Protocol of the Session on September 26, 2018

Dann verlangt Frau Kollegin Zais, dass sich die Politik positionieren muss. Wollen wir noch weitere Lehrer aus dem Unterstützungssystem abziehen, oder sagen wir, die neun VZÄ sind jetzt da und wir müssen schrittweise dazu kommen, dass das wieder zu mehr Personen wird? Genau diesem Zweck dient der zweite Teil des Antrages.

Ich weiß nicht, Frau Wilke, Frau Kersten und Herr Wild, inwieweit Sie den Antrag gelesen haben. Die Stellungnahme der Staatsregierung bezieht sich auf den Berichtsteil I, aber es gibt noch einen Beschlussteil II. Darin steht, dass das Unterstützungssystem quantitativ auszubauen ist. Frau Zais, da haben wir unser Bekenntnis, was das Personal in diesem Bereich angeht. Im Beschlussteil II steht, dass die Schulen ein finanzielles Budget erhalten können, um sich zusätzlich zu den eigenen Kräften externe Unterstützung zu holen, und dass wir die neuen Möglichkeiten, die wir mit dem Schulgesetz geschaffen haben, wie jahrgangsübergreifender Unterricht und Binnendifferenzierung, ins Rollen bringen können. Dafür braucht es Impulse und Lehrer, die anderen Lehrern zeigen, wie das funktioniert. Deswegen ist dieser Beschlussteil des Antrages nicht trivial, Frau Kersten. Deswegen wird darüber hier abgestimmt. Sie können sich überlegen, ob Sie nicht doch noch zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Gibt es noch Redebedarf aus den Fraktionen? – Das sieht nicht so aus. Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit der Umsetzung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Schulwesens im Freistaat Sachsen vom 26. April 2017 wurde die Eigenverantwortung der Schulen gestärkt und ausgebaut. Sollen Schulen aufgrund ihrer schulprogrammatischen Entwicklungsschwerpunkte für ihre Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung verantwortlich sein, so müssen sie in die Lage versetzt werden, bei Bedarf Beratung, Unterstützung und Qualifizierung auch in Anspruch nehmen zu können.

Deshalb wurden bereits in der Vergangenheit zahlreiche Beratungs- und Unterstützungsleistungen aufgebaut. Mit dem Fokus der gezielten Schulentwicklung haben wir darüber hinaus in einer eigenen Verwaltungsvorschrift „Unterstützungssystem Schulentwicklung“ im Jahr 2011 sechs Unterstützungsangebote innerhalb einer Verwaltungsvorschrift gebündelt und geregelt. Diese sind, abgesehen vom Angebot der medienpädagogischen Zentren, als Unterstützungsangebote für die Schulen aus landeseigenen oder ländergemeinsamen Projekten entstanden. Lehrerinnen und Lehrer, die diese Unterstützungsmaßnahmen anbieten, erhalten dafür personenbezogene Anrechnungen, das heißt, ihr Unterrichtseinsatz ist reduziert. Angesichts der sich in den letzten Jahren zunehmend verschärfenden Personalsituation waren wir nicht in der Lage, das Angebot zu verstetigen oder sogar auszubauen. Zukünftig, das will ich deutlich hervorheben, bleibt die Unterrichtsabsicherung unser oberstes Ziel.

Doch insbesondere im Hinblick auf die wachsenden Anforderungen an Schule wollen wir Schulen auch zukünftig in die Lage versetzen, sich mittels fachlicher Beratung, Coaching und schulinterner Fortbildung unterstützende Expertise in die Schule zu holen. Dazu soll es Schulen und ihren Schulleitern möglich sein, verstärkt externe Unterstützungsleistungen „einkaufen“ zu können. Es gibt dafür mittlerweile eine große Zahl freiberuflicher bzw. selbstständiger Fortbildner, Trainer und Berater, die Schulen bei der Qualitätsentwicklung und -sicherung unterstützen wollen und können. Auf welches externe Angebot die Schule zurückgreift, entscheidet sie im Rahmen einer eigenen Budgetverantwortung auf der Grundlage ihres Schulprogramms zukünftig selbst.

Damit gehen wir einen weiteren Schritt bei der Ausgestaltung eigenverantwortlicher Schulen im Freistaat Sachsen. Ich will dem Arbeitsprozess bei der Erarbeitung eines Konzepts zur Neuausrichtung des Unterstützungssystems Schulentwicklung nicht vorgreifen.

