Protocol of the Session on June 13, 2003

Ein weiteres Beispiel für Deregulierung: Ist die Naturschutzbehörde alleinige Genehmigungsbehörde, so gilt die Genehmigungsfiktion nach § 24 Abs. 3. Danach gilt eine Genehmigung als erteilt, wenn nicht binnen zwei Monaten entschieden worden ist.

Es fing schon damit an, dass in diesem Bereich ein riesiges Horrorszenario entwickelt wird, unter dem Motto: Wir stellen im Sommer die Anträge, alle Beamten sind im Urlaub und wenn nach acht Wochen nicht genehmigt ist, kann ich die Bäume fällen oder die Straße bauen. - Also: Diese Art der alleinigen Genehmigung trifft vorrangig für den Bau kommunaler Straßen zu. Ich denke, man braucht hier keine Horrorszenarien zu entwickeln.

Aber diese Genehmigungsfiktion soll auch ein Zeichen setzen, dass Entscheidungen auch im Naturschutzrecht - auch wenn es Huckepack-Entscheidungen sind, die durch das Baurecht bestimmt sind - durch die Naturschutzbehörden zeitnah zu treffen sind.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der FDP und von der Regierungsbank)

Der Bodenabbau ist umfänglicher geregelt worden als im geltenden Naturschutzgesetz. Zur Verfahrensbeschleunigung soll insbesondere das Institut des Vorbescheides, das in § 29 neu eingeführt wird, führen.

Noch ein Wort an die Opposition gerichtet - ich habe das gestern in dieser Pressinformation der PDS nachgelesen -: Bringen Sie bitte nicht das Argument, dass die chronisch unterbesetzten unteren Naturschutzbehörden frustriert sein werden wegen dieser Regelungen. Ich habe noch die Aussage der Landräte im Ohr, die in der letzten Gesprächsrunde mit dem Ministerpräsidenten gesagt haben: Wir können ohne weiteres und ohne weiteres Personal alle weiteren Aufgaben des Naturschutzes übernehmen. - Also, meine Damen und Herren, dieses Argument stimmt wirklich überhaupt nicht.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung von der Re- gierungsbank)

Im Zusammenhang mit den Genehmigungsverfahren will ich auf die Rolle der Vereine, der freiwilligen Naturschutzhelfer oder auch der Naturschutzbeiräte eingehen. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit und der selbst auferlegten Belastung aller ehrenamtlich Tätigen, auch im Feld des Naturschutzes. Ich habe auch großen Respekt vor dem Engagement der anerkennten Umwelt- und Naturschutzverbände. Ohne deren Mitarbeit wäre manche Aufgabe im Bereich des Naturschutzes, im Rahmen der Natura-2000-Gebiete, insbesondere im Monitoring nicht zu bewältigen gewesen.

Ich stelle auch mit einer Sollbestimmung, die die Einberufung des Naturschutzbeirates der obersten Landesbehörde regeln soll, also der Klientel, welche mit mir zusammenarbeitet, die Naturschutzbeiräte überhaupt nicht infrage. Ich bin mir sicher, dass kein Landrat seinen Naturschutzbeirat auflösen wird, nur weil der Gesetzgeber die Einrichtung nicht zwingend vorschreibt. Ich denke, das wird er sich nicht antun, denn er braucht diese Hilfe, diese Unterstützung weiterhin.

Und, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist denn unsere Gesellschaft wirklich schon so respektlos und darauf ausgerichtet, dass ehrenamtliches Engagement per Gesetz geregelt werden muss? - Damit würden wir der großen Leistung dieser Mitbürger, die sich ehrenamtlich im Naturschutz engagieren, nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU)

Frau Ministerin, Sie haben Ihre Redezeit bereits um fünf Minuten überzogen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Anerkennung erfahre ich, wenn ich als Partner gesucht und gefragt werde, wenn das Angebot zur Mitwirkung angenommen wird und zum Beispiel am Tag des Ehrenamtes, welchen ich einberufe, gewürdigt wird.

Zur Mitwirkung an einschlägigen Planungen rufe ich die anerkannten Verbände ausdrücklich auf. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung wäre es zu begrüßen, wenn die Ergebnisse dieser Planungen und Abwägungsverfahren dann auch von den Verbänden akzeptiert würden und wenn sie nicht schon zuvor mit Klage drohen würden.

