualität zeigen - wie dieser Spielraum ausgenutzt wird, im Sinne moderner Strategien oder aber nicht.

Herr Oleikiewitz hat auf einige Punkte aufmerksam gemacht. Ich kann darauf verzichten, das alles zu wiederholen. Es geht zum Beispiel um die 10 % der Landesfläche für den Biotopverbund. Dabei mogelt man sich um

Konkretheit herum. Die Grundsätze werden nicht aufgenommen. All das sind Dinge, die für einen Menschen in diesem Land, der sich das Naturschutzgesetz zur Hand nimmt, wichtig sind.

An anderer Stelle verweisen Sie darauf, dass man nicht in das Bundesnaturschutzgesetz hineinsehen muss oder dass man es nicht daneben legen muss, um sich zu informieren. Die wichtigen Dinge aber, zum Beispiel die Grundsätze, die der Bürger braucht, damit er weiß, woran er sich orientieren muss, finden sich in diesem Gesetzentwurf nicht.

Wenn man zum Beispiel die Kritik am hessischen Landesnaturschutzgesetz - Hessen war das erste Bundesland, das alle Rahmenvorgaben umgesetzt hat - liest, dann sieht man, dass das Land Sachsen-Anhalt auf dem gleichen Weg ist, verfassungsrechtlich bedenklich zu handeln. Es gibt eben doch sehr viele Dinge, die ausgestaltet werden müssen, die aber nicht ausgestaltet werden.

Es bleibt zu klären, ob - das habe ich gelesen - das Bundesgesetz für uns nicht mehr bindend ist. Man habe darauf verzichtet, Dinge, die im Rahmengesetz explizit geregelt sind, direkt zu regeln. - Nein, wir müssen jedes Wort aus dem Bundesgesetz in das Landesgesetz übernehmen, erst dann erlangt es Gesetzeskraft. Das gilt natürlich auch für die Verbandsklage.

Solche fadenscheinigen Begründungen, mit denen man sich um klare Aussagen in diesem Gesetz herumdrückt, sind nicht hinnehmbar. Wir werden in den Ausschüssen sehr viel zu tun haben.

Eines ist klar - das ist die eigentliche Strategie, der Kurs der Landesregierung -: Das Naturschutzrecht soll wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden. Es ist weiterhin klar, dass die Verabsolutierung vertraglicher Regelungen dem Bundesnaturschutzgesetz widerspricht. Das sind - das werden Sie wissen - ungedeckte Schecks, die Sie ausgeben. Die Landnutzer, die verzichten, tun dies nicht ganz so freiwillig; denn vertragliche Regelungen sind keine Einbahnstraße. Die Gegenleistung dafür sind entsprechende Fördermittel.

Das heißt, weiche Naturschutzstrategien brauchen vor allen Dingen eine ordentliche Finanzausstattung, damit ich über diese Förderprogramme letztlich zur Freiwilligkeit motivieren kann. Weiche Naturschutzstrategien brauchen vor allen Dingen auch mehr Menschen, die sich in Diskussionen mit Landnutzern begeben, die für die Ziele des Naturschutzes werben.

Das heißt, wir brauchen eigentlich mehr Leute und mehr Geld, um diese modernen Naturschutzstrategien durchzusetzen. Gerade das haben wir aber am wenigsten. Der Frust - das sage ich ganz deutlich - wird sich bei den chronisch unterbesetzten Naturschutzbehörden einstellen. Es hilft nicht, wenn Sie auf die Landräte verweisen, denn die Praxis ist eine andere.

Die Mitarbeiter der unteren Naturschutzbehörden werden demnächst nur noch am Schreibtisch sitzen. Naturschutzhelfer werden sich ihnen nicht mehr oder nur noch in geringer Anzahl zur Verfügung stellen. Die Verfahrensbeschleunigung geht letztlich auf Kosten der unteren Naturschutzbehörden, auf Kosten dieser Mitarbeiter und natürlich auf Kosten der Natur.

Die eingeschlagene Naturschutzpolitik der Landesregierung führt also nicht zur Kooperation, sondern zur Bildung von Allianzen im negativen Sinn. Positive Allianzen

für den Naturschutz müssen geschmiedet werden. Wir müssen den Sport, den Tourismus und auch die Wirtschaft mit ins Boot holen, weil es konfrontativ tatsächlich nicht geht.

