Protocol of the Session on June 28, 2018

Punkt 5 des Antrages. Die Schaffung von separaten Zeugenschutzräumen ist positiv. Der Präsident des Amtsgerichtes Leipzig hat der Opferhilfe Sachsen unmittelbar im Gericht einen geschützen Raum für Zeugen und Opfer zur Verfügung gestellt. Dieses Angebot sollte auch an allen anderen Gerichtsstandorten geschaffen werden.

Punkt 6 und 7. Verfahrensunabhängige Beweissicherung halte ich für einen wesentlichen Punkt im Rahmen des Opferschutzes. In diesem Zusammenhang habe ich mir das Projekt „ProBeweis“ in Niedersachsen angesehen. Dieses Netzwerk ermöglicht eine zeitnahe gerichtsverwertbare Beweissicherung sowie eine intensive Vernetzung zu lokalen Opferunterstützungseinrichtungen und schließt damit eine Lücke in der Gewaltopferversorgung. In Sachsen sollte ein ähnliches niederschwelliges Netzwerk etabliert werden. Opfer von häuslicher Gewalt oder einer Sexualstraftat, die sich noch nicht zu einer polizeilichen Anzeige durchringen konnten, werden dort über die Möglichkeiten der verfahrensunabhängigen Beweissicherung aufgeklärt.

Punkt 8. Die Schaffung einer zentralen Ombudsstelle für Opfer von Gewalttaten und deren Angehörigen ist richtig. Die Betroffenen brauchen kompetente und schnelle Hilfe außerhalb der Polizei. Die Ausgestaltung der Forderungen ist im Antrag allerdings sehr unkonkret. Manche der Forderungen sind noch sehr allgemein – und das habe ich freundlich formuliert. Trotzdem sind die Anliegen der Koalition richtig und wichtig.

Wir werden Ihrem Antrag zustimmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Meine Damen und Herren! Gibt es Gesprächsbedarf in einer zweiten Runde? – Die SPD-Fraktion; Herr Baumann-Hasske, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann in der Kürze der Zeit jetzt nicht auf alle Nachfragen eingehen, aber ich möchte noch ein paar Worte zu dem Netzwerk verlieren.

Es geht darum, Beweise von Gewalttaten zu sichern und Beratung zu vollziehen. Das ist bisher, vor allem die Beweissicherung betreffend, nur bei den gerichtsmedizinischen Instituten der Universitäten möglich. Das heißt im Wesentlichen in Dresden und Leipzig, mit Einschränkungen auch in Chemnitz. Das Opfer einer solchen Tat musste sich also bisher, egal, wo die Tat begangen wurde, an einen dieser Standorte begeben, um sicherzustellen, dass die Spuren der Tat so erhoben werden können, dass sie später im Gericht verwertet werden können.

Das ist ein weiterer Faktor, der zu dem bisher so großen Dunkelfeld beiträgt. Denn wenn wir eine Straftat haben, die in Zittau begangen worden ist und das Opfer muss sich nach Dresden begeben, um Beweise sichern zu lassen, dann kann man sich vorstellen, dass sich das Opfer mehrfach überlegt, ob es das überhaupt tun soll.

Unsere Lösung ist ein Netzwerk von für Beweissicherung ausgebildeteten und fortgebildeten Ärzten, die niedergelassen sind, die in Krankenhäusern arbeiten oder ihre Praxen in einem Ärztehaus haben. Wir wollen in möglichst kurzer Zeit dafür sorgen, dass an jedem Ort Sachsens Personen des Vertrauens erreichbar sind, die betroffene Personen beraten und gerichtsfeste Beweissicherung durchführen können. Damit verkürzen sich sehr viele Wege. Damit sind Vertrauenspersonen Ansprechpartner, die relativ schnell und ortsnah zur Verfügung stehen und dazu beitragen werden, dass Opfer sich ihnen anvertrauen.

