Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich mache mir ernsthaft Sorgen um das Zusammenleben in Sachsen. Ich möchte, dass wir eine friedliche Gesellschaft haben, eine Gesellschaft, die auf Respekt, auf Humanismus, auf Menschenwürde, Demokratie und Solidarität ausgelegt ist. Das sind hohe Werte, die nicht leicht zu verteidigen und zu erlangen sind. Sie brauchen Zeit, Sie brauchen natürlich Vertrauen und Rechtsstaatlichkeit. Mithin muss der Staat nachvollziehbar und verhältnismäßig reagieren.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns nicht im Krieg. Handgranaten und Maschinengewehre sind nicht das, was die sächsische Polizei braucht. Kriegswaffen, wie sie das neue Polizeigesetz zulässt, lehne ich deshalb grundsätzlich ab. Die Logik der ständigen Militarisierung der Gesellschaft nach innen und außen halte ich für brandgefährlich.
Dieses Land ist so sicher, wie es nie zuvor gewesen ist. Sie hätten sich eigentlich dafür feiern können. Aber Sie machen genau das nicht, sondern setzen bei den Angst- und Panikmachern am rechten Rand an. Das finde ich wirklich schlimm. Die Hochrüstung der Polizei, wie Sie sie betreiben, ist verantwortungslos.
Vielen, Herr Präsident! Ich möchte auch von meinem Recht Gebrauch machen, eine Erklärung zu meinem persönlichen Abstimmungsverhalten abzugeben. Ich könnte es ganz praktisch machen und sagen: Ich schließe mich allem an, was bis dato gesagt worden ist.
Aber erstens ist es kein Klamauk, hier von seinen Rechten Gebrauch zu machen. Ich fühle mich beleidigt, und zwar von Ihnen.
Zweitens möchte ich sagen, dass ich zum Beispiel eine bin, die sich in Leipzig in der Eisenbahnstraße relativ viel herumtreibt, weil ich dort einkaufen gehe.
Ich bin aber allein im letzten halben Jahr mit meinem Sohn an der Hand dreimal kontrolliert worden. Auf die Frage meines Sohnes, was das soll, kann ich nur antworten: Wahrscheinlich habe ich die falsche Frisur. Etwas anderes fällt mir dazu nicht ein.
Drittens müssen Sie sich an der Stelle ehrlich machen und hätten es heute mitteilen können, dass all das, was hier mit dem Polizeigesetz stattfindet, nur zu einer Sache taugt: am 1. September Stimmen von Wählerinnen und Wählern vom rechten Rand abzuholen, nichts anderes.
Ich habe gegen das Polizeigesetz gestimmt, weil unserer Meinung nach damit die ärztliche Schweigepflicht deutlich Schaden nimmt. Wer sich in medizinische Behandlung begibt, vertraut sich dem Arzt, dem Krankenhaus, dem medizinischen Personal an, und zwar in intimster Art und Weise und im Zweifel auch in extremen Notlagen.
Dort dürfen staatliche Behörden nicht herumschnüffeln. Das ist ein eklatanter Konflikt für die Ärztinnen und Ärzte selbst, die eine Berufsordnung zu beachten und zum Teil einen Eid geleistet haben, nämlich dass das ärztliche Handeln ausschließlich am Patienten orientiert ist und die Interessen Dritter dabei keine Rolle spielen dürfen. Dass hier jetzt der Staat eingreift, und zwar nicht nur, wenn nachgewiesenermaßen eine Straftat bestanden hat, ist ein Rückschritt in der Geschichte, der seinesgleichen sucht.
Ich komme aus der Stadt Leipzig. Die Stadt Leipzig war Anfang der Neunzigerjahre eine Art Modellstadt für die Videoüberwachung öffentlicher Räume. Stationäre Polizeikameras finden sich noch heute in der Stadt Leipzig.
