Abstimmung mit den Interessenvertretern der Behindertenverbände empfohlen wird, dass das Ziel einer vollständigen Barrierefreiheit bis 2022 zwar grundsätzlich anzustreben ist, eine schrittweise Umrüstung aufgrund planerischer, baulicher und finanzieller Aspekte bis 2030 aber auch noch im Sinne des Personenbeförderungsgesetzes wäre. Des Weiteren ist auf einen Ausbaugrad zu setzen, der eine möglichst flächendeckende barrierefreie Erreichbarkeit sichert.
Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist der zeitliche Fahrplan des Antrags der GRÜNEN doch ziemlich ambitioniert, insbesondere wenn ich mir die Zielhorizonte 2022 und 2025 anschaue. Die Idee, sich zunächst auf die nachfragestarken Bahnhöfe und Haltepunkte zu konzentrieren, wie im Antrag vorgeschlagen, ist generell richtig. Da gilt es, die Fehlanreize aus der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung zwischen Bund und der DB AG zu korrigieren. Allerdings – und das ist für uns ein wichtiger Punkt – gilt im Falle des SPNV, also dem schienengebundenen öffentlichen Verkehr, vielmehr die Eisenbahnbau- und -betriebsordnung. Verantwortlich für die Umrüstung von Stationen sind grundsätzlich die Eisenbahnunternehmen, in den meisten Fällen die DB AG beziehungsweise DB Station&Service AG. Im Freistaat Sachsen sind die Stationen der nicht bundeseigenen Eisenbahnen alle zumindest stufenfrei erreichbar. Bei den Stationen der DB AG sind es Stand letztes Jahr nur 76 %, wie im Abschlussbericht der Strategiekommission nachzulesen ist.
An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass in der EBO, also der genannten Eisenbahnbau- und -betriebsordnung eine möglichst weitreichende, jedoch nicht die vollständige Barrierefreiheit im Schienenpersonennahverkehr festgeschrieben ist. Das ist ein nicht ganz unwesentlicher Unterschied zum Personenbeförderungsgesetz und dem öffentlichen Schienenpersonenverkehr ÖSPV.
Der Zug für eine Unterfütterung des Landesprogrammes aus dem kommenden Doppelhaushalt ist bereits im wahrsten Sinne des Wortes abgefahren. Da sind Sie etwas spät dran mit Ihrem Antrag. Aber der Freistaat Sachsen und die SPNV-Aufgabenträger unterstützen den Ausbau von Verkehrsstationen bereits punktuell mit Mitteln aus dem Landesinvestitionsprogramm sowie mit Regionalisierungsmitteln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine Fortführung des Zukunftsinvestitionsprogramms Barrierefreiheit seitens des Bundes bzw. der Bahn steht nach wie vor in Aussicht. Darüber werden wir im Freistaat dann hoffentlich mehrere der bereits bei der Auflage des Programms gemeldeten 45 Bahnhöfe modernisieren können, also nicht nur die zwei von Kollegin Meier genannten.
Über eine Kofinanzierung aus Landesmitteln wird sicherlich nachgedacht. Hier muss und sollte der Bund aufgrund des Bearbeitungsstaus beim Eisenbahnbundesamt, den Kostensteigerungen in der Bauwirtschaft und der aktuellen Marktsituation die Programmbedingungen möglichst zugunsten der Länder anpassen.
Was die Bahnsteighöhe angeht, setzt sich meines Wissens unser Verkehrsminister regelmäßig in den Verkehrsministerkonferenzen für eine Beibehaltung und damit mögliche ausnahmebedingte Abweichungen zu den von der Bahn angestrebten 76 Zentimeter Bahnsteighöhe ein. Da müssen wir dranbleiben. Andernfalls kämen nicht absehbare finanzielle Risiken auf den Freistaat zu. Das haben die GRÜNEN richtig erkannt. Das Ministerium hat in seiner Antwort bereits bekannt gegeben, dass dazu demnächst mit dem Bundesverkehrsministerium ein Gespräch geführt werden soll.
Liebe GRÜNE-Fraktion! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie sehen, wir sind als Freistaat hier nicht untätig. Bei dem Thema gibt es eine komplexe Gemengelage, die wir als Bundesland nicht völlig allein in der Hand haben. Das müssen wir berücksichtigen.
