Protocol of the Session on April 26, 2018

Ja, ich interveniere bezüglich des Vorwurfes, dass wir uns nicht mit der aktuellen Situation auseinandersetzten. Genau das war das Thema. Genau das ist die Frage: Warum ist Karl Marx 200 Jahre nach seiner Geburt noch aktuell? Anstatt sachlich darauf einzugehen oder auf irgendeine Argumentation von wir haben die Schere zwischen Arm und Reich benannt, wir haben die Herausforderungen der Digitalisierung, was mache ich eigentlich, wenn die Menschen auf Arbeit keinen Kontakt mehr zueinander haben? Wie gehe ich damit um? Teilzeit usw., was alles auf uns zukommt – das sind aktuelle Probleme, die sich transformieren lassen.

Es geht um die Analyse und die Fragestellung, und der Einzige, der hier ideologisch und dogmatisch vor sich hin redet, das sind ja wohl Sie, lieber Herr Ittershagen. Ich

wäre wirklich dankbar, wenn Sie mal mit Ihren Scheuklappen aufhören würden und auch Herr Vieweg mit diesem dumpfen Kitsch und der Folklore.

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Jetzt bleiben Sie doch mal ruhig! – Unruhe bei der CDU)

Es ist einfach unterirdisch, dass Sie der Meinung sind, in Ihrer konservativen Hegemonie, dass Sie allein hier Themen vorgeben,

(Peter Wilhelm Patt, CDU: Noch lauter!)

wie zum Beispiel „500 Jahre Luther“, und uns hier ausspielen und irgendwo hineinreden wollen, was wir für Themen zu setzen haben. Ich glaube Ihnen auch, dass Ihnen das wehtut zu hören, wie weit Sie im Freistaat Sachsen mit sozialer Marktwirtschaft gekommen sind.

(Beifall bei den LINKEN – Gelächter bei und Zurufe von der CDU)

Herr Ittershagen, bitte.

Eigentlich wollte ich dazu nichts weiter sagen, aber ich versuche es trotzdem einmal. Hier geht es doch darum, dass wir die zentralen Probleme in diesem Land offen erörtern. Darüber können wir streiten, das ist überhaupt gar kein Thema,

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Dann reden Sie doch darüber!)

aber Marx bietet nicht das Instrumentarium dazu, die Antworten auf die Fragen dieser Gesellschaft zu finden, und das ist das Problem.

(Unruhe bei den LINKEN)

Und eines will ich Ihnen noch mal sagen: Wir sind mit fast 30 Jahren sozialer Marktwirtschaft weiter gekommen als Sie mit 40 Jahren Planwirtschaft, und das gehört zur Wahrheit dazu.

(Susanne Schaper, DIE LINKE: Dann lassen Sie uns darüber reden. Sie sind doch Wissenschaftler!)

Meine Damen und Herren, ein bisschen Mäßigung, bitte.

(Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU und den LINKEN)

Ich lasse Sie sich jetzt alle etwas beruhigen, sonst hat der Antritt des nächsten Redners keine Chance. – Möchte die SPD-Fraktion reden?

(Anhaltende Wortwechsel zwischen Abgeordneten der CDU und den LINKEN)

Ich kann auch gerne eine halbstündige Pause einberufen.

(Beifall bei der CDU und der AfD – Unruhe im Saal)

Ich würde dann zum Mittag gehen und Sie hier streiten lassen.

(Beifall bei der CDU, der SPD und der AfD)

Gut, aber jetzt wieder zur Arbeit. Wird das Wort von der SPD-Fraktion noch einmal gewünscht? – Es traut sich gleich niemand mehr nach vorn. AfD-Fraktion? – Ich frage mal in die Runde: Gibt es noch Gesprächsbedarf? – Bitte, Herr Beger.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der allgemeinen Forderung im Debattentitel „Gute Arbeit hat Mehrwert – für ein sozial gerechtes Sachsen“ Folgendes: Der Bürger wird immer wieder behandelt, als könne er nicht eigenverantwortlich handeln. Und in der Tat werden ihm viele Steine in den Weg gelegt. Seinen Sorgen und seiner Vorsorge widmet sich daher zuallererst die deutsche Sozialbürokratie mal mehr, mal weniger erfolgreich. Diese sorgt jedoch weder für das beste Gesundheitssystem noch für die beste Bildung, auch nicht für die maximale Arbeitsplatzsicherheit oder eine auskömmliche Rente.

Wie sozial ist es denn, der arbeitenden Bevölkerung, Arbeitgebern und Arbeitnehmern über Beiträge, Verbrauchs- und Verkehrssteuern zwei Drittel ihres Einkommens wegzunehmen, hart erarbeitetes und mehrfach versteuertes Vermögen der Bürger über die Erbschaftsteuer zu entziehen, den deutschen Sparer mit bisher rund 436 Milliarden Euro über die Nullzinspolitik zu enteignen und dabei gleichzeitig die private Altersvorsorge massiv zu gefährden? Wie glaubwürdig ist der Freistaat, wenn er ein Projekt mit dem Namen „Gute Arbeit für Sachsen“ auflegt, gleichzeitig in seinen Behörden vielen Mitarbeitern aber Verträge mit sachgrundlosen Befristungen anbietet und sich vor dem Rückgriff auf das Arbeitsmarktinstrument Leiharbeit nicht scheut, sachgrundlose Befristungen und Leiharbeit in der Privatwirtschaft jedoch stark moralisierend geißelt?

Meine Damen und Herren! Ich habe es angedeutet: Um zu definieren, was sozial ist, kann man über den Tellerrand schauen. In der Schweiz gibt es eine Staatsbahn, auf die die Menschen stolz sind, weil sie über die Bestellung von Strecken mitentscheiden dürfen. Es gibt viel höhere Renten. Über das Rentensystem haben die Menschen mit abgestimmt. Es gibt kein bedingungsloses Grundeinkommen, weil sich rund 77 % der Schweizer Bevölkerung dagegen ausgesprochen haben. Was lernen wir daraus? Die Schweizer Bürger werden bei politischen Entscheidungen einbezogen. Das nenne ich sozial.

Und in Deutschland geht es dem Fiskus so gut wie schon lange nicht mehr. Er hat im Jahr 2017 satte 4,1 % mehr an Steuern eingenommen als 2016. