Protocol of the Session on November 7, 2018

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Die Reihenfolge der ersten Runde: CDU, SPD, DIE LINKE, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und die Staatsregierung, wenn gewünscht. Die einbringende Fraktion CDU hat nun das Wort. Bitte, Herr Kollege Heinz.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einigen Zahlen beginnen: 700 wäre so eine Zahl oder 910 oder 1 183 oder 1 577. Beginnen wir bei der 700: Das ist der Wolfsbestand zum Ende des Wolfsjahres 2017/2018, von den entsprechenden Gremien so geschätzt und herausgegeben. Die weiteren Zahlen sind die durchschnittliche Populationsentwicklung in den letzten Jahren – hochgerechnet, sprich: in jedem Jahr 30 % mehr. Das hätte zur Folge, dass wir bereits im Jahr 2021 von 700 erwachsenen Tieren bei über 1 500 Tieren in der Bundesrepublik Deutschland landen würden. Mir zeigt diese Bestandsentwicklung: Es ist einerseits eine Erfolgsgeschichte aus der Sicht des Artenschutzes, die hoffentlich nicht zum Opfer ihres eigenen Erfolgs wird, aber sie macht andererseits auch ein Stück weit Angst und Sorge und zeigt uns: Es muss sich etwas ändern.

Etwas ändern wollen wir in Sachsen im Rahmen der Bundesratsinitiative gemeinsam mit Niedersachsen und Brandenburg, in der unter wesentlicher Mitwirkung von Thomas Schmidt, den ich an dieser Stelle lobend erwähnen möchte, viel aufgeschrieben wurde,

(Beifall bei der CDU)

was zu einem vernünftigen Umgang führen soll und hoffentlich die entsprechenden Mehrheiten findet. Wir sehen auch in den heutigen Änderungsanträgen durchaus ganz interessante Entwicklungen. Wenn ich mir beispielsweise den der GRÜNEN durchlese, in dem sich mittlerweile auch zum Mittel der Entnahme bei den Wölfen bekannt wird, dann ist das schon eine tolle Sache. Ich staune über das Ankommen in der Realität.

(Zuruf des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Die Bundesratsinitiative befasst sich mit zwei Komplexen: zum einen mit der Veränderung des Bundes- und EU-Rechts. Das bedeutet: Der Wolf muss aus dem Anhang 4, wo er als streng geschützte Tierart aufgeführt ist, in den Anhang 5 aufgenommen werden, wo er nur noch als besonders geschützte Tierart zählt, sodass man auch bestandsregulierende Maßnahmen durchführen könnte.

Der Weg dorthin ist nicht ganz einfach. Relativ einfach ist es, ihn auf die Liste 5 – also diesen besonderen Schutz – zu setzen. Das müssen die EU-Staaten nur mehrheitlich

wollen. Aber wenn man denkt, dass er, wenn er auf der neuen Liste ist, dann automatisch von der alten Liste herunter ist, irrt man sich gewaltig. Denn alle EU-Staaten müssen einstimmig beschließen, dass er von der streng geschützten Liste herunterkommt. Ich denke, das verdeutlicht ein wenig die Größe der Aufgabe.

Wir erwarten durch die Dinge, die bundesgesetzlich geregelt werden müssten, ein verändertes Monitoring, das heißt jährlich und grenzüberschreitend. Wir benötigen mehr Rechtssicherheit bei der Entnahme, und der Mehraufwandsentschädigungsausgleich sollte zugunsten der Weidetierhalter geregelt werden.

Die nächste spannende Geschichte ist die Eins-zu-einsUmsetzung von EU-Recht. Man streitet sich nun, wie das englische Wort „Demage“ – zu Deutsch: Schaden – zu verstehen ist. Ist es ein ernster Schaden oder ein erheblicher Schaden? Bei der Übersetzung der EU-Dokumente wurde es als erheblicher Schaden übersetzt. Dem hat seinerzeit niemand so richtig Bedeutung beigemessen. Jetzt kämpfen wir darum, dass „Demage“ – wie die Sprachexperten sagen – ein ernster Schaden ist. Damit hätten wir wieder mehr Spielraum und könnten eher reagieren, zum Beispiel bei diversen Entnahmeregelungen usw.