Mir sind bei der verstärkten Öffnung der Schulen gegenüber externen Unterstützerleistungen jedoch drei Aspekte besonders wichtig:

Erstens eigenverantwortlich nutzbare Mittel für die Schulen. Bereits jetzt erhalten Schulen pro Schuljahr ein Budget in Höhe von 25 Euro pro Lehrkraft, um schulinterne Lehrerfortbildungen durchzuführen. Dieses Budget wollen wir zu einem Qualitätsentwicklungsbudget ausbauen und die Mittel dafür deutlich erhöhen. Dazu

braucht es allerdings die Zustimmung dieses Hohen Hauses zum kommenden Doppelhaushalt.

Zweitens einfache und dienstleistungsorientierte Verwaltungsprozesse. Mir ist wichtig, dass trotz einer verstärkten Budgetverantwortung der Schulen der Verwaltungsaufwand dafür vor Ort nicht erheblich zunimmt. Das bedeutet, dass gut etablierte Verfahren bei der schulinternen Lehrerfortbildung fortzuführen sind. Die Schule übernimmt die Absprachen mit dem externen Unterstützungsangebot und schließt den Vertrag. Die Abwicklung des Zahlungsverkehrs erfolgt wie bislang über das Landesamt für Schule und Bildung.

Drittens gute Serviceangebote für die Schulen zur Information und Beratung über passgenaue Unterstützungsangebote. Damit Schulen extern Unterstützungsleistungen passgenau nutzen können, benötigen sie aktuelle und übersichtliche Informationen zu den Angeboten externer Anbieter sowie, wenn nötig, eine fachlich gute und effektive Beratung durch das Landesamt für Schule und Bildung. Zu den zukünftigen Aufgaben des Landesamtes wird auch gehören, neue Unterstützungsangebote zu sondieren und sie für uns zu gewinnen.

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Neuausrichtung des Unterstützungssystems zur Schulentwicklung an den sächsischen Schulen ist unter den aktuellen Rahmenbedingungen nicht nur notwendig, sie stellt auch eine Chance dar, durch die Öffnung von Schule die Personal-, Organisations- und Unterrichtsentwicklung durch neue Impulse von außen voranzubringen. Ich bin zuversichtlich, dass dies mit einem bis zum Ende des Jahres zu erarbeitenden Konzept zur Neuausrichtung des Unterstützungssystems gelingen wird.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Das Schlusswort hält Frau Firmenich.

Verehrte Kollegen! Ich möchte mich für die Diskussion herzlich bedanken. Ich glaube, es hat sich gelohnt; denn wenn man in die Details und in den Inhalt schaut, so ist es auf jeden Fall eine Neuausrichtung. Ich bin froh darüber, dass wir aus dieser Situation aus der Not heraus – Not macht erfinderisch, heißt es – dazu kommen, dass wir neue Wege gehen, die wir vorher nicht hätten gehen können. Das Entscheidende ist, dass es uns gelingt, mit diesen innovativen Ansätzen aus der Mangelsituation – zu wenige Lehrer – einen Qualitätsgewinn zu erzeugen und moderner zu werden. Ich denke, Dinge wie externe Evaluation sind mit dem Budget möglich, das die Schulen zur Verfügung haben. Das kann man machen.

Ich möchte noch ein Wort zu Frau Zais sagen: Sie haben gesagt, es fehlen die Entwicklungsziele. Ich glaube, es ist nicht Aufgabe, die Ziele in diesen Unterstützungssyste

men vorzugeben. Die Entwicklungsziele weiterzuentwickeln und für die Zukunft passend zu machen ist eine Aufgabe, die im Zusammenhang mit der Evaluation der Lehrpläne geschehen muss. Wenn ich Lehrpläne schreibe, muss ich wissen, wohin ich will. Das muss man als Ganzes sehen. Die Unterstützungssysteme sind dazu da, das in der Schule umzusetzen, um den Lehrern dafür Hilfe zu geben. Das sollte man bitte nicht durcheinanderbringen.