Das Klagerecht ohne eigene Rechtsverletzung ist diskutiert worden. Ich halte es für einen untragbaren Zustand, dass ein anerkannter Verein gegen einen Planfeststellungsbeschluss mit der Begründung Klage einreichen kann, dass verschiedenste schützenswerte Arten im Planungsgebiet vorhanden seien. In dem Urteil stellt das Gericht dann fest, dass die Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte für das Vorkommen der behaupteten Arten ergeben habe. Eine derartige Nutzung eines Klagerechtes verzögert dringend nötige Infrastrukturmaßnahmen möglicherweise um Jahre. Doch, meine sehr verehrten Damen und Herren, in dieser Novelle gilt es zunächst Bundesrecht umzusetzen.

Ich will an dieser Stelle auf die Vorschläge in dem Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht eingehen. Dazu werden wir in den Ausschussberatungen noch genügend Gelegenheit haben.

Zur vorliegenden Novelle wurde eine umfassende Anhörung durchgeführt. Es ging eine große Bandbreite an Stellungnahmen ein. Von 73 abgeforderten Stellungnahmen wurden 29 eingereicht. Einige Änderungen, allerdings meist redaktioneller Art, sind eingearbeitet worden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum Schluss möchte ich Sie auffordern, in gemeinsamer Verantwortung die Chance zu nutzen, den Aufbau eines zusammenhängenden europäischen ökologischen Netzes in Sachsen-Anhalt zu unterstützen, um einige für unsere Region typische, besonders schöne und naturschutzfachlich wertvolle Lebensräume einschließlich ihrer Tier- und Pflanzenwelt zu schützen. Das bedeutet jedoch nicht, dass diesen Gebieten eine Käseglocke übergestülpt wird und damit die weitere wirtschaftliche, kulturelle und regionale Entwicklung unterbunden wird.

Projekte in diesen Gebieten werden keiner neuen umfassenden Umweltverträglichkeitsprüfung unterworfen. Die Umweltverträglichkeit eines Vorhabens hinsichtlich der Entwicklungsziele für das jeweilige Gebiet ist vielmehr bereits dann zu bejahen, wenn mit erheblichen negativen Auswirkungen auf diejenigen Lebensräume oder Tier- und Pflanzenarten nicht zu rechnen ist, derentwegen diese Gebiete in das ökologische Netz aufgenommen worden sind.

Ich will ein Beispiel nennen: Warum soll man im Vogelschutzgebiet Geiseltal im Sommer nicht surfen oder baden können, wenn die Wildgänse dort im Winter rasten? Das ist ein Beispiel, wie das Miteinander von Mensch und Tier sicher gut gelöst werden kann.

(Beifall bei der CDU)

Wenn es uns gelingt - das verstehe ich unter nutzungsintegriertem Naturschutz -, diese Ziele unseren Menschen nahe zu bringen, dann wird diese Politik auch als grüne Chance und nicht als grüne Gefahr verstanden werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, bei der FDP und von der Regierungsbank)

Vielen Dank, Frau Ministerin Petra Wernicke. - Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir treten jetzt in eine Debatte mit einer Redezeit von zehn Minuten je Fraktion ein. Als erstem Redner erteile ich für die SPD-Fraktion dem Abgeordneten Herrn Oleikiewitz das Wort. Bitte sehr, Herr Oleikiewitz.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Wernicke, Sie mögen mir verzeihen, aber ich habe in der Einbringungsrede immer nur die Landwirtschaftsministerin gehört und nicht ein einziges Mal die Umweltministerin.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Seit dem Jahr 1992 ist in Sachsen-Anhalt ein Naturschutzgesetz in Kraft, das mit seinen Änderungen aus dem Jahr 1998 die Basis für die Entwicklung eines ausgewogenen und dem besonderen Schutz von Natur und Umwelt in unserem Land Rechnung tragenden Naturschutzes legt. Meines Wissens gab es bisher zu keinem Zeitpunkt ernsthafte Klagen darüber, dass dieses Gesetz - nämlich das noch geltende Gesetz - investitions- oder wirtschaftsfeindlich sei

- von notorischen Gegnern gesetzlicher naturschutzfachlicher Regelungen, die bezeichnenderweise meist auch aus dem konservativen Lager kommen, einmal abgesehen.