Solange all diese Dinge auf Bundes- und EU-Ebene nicht geklärt sind, bleibt uns in Sachsen nur, mit Ausnahmeregeln zu arbeiten. Diese Ausnahmeregeln kann man in der Berner Konvention nachlesen. Dort finden wir die entsprechenden Textpassagen, die ich jetzt kurz vortragen möchte: Ausnahmeregelungen sind dann möglich, wenn der Bestand der betroffenen Population nicht geschädigt wird. Man kann diese treffen zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt, zur Verhütung ernster Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischgründen, Gewässern und anderem Eigentum, im Interesse der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit, im Interesse der Sicherheit in der Luftfahrt – das wird hier wahrscheinlich weniger zutreffen – oder anderer vorrangig öffentlicher Belange, für Zwecke der Forschung – das wird auch weniger zutreffen – usw. usf.

Ich will damit sagen: Das alles liest sich ganz vernünftig, aber die Umsetzung in der Praxis ist immer noch sehr zögerlich und sehr vorsichtig. Ähnliche Textpassagen finden wir in der FFH-Richtlinie. Dort steht auch wieder: Unter der Bedingung, dass die Population der betroffenen Arten in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung im günstigen Erhaltungszustand verweilt, kann man zum Schutz wildlebender Tiere und Pflanzen, zur Verhütung ernster

Schäden, insbesondere an Kulturen und in der Tierhaltung, im Interesse der Volksgesundheit, der öffentlichen Sicherheit usw. entnehmen. Dasselbe könnte ich zum Bundesnaturschutzgesetz vortragen.

Wir erhoffen uns und erwarten, dass in der neuen Wolfsverordnung mutige Lösungen gefunden und Spielräume ausgelotet werden, um diese Regelungen der neuen Populationsdynamik anzupassen. Ziel ist, wie gesagt, mehr Rechtssicherheit und der Schutz von Mensch und Weidetieren. Des Weiteren soll in diesem Prozedere geregelt werden, dass die Entnahmeregelungen zukünftig nur noch auf Landkreisebene durchgeführt werden, das heißt ohne Rücksprache mit dem Ministerium. Der gesamte Schadenersatz soll völlig unbürokratisch geregelt werden. Die Beamten, die diese Themen bearbeiten, sollen beim LfULG angesiedelt werden.

Wir versprechen uns davon ein landeseinheitliches Handeln und wollen mit der Verordnung höhere Rechtssicherheit erreichen, als es der bisherige Managementplan hergibt.

Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das war Herr Kollege Heinz für die einbringende CDU-Fraktion. Die ebenfalls einbringende SPD-Fraktion wird jetzt vertreten von Herrn Kollegen Winkler.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn meiner Ausführungen möchte ich für meine Fraktion hier im Hohen Haus grundsätzlich feststellen, dass wir die Wiederansiedlung des Wolfes in Deutschland und damit in Sachsen begrüßen und dass wir uns zu unserer Verpflichtung bekennen, dafür Sorge zu tragen, dass Wölfe weiterhin einen lebensfähigen Bestand aufbauen können.

Deshalb ist ein hoher Schutzstatus des Wolfes weiterhin notwendig. Die rechtlichen Grundlagen dafür sind uns aufgrund der vielen Debatten im Plenum bekannt. Kollege Heinz hat soeben die Grundlagen ausführlich beschrieben; Wiederholungen sind deshalb entbehrlich.

Dennoch muss uns zur Versachlichung der Debatte klar und bewusst sein – das möchte ich gern wiederholen –, dass der Schutzstatus für Wölfe grundlegend in der FFHRichtlinie europarechtlich vorgegeben ist. Dieser kann weder von den Mitgliedsstaaten noch von den Bundesländern hier in Deutschland eigenständig abgesenkt werden.

Es ist auch nicht das Ziel des Antrages, diesen hohen europäischen und bundesrechtlichen Schutzstatus infrage zu stellen. Allerdings verbleibt die Möglichkeit, die europarechtlichen Vorgaben auszuschöpfen und von den gebotenen Ausnahmemöglichkeiten Gebrauch zu machen, wenn es die Situation erfordert.

Damit bin ich bei unserem Antrag. Ohne einzelne Vorkommnisse der letzten Monate aufzuzählen, stellen wir fest, dass Nutztierrisse im Herbst und Spätherbst Saison haben. Ihre Zahl steigt in Deutschland – auch in Sachsen – wie die der Wölfe selbst. Wir haben inzwischen einen offenkundigen Konflikt zwischen den Interessen einer betroffenen Landbevölkerung und dem Schutz der prioritären Art Wolf. Hinzu gesellen sich Ängste und Gefühle der Unsicherheit der Landbevölkerung. Das ist durchaus verständlich, wenn, wie in der Nähe von Rotenburg in der Oberlausitz geschehen, in der Nähe eines Kindergartens wiederholt Ziegen durch Wölfe gerissen werden.