Natürlich könnte es beim Ausbau der Barrierefreiheit schneller gehen. Ja, das Thema sollte uns allen sehr wichtig sein. Das habe ich eingangs bereits betont. Die Kommunen und Verkehrsverbünde leisten da schon gute Arbeit, die wir als Land unterstützen.
Als Koalition treten wir für eine barrierefreie Verkehrsplanung ein und werden natürlich weiterhin daran festhalten. Das werden wir auch so bewerkstelligen. Allerdings setzen wir dabei auf die bereits bestehenden Instrumente.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Heute debattieren wir über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema „Landesprogramm für barrierefreie Bahnhöfe und Haltepunkte im Schienenpersonennahverkehr im Freistaat Sachsen“. Sie fordern, nach dem Vorbild anderer Bundesländer Landesmittel aufzuwenden, um die vollständige Barrierefreiheit des öffentlichen Schienenpersonennahverkehrs in Sachsen zu erreichen. Und Sie fordern beim Ausbau die Fokussierung auf stark frequentierte Bahnhöfe, also wieder Oberzentren oder vielleicht noch Mittelzentren.
Ich möchte zunächst die Frage stellen: Was bringt es, wenn einzelne Stadtbahnhöfe barrierefrei ausgebaut werden, während gleichzeitig auf dem Land mangels Ausbau kein Rollstuhlfahrer, keine Mutter mit Kinderwagen und keine Senioren mit Rollatoren zusteigen können?
Liebe GRÜNE, Sie grenzen mit diesem falschen Schwerpunkt einmal mehr die sächsische Landbevölkerung aus und zwingen die Menschen weiter, in die Stadt zu ziehen, obwohl ein Großteil der Sachsen auf dem Land lebt. Damit muss endlich Schluss sein. Der ländliche Raum muss gefördert werden, anstatt ihn immer mehr zu vergessen,
nicht nur im Bahnverkehr, liebe GRÜNE, auch wenn Sie am liebsten alle Straßen verkommen lassen würden.
Die AfD fordert deshalb perspektivisch den gleichmäßigen barrierefreien Ausbau aller Bahnhöfe – aller Bahnhöfe! – in Sachsen, auf dem Land und in der Stadt. Ihr Zeitplan wird aber kaum aufgehen. Wie sollen Ihrer Meinung nach die mobilitätseingeschränkten Menschen sonst vom Land in die Stadt kommen? Auf dem Land steht es um die Barrierefreiheit immer noch schlecht. Es fehlen grundsätzlich barrierefreie Haltestellen und auch oft noch barrierefreie Fahrzeuge. Die wenigsten Orte im ländlichen Raum sind an den Bahnverkehr angeschlossen.
Wir finden es in diesem Zusammenhang eigentlich richtig, dass der Freistaat die Investitionsförderung des straßengebundenen Personenverkehrs fokussiert. Hier ist der Aufholbedarf wesentlich höher als beim schienengebundenen Personenverkehr. Unsere ÖPNV-Strategiekommission sieht hier – Sie waren alle dabei – einen zusätzlichen Finanzbedarf von jährlich 29 Millionen Euro vor. So weit, so gut, liebe GRÜNE.
Haben Sie jedoch schon einmal etwas vom zukünftigen Investitionsprogramm vom Bund und der Deutschen Bahn gehört, welches ebenfalls die Bahnhöfe und Bahnanlagen modernisieren will? Die GroKo will hierzu bereits auf Bundesebene ein Investitionsprogramm auflegen. Das ist auch richtig, da für die Bahnanlagen zunächst Bund und Deutsche Bahn als Eigentümer in der Verantwortung stehen, um eine deutschlandweite Barrierefreiheit herzustellen.
Wenn Sachsen nun 29 Millionen Euro zum Ausbau zur Verfügung stellen würde, hätten wir im Zweifel zwei konkurrierende Fördermaßnahmen, die nicht aufeinander abgestimmt wären. Wollen Sie das wirklich?
Wir fordern, aufgrund dieser unklaren Lage zunächst das Investitionsprogramm des Bundes abzuwarten und dann gegebenenfalls sinnvoll mit eigenen Investitionen zu ergänzen.
Zusammenfassend lehnen wir Ihren Antrag aus zwei Gründen ab, und zwar aufgrund der mangelnden Berücksichtigung des ländlichen Raumes in Sachsen und des straßengebundenen Nahverkehrs sowie aufgrund der fehlenden Notwendigkeit und Zuständigkeit, da auf Bundesebene bereits investiert werden soll.
