Protocol of the Session on November 7, 2018

Vielen Dank.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Herr Mackenroth, vielen Dank. – Meine Damen und Herren! Ich frage die Staatsregierung. Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Prof. Dr. Wöller.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte mich auch namens der Staatsregierung recht herzlich beim Ausländerbeauftragten, Kollegen Geert Mackenroth, und vor allem seinem Team für die versierte und sachlich starke Arbeit im vergangenen Jahr bedanken und gebe meine Rede auch zu Protokoll.

(Beifall bei allen Fraktionen)

Ich danke Ihnen, Herr Staatsminister. Jetzt drehe ich mich einmal nicht so schnell um. Ich frage zunächst noch den Berichterstatter des Ausschusses, Herrn Pallas. Wünschen Sie noch das Wort zu ergreifen? – Herr Pallas, ich bedanke mich bei Ihnen.

Meine Damen und Herren! Wir stimmen nun über die Beschlussempfehlungen des Ausschusses in der Drucksache 6/15227 ab. Wer zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gibt es Gegenstimmen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Damit ist der Beschlussempfehlung des Ausschusses, Drucksache 6/15227, einstimmig zugestimmt worden.

Meine Damen und Herren! Dieser Tagesordnungspunkt ist beendet.

Erklärungen zu Protokoll

Der Jahresbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten wurde in der 52. Sitzung des Innenausschusses am 20. September 2018 abschließend beraten. Es ist festzuhalten, dass im vergangenen Jahr die Herausforderungen für unsere Gesellschaft in den Bereichen Asyl, Migration und Integration grundsätzlich fortbestanden.

Im Vergleich zu den Jahren 2015 und 2016, in denen es ein hohes Maß an Fluchtzuwanderungen gab, ging es im Berichtszeitraum vor allem darum, Verwaltungsabläufe zu verbessern und Verfahren zu optimieren. Gesellschaft, Politik und Verwaltung haben die bisherigen Anforderungen sehr unterschiedlich erfüllt.

Kollege Mackenroth verwies darauf, dass es auf der einen Seite Erfolge gab: Aufgrund der rückläufigen Zugangszahlen und der Professionalität der am Verfahren Beteiligten sind die Registrierung und die Unterbringung der Menschen, die zu uns nach Sachsen kommen, nicht mehr die Hauptprobleme.

Die Gesundheitsversorgung ist befriedigend und die Hilfe durch die Ehrenamtlichen ist so weit professionalisiert, dass aus Gruppen funktionierende Netzwerke wurden, aus einzelnen Aktionen Bündnisse und dass aus Betreuung Patenschaften erwuchsen.

Allen Engagierten gilt dafür unser aufrichtiger Dank und Respekt.

Der Sächsische Ausländerbeauftragte hat in seinem Bericht aber auch klar die Defizite benannt. So haben Asylsuchende noch zu lange auf Entscheidungen gewartet. Und es verging auch zu viel Zeit, bis Ausreisepflichtige das Land verließen. Hier hat das Innenministerium bereits nachgesteuert. Ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Monaten auch in Bezug auf die Themenfelder „zügige Entscheidungen“, „mehr Rechtssicherheit“ und „Gewissheit für alle Beteiligten“ weiter vorankommen werden.

Das von uns beschlossene Gesetz zur Regelung des Vollzugs der Abschiebehaft und des Ausreisegewahrsams

ist die Grundlage für eine Verbesserung in diesem Bereich. Unabhängig davon können die Betroffenen diesem Instrument entgehen, indem sie ihrer Ausreisepflicht freiwillig nachkommen.

Im vorliegenden Bericht ist aufgeführt, dass die Sicherung von Fachkräften im Fokus stehe. Ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollten hiernach stärker eingebunden werden. Hierzu müssen die vielen kleinen Rädchen noch besser ineinandergreifen. Es braucht auch ein Umdenken in Betrieben und der Verwaltung. Bürokratische Hürden und Hindernisse müssen beseitigt werden. Weil aber das Grundrecht auf Asyl und die Einwanderung in den Arbeitsmarkt zwei unterschiedliche und voneinander unabhängige Systeme sind, halte ich einen „Spurwechsel“ für nicht geeignet.

