Protocol of the Session on November 7, 2018

Meine Kollegin Pinka hat deshalb in Abstimmung mit mir mittels einer Kleinen Anfrage konkret vorgefühlt, etwa ob die Staatsregierung gedenkt, mittels untergesetzlicher

Regelungen irgendwie zu reagieren und strukturelle Veränderungen im Wolfsmanagement vorzunehmen. Wir bekamen noch mit Datum vom 30. Oktober die knappe Antwort, dass die Willensbildung der Exekutive noch nicht abgeschlossen wäre.

Nun, sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie werden sich ordentlich sputen müssen, denn die Koalition will ja die fertige Verordnung schon bis Jahresende vorliegen haben, und davor sollen sicherlich noch die Träger öffentlicher Belange angehört werden. Wen also wollen Sie hier um die Fichte führen? Die Verordnung ist doch im Entwurf längst fertig, sonst wäre es, erstens, nie zu diesem Antrag gekommen und, zweitens, könnten Sie solche umfassenden strukturellen Veränderungen, wie sie im Antrag beauftragt werden, nicht mal so en passant beschließen. Eine solche Verfahrensweise muss ja geradezu misstrauisch machen.

Augenfällig ist doch in der gesamten Debatte, die aktuell von Sachsen aus – sekundiert von Brandenburg und Niedersachsen – in der Länderkammer geführt wird, dass sich mit den jüngsten politischen Aktivitäten vordergründig auf Maßnahmen für weniger Wolf und nicht für mehr Konfliktmanagement konzentriert wird. Letztlich will man endlich schießen dürfen – regelmäßig und ohne große Diskussion. Sollte es nicht eigentlich zuerst um mehr Weidehaltung gehen? Den zentralen Konflikt nämlich will und kann eine vorgesehene Verordnung überhaupt nicht angehen: die Honorierung der Gemeinwohlleistung Landschaftspflege durch Weidehaltung.

Ziemlich geräuscharm wurde erst im Sommer im Bundestag ein Antrag von LINKEN und GRÜNEN zur Einführung der Weidetierprämie abgeschmettert. Diese sogenannte gekoppelte Prämie ist das aus meiner Sicht wirkungsvollste Instrument zur Förderung einer naturverträglichen Weidewirtschaft – zudem erprobt und in 22 EULändern Praxis. Die EU hat die Möglichkeit zur Abweichung vom Grundprinzip der Entkopplung von der Produktion 2013 sogar ausdrücklich erweitert, um bestimmte Landwirtschaftsformen zu stärken. Dazu hätte Deutschland lediglich über eine Mitteilung an die Europäische Kommission bis zum 1. August 2018 eine gekoppelte Stützung an Betriebe von Schaf- und Ziegenhaltung zum 1. Januar 2019 einführen müssen. Das hat im Übrigen eine große bundesweite Petition von Schafhaltern gefordert.

Ich habe hier im Landtag mehrfach darauf hingewiesen, dass die Schafhaltung in Deutschland und Sachsen seit vielen Jahren stark rückläufig ist und dass diese Entwicklung wenig bis nichts mit dem Wolf zu tun hat, sondern mit Marktbedingungen für die Produkte Wolle und Fleisch. Das alles ist doch nicht neu.

Es ärgert mich, meine Damen und Herren, dass die Chance der Weidetierprämie wieder vertan wurde, um dann im Oktober im Bundesrat durch Sachsen die Revolution zu proben. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, im Bundestag hätten Ihre Abgeordneten ein

fach die Hand beim Antrag von LINKEN und GRÜNEN heben müssen, fertig. So einfach ist die Sache.

Weiter zum Antrag: Natürlich muss das Wolfsmanagement beständig weiterentwickelt werden, müssen seine Wirksamkeit evaluiert, die Fördersätze für investiven Wolfsschutz angehoben oder Entschädigungsverfahren vereinfacht werden. Selbstverständlich braucht es mehr Austausch mit den polnischen Nachbarn und weitergehende Forschung. Das alles ist richtig. Das kann über das Landesamt sicher besser sachsenweit koordiniert und gesteuert werden. Aber wenn eine Bündelung von Aufgaben, wie sie auch der Rechnungshof anmahnt, zu einer Ausdünnung bewährter Beratungsstrukturen vor Ort führt, wäre das der größtmöglich zu verzapfende Unsinn in der jetzigen Situation.