Das war Frau Grimm für die AfD-Fraktion. Jetzt kommt die Staatsregierung zu Wort, Frau Staatsministerin Dr. Stange.
rechtskonvention – das ist hier mehrfach angesprochen worden – verfolgt ein Ziel, das mir und auch meinem
Kollegen Martin Dulig sehr viel bedeutet. Sie bezweckt den vollen und gleichberechtigten Genuss und die Teilhabe aller Menschen mit Behinderungen und ohne Behinderung an allen Menschenrechten und Grundfreiheiten, vor allem sie zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten.
In unserem Koalitionsvertrag von 2014 haben wir einen ressortübergreifenden Aktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention vereinbart. Dieser
Aktionsplan liegt seit November 2016 noch vor. Der Barrierefreiheit im Personenverkehr wird darin eine große Bedeutung zugewiesen. Wir haben ein starkes Interesse daran, dass auch Menschen, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, einen gleichberechtigten Zugang zu Zügen des Nah- und Fernverkehrs haben und Hindernisse – das ist ja sehr deutlich in dieser Debatte geworden – nicht im Weg stehen dürfen.
Was tun wir, um dieses Ziel zu erreichen? Wir realisieren Vorhaben zur Barrierefreiheit, gefördert größtenteils über das ÖPNV-Landesinvestitionsprogramm auf Basis prüffähiger Förderanträge beim LASuV. In den vergangenen Jahren konnten beispielsweise die Modernisierung der Fahrgastinformationssysteme der S-Bahn Dresden, die Personenaufzüge am Bahnhof Crimmitschau oder der Ausbau des ÖPNV-Zugangspunktes Schwarzenberg in diesem Rahmen gefördert werden. Vereinzelt wurden auch Maßnahmen durch das vom Bund aufgelegte Investitionsprogramm „Barrierefreiheit kleiner Schienenverkehrsstationen“ gefördert. Dazu aber etwas später mehr; das kam auch schon in der Diskussion.
An dieser Stelle betone ich aber deutlich, dass sich der Großteil der deutschen Schieneninfrastruktur in Bundeseigentum befindet. Thomas Baum hat dazu bereits einiges ausgeführt. Somit erfolgt der Ausbau der Schieneninfrastruktur in Zuständigkeit des Bundes, und die Verantwortung für eine barrierefreie Gestaltung von Verkehrsstationen liegt in erster Linie bei den Infrastrukturunternehmen des Bundes, in diesem Fall bei der DB Station&Service. Obwohl die Zuständigkeit für den Bereich des Schienenpersonennahverkehrs seit 1994 bei den Ländern liegt, besteht die Verantwortung der Deutschen Bahn aus infrastruktureller Sicht nach wie vor fort.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich auf die Kostensystematik des deutschen Schienenpersonennahverkehrs eingehen. Jeder in Deutschland verkehrende Fern- und Nahverkehrszug ist zur Entrichtung von Nutzungsentgelten verpflichtet. Diese Beiträge teilen sich auf in Trassen- sowie Stationsnutzungsgebühren. Die Höhe der Stationsentgelte ist dabei abhängig von der Einstufung eines jeweiligen Bahnhofs und unterscheidet sich zum Beispiel nach Kriterien der Bahnhofsgröße, der Reisendenzahlen oder der Anzahl der ansässigen Bahnhofsmitarbeiterinnen und Bahnhofsmitarbeiter.
Aus dem Abschlussbericht zur Erfolgskontrolle 2017 nach der ÖPNVFin-Verordnung geht hervor, dass allein im Jahr 2017 Stationsgebühren in Höhe von 48,6 Millionen Euro durch den Freistaat Sachsen finanziert und an die DB Station&Service ausgereicht worden sind. Sicher
lich ist uns bewusst, dass diese Finanzmittel zu einem großen Teil in den laufenden Betrieb der Bahnhöfe und Haltepunkte fließen. Wir alle wollen, dass Mülleimer entleert werden, dass Grünschnitt betrieben wird und im Winter die Bahnsteige von Schnee und Eis befreit werden. Dennoch sage ich auch, dass jedes Jahr umfangreich indirekt durch den Freistaat finanzierte Mittel an die Deutsche Bahn fließen, damit diese die gegenwärtigen und zukünftigen Anforderungen an die Barrierefreiheit umsetzen und verwirklichen kann.