Es kam die Frage nach der Finanzierung. Sie steht im Antrag nicht drin, da sie, wenn man sie nicht durch den Freistaat gewährleisten will, zunächst einmal nicht verhandelt ist. Das ist völlig klar. Wir gehen davon aus – damit dieses Netz schnell funktionieren kann –, dass der Freistaat für die Kosten der Einrichtung dieses Netzes aufkommen muss.

Vor allem muss er dafür aufkommen, dass die daran beteiligten Ärztinnen und Ärzte bezahlt werden. Eigentlich sind wir der Meinung, dass es sich dabei um Kosten handelt, die von den Kassen zu übernehmen sind; denn es sind Gesundheitskosten. In vielen Fällen, auch wenn es nicht zur Strafanzeige kommt, ist es heute schon so, dass die Kassen die Kosten tragen, weil die betroffenen Opfer, die verletzt worden sind, irgendwann zum Arzt gehen und sich dort behandeln lassen, ohne die Ursachen zu nennen. Es muss natürlich behandelt werden, und dann zahlen die Kassen auch.

Was die Ärzte bisher hindert, bei den Kassen abzurechnen, wenn sie die Ursachen kennen, ist der Umstand, dass dann eine verfahrensunabhängige Beweissicherung nicht mehr möglich ist. Denn wenn der Arzt nicht mehr abrechnen muss, wird gleichzeitig der Schadensersatzanspruch des Opfers an die Kassen abgetreten. Das heißt, die Kasse bekommt die Information, und dann ist der Weg zur Strafanzeige nicht mehr weit.

Wir müssen dahin kommen, mit den Kassen so zu verhandeln, dass sie die Kosten übernehmen und den Regressanspruch so lange zurückstellen, wie nicht Strafan

zeige erstattet worden ist. Diesbezüglich muss mit den Kassen verhandelt werden, und es müssen Verträge geschlossen werden. Das geht nicht nur den Freistaat Sachsen an, sondern auch andere Bundesländer, in denen vergleichbare Netzwerke bestehen. Ich denke, da muss eine Änderung herbeigeführt werden.

Meine Damen und Herren! Ich möchte mich noch einmal bei allen bedanken, die bei dieser Idee und dem Antrag mitgewirkt haben. Vor allem möchte ich mich von hier aus bei den Sachverständigen, den ehrenamtlichen Helfern, den Gerichtsmedizinern, mit denen wir gesprochen haben, und allen anderen, insbesondere bei der Polizei, bedanken, dass sie uns beraten haben und dass vieles von dem, was sie uns gesagt haben, in diesen Antrag einfließen konnte.

Ich will offen gestehen: Es wird wahrscheinlich noch dieses oder jenes geben, was man hätte zusätzlich hineinschreiben können. Wenn wir diesen Antrag beschließen, dann haben wir etwas Gutes für den Opferschutz getan und bringen ihn auf den Weg.

(Beifall bei der SPD, der CDU und vereinzelt bei den LINKEN)

Gibt es weiteren Redebedarf bei den Fraktionen? – Das ist nicht der Fall. Dann Herr Staatsminister, bitte.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Der Staat hat das Gewaltmonopol. Deswegen ist es die Pflicht des Staates, die Bürgerinnen und Bürger vor Gewalt und Kriminalität zu schützen. Aber der Staat hat nicht nur die Aufgabe der Repression und der Prävention von Straftaten, sondern er muss sich auch schützend vor die Opfer von Straftaten stellen, und er muss geeignete Hilfen und Unterstützung bereitstellen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Auch die Sächsische Staatsregierung ist sich ihrer Verantwortung für den Opferschutz bewusst. Wir haben hier in Sachsen schon heute gute Hilfsmöglichkeiten für Opfer von Straftaten. Viele engagierte Menschen füllen diese Strukturen mit Leben, und ich möchte die Gelegenheit heute hier nutzen, all diesen hilfsbereiten Menschen, die zum Zusammenhalt unserer Gesellschaft beitragen und hier den Schwächsten helfen, meinen herzlichen Dank auszusprechen. Vielen herzlichen Dank für Ihr Engagement!