Schon heute gibt es Branchen und Regionen, in denen viele Fachkräfte fehlen. Ein „Spurwechsel“ wird dieses Problem nicht lösen, genauso wenig wie der deutsche Arbeitsmarkt allein. Dies gelingt nur, wenn weitere gut ausgebildete und leistungsbereite Menschen aus den Mitgliedsstaaten der EU und aus außereuropäischen Staaten zu uns kommen. Dabei ist es wichtig, dass wir besser als bisher deutlich machen, was wir von Einwanderern erwarten und welche Werte in Deutschland gelten. Nachdenken kann man über Einzelfallentscheidungen für die Menschen, die schon lange in Sachsen erfolgreich integriert sind und weitere Voraussetzungen erfüllen, die für die Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland gelten.

Wenn für den ganzen Bereich ein „Umdenken“ stattfindet, wird sich mit der Zeit auch eine gewisse Routine und Sicherheit innerhalb der Verwaltung einstellen. Denjenigen, die eine Bleibeperspektive haben, muss der Zugang in den Arbeitsmarkt erleichtert werden. Der Schlüssel ist die Sprache. Das ist klar. Die Anerkennung der verschiedenen Berufsabschlüsse, gezielte Qualifizierungsprogramme und die richtige Einstellung – das sind die Maßnahmen, die greifen.

Oder um an dieser Stelle Herrn Mackenroth zu zitieren: „Integration muss eine normale Aufgabe werden: in den Verwaltungen, in der Wirtschaft oder im Handwerk.“

Sehr geehrte Damen und Herren! Hinweisen möchte ich noch kurz auf zwei Kapitel des Jahresberichts. „Perspektiven“ – anders als in den vorhergehenden Berichten wurden neun Interviews mit in Sachsen lebenden Ausländerinnen und Ausländern geführt und die Antworten eins zu eins wiedergegeben.

Es ist ein unverstellter Blick auf das Zusammenleben in unserem Freistaat – dieses Kapitel empfehle ich insbesondere zur Lektüre. Es wird deutlich, woran es nach wie vor mangelt – und das hat Kollege Mackenroth in seinem Bericht dargestellt: der schwachen Datenlage zu den wichtigen Faktoren im Asylsystem und im Prozess der Integration. Migrantenorganisationen können bei der so wichtigen Analyse bedeutende Impulse und Expertisen liefern. An deren Ende stehen dann Ergebnisse, auf die die Politik reagieren kann und muss. Deshalb ist es gut,

dass sich im April 2017 der Dachverband sächsischer Migrantenorganisationen e.V. gegründet hat, in dem Organisationen wie Kunststudio, Familien- und Kulturzentrum „Schöne Welt“ aus Plauen oder der Ausländerrat Dresden vertreten sind.

Durch die Interessenvertretung kann die migrantische Perspektive in die Gesellschaft und Politik hineingetragen werden. Auch die aufwendigen, aber aussagekräftigen Untersuchungen im Rahmen des Heim-TÜV werden wichtige Erkenntnisse bringen. Die Online-Befragung der Gemeinschaftsunterkünfte ist abschließend durchgeführt worden und der Heim-TÜV 2.0 wird Ende des Jahres 2018 abgeschlossen sein.

Sehr geehrter Kollege Mackenroth, an dieser Stelle möchte ich Ihnen und Ihrem Team, auch im Namen der CDU-Fraktion, für den ausführlichen Bericht und die detaillierten Antworten auf die Fragen der Mitglieder des Innenausschusses im September danken.

In dieser Sitzung wurde die Drucksache einstimmig zur Kenntnisnahme angenommen. Der Innenausschuss

schlägt dem Plenum vor, den Jahresbericht 2017 des Sächsischen Ausländerbeauftragten zur Kenntnis zu nehmen.

Vor uns liegt der Jahresbericht des Sächsischen Ausländerbeauftragten 2017. Jährlich können wir anhand dessen – zeitverzögert – die Entwicklungen verfolgen, die es in Sachsen in den Bereichen Einwanderung und Migration und Integration gegeben hat.

Das Jahr 2017 kennzeichnete vor allem ein weiterer Rückgang der Zahlen geflüchteter Menschen. Kamen im Jahr 2016 noch 14 860 nach Sachsen, waren es im Jahr 2017 noch 9 138 Menschen. Währenddessen stieg die Zahl der EU-Bürgerinnen und -bürger um 6 826 auf nun 63 703 – Tendenz weiter steigend.

Die in Sachsen lebenden und nach Sachsen kommenden Migrantinnen und Migranten sind verschieden, haben verschiedene Bedarfe und Problemlagen. Das bilden auch die Interviews ab, die in dem Jahresbericht aufgenommen worden sind. Damit folgt der Sächsische Ausländerbeauftragte auch dem Drängen meiner Fraktion, seinem gesetzlichen Auftrag nachzukommen und dem Landtag über die Situation der im Freistaat Sachsen lebenden Ausländer Bericht zu erstatten.