Ich bin bei Ihnen, die Ressourcen ehrlich zu machen. Wir können keine Versprechungen machen, ohne dass wir dazu das Geld bereitstellen. Das werden wir in den nächsten Wochen tun. An das SMK hätte ich noch eine Anregung: Wenn wir beim Vereinfachen sind, müssten wir einmal schauen, dass wir diese Unterstützungsmöglichkeiten, die es im Bereich Schule gibt, bündeln und dadurch vereinfachen können. Das steht noch nicht im Antrag, aber das können wir einbeziehen.

Wir denken, der Antrag hilft, weniger Bürokratie, mehr Flexibilität und mehr Eigenverantwortung vor Ort zu schaffen. Wir versprechen uns dadurch mehr Effizienz in der Unterstützung, Motivation der Pädagogen und Qualitätsgewinn in der Schule.

Ich bitte um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Ich stelle die Drucksache 6/13896 zur Abstimmung. Wer dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Bei einer Reihe von Stimmenthaltungen hat es für den Antrag eine große Mehrheit gegeben. Damit ist er beschlossen.

Möchten Sie eine Erklärung zum Abstimmungsverhalten geben?

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich möchte meine Stimmenthaltung an dieser Stelle erläutern. Enthaltung bedeutet insofern, dass ich mich dem inhaltlichen Anliegen dieses Antrages nicht verschließe, sondern dass ich das unterstütze. Ich bin aber nach wie vor der Meinung, dass ein Beschluss zu diesem Antrag nicht erforderlich war. Nicht nur der Berichtsanteil in diesem Antrag ist erfüllt, sondern die Staatsregierung hat zu Punkt II, was Frau Friedel moniert hat, klar geschrieben, dass es dieses Konzept bis zum 31.12.2018 geben wird, und nicht nur das, sondern dass dieses Konzept die genannten und geforderten Punkte des Antrages enthalten wird. Das, was dieser Antrag will, ist damit komplett erfüllt. Daraus folgt, eine Abstimmung wäre nicht nötig gewesen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 7

Istanbul-Konvention: Anspruch auf Schutz bei

häuslicher Gewalt konsequent umsetzen – Sächsisches

Maßnahmenprogramm endlich auf den Weg bringen!

Drucksache 6/14763, Antrag der Fraktion DIE LINKE

Frau Abg. Buddeberg beginnt die einreichende Fraktion. Danach folgen CDU, SPD, AfD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und Frau Dr. Muster. Frau Buddeberg, Sie haben das Wort.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! „Trautes Heim, Glück allein“ ist ein bekannter Sinnspruch. Man kann sich vorstellen, wie es schön gerahmt und aufgestickt über dem Sofa im heimeligen Wohnzimmer hängt. Das beschreibt das eigene Zuhause, das Heim als Ort der Sicherheit einer als bedrohlich empfundenen Außenwelt. Für viele Menschen kann dieses Bild vom trauten Heim maximal eine Sehnsucht sein. Für viele muss es gar zynisch klingen.

Die Statistik sagt, dass jede vierte Frau mindestens einmal Opfer häuslicher oder sexueller Gewalt wird. Diese Zahl ist schon oft genannt worden. Deshalb fürchte ich, dass sie ihren Schrecken verliert. Ich glaube, es ist gut, sich noch einmal bewusst zu machen, was das bedeutet. Wenn Sie den Landtag jetzt verlassen, aus der Tür in Richtung Altmarkt und über die Prager Straße gehen würden, über die Einkaufsmeile bis zum Hauptbahnhof – das ist ein Fußweg von circa 30 Minuten –, stellen Sie sich vor, wie viele Menschen, wie viele Frauen Ihnen begegnen würden. Dann machen Sie sich klar, dass jede vierte dieser Frauen ein Gewaltopfer sein könnte. Damit wird die Dimension des Problems deutlich.

Das gilt nicht nur für fremde Frauen, die auf der Straße anzutreffen sind, sondern diese Statistik bezieht sich auch auf den eigenen Freundes- und Bekanntenkreis. Man sollte sich keine Illusion darüber machen; häusliche Gewalt tritt unabhängig von Einkommen und sozialem Status auf.