Die wachsende Wolfspopulation ist ein extrem emotionales Thema für die Menschen im ländlichen Raum. Auf der anderen Seite ist es ein reales wirtschaftliches Risiko für unsere Weidetierhalter. Wir brauchen konstruktive Lösungen und keine Populisten, die die Situation ausnutzen und Ängste unter den Betroffenen und in der Bevölkerung schüren,

(Sebastian Wippel und Silke Grimm, AfD: Wie der Landrat!)

mitunter unter Hinzunahme legendären Schriftgutes, bekannt durch die Gebrüder Grimm.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist unter anderem auch deshalb unsere Aufgabe und unsere Pflicht, diesen Konflikt, der mit der Wolfsansiedlung verbunden ist, zu lösen und die Diskussion zu versachlichen.

Wir fordern in unserem Antrag die Staatsregierung auf, sich gemeinsam mit den betroffenen Bundesländern gegenüber dem Bund für ein nationales Konzept für den Umgang mit dem Wolf und für ein gemeinsames Wolfsmonitoring und -management einzusetzen. Wir müssen uns über die Entwicklung der Population über die Grenzen Sachsens hinaus im Klaren sein, um die richtigen Schlussfolgerungen ziehen zu können. Denn zahlreiche Wissenschaftler sind der Auffassung, dass es sich bei den sächsischen Wölfen, zusammen mit den anderen Wölfen in Deutschland, in Westpolen und im polnischen Baltikum, um eine gemeinsame Wolfspopulation handelt. Es ist demnach auch der EU-Staat Polen in die Betrachtung einzubeziehen.

Des Weiteren wird der Bund aufgefordert, das Bundesnaturschutzgesetz an die bestehenden europäischen Spielräume der FFH-Richtlinie anzupassen. Ich denke, dass dies aufgrund der dynamischen Entwicklung der Wolfspopulation unbedingt notwendig wird, auch als Teil eines nationalen Konzeptes. Dazu gibt es – Kollege Heinz erwähnte es – eine Bundesratsinitiative in Form einer Entschließung des Landes Niedersachsen, der sich weitere betroffene Bundesländer angeschlossen haben, wie auch Sachsen.

Meine Damen und Herren, es ist unsere Pflicht als Politiker dieses Hohen Hauses, den schon erwähnten Konflikt in unserer Gesellschaft, der mit dieser Wiederansiedlung entstanden ist, zu entschärfen. Es ist unsere Aufgabe, auf der einen Seite dem strengen Schutz dieser Tierart genau

so Rechnung zu tragen wie den damit verbundenen Aspekten der Sicherheit und den Belastungen für betroffene Nutztierhalter.

Wir wollen und müssen die Akzeptanz für die dauerhafte Anwesenheit des Wolfes erhalten und wiederherstellen. Deshalb soll als Bestandteil des sächsischen Wolfsmanagements eine sächsische Wolfsverordnung erarbeitet werden. Die Verordnung soll unter anderem eine verbindliche Definition des Herdenschutzes bei Schafen und Ziegen formulieren, um die notwendigen Rechtssicherheiten zu erlangen.

Um Rechtssicherheiten geht es außerdem bei den Regelungen, die die Ausnahmetatbestände betreffen zu einer sofortigen Entnahme von Wölfen, die sich nicht artgerecht und auffällig verhalten.

Ich denke, es ist unbestritten, dass Wölfe, die sich auffällig verhalten, entnommen werden müssen; denn der Wolf ist nicht nur ein schnell lernendes Tier, sondern hat auch die Fähigkeit, seine Erfahrungen an seine Artgenossen weiterzugeben.

Wolfsmanagement und Wolfsverordnung müssen außerdem durch eine Unterstützung der Weidetierhalter flankiert werden, das hat auch Kollege Heinz schon angesprochen. Herdenschutzmaßnahmen stellen schon jetzt für die Halter von Weidetieren zusätzlich erhöhte Arbeitsbelastungen und eine erhebliche finanzielle Belastung dar.

Die gegenwärtigen Regelungen für staatliche Förderprogramme lassen maximal eine Förderquote von 80 % der Materialkosten zu. Das ist zu wenig. Der Freistaat muss gemeinsam mit dem Bund Verhandlungen mit der EUKommission anstreben und aufnehmen, um in Zukunft die Möglichkeit der Förderung von Präventions- bzw. Herdenschutzmaßnahmen auf bis zu 100 % zu schaffen.