Was hören wir in den Interviews? Zufriedenheit, Wohlfühlen, Angekommen sein. Viel Positives, das wohl kaum repräsentativ für die Wahrnehmungen aller Migrantinnen und Migranten, vor allem Geflüchteter, und das vor allem nach Chemnitz sein dürfte. Aber wir hören auch Kritik und Anregungen. Zum Beispiel von Herrn Khaled aus Syrien, der in Limbach-Oberfrohna lebt. Er sagte: „In Limbach gibt es einen Syrer, der als Zahnarzt arbeitet. Seine Frau ist auch Zahnärztin, aber weil sie ein Kopftuch trägt, bekommt sie keine Arbeit.“ Wir hören den Wunsch nach mehrsprachigen Formularen und Bürgersprechstunden von Adela Cerna aus Tschechien, die jetzt in Leipzig

lebt, oder das Plädoyer von Elaha Fakhri aus Afghanistan, jetzt Leipzig: „Die Situation in Afghanistan ist nicht sicher. Hier gibt es falsche Behauptungen deutscher Politiker. Ich wünsche mir, dass Deutschland keine Menschen in Kriegsgebiete zurückschickt werden.“

Was im Bericht fehlt, sind Bezugnahmen und Konsequenzen aus dem Gesagten aus Sicht des Sächsischen Ausländerbeauftragten.

Im vorliegenden Bericht werden viele Herausforderungen benannt: Wir brauchen gezielte Förderungen, den Abbau von Barrieren, Sprachlernangebote, Zugang zu Schule, Ausbildung und Arbeit und zu Wohnungen, eine adäquate psychosoziale Versorgung der vielen traumatisierten Geflüchteten. An vielen Baustellen arbeitet das SMGI. Woran es der Arbeit bzw. dem Bericht des SAB mangelt, sind Konzept und Strategie. Es tut mir sehr leid, wenn ich ein weiteres Mal an den Amtsvorgänger Martin Gillo erinnern muss: Der hatte ein Ziel, das er politisch durchsetzte: die Verbesserung der Wohn- und Lebenssituation von Geflüchteten und konkret: den Heim-TÜV. Das war nicht nur eine Broschüre. Das war ein langfristiges Kontrollinstrument, das Veränderungen brachte. Ein solches empathisches, zielstrebig verfolgtes Projekt zur realen Verbesserung der Lebenssituation von Migrantinnen und Migranten in Sachsen fehlt seitdem. Das kann auch die halbherzige Weiterführung des Heim-TÜV nicht wettmachen.

Dabei gibt es so viele Baustellen, gerade wenn wir den Blick auf Bildungs-, Ausbildungs- und Arbeitswege von Migrantinnen und Migranten, insbesondere Geflüchteten, richten.

Stichwort: Bildungsabschlüsse für die über 18-jährigen Geflüchteten. Über zwei Jahre hat sich die Staatsregierung Zeit gelassen, die Lücke zu kitten, die Anfang 2016 mit der Schließung der Berufsschulen für volljährig werdende Geflüchtete gerissen wurde. Zwei Jahre sind wertvolle Zeit, die für die Betroffenen vergeudet wurden. Die Kartoffel aus dem Feuer geholt hat schlussendlich die Integrationsministerin. Im April dieses Jahres hat sie einen Lösungsansatz präsentiert, und die Staatsregierung hat Geld für ein sachsenweites Beschulungsprojekt freigegeben. Doch wo waren Sie in diesem Prozess, Herr Mackenroth?

Stichwort: Ausbildungsduldung und „Spurwechsel“. Auch in Sachsen können Migrantinnen und Migranten seit August 2016 die in § 60 a Abs. 2 Satz 4 AufenthG normierte Duldung als Rechtsanspruch in Anspruch nehmen. Dies schützt sie während einer dreijährigen Ausbildungsdauer plus potenziell anschließenden zwei Jahren Erwerbsarbeitstätigkeit vor dem Vollzug der Ausreisepflicht. Eine gelinde gesagt bescheuerte Regelung, weil sie den Betroffenen und den ausbildenden Unternehmen keinerlei Sicherheit gibt, wie es ein echtes Aufenthaltsrecht bieten würde. Immer wieder versagen sächsische Ausländerbehörden Ausbildungsduldungen bzw. die dafür notwendige Beschäftigungserlaubnis. Auch Abschiebungen aus

Ausbildungsverhältnissen müssen beklagt werden, wie

vor wenigen Wochen, als eine junge Frau im Zuge der brutal von Sachsen organisierten Sammelabschiebungen aus einer Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau nach Georgien abgeschoben wurde.