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN, der Abg. Dr. Kirsten Muster und Uwe Wurlitzer, fraktionslos, sowie der Staatsregierung)

Aber wir wollen den Opferschutz in Sachsen noch weiter stärken. Wir tun dies etwa durch die kürzlich eingeführte psychosoziale Prozessbegleitung. Diese Begleitung kann grundsätzlich jedes Opfer einer Straftat in Anspruch

nehmen. Ist ein Kind Opfer einer Gewalt- oder Sexualstraftat geworden, kann ihm durch das Gericht auch ein psychosozialer Prozessbegleiter beigeordnet werden.

Mit der Unterstützung durch die Opferhilfe Sachsen und den Weißen Ring verfügen wir über landesweite Beratungseinrichtungen für Opfer von Straftaten unabhängig von der Deliktsart. Außerdem arbeiten viele Richter und Staatsanwälte auch überobligatorisch im Bereich des Opferschutzes mit.

Ich möchte hier ein Beispiel anführen, und zwar sind das Richterinnen und Richter des Amtsgerichtes in Leipzig, die engagiert und voller Leidenschaft an der Umsetzung des ersten Childhood-Hauses in Deutschland mitwirken, das im September 2018 in Leipzig eröffnet wird. Ziel dieses Projektes ist es, Hilfen unter einem Dach anzubieten durch interdisziplinäre Kooperation aller beteiligten Berufsgruppen im Verdachtsfall von sexuellem Missbrauch von Kindern.

Dazu gehört, dass Belastungen durch Vernehmungen durch Polizei, Staatsanwaltschaft und Gericht so gering wie möglich gehalten werden. Deshalb sollen Kinder in kindgerechter Umgebung durch Ermittlungsrichterinnen und -richter mithilfe von geschulten psychologischen Fachkräften befragt werden. In einem angrenzenden Raum können dann weitere Personen sitzen, die durch visuelle und akustische Technik zugeschaltet sind. Später können die aufgenommenen Gespräche in Hauptverhandlungen genutzt werden, ohne dass die Kinder noch einmal vernommen werden müssen, und gegebenenfalls sogenannte Sekundärviktimisierungen stattfinden. Das ist ein ganz tolles Projekt, das den Schwächsten aller Opfer helfen wird.

Auch im Zuständigkeitsbereich meiner Kabinettskolleginnen und -kollegen spielt der Opferschutz eine wichtige Rolle. So halten alle Polizeidirektionen in Sachsen nebenamtliche Opferschutzbeauftragte vor. Sie sind für die interne Fortbildung und die Netzwerkarbeit mit den Opferhilfeeinrichtungen zuständig.

Im Bereich des Sozialministeriums gibt es drei Traumaambulanzen – zwei an den Klinika in Dresden und in Chemnitz und eine am Städtischen Klinikum in Görlitz.

Für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind, und für deren Kinder stehen 14 Frauen- und Kinderschutzeinrichtungen und sieben Interventions- und Koordinierungsstellen zur Verfügung. Eine Schutzeinrichtung in Leipzig wurde für geflüchtete Frauen eingerichtet und als Pilotprojekt mit Landesmitteln gefördert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aufbauend auf dieser Ausgangslage wird sich die Staatsregierung mit Vorschlägen zur weiteren Verbesserung des Opferschutzes in Sachsen befassen, und ich finde, in diesem Antrag der Koalitionsfraktionen stecken sehr zielführende Gedanken. So sollen hauptamtliche Opferschutzbeauftragte bei den Polizeidirektionen eingerichtet werden und eine ressortübergreifende Rahmenkonstruktion zum Management bei

Hochrisikofällen, bei häuslicher Gewalt und bei Stalking erarbeitet werden.