Auch die Förderung der Unterhaltung der Herdenschutzmaßnahmen, wie Arbeitskosten oder Kosten für die Haltung von Herdenschutzhunden, muss zukünftig möglich sein, ohne gegen beihilferechtliche Belange zu verstoßen.

Die Koalitionsfraktionen werden, wenn es zum Beschluss des neuen Doppelhaushaltes kommt, die Grundlagen für eine höhere Förderung präventiver Maßnahmen schaffen.

Um die Effizienz zu steigern und mehr Rechtssicherheit zu erzielen, sollen die Aufgaben des sächsischen Wolfsmanagements in Zukunft im Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie gebündelt werden. Das betrifft vor allem die Förderung von Nutztierhaltern zur Unterstützung bei präventiven Maßnahmen gegen Schäden durch den Wolf, die Öffentlichkeitsarbeit einschließlich Beratung sowie die Information der Nutztierhalter.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte zum Abschluss meiner Ausführungen noch einmal alle zum sachlichen Umgang mit dem Wolf auffordern, die auftretenden Konflikte nicht nur in schwarz-weiß zu sehen, nicht die Augen zu verschließen vor den Problemen, die mit der Anwesenheit des Wolfes verbunden sind. Ich

denke, dass mit dieser Wolfsverordnung wesentlich zur Lösung des Konflikts beigetragen werden kann. Wir wollen damit in erster Linie Verfahren straffen, diese effizienter gestalten und Doppelzuständigkeiten vermeiden. Diese Wolfsverordnung soll aber auch Handlungsanlässe beschreiben und einheitliche Regelungen zu Hybriden, verletzten Wölfen und sogenannten Problemwölfen schaffen.

Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem Antrag.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Nach Kollegen Winkler spricht jetzt Frau Kollegin Kagelmann für die Fraktion DIE LINKE.

Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Damen und Herren Abgeordnete! Toleranz scheint Mangelware zu sein in der aktuellen Zeit, in jeder Hinsicht. Forderungen nach wolfsfreien Zonen sind trauriger Beleg dafür. Dabei brauchen wir Menschen sie dringend beim Neuerlernen des Zusammenlebens mit dem Wolf, mit dem Luchs oder mit dem Kormoran, denn wir müssen Kompromisse eingehen und lange gewohnte Verhaltensweisen ändern. Das macht Annäherung konfliktreich und die Kompromisse verursachen Kosten. Manche Menschen sind dazu heute noch nicht bereit – einige, wie die Weidetierhalter, sind dazu wirtschaftlich ohne Hilfe nicht in der Lage. Bei den Ersteren hilft nur unermüdliche Aufklärung, bei den Tierhaltern nur finanzielle Unterstützung. Das sind die beiden Aufgaben, die Politik zu erledigen hat.

Eine simple Tatsache ist in jedem Fall anzuerkennen: Schießen hilft beiden nicht – der Wolf wird bleiben nach allem, was recht ist. Ich denke auch, dass die Anpassung des Bundesnaturschutzgesetzes an Artikel 16 der FFHRichtlinie nicht das ermöglicht, was gern damit verbunden wird: eine reguläre Bejagung und schon gar keine wolfsfreien Zonen.

(Volkmar Winkler, SPD: Das hat niemand gesagt!)

Sachsen hat sich in der Vergangenheit seiner Verantwortung zum Artenschutz mit seinem Managementplan Wolf verantwortungsbewusst gestellt. Wenn jetzt vermehrt Fragen oder Verunsicherungen auftreten, kann man diesen Plan auch mittels einer Wolfsverordnung untersetzen und Einzelfragen rechtsverbindlicher abklären. Aber ob ein solches Instrument tatsächlich wirksamer die zentralen Mensch-Wolf-Konflikte bearbeitet oder im schlechtesten Fall zusätzliche neue Konflikte hervorruft, kann ich erst einschätzen, wenn sie vorliegt. Dabei pfeifen die Spatzen in der Lausitz längst Erstaunliches von den Dächern, was mit einer solchen Verordnung alles anders werden könnte.

Meine Kollegin Pinka hat deshalb in Abstimmung mit mir mittels einer Kleinen Anfrage konkret vorgefühlt, etwa ob die Staatsregierung gedenkt, mittels untergesetzlicher