Wenn sich der Wolf von der Lausitz aus Sachsen erobert, muss gerade die Beratung ausgeweitet werden. Zentralisieren dürfen Sie gern, was die Trägerschaft und Finanzierung weiterer Wildbüros betrifft. Die Lausitz ist das beste Beispiel dafür, dass auch jahrzehntelange Erfahrung mit dem Wolf keine Konflikte für alle Zeiten verhindert und Öffentlichkeitsarbeit deshalb dauerhaft und vor Ort geleistet werden muss.

Oder nehmen wir den Punkt Rissbegutachtung. Wie genau soll das organisiert werden durch das LfULG? Die Rissbegutachtung unterliegt aktuell den Kreisen. Nun wird gemunkelt, dass da circa sechs Stellen landesweit angedacht sind. Schon heute aber stoßen die Rissgutachter an ihre Belastungsgrenzen, wenn mehrere Vorfälle zeitgleich gemeldet werden oder Urlaub und Krankheit zu kompensieren sind. DNA-Spuren werden nicht besser mit der Zeit. In Brandenburg setzt man unter anderem auf vorgeschaltete Telefonbefragungen zu Rissmerkmalen und Schutz. Ist das Ihr favorisiertes Modell? Ich wage sehr zu bezweifeln, dass damit die häufig kritisierte Qualität der Rissbegutachtung verbessert werden kann. Oder wollen Sie die Rissgutachter aus den Kreisen abziehen, um sie stärker zu schützen, denn einige – wen wundert es in der heutigen Zeit – werden zunehmend nicht nur verbal attackiert?

Gehen wir weiter im Antrag. Für die Wissenschaft ist der Austausch über teils widerstreitende Thesen wichtig für die Gewinnung neuer Erkenntnisse. Deshalb sollte die Vergabe von wissenschaftlichen Aufträgen durchaus gestreut werden, aber der besondere Verweis auf die Vergabe als Unternehmerleistung unter II.3 b kritisiert offenbar unterschwellig die bisherigen Kosten für Forschungsaufträge und will somit mehr Ergebnisse für weniger Geld. Schon das wäre zu hinterfragen. Wenn aber unter diesem Deckmantel bisheriger international anerkannter wissenschaftlicher Sachverstand ausgetauscht werden soll, weil deren Bewertungen in der Öffentlichkeit angezweifelt werden, dann geht nicht nur Kontinuität im Management verloren, sondern dann verlieren Staat und Politik weiter an Vertrauen und Wissenschaft an Unabhängigkeit.

Der Änderungsantrag der AfD-Fraktion übrigens gibt sich an dieser Stelle weit weniger Mühe, das Ziel der Übung zu verschleiern. Dann klären Sie uns mal auf, Herr Staatsminister, was Sie mit der Verordnung an dieser Stelle vorhaben.

Ab dem Punkt II. 3c wird es für mich noch unklarer. Aber eins ist auf alle Fälle klar: Es geht um Entnahmen, mal allgemein, mal sofort. Deshalb zum Nachdenken: Entnahmen sind kein Instrument des Herdenschutzes. Die Entnahme des falschen Tieres kann sogar kontraproduktiv wirken. Eine reguläre Entnahme von Wölfen gemäß einer Quote oder über die sogenannte Schutzjagd erhöht auch nicht die Akzeptanz des Wolfes, wie jüngste Studien aus den USA und Norwegen zeigen. Auch Frankreich ist als Referenz für Deutschland im Umgang mit dem Wolf nicht zielführend, weil Frankreich ähnlich wie Finnland aufgrund der Wolfsabschüsse unter strenger Beobachtung der EU-Kommission steht und gegebenenfalls ein Vertragsverletzungsverfahren droht. Aber schwerer wiegt, die illegalen Tötungen können sogar zunehmen. In Finnland beispielsweise sinkt der Wolfsbestand.