Falls Ihnen keine eigenen Beispiele einfallen, mag das daran liegen, dass das Thema häusliche Gewalt immer noch stark tabuisiert ist. Auch das hat mit diesem Bild vom trautem Heim zu tun. Häusliche Gewalt findet hinter verschlossenen Türen statt. Wir reden nicht davon, dass einmal die Hand ausgerutscht ist, obwohl diese Formulierung schon ein Teil des Problems ist, weil sie verharmlost. Aber hier gibt es nichts zu verharmlosen. Einmal zuschlagen ist einmal zu viel. Die bittere Erfahrung ist: Es bleibt nicht bei dem einen Schlag. Nicht selten wird es für die Betroffenen lebensbedrohlich. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau durch ihren Partner oder ihren ExPartner getötet – jeden dritten Tag! Das sind schreckliche grausame Schicksale, die in der Lokalzeitung unter der

Rubrik „Familiendrama“ landen. Das ist auch eine Verharmlosung.

Hier wird deutlich, dass es kein banales und kleines Problem ist. Diese Gewalt ist um uns, sie ist unter uns; sie ist immanenter Teil dieser Gesellschaft. Sie ist in Deutschland und in Sachsen alltäglich. Das ist nicht hinnehmbar, und das darf nicht so bleiben.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Aber das muss auch nicht hingenommen werden; denn diese Gewalt, von der ich gesprochen habe, ist keine Naturgewalt. Es ist Aufgabe von Gesellschaft und Politik, hinzuschauen und vor allem auch zu handeln. Dass wir hinschauen und handeln müssen, ist keine neue Erkenntnis. Seit Jahrzehnten beschäftigen sich Expertinnen und Experten mit dem Thema. Ein Ergebnis dieser Beschäftigung ist die sogenannte Istanbul-Konvention, die eigentlich anders heißt: „Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt“.

Diese Konvention ist viel mehr als ein gut gemeintes Absichtspapier. Sie ist ein völkerrechtlicher Menschenrechtsvertrag. Nach mehrjährigen Verhandlungen wurde sie am 11. Mai 2011 beschlossen und verpflichtet die Vertragsstaaten – verpflichtet also auch uns – zu umfassenden Maßnahmen. Nach dem Beschluss hat es noch einmal ganze sechs Jahre gedauert, bis die Konvention 2017 endlich auch in Deutschland ratifiziert wurde, und seit Februar 2018 ist sie geltendes Recht.

Das heißt, dass wir mit unserem heutigen Antrag eigentlich eine Selbstverständlichkeit fordern, nämlich dass geltendes Recht umgesetzt wird. Die gute Nachricht dabei ist: Wir müssen nicht bei null anfangen. In Sachsen gibt es eine gewachsene Struktur von 14 Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen, sieben Koordinierungs- und Interventionsstellen gegen Gewalt. Außerdem gibt es – das möchte ich auf jeden Fall erwähnen – seit Kurzem zwei Männerschutzwohnungen als Modellprojekte in Leipzig und Dresden. Das ist wichtig, denn auch Männer werden Opfer häuslicher Gewalt. Das ist auch in der IstanbulKonvention genannt; denn in der Präambel heißt es: „… in der Erkenntnis, dass Frauen und Mädchen einer größeren Gefahr von geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt sind als Männer, in der Erkenntnis, dass häusliche Gewalt Frauen unverhältnismäßig stark betrifft und dass auch Männer Opfer häuslicher Gewalt sein können“.

Das bringt es für mich auf den Punkt. Es ist richtig, beim Kampf gegen häusliche Gewalt vor allem Frauen in den Blick zu nehmen, aber es ist ebenso richtig, allen Opfern, egal welchen Geschlechts, Hilfe zukommen zu lassen. Wir bleiben unserer Haltung treu, dass das keine Frage der Fallzahlen ist. Das ist eine Frage der Menschenrechte, und Menschenrechte sind unteilbar.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Deshalb müssen diese Pilotprojekte zum Männerschutz unbedingt fortgeführt werden.

Die von mir kurz skizzierte Struktur der Schutzeinrichtungen wird von Vereinen getragen, die meist aus ehrenamtlichen Strukturen gewachsen sind und in denen sich immer noch viele Ehrenamtliche engagieren, Strukturen, die sonst auch nicht funktionieren würden. Ohne diese Vereine und die Menschen, die diese wichtige Arbeit tagtäglich leisten, hätten die Betroffenen meist überhaupt keine Chance, der Gewalt zu entkommen. Diese Arbeit muss gewürdigt und vor allem ausreichend finanziert werden.

(Beifall bei den LINKEN)