Der hier verfolgte Ansatz ist sehr einseitig und geht zulasten des Naturschutzes. Es ist wirklich so - ich will es wiederholen -: Die Tür zu einem tatsächlich dringend notwendigen kooperativen Naturschutz droht ins Schloss zu fallen, noch ehe sie richtig offen war. Wir haben jede Menge in den Ausschüssen zu tun, um möglichst viel zu reparieren, wenn es noch etwas zu reparieren gibt. - Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vielen Dank, Herr Dr. Köck. - Für die FDP-Fraktion, meine Damen und Herren, erteile ich jetzt dem Abgeordneten Herrn Kehl das Wort. Bitte sehr, Herr Kehl.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Die vorliegende Novelle zum Naturschutzgesetz - das wurde bereits gesagt - beinhaltet zum überwiegenden Teil die Umsetzung von EU-Richtlinien und Bundesrecht. Das Land Sachsen-Anhalt ist verpflichtet, die Richtlinien umzusetzen. Teilweise ist die Umsetzung sogar überfällig. Sie wurde unter der Regierung Höppner stets aufgeschoben, sodass sogar Sanktionen seitens der EU zu befürchten waren.

Herr Dr. Köck, Sie tun gerade so, als wenn diese Novelle ein Altöl-im-See-, Vogelabschuss- und Waldrodungsgesetz wäre. Das ist Unsinn und hat mit dem Gesetz nichts zu tun.

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Haben Sie immer noch nicht begriffen, dass Sie unter anderem wegen Ihrer Misswirtschaft in acht Jahren Regierung Höppner abgewählt worden sind? Haben Sie immer noch nicht begriffen, dass das vielleicht an Ihrer Einstellung zur Wirtschaftspolitik liegen kann bzw. haben Sie noch nicht geprüft, ob Ihre Ansichten nur so wirklich richtig sind?

(Beifall bei der FDP und bei der CDU)

Wem nützt die schönste geschützte Natur, wenn niemand von den jungen Leuten mehr hier ist, die die Natur genießen können, weil alle in den Westen abgehauen sind?

(Herr Gallert, PDS: Das ist wegen des Natur- schutzes! - Weitere Zurufe von der PDS)

Die vorliegende Novelle wurde zwangsweise umgesetzt, andere Teile sind allerdings auch in Eigenregie des Landes entstanden.

Vor wenigen Monaten standen wir hier und stimmten über einen Entwurf der SPD-Fraktion ab. Sie argumentierten, dass es nun höchste Zeit sei, die EU- und Bundesvorschriften umzusetzen. Ich hatte bereits damals an diesem von der jetzigen Opposition selbst verschuldeten Umstand und der damit verbundenen Doppelzüngigkeit der SPD-Fraktion deutliche Kritik geübt, sodass ich es in diesem Zusammenhang großmütig dabei bewenden lassen möchte.

(Zuruf von Herrn Oleikiewitz, SPD)

Wir haben den Entwurf damals in den Ausschuss verwiesen. Wir möchten diesen nun zusammen mit dem Regierungsentwurf beraten.

Neben den Verpflichtungen, die vonseiten der EU und des Bundes vorgeschrieben sind, enthält dieses Gesetz ein meiner Meinung nach gelungenes Zusammenspiel vernünftiger Anforderungen an den Umweltschutz, der Rücksichtnahme auf wirtschaftliche Gegebenheiten und der naturschutzfachlichen Besonderheiten unseres Landes. Das Gesetz soll die Natur, aber auch die Nerven der betroffenen Menschen schonen.

Meine Damen und Herren! Besonders wichtig ist für uns das Verhältnis von vertraglichem Naturschutz zu administrativen Regelungen. Das ist auch im Bundesgesetz - allerdings sehr vorsichtig - angedacht. Darin heißt es: Es müsse geprüft werden, ob die Naturschutzmaßnahmen auch vertraglich geregelt werden könnten. Die Landesregierung und die Koalition haben zu Recht Verträgen und der Teilnahme an öffentlichen Programmen gegenüber ordnungsrechtlichen Maßnahmen schon im Koalitionsvertrag einen Vorrang eingeräumt. Das ist so auch Beschlusslage des Hohen Hauses.

Größere Änderungen in dem vorgelegten Entwurf plant die Landesregierung bei den Ausgleichs- und Kompensationsmaßnahmen. Hier entfällt der Druck, Investorenausgleichsmaßnahmen am selben Ort an teilweise fragwürdigen Stellen durchführen zu müssen. Der Entwurf sieht vor, dass solche Maßnahme auch in der Region getätigt werden können. Die FDP-Fraktion betrachtet diese Änderung als besonders sinnvoll.

Flexiblere Regelungen soll es auch im Bereich der Naturschutzbeiräte geben. Das wurde bereits kritisiert. Bisher mussten die Beiräte zwingend in den Naturschutzbehörden tätig sein. Im Entwurf wird daraus eine Kannbestimmung. Die Regelung bezüglich der Naturschutzbeauftragten und der Naturschutzhelfer entfällt dadurch gänzlich.

Aus gegebenem Anlass möchte ich aber betonen, dass die geplante Neuregelung die geleistete Arbeit der dort Tätigen in keiner Weise schmälern oder herabwürdigen soll. Die zwingende Regelung hat sich aber nicht als praxisnah erwiesen. Eine Reform war unseres Erachtens dringend notwendig. Da Naturschutzbeauftragte und -helfer damit nicht verboten werden, wie das suggeriert wird, ist das alles überhaupt nicht so dramatisch.