Fazit: Meine Fraktion hat ziemliche Bauchschmerzen mit dem Gesamtkunstwerk „Antrag“. Positiv interpretiert könnte der Antrag Dampf aus dem Kessel lassen und abenteuerliche Aktionen aus den Landkreisen ausbremsen wollen. Dafür hätte ich sogar Verständnis. Unter diesem Gesichtspunkt würden wir dem ersten Teil des Antrages zustimmen können. Im zweiten Teil wird es trotzdem an vielen Stellen zu schwammig und ich befürchte, am Ende steht weniger Akzeptanz für den Wolf statt mehr. Das geht mit den LINKEN nicht.

Nur kurz zu den anderen Änderungsanträgen. Die Kollegen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN versuchen sich in der Kompromisssuche und wollen die offensichtliche Scharte des Koalitionsantrages – insbesondere unter II. – auswetzen. Diesem Angebot zur Güte könnte meine Fraktion trotz Bauchschmerzen zum generellen Verordnungsziel zustimmen. Im Falle seiner Ablehnung beantrage ich dennoch vorsorglich punktweise Abstimmung über den Koalitionsantrag, getrennt nach I. und II. Die Änderungsanträge der AfD-Fraktion und von Einzelabgeordneten sind in der Beschreibung der Zielrichtung, nämlich der Ermöglichung der regelmäßigen Jagd, deutlich klarer, und deshalb werden sie durch DIE LINKE deutlich klar abgelehnt.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Gelächter bei der AfD)

Als Nächste ergreift für die AfD-Fraktion Frau Kollegin Grimm das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute wird die Regierungskoalition endlich zum Thema Wolf tätig und bringt einen Antrag mit klaren Handlungsforderungen ein, getreu dem Motto: „Spät, später, sächsische Regierung“. Dabei könnten sie es so einfach haben.

Wir als AfD-Fraktion haben seit 2014 unzählige Anträge im Kreistag, im Landtag und im Bundestag zum Thema Wolf eingebracht. Unsere Anträge wurden immer und immer wieder von Ihnen als Panikmache abgewatscht. Dabei hatten diese stets Hand und Fuß und waren wissenschaftlich belegt. Ihre AfD-Ignoranz hat heute endlich ein Ende, da Sie einige unserer Forderungen in Ihrem Antrag aufgegriffen haben. Auch wenn Ihr Antrag zunächst nicht viel ändern wird, so ist damit doch ein allererster längst überfälliger Schritt getan und wird vielleicht morgen Minister Schmidt bei seiner Reise nach Bremen zur Umweltministerkonferenz den Rücken stärken.

Wie immer bewegt sich die CDU-Fraktion nur, wenn der Druck der Öffentlichkeit nicht mehr auszuhalten ist.

(Dr. Stephan Meyer, CDU: Gar nicht wahr!)

Nachdem es kürzlich in meinem Heimatlandkreis Görlitz, konkret in Förstgen, extreme Wolfsvorfälle gegeben hat, wo Wölfe in einer einzigen Nacht ein Blutbad anrichteten und mindestens 50 Schafe töteten, bewegt sich endlich etwas. Endlich kommt Bewegung in dieses brisante Thema. Unsere Schäfer wollen ihren Schafen ein angstfreies Leben und eine erholsame Weidezeit auch in der Nacht gewährleisten. Unsere Schäfer leiden dabei jede Nacht unter der Ungewissheit, ob sie morgens wieder ein Blutbad vorfinden – ein enormer psychischer Druck und die betriebswirtschaftliche Ungewissheit, die man keinem Unternehmer zumuten kann.

Fakt ist deshalb: Der Wolf schädigt unsere heimische Weidewirtschaft.

(Beifall bei der AfD)

Ich möchte ausdrücklich betonen, dass keiner von uns den Wolf ausrotten will. Es muss aber vermieden werden, dass Wölfe die öffentliche Sicherheit und die Weidetierhaltung gefährden. Hierzu sind einzelne Wolfsentnahmen notwendig, damit die natürliche Scheu der Wölfe vor den Menschen wieder hergestellt wird. Diese Scheu haben die Wölfe mangels natürlicher Feinde verloren. Aber der Wolf ist und bleibt ein gefährliches Raubtier.

Jeder Wolf benötigt täglich 4 bis 6 Kilogramm Fleisch. Dieses Fleisch erjagt er sich – ohne Rücksicht auf Verluste.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Echt? – Carsten Hütter, AfD: Herr Gebhardt, sie sind nicht vegan!)