Sachsen folgt mit seinem Erlass zur Ausbildungsduldung einer besonders restriktiven Gangart. Hinzu kommen unterschiedliche Praxen der unteren Ausländerbehörden, was selbst Sie so bejahen, Herr Mackenroth. Wir wünschen uns in dieser Sache ein engagiertes Streiten für eine Veränderung des bestehenden Erlasses zur Ausbildungsduldung, aber auch eine Mitwirkung an einer bundesgesetzlichen Veränderung und der Etablierung eines sogenannten Spurwechsels vom Asyl- ins Aufenthaltsrecht. Sie, Herr Mackenroth, haben diesen entgegen Ihren Parteikolleginnen auf der Bundesebene öffentlich bejaht.

Zum Schluss noch kritische Worte zum Beitrag des SAB zum Thema „Drei Lehren aus Köln“.

Die Kritik ist nicht neu und wurde von meiner Fraktion bereits im Innenausschuss geübt. Mit diesem Beitrag überschreitet der SAB seine Kompetenzen aus unserer Sicht eindeutig; ja, er nutzt das Amt für CDU-Politik und Forderungen nach Law and Order gegenüber straffällig gewordenen Migrantinnen und Migranten.

Dabei will ich nicht falsch verstanden werden: Straftaten müssen geahndet und aufgeklärt werden. Darüber hinaus braucht es ein differenziertes Repertoire an Präventionsmaßnahmen, auch für die sehr heterogene Gruppe von Migrantinnen und Migranten. Wenn der SAB in seinem Artikel behauptete, dass Straftaten von Migrantinnen und Migranten von Teilen der sogenannten Unterstützerszene, namentlich des linksextremen Spektrums verharmlost werden würden, und ein Plädoyer für einen starken Staat gehalten wird, dann lese ich hier vor allem den CDUPolitiker Geert Mackenroth – gegebenenfalls Ursachenanalyse als missverstandene Legitimation.

Dabei wissen wir: Die Zahl der durch Zuwandererinnen und Zuwanderer verübten Kriminalität ist auch im vergangenen Jahr nicht gestiegen, wie es vom SMI selbst behauptete worden war. Und dabei wissen wir, dass die Ethnisierung von Straftaten Rechtspopulistinnen und -populisten und Neonazis in die Hände spielt – siehe Chemnitz.

Was wir uns von einem SAB erwartete hätten? Eine Suche nach Ursachen von Kriminalität unter Migrantinnen und Migranten, aber auch einen konzertierten Blick auf politisch motivierte Gewalt gegen Migrantinnen und Migranten, eine kritische Medienanalyse über ethnisierende Darstellungen oder die Vorstellung von Präventionsprojekten.

Sehr geehrter Herr Mackenroth, Kritik gehört zum Geschäft, und wir werden auch weiterhin Kritik üben, wenn wir Dissense zu Ihrem Tun und Äußerungen haben. D‘accord sind wir, dass die Funktion des Ausländerbeauftragten so nicht mehr zeitgemäß ist. Die Gruppe der Betroffenen ist größer und die Herausforderungen auch. Wir wünschen uns einen Landesmigrationsbeauftragten,

der oder die fachlich geeignet ist und nicht aus den Reihen des Landestags bestellt wird – siehe unser Integrationsgesetz.

In diesem Sinne: Einen engagierten, emphatischen Streiter für die Belange von Menschen ohne deutschen Pass haben wir in den letzten Jahren nicht erlebt; entsprechend niedrig sind unsere Erwartungen für das letzte Jahr der Amtsperiode.

Wir wünschen Ihnen und Ihren durchaus engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nichtsdestotrotz ein gutes Händchen und bleiben gespannt.

„Sachsen hat, was den Ruf bezüglich Weltoffenheit angeht, noch eine deutliche Wegstrecke vor sich. Einen guten Ruf kann man schnell verlieren. Bei einem schlechten Ruf muss man sich über viele Jahre beweisen, ehe er vergessen ist.“ – Martin Gillo, Jahresbericht 2013, Seite 102. Dieses Zitat stammt aus dem Jahresbericht des Ausländerbeauftragten Martin Gillo aus dem Jahre 2013.