Verwaltungsvereinbarungen und Entbürokratisierung - das wurde bereits zu Recht angesprochen - sind wichtige Kernpunkte des Gesetzes, aber eben nur Kernpunkte des Gesetzes und neben dem Naturschutz gleichberechtigt. Vorschriften für die interne Arbeit der Verwaltung werden möglichst weggelassen. Insbesondere werden Genehmigungsvorbehalte wegfallen. Im alten Gesetz waren zum Beispiel Änderungen bei den Naturschutz- und Landschaftsschutzverordnungen durch die nächsthöhere Behörde nachträglich zu genehmigen. Diese unnötige Verlängerung des Verfahrens soll nun wegfallen.

Eine Verfahrensbeschleunigung erwartet die Regierung in ihrem Entwurf auch durch Genehmigungsfiktionen. Entscheidet die Verwaltung über einen Eingriff nicht innerhalb von zwei Monaten, so gilt der Antrag als genehmigt. In diesem Zusammenhang möchte ich auch auf die Regelungen des Baugesetzbuches hinweisen, die sogar eine wesentlich kürzere Frist vorsehen. Von daher ist das ein Zugeständnis an den Naturschutz.

Die Regelung wird bei den Verwaltungen nicht nur auf Begeisterung stoßen, aber die Genehmigungsverfahren - nicht nur im Naturschutz - sind in unserem Land nachweislich zu lang. Genehmigungsfiktionen könnten hier der richtige Weg sein.

Neu geordnet werden auch die Zuständigkeiten bei den Tiergehegen im Zoo. Das bestehende Verfahren hat sich als zu kompliziert erwiesen. Die Umsetzung der Regelung wird nun allein von den Tierschutzbehörden überwacht. Diese Neuordnung ist keine Gefahr für den Standard des Tierschutzes in Sachsen-Anhalt, auch wenn Eingriffseröffnungen im Bereich Tiergehege nicht mehr vorgesehen sind. Sollte sich Handlungsbedarf erweisen, kann der Mangel mithilfe des Tierschutzgesetzes behoben werden.

Eine ganze Reihe von Änderungen, die sich aus der Umsetzung von Bundes- und EU-Recht ergeben, wie die flächendeckende Landschaftsplanung auf kommunaler Ebene, widersprechen unseren Vorstellungen. Häufig sind sie mit Kosten verbunden, die im Moment noch nicht einmal abgeschätzt werden können. - So weit zum besonderen Inhalt.

Andererseits - diesbezüglich möchte ich ein wenig auf die Opposition zugehen - gibt es einige Punkte, zu denen durchaus Diskussionsbedarf auch vonseiten der FDP-Fraktion besteht. Bessere Regelungen wünschen wir uns beispielsweise beim Ökokonto. Hier müssten noch Fragen geklärt werden. Wer darf ein solches Konto anlegen? Vonseiten des Ministeriums werden zum Beispiel die Gemeinden angeführt. Das erscheint sinnvoll. Was ist aber, wenn der Bund reguläre Aufforstungen als Ausgleichsmaßnahmen angibt und für den Autobahnbau anerkannt haben möchte? Das kann nicht der Sinn eines Naturschutzgesetzes sein.

Präzisiert werden müsste auch, ob ein solches Ökokonto auch von privaten Akteuren angelegt werden darf.

Unzufrieden sind wir außerdem mit der Regelung zum finanziellen Ausgleich für Eingriffe in die Umwelt. Hierbei hätten wir uns eine Stärkung der Möglichkeiten gewünscht. Es wäre besser, wenn kleinere Ausgleichsmaßnahmen mit einer Zahlung an eine Organisation abzugelten wären, die insbesondere dem Naturschutz verpflichtet ist, wie zum Beispiel die Stiftung Umwelt und Naturschutz. Darüber wird sich besonders Kollege Oleikiewitz freuen. Sie könnten größere und wertvollere Biotope schaffen, anstatt kleinsträumlich Bäumchen zu pflanzen.

Eine besondere Behandlung könnte auch für innerörtlich geschützte Flächen gelten. Hier wären einige Eigenheimbesitzer mit Streuobstwiesen meiner Meinung nach unverhältnismäßig belastet; denn es besteht durchaus Klärungsbedarf hinsichtlich des tatsächlichen ökologischen Wertes dieser Flächen innerhalb geschlossener Ortschaften.

Klärungsbedarf sehen wir auch bezüglich der Regelungen des § 3, die von der Bundesgesetzgebung in Bezug auf den Biotopverbund tatsächlich abweichen.

Ebenfalls sollten wir darüber reden, ob wir gesonderte Landschaftsprogramme benötigen, wenn doch die Landkreise ohnehin Landschaftsrahmenpläne erarbeiten und diese auch untereinander abstimmen. Das Bundesrecht sieht das jedenfalls nicht zwangsläufig vor.