Es sollen im Rahmen von Baumaßnahmen insbesondere an Gerichten möglichst Zeugenzimmer und kindgerecht gestaltete Vernehmungszimmer und die dafür notwendige Technik eingerichtet werden. Es soll außerdem geprüft werden, wie ein regional ausgewogeneres Netz an Traumaambulanzen geschaffen werden kann, um die Situation traumatisierter Gewaltopfer zu verbessern, und es soll ein Konzept für ein flächendeckendes Angebot an Frauenhäusern und Beratungsstellen für von Gewalt betroffene Frauen, Männer und deren Kinder erarbeitet werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist schon angesprochen worden: Es ist sehr komplex, es ist ein sehr ambitioniertes und vielschichtiges Programm, aber wir werden diese vorgeschlagenen Maßnahmen sehr ernsthaft innerhalb der Staatsregierung beraten. Es ist ohne Frage eine anspruchsvolle Aufgabe und wir müssen diese Aufgabe sehr schnell angehen, denn das sind wir allen Opfern von Straftaten in diesem Land schuldig.

Vielen herzlichen Dank für Ihre Initiative und uns allen viel Erfolg bei der Umsetzung!

(Beifall bei der CDU, der SPD und vereinzelt bei den GRÜNEN – Beifall des Abg. Klaus Bartl, DIE LINKE – Beifall bei der Staatsregierung)

Ich rufe zum Schlusswort auf; Herr Abg. Modschiedler, bitte.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ein umfassender Antrag – Herr Bartl sagte, ein komplexer Antrag –; wie Herr Kollege Mackenroth einführte, umfasst er sehr viele Bereiche: Prävention, Ermittlungen, Opferbetreuung; es reicht bis zur Verurteilung der Straftäter. Aber mit dieser endet das Bedürfnis nach Opferschutz nicht und er darf dort auch nicht enden; denn der Opferschutz geht weit darüber hinaus. Da ist das Ehrenamt, das der Minister angesprochen hat, eine ganz wichtige Säule, die wir in unserer Gemeinschaft haben und die wir auch stützen müssen – und wir müssen sie auch unterstützen.

Wir haben differenziert diskutiert – Herr Kollege Bartl, Sie hatten den Opferschutzbericht angesprochen –; warten wir es doch erst einmal ab, lassen wir es erst einmal

anlaufen. Wir haben im Ausschuss die Möglichkeiten in der Hand, uns einen Opferschutzbericht geben zu lassen.

Gleiches gilt für die Frage Täter-Opfer-Ausgleich. Das, finde ich, ist ein wichtiges Thema, aber richterliche Unabhängigkeit indes steht im Gesetz und ich denke, da muss die Sensibilisierung der Gerichte und der Staatsanwaltschaften her; da können wir als Gesetzgeber meiner Ansicht nach nicht mehr so viel tun.

Aber das Ziel, das wir diskutiert haben, wurde klar: Der Verfolgungsdruck gegen die Täter muss erhöht werden und die persönliche Ausnahmesituation der Opfer müssen wir wahr- und vor allem auch ernstnehmen.

Wir werden damit Sachsen noch sicherer machen und das Vertrauen in den Rechtsstaat weiter stärken, und dem kann man eigentlich nur zustimmen. – Frau Meier, wenn es auch nur punktweise ist, aber zustimmen können wir ihm.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der Staatsregierung)

Meine Damen und Herren! Wir kommen zur Abstimmung. Meine Frage an Frau Meier: War das vorhin ein Antrag auf punktweise Abstimmung?

Besteht die Möglichkeit, über die Punkte 1 bis 7 zusammen und über Punkt 8 separat abzustimmen? Das würde es schneller machen, als über jeden Punkt einzeln abzustimmen.

Okay. Somit rufe ich jetzt den Antrag Drucksache 6/13748 auf und lasse über die Punkte 1 bis 7 abstimmen. Wer gibt seine Zustimmung? – Gibt es Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Ich sehe Einstimmigkeit, damit beschlossen.

Ich rufe den Punkt 8 auf. Wer gibt seine Zustimmung? – Die Gegenstimmen, bitte? – Stimmenthaltungen? – Bei einigen Gegenstimmen ist auch Punkt 8 mit Mehrheit bestätigt worden.