Protocol of the Session on January 25, 2001

Herr Präsident! Werte Herren und Damen! Deutsche Soldaten, Polizisten und Aufbauhelfer mussten und müssen Dienst im Namen des deutschen Volkes in einem fremden Land leisten, einen Dienst, der dem deutschen Staat aufgezwungen wurde, weil er durch europäische und weltweite Verträge Verpflichtungen eingegangen war. Die Waffen- und Munitionslager der am Krieg beteiligten Soldaten konnten endlich legal geleert werden und manche Munition wurde getestet. Wie schon im Golfkrieg operierten Nato-Truppen auch gegen Serbien mit Uranmunition.

Ich möchte Sie, meine Damen und Herren, mit den technischen Details der Erst- und Nachwirkungen dieser ca. 31 000 Urangeschosse, die nach UN-Angaben während des Serbienkrieges abgefeuert wurden, verschonen. Aber ich kann hier und heute nicht darauf verzichten, Sie zu mahnen, daran zu denken, dass deutsche Nato-Soldaten und ganz besonders die Bevölkerung in den Kriegsgebieten unter diesen Zuständen zu leiden haben.

Blutkrebs, auch eine Spätfolge radioaktiver Verseuchung, forderte schon das Leben von fast 40 westlichen Soldaten, die am Feldzug gegen Serbien teilgenom- men haben. Selbst die Vorsitzende der Ethikkommission des Bundestages, Frau Margot von Renesse, bezeich

nete die Verwendung von Uranmunition als Kriegsverbrechen.

Wir verurteilen auf das Allerschärfste die von der Bundesregierung geduldete Verwendung von Uranmunition. Unsere Landesregierung fordern wir auf, die Bundesregierung unmissverständlich zur Klärung der Vorfälle und zu entsprechenden Konsequenzen aufzufordern. Für die während des Krieges begangenen Verbrechen müssen verantwortliche Regierungsmitglieder zur Verantwortung gezogen, ja sogar strafrechtlich verfolgt und verurteilt werden.

Der Krieg auf dem Balkan ist zu Ende. Der verseuchte Militärschrott bleibt liegen. Die Überlebenden, ganz besonders die Kinder der Region, werden über Jahrzehnte die Leidtragenden bleiben. Folgeschäden durch radio- aktive Verseuchung sind zu erwarten.

Krieg gegen Kinder haben sie geführt, bedenkenlos Soldaten geopfert. - Aber was wollen wir von einem Außenminister erwarten, der dem Krieg zustimmte und in seiner Jugend deutsche Polizisten zusammengetreten hat und sie mit Pflastersteinen bewarf?

Der oberste Dienstherr unserer Soldaten Scharping, mit sechs Monaten Wehrdienst begnadeter Heerführer, will sich geschickt aus der Affäre ziehen, sucht die Schuld bei seinem Amtsvorgänger Rühe. Wahr aber ist, dass er einfach seiner Informationspflicht gegenüber den Soldaten nicht nachkam. Das belegen Aussagen Betroffener.

Wenn Herr Scharping nun im Bundestag in der vergangenen Woche erste Informationen aus Geheimdienstkreisen verlas, welche ihm das Hauptquartier der amerikanischen Armee in Deutschland zur Verfügung gestellt hatte, dann waren das nur Noterklärungen. Uranmunition wurde seit Jahrzehnten in Deutschland getestet und hergestellt. Es gab mindestens zehn gefährliche Zwischenfälle mit Uranmunition auf deutschen Übungsplätzen.

Unsere Fraktion fordert die Landesregierung auf, die Bundesregierung zu veranlassen, sofort die Herstellung, den Vertrieb und den Gebrauch von Uranmunition in Deutschland bei Androhung höchster Freiheitsstrafen zu verbieten.

Die Bundesregierung hat sich parallel zu Maßnahmen im eigenen Land für ein Verbot dieser verbrecherischen Munition in der gesamten Welt einzusetzen. Die Soldaten, Polizisten und Hilfskräfte aus unserem Bundesland, die im Balkankrieg kämpften und helfen mussten, sind umgehend medizinisch zu untersuchen und psychologisch zu betreuen. Die Kosten für diese Untersuchungen und für die Betreuung müssten eigentlich die Verantwortlichen der Bundesregierung persönlich übernehmen. - Ich bedanke mich.

(Beifall bei der DVU-FL)

Vielen Dank, Frau Brandt. - Die SPD-Fraktion hat ebenfalls keinen Redebeitrag angemeldet. Für die PDS-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Dr. Köck. Bitte.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Spätestens seit 1990, als erstmals uranhaltige Munition außerhalb von Übungsplätzen, übrigens auch in Deutschland gelegenen, im Irak eingesetzt wurde, gibt es Warnungen vor

deren hochtoxischer Wirkung und einer Kontamination der Böden und Gewässer mit solchen Isotopen, bei denen wegen der großen Halbwertzeiten die Freisetzung von Radioaktivität bis zu 4,5 Milliarden Jahre lang anhalten kann.