Bund und Deutsche Bahn müssen ihrer Verantwortung für die Barrierefreiheit noch stärker nachkommen. Im aktuellen Bundes-Koalitionsvertrag wird ein Förderprogramm angekündigt, welches den Ausbau der Stationsinfrastruktur vor allem an den kleineren Verkehrspunkten, von denen hier ebenfalls die Rede war, beinhaltet. Neben der Sanierung von Bahnhofsgebäuden und der Schaffung zusätzlicher Park-and-Ride-Stellflächen soll dabei auch der barrierefreie Ausbau berücksichtigt werden.
Da der Bund allerdings noch immer keine konkreten Aussagen zum Zeitplan und zur Finanzierung getroffen hat, müssen nun weitere Schritte folgen. Mein Kollege setzt sich bei der Verkehrsministerkonferenz genau für dieses Vorhaben stark ein. Auf der letzten Verkehrsministerkonferenz im Oktober wurde der Bund einstimmig von den Ländern aufgefordert, das in Aussicht gestellte Förderprogramm finanziell ausreichend auszugestalten und auch schnell zu starten. Ebenso haben sich die Verkehrsminister dafür ausgesprochen, zunächst Bahnsteige im ländlichen Raum zu berücksichtigen, denn diese haben häufig noch gar keinen barrierefreien Ausbau erfahren.
Es bleibt also festzuhalten, dass zunächst der Bund Auskunft darüber erteilen muss, welche Bahnhöfe er wie ausbauen möchte. Erst dann kann der Freistaat gemeinsam mit der Deutschen Bahn über weitere Maßnahmen zum Ausbau von Stationen überhaupt befinden. Die Entwicklung paralleler, nicht koordinierter Bundes- und Landesprogramme kann nicht in unserem Interesse sein.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Leider hat das Streben nach mehr Barrierefreiheit im Schienenverkehr – das wurde hier schon ausgeführt – einen Rückschlag erlitten – das will ich hier nicht weiter ausführen, da es bereits von mehreren Vorrednern genannt wurde –, da der Bund die Bahnsteigzielhöhe von 76 Zentimetern über der Schienenoberkante zulassen und als Standard ansetzen will. Durch diesen abrupten Kurswechsel wurden sachsenweite Projekte verzögert oder sogar unterbrochen. Eine Einigung zwischen Bund und Ländern konnte bisher nicht herbeigeführt werden. Im Sinne des barrierefreien Ausbaus appelliert Martin Dulig an den Bund, die Argumente der Länder endlich vollumfänglich aufzugreifen und regionale Lösungen zu unterstützen.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal auf das Zukunftsinvestitionsprogramm „Barrierefreiheit kleiner
Schienenverkehrsstationen“ zurückkommen. Im Rahmen dieses Bund-Länder-Förderprogramms sind in einem aufwendigen Verfahren 45 Maßnahmen durch den Frei
staat angemeldet worden. Leider konnten nur zwei Vorhaben finanziert und umgesetzt werden, und zwar der Haltepunkt Neugersdorf und Großröhrsdorf.
Warum sind es nur so wenige? Das ist, denke ich, noch nicht deutlich genug geworden. Die Förderkriterien des von 2016 bis 2020 ausgelegten Programms sahen unter anderem vor, dass eine paritätische Kostenteilung lediglich für die Jahre 2016 bis 2018 erfolgte. Die finanziellen Risiken für Maßnahmen, die nach 2018 umgesetzt und beendigt worden wären, sollte allein Sachsen tragen. Dieses Risiko hat in erster Linie dazu geführt, dass nur zwei dieser 45 angemeldeten Maßnahmen umsetzbar waren.
Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass der Freistaat Sachsen gegenüber zukünftigen Bund-Länder-Förderprogrammen offen ist. Die zugrunde gelegten Konditionen müssen allerdings einen Geist des Miteinanders atmen. Ich bzw. mein Kollege erwarten, dass ein solcher Geist die Gestaltung des neuen Förderprogramms zur Stationsinfrastruktur prägt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! In diesem Sinne wird im Rahmen der nächsten Verkehrsministerkonferenz weiter Druck auf den Bund gemacht, dieses neue Förderprogramm endlich in die Tat umzusetzen.
Wir kommen jetzt zum Schlusswort durch die einreichende Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Frau Kollegin Meier, bitte.