Es war eine CDU-FDP-Regierung, die dieses Gesetz erarbeitete - unter einem FDP-Umweltminister; das will ich an dieser Stelle ausdrücklich hervorheben. Hervorheben möchte ich auch die Tatsache, dass das Gesetz bei den damaligen Beratungen im zuständigen Umweltausschuss von einer breiten politischen Mehrheit getragen wurde. Das war so, meine Damen und Herren, weil allen Beteiligten unter dem Eindruck der gewaltigen von der DDR hinterlassenen Umweltschäden klar war, dass an einem umfassenden Schutz unserer unmittelbaren Umwelt, der Natur und der Landschaft im Interesse der Entwicklung, auch der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes kein Weg vorbeigeht.

Zu diesem Zeitpunkt waren wir weit davon entfernt, Naturschutz als Hindernis der wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen. Im Gegenteil: Wir sahen damals viel mehr die Chance, mit einer intakten Umwelt und Natur, mit gepflegten Landschaften und einzigartigen Naturschönheiten für unser Land zu werben, das Interesse von Besuchern und Urlaubern, aber auch von Investoren zu wecken.

Wir stellen heute fest, dass der damalige Ansatz richtig war. Das bezeugen nicht nur über Deutschland hinaus bekannte Nationalparke, Biosphärenreservate und Naturschutzgebiete. Davon zeugt auch die Vielfalt in Fauna und Flora, um die uns andere Länder n o c h beneiden und die das Ziel von Naturliebhabern aus Deutschland und ganz Europa sind.

Wie ist der gegenwärtige Stand, meine Damen und Herren? - Seit dem Jahr 1992 hat sich sicherlich viel geändert, leider auch die Positionen der Akteure von damals, jedenfalls der damaligen Landesregierung. Liest man die Begründung zum Gesetzentwurf richtig, wird schnell klar, wo neben den notwendigen Änderungen infolge des Bundes- und Europarechts die eigentliche Zielrichtung der jetzigen Koalition liegt. Zielkonflikten rechtzeitig zu begegnen, kann sicher nicht falsch sein. Es kommt eben nur auf das Ziel an. Dieses Ziel sieht den Naturschutz, meine Damen und Herren von der Koalition, immer erst an zweiter Stelle und insbesondere als Investitionsverhinderer.

(Herr Kühn, SPD: Wie beim Denkmalschutz!)

Meine Damen und Herren! Das ist die hintergründige Überzeugung dieser Koalition. Wenn ich auf die kürzlich von Ihnen abgehaltene Pressekonferenz eingehen darf, Frau Ministerin Wernicke: Ich habe gehört, Sie hätten dort formuliert, Sie wollten dem Jobkiller Naturschutz endlich den grünen Zopf abschneiden. - Wenn das so ist, dann ist genau das, was ich eben festgestellt habe, das Prinzip Ihres Handelns.

(Herr Borgwardt, CDU: Ach!)

Die Begründung dieses Gesetzes reiht sich nahtlos in die bisherige Argumentation der Landesregierung bei Gesetzentwürfen ein. Es soll der Eindruck erweckt werden, die schlechte wirtschaftliche Lage in Sachsen-Anhalt sei unter anderem wesentlich durch einen überzogenen Naturschutz entstanden und man könne die Situation durch neue Gesetze ändern. Diesen Eindruck zu erwecken ist nicht nur sachlicher Unsinn, sondern ist grob fahrlässig gegenüber den Erfolgen beim Natur

schutz und vor allem gegenüber den noch zu realisierenden Aufgaben im Naturschutz.

(Zustimmung bei der SPD)

Wie will man die Sensibilität der Menschen in unserem Land und vor allem unserer Kinder und Jugendlichen gegenüber Umwelt und Natur stärken, wenn man Naturschutz als Arbeits- und Wirtschaftshemmnis und die vielen haupt- und ehrenamtlichen Naturschützer als Exoten und Spinner hinstellt, um es einmal jugendfrei zu sagen.

Naturschutz durch Kooperation anstelle von Konfrontation - wer dieses Prinzip als neuen Weg verkauft, will den Eindruck erwecken, dass in der Vergangenheit wirtschaftliche Entwicklungen durch den Naturschutz behindert wurden. Mir fällt indes kein einziges Beispiel ein, wo dieses in unserem Land zuträfe. Im Gegenteil: Soweit mir bekannt ist, haben weder die noch von uns eingeführte Verbandsklage noch die Beteiligung der Naturschutzverbände bei der Vorbereitung von Investitionen diese verzögert oder verhindert. Verantwortliches Handeln für unser Land kann ich bei all dem nicht entdecken. Ich komme eher zu der Überzeugung: alles blanke Panikmache, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition.