Ich hätte mir aber gewünscht, dass, statt mit dem neuen Polizeigesetz eine Ermächtigung zu schaffen, Videoüberwachung auszuweiten und in Zukunft sogar Ordnungsämtern die Möglichkeit in die Hände zu geben, Videoüberwachung im öffentlichen Raum zu errichten, die bestehende Videoüberwachung evaluiert wird, um festzustellen, welche Effekte sie tatsächlich bringt.
Ich bin mit zahlreichen Expertinnen und Experten der Meinung, dass Videokameras im öffentlichen Raum keine Kriminalität verhindern, sondern sie nur verdrängen. Ich möchte nicht in einem Freistaat Sachsen leben, in dem perspektivisch viele Straßen in den Städten videoüberwacht sind und sich Menschen nicht mehr unbeobachtet frei bewegen können.
Ich konnte dem Polizeigesetz nicht zustimmen, weil ich viele der bereits genannten Kritikpunkte teile, aber ganz besonders entsetzt bin, was den § 77 anbelangt. Mit diesem Gesetz werden Journalistinnen und Journalisten zu Berufsgeheimnisträgern zweiter Klasse degradiert. Anders als bei Rechtsanwälten sind sie nicht von polizeilichen Maßnahmen ausgeschlossen, und zwar trotz eines bestehendes Zeugnisverweigerungsrechtes. Das greift meiner Meinung nach in den Schutz von Informantinnen und Informanten und in das Redaktionsgeheimnis der Presse ein.
Die Achtung des Vertrauens zwischen Informanten und Journalisten ist ein Grundpfeiler der Pressefreiheit. Heute wurde mit der Annahme des Polizeigesetzes eine zu starke Einschränkung in das journalistische Zeugnisverweigerungsrecht beschlossen. Im Gesetz gibt es keine Regelung, dass eine unvoreingenommene Prüfung durchgeführt werden muss, bevor die Polizei Zugang zu journalistischen Quellen erhält. Das steht auch in der Stellungnahme des Deutschen Journalistenverbandes Sachsen. Dem kann ich mich nur anschließen.
Ich finde, es ist an dieser Stelle kein Spiel, das wir hier betreiben. Uns sind die Grundrechtseinschränkungen zu stark. Deshalb konnten wir nur mit Nein stimmen.
Herr Präsident! Ich möchte auch von meinem Recht auf eine persönliche Erklärung zum Abstimmungsverhalten Gebrauch machen.
Ich habe in meinem Beitrag gesagt, dass ich der festen Überzeugung bin, dass dieser Gesetzentwurf in einer
ganzen Reihe von Bestimmungen nicht verfassungskonform ist. Es ist die vornehme Aufgabe, die vornehme Pflicht eines Parlaments, immer und allzumal bei Gesetzen, die wegen ihres Charakters – das sind Sicherheits- und Polizeigesetze immer – besonders sensibel sind, ganz besonders darauf zu achten, dass das, was das Parlament beschließt, auch für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar ist, dass das, was das Parlament beschließt, alle Rechte und Interessen, die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben, ohne Ansehen von Mehrheiten oder Minderheiten im Auge hat und dass letzten Endes Eingriffsinstrumentarien, die in einem solchen Gesetz geschaffen werden, immer an den Grundprinzipien Erforderlichkeit, Verhältnismäßigkeit, Zweckmäßigkeit und dergleichen mehr orientiert sind.
Kein Gesetz, das letzten Endes darauf abstellt, einen Zweck zu bedienen, hat nach meiner Auffassung vertrauensschaffende Funktionen in der Bevölkerung.
Unter diesem Aspekt konnte ich diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen und meine, dass er auch dem Parlament keinen Ansehenszuwachs bringt, weil er einem Überprüfungsverfahren durch ein Verfassungsgericht nicht standhalten wird.
Eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten. Ich habe mit Nein gestimmt, da ich der Auffassung bin, dass unser Rechtsstaat gegen dieses verfassungswidrige Polizeigesetz von CDU und Co. verteidigt werden muss.