Ihre Wolfsverordnung soll ein Gesamtwerk zum Thema Wolf, Prävention, Entnahme, Entschädigung darstellen. Wir sind gespannt, ob Ihnen das so gelingt, wie es notwendig und vor allem auch sinnvoll ist.

Bei unserer Überprüfung Ihres Antrags haben wir fachliche Mängel festgestellt. Zum Beispiel im Punkt der zentraleuropäischen Flachlandpopulation, die es so gar nicht gibt. Wir beantragen deshalb Änderungen zu Ihrem Antrag, die Sie im vorliegenden Änderungsantrag finden. Den werde ich dann separat einbringen.

Und Herr Böhme, – jetzt ist er gar nicht da. Da brauche ich das auch nicht sagen, aber –

(Zuruf des Abg. Rico Gebhardt, DIE LINKE)

Doch, er hat sich heute schon einmal geäußert, dass durch die Wolfsdebatte im Landtag alles nur popularisiert wird. Er kann gern einmal in die Lausitz mit dem Jäger auf den Hochsitz gehen und dort ohne Weiteres sieben Wölfe beobachten. Die rennen nicht vor dem Menschen weg.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Oh!)

Das sollte jedem zu denken geben.

(Beifall bei der AfD)

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Herr Günther, bitte.

(Carsten Hütter, AfD: Jetzt kommen die pflanzenfressenden Wölfe!)

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sollten versuchen, beim Thema Wolf vielleicht den Wald vor lauter Bäumen noch zu sehen. Also ganz kurz: Was ist eigentlich das Problem bei der Rückkehr von heimischen Wolfsrudeln?

(Carsten Hütter, AfD: Der Appetit der Wölfe!)

Es gibt einen Mehraufwand für die Weidetierhalter, das ist eine wirtschaftliche Frage. Und es gibt offensichtlich verwaltungstechnische Probleme, wenn es bei Einzelfällen bei Wölfen so weit kommt, dass man sagt, weil sie sich auffällig gegenüber Menschen verhalten oder weil sie Herdenschutzmaßnahmen, also Zäune, überspringen, die den Standards entsprechen, kann man dann zu einer Entnahme durch Abschuss kommen. Da weiß man nicht so richtig, wie man vorankommt. Mehr Probleme gibt es faktisch nicht.

Das heißt, auch jeder Antrag, der hier vorgelegt wird, muss sich genau darauf abklopfen lassen, ob er dort zu einem Mehrwert, zu irgendeiner Lösung führt. Ich möchte es noch einmal ausdrücklich vorwegnehmen: Es gibt keine Gefährdung des Menschen durch den Wolf.

(Zuruf der AfD: Ach?)

Der Wolf interessiert sich schlichtweg nicht für den Menschen. Wenn Sie Glück haben, können Sie auf einem Hochsitz sitzen und ihn sehen. Daraus aber zu schlussfolgern oder zu suggerieren, das wäre gefährlich oder problematisch, ist nicht zutreffend, und das ist Angstmacherei. Das muss man nochmal klarstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN und den LINKEN)

Zu dem Thema, es würden immer mehr Wölfe werden und deswegen werde es immer problematischer, sei zunächst einmal gesagt: Wir haben aktuell circa 20 Wolfsterritorien in Sachsen. Das sind dann Rudel. Ein Rudel – auch das noch einmal zur Kenntnisnahme –

besteht im Schnitt immer so aus zwischen vier und acht Tieren. Es kann sich jeder hochrechnen, wie viel das immer sind. Es gibt natürliche Schwankungsbreiten. Ein Territorium ist in Mitteleuropa zwischen 150 und 350 Quadratkilometern groß. Da weiß man dann auch schon: Das Wachstum, die Ausbreitung des Wolfes findet ein natürliches Ende. Wir beobachten auch schon in Sachsen, dass er sich in den beiden Bereichen, nämlich in der Lausitz und in einer Ausdehnung nach Nordwesten entlang der Elbe, ausgebreitet hat, woanders nicht. Also auch in Sachsen wird es nicht unzählig neue Wolfsterritorien geben.

(Zuruf des Abg. Uwe Wurlitzer, fraktionslos)

Man kann sich das an einer Hand abzählen, wo überhaupt noch Platz ist. Auch da sind sich im Moment fachlich alle einig.