In dieser Woche hat Frau Wernicke - immerhin auch Umweltministerin des Landes - festgestellt, dass umweltrechtliche Regelungen - in diesem Fall ging es um die landwirtschaftliche Tierhaltung - abgebaut werden müssten, wörtlich: „auf ein normales europäisches Maß zurückgeführt werden sollen“. Die Ministerin kündigte an, sie werde sich dafür einsetzen, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen für bestimmte Stallanlagen zukünftig entfallen.

Ich möchte gar nicht fragen, was die Leute, die in der Nähe eines solchen ohne Umweltverträglichkeitsprüfung gebauten Stalles wohnen, von solchen Äußerungen halten. Ich erkenne nur, dass es dieser Landesregierung so richtig ernst mit der Beseitigung von Investitionshemmnissen ist.

Ja, Frau Wernicke, vor Jahren fiel es Ihnen nicht schwer festzustellen, ob Frau Heidecke nun eher Umweltministerin oder eher Landwirtschaftsministerin ist. Mir fällt es bei Ihnen umgekehrt genauso leicht. Mit Verlaub, ich stelle fest, dass das Umweltressort in den Händen der Koalition offensichtlich nicht in guten Händen ist.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich nun in aller Kürze auf einige wesentliche Änderungen, die aus unserer Sicht relevant sind, eingehen. Dabei werde ich auf Ausführungen zu der notwendigen Anpassung des Gesetzes an Bundes- und Europaregelungen verzichten. Sie können sich sicher an unseren Gesetzentwurf erinnern, den wir im Frühjahr eingebracht haben und der gerade diese notwendigen Regelungen enthält.

Diesen Entwurf hätten wir gern als Grundlage für Ihren Gesetzentwurf gesehen, meine Damen und Herren von der Koalition. Sie hätten sich viel Arbeit gespart und das wäre, denke ich, für Umwelt- und Naturschutz besser gewesen. Diese Vorschläge werde ich also nicht wiederholen. Was übrig bleibt, was zu diskutieren ist, ist schlimm genug.

So der § 2 - Grundsätze des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Ich habe den Eindruck, dass sich der Entwurf mit dieser Kurzfassung weder im Rahmen der

Gesetzgebungskompetenz innerhalb der Rahmengesetzgebung des Bundesnaturschutzgesetzes bewegt, noch dass der Landesgesetzgeber berechtigt ist, die bundesrechtlichen Regelungen einzuschränken, was hiermit aber geschieht. Der Entwurf entspricht somit zwar dem Naturverständnis dieser Landesregierung, aber noch lange nicht den zwingenden Mindestvorgaben des Bundesrechts. Auf jeden Fall denken wir bereits an eine verfassungsrechtliche Prüfung.

Die Nichtübernahme des Absatzes 2 des Bundesnaturschutzgesetzes zeigt einmal mehr die Grundhaltung dieser Landesregierung und insbesondere ihre Haltung zu „Natura 2000“, genauso wie die Nichtaufnahme der im Bundesnaturschutzgesetz zwingend vorgeschriebenen Mindestfläche von 10 % für Biotopverbundflächen. Unklar ist mir zudem, warum in § 3 Abs. 3 die Nationalparke und Biosphärenreservate nicht mit aufgeführt sind.

In § 5 Abs. 3 sollte zumindest das Benehmen mit dem für den Naturschutz zuständigen Ministerium hergestellt werden, wenn anscheinend schon davon ausgegangen wird, dass die Zuständigkeiten in zwei getrennten Häusern liegen. Im Übrigen bleibt der Entwurf auch diesbezüglich weit hinter den Forderungen des Bundesnaturschutzgesetzes zurück, insbesondere in Bezug auf die Mindestdichte von Saumstrukturen, Hecken und sonstigen Feldgehölzen sowie Feldrainen als wesentliche Elemente zur Vernetzung von Biotopen.

In § 7 wird geregelt, dass zur Durchsetzung des Naturschutzrechts Verträgen der Vorrang vor ordnungsrechtlichen Maßnahmen zu geben ist. Auch diese Regelung widerspricht Bundesrecht; denn dort wird eindeutig klargestellt, dass die Befugnisse der Naturschutzbehörden auch durch die Möglichkeit zum Abschluss vertraglicher Vereinbarungen nicht beeinträchtigt werden dürfen.