Deshalb ist analog den Bemühungen im Hinblick auf die A-, B- und C-Waffen weltweit ein Verbot der Herstellung, des Einsatzes und des Verkaufs uranhaltiger Munition auf der Grundlage eines internationalen Abkommens erforderlich. Auch wir wollen ausdrücklich die Aufklärung der Öffentlichkeit über die Wirkungen von uranhaltiger Munition und die damit verbundenen Gefährdungen der Zivilbevölkerung und der Soldaten.

Meine Damen und Herren! Es wird Ihnen auch nicht entgangen sein, dass die PDS-Fraktion im Bundestag zu dieser Problematik seit langem eine Reihe von Aktivitäten entfaltet hat. Der erst in der letzten Woche eingebrachte Antrag zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Folgen des Einsatzes uranhaltiger Munition fand jedoch bedauerlicherweise keine Mehrheit. - Wir haben also dieses Thema nicht erst heute entdeckt.

Bei aller notwendigen Aufklärung über den Einsatz und die Folgen uranabgereicherter Munition auf die Umwelt, die Zivilbevölkerung und die Soldaten kann das Verbot deren Einsatzes nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zur Abkehr von der verhängnisvollen Logik sein, die Krieg wieder als ein Mittel der Politik fest einkalkuliert hat. Gestern waren es Antipersonenminen, heute sind es Splitterbomben und uranhaltige Geschosse, morgen ist es ein ganz neues Waffensystem oder eine noch teuflischere Munition, die in aller Stille bereits jetzt auf einsamen Testgeländen und Übungsplätzen, demnächst dann aber schon in einem der unzähligen Konflikte auf unserer Erde unter Praxisbedingungen getestet werden wird.

Meine Damen und Herren! Es gibt keine sauberen und keine humanitären Kriege,

(Zustimmung bei der PDS)

selbst dann nicht, wenn die Regeln der Haager Landkriegsordnung oder das Genfer Rot-Kreuz-Abkommen eingehalten würden.

Letzteres verbietet übrigens Methoden und Mittel der Kriegführung, die lang anhaltende und schwere Schäden an der natürlichen Umwelt verursachen und dadurch Gesundheit oder Überleben der Bevölkerung gefährden.

Und es gibt erst recht keine saubere und humanitäre Munition.

Der Schritt hin zu einer Ächtung und zu einem Verbot von uranhaltiger Munition ist längst überfällig und notwendig. Doch dieser Schritt reicht bei weitem nicht aus. Viel wichtiger ist es, nicht nur eine bestimmte Munitionsart, sondern Kriege und den Einsatz von Waffen generell zu ächten und damit Konflikte zu entschärfen.

Doch die Aussichten haben sich mit der Übernahme der amerikanischen Präsidentschaft durch George Bush noch weiter verschlechtert. Es ist zu befürchten, dass nun mit der National Missile Defense ein noch gigantischeres boden-, see- und weltraumgestütztes Raketenabwehrsystem in Angriff genommen wird als mit Starwars zu Zeiten von Ronald Reagan.

(Herr Gürth, CDU: Der war gut, der Reagan!)

Die PDS wird also weiter als Antikriegspartei diese Zusammenhänge thematisieren, wird weiter gegen weltweite Militäreinsätze, gegen Aufrüstung und Rüstungsexporte, gegen so genannte Krisenreaktionskräfte und für friedliche Konfliktlösungen eintreten.

Wir sehen allerdings keinen Grund, dem Antrag einer Rechtsaußenpartei zuzustimmen, einer Partei, von der nicht behauptet werden kann, dass sie ihr Verhältnis zu Kriegsverbrechen der deutschen Wehrmacht geklärt hätte.

(Zustimmung bei der PDS - Herr Weich, FDVP: Pfui! - Herr Büchner, DVU-FL: Pfui!)

Wer historisch belegte Kriegsverbrechen verharmlost und umdeutet, ist nicht legitimiert,

(Zuruf von Herrn Weich, FDVP)

sich als Vorreiter der Ächtung von Waffen und Munition auszugeben.

(Beifall bei der PDS - Herr Büchner, DVU-FL: Ihr Kommunisten wart noch viel schlimmer!)

Für die FDVP-Fraktion als Einbringerin des Antrages hat noch einmal die Abgeordnete Frau Wiechmann das Wort. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wer dem Parlament einen Antrag vorlegt, kann bekanntlich mit den Varianten Zustimmung oder natürlich auch Ablehnung rechnen. Wer aber, meine Damen und Herren, einem Antrag bezüglich der weltweiten Ächtung und des Verbotes uranabgereicherter Munition seine Zustimmung verweigert, der muss schon beachtenswerte Gründe anführen, um seine Ablehnung den Wählerinnen und Wählern in diesem Lande erklären zu können.

(Frau Bull, PDS: Richtig!)

Und die habe ich heute hier nicht gehört, auch nicht von der PDS-Fraktion und auch nicht von Ihnen, Herr Köck. Die Saltos, die Sie hier in den ablehnenden Reden geschlagen haben, sind schon beachtlich; das geht auch an die Adresse von Herrn Minister Püchel.

Meine Damen und Herren! Hierbei geht es nicht um rhetorische Übungen von Parlamentariern. Hierbei geht es einfach um Positionen, um sich gegen die Herstellung, den Test und den Einsatz lebensbedrohender und tödlicher Munition zu wehren.

Meine Damen und Herren! Erschwerend für die Meinungsbildung - das wissen wir alle - ist Desinformationspolitik und insbesondere die des Ministers Scharping. Diese ist nach unserer Auffassung auch kaum zu überbieten. Er beschreibt und leugnet einfach auch in diesem Fall die vorliegenden Fakten.

Ich möchte doch noch eines zur Begründung hinterherschieben: Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Bernhard Gertz erhob schwere Vorwürfe gegen Minister Scharping, dass dieser die Öffentlichkeit zu täuschen versucht habe, da die Soldaten des ersten und zweiten Kontingentes im Kosovo weder über die kontaminierten Fundorte unterrichtet worden waren, noch mit entsprechenden Schutzmaßnahmen DU-verseuchte Wracks und Gebiete geräumt haben.

Heute - meine Damen und Herren, Sie haben es vielleicht auch in der „Welt“ gelesen - wird aufgeführt, dass die Soldaten „fahrlässig“ der Gefährdung durch toxische Stäube ausgesetzt wurden. Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes stellt dazu fest, dass der Minister mit seiner Informationspolitik immer unglaubwürdiger werde und das Vertrauen der Truppe in die Führung der Bundeswehr aufs Spiel setze.

Meine Damen und Herren! Dem Ticker war heute zu entnehmen, dass der Europarat ein totales Verbot von uran- und plutoniumhaltiger Munition forderte und dazu aufrief, die Herstellung, den Test, Gebrauch und Verkauf dieser Waffen zu ächten. Die Abgeordneten vertraten auch die Auffassung, dass der Einsatz von Uranmunition im Kosovo lang anhaltende Auswirkungen auf die Gesundheit und Lebensqualität der Menschen in Südosteuropa bewirkt. Wohlgemerkt, diese Entschließung kam zustande, obwohl die Nato einen Zusammenhang zwischen dem Einsatz von Uranmunition und Erkrankungen von Soldaten weiterhin abstreitet.

Es ist erfreulich, meine Damen und Herren, dass die europäischen Abgeordneten in Wahrnehmung ihrer Verantwortung, ihres Wählerauftrages zu einer derartigen Entscheidung gelangten, ohne das Wenn und Aber in den Vordergrund zu stellen, Herr Minister Püchel und Herr Köck. Ich bitte auch die anderen Fraktionen, die sich nicht zu Wort gemeldet haben, das zu berücksich- tigen.

Ich frage Sie heute hier, meine Damen und Herren, wie lange wollen Sie eigentlich noch begründen, hinter diesen Maßstäben, die der Europarat in Straßburg für Europa setzte, hinterherzuhinken?

Meine Damen und Herren! Das humanitäre Kriegsvölkerrecht sieht das Verbot des Einsatzes von Waffen entweder durch die Ächtung der Waffen oder aufgrund der unterschiedslosen Wirkung von Waffen, die die Zivilbevölkerung genauso gefährden wie das Militär. Eine weltweite Ächtung erleichtert natürlich auch ein Verbot des Einsatzes genau dieser Waffen.

Ihnen allen ist bekannt, welch zäher und beharrlicher Kampf zur Ächtung und zum Verbot anderer Waffenarten in der Vergangenheit notwendig war, welche Zeiträume gegeben waren, um Verbote endlich durchzu- setzen.

Meine Damen und Herren aller Fraktionen! Bei allem machtpolitischen Kalkül setzte sich die Vernunft nur deshalb durch, weil eine Geschlossenheit von Völkern, Staaten und Organisationen die entscheidenden Signale setzte, an denen nicht vorbeigegangen werden konnte. Und wenn wir in diesem Parlament auch dieses Signal setzen und dieses Signal nach außen senden, dann stärken wir jene Kräfte, die für ein Verbot von Waffen mit abgereichertem Uran eintreten.

Wer einen solchen Weg nicht gehen will, wer nicht für die Ächtung und das Verbot eintritt, der sollte das auch seinen Wählerinnen und Wählern kundtun.

Eines wollen wir nicht: Wir wollen nicht die LaurenzMeyer-Methode der CDU nutzen, jene Abgeordneten steckbriefartig zu plakatieren, die mit fadenscheinigen Vorwänden eine Ächtung und ein Verbot von uranabgereicherter Munition verweigern. Aber eines machen wir: Wir bitten hiermit um namentliche Abstimmung. - Ich danke Ihnen.

(Zustimmung bei der FDVP)

Meine Damen und Herren! Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion der FDVP in der Ihnen vorliegenden Drucksache. Ich bitte Sie, dem Kollegen, der die Namen aufrufen muss, das Leben nicht allzu schwer zu machen und die notwendige Aufmerksamkeit zu wahren. - Ich bitte darum, mit dem Aufruf der Namen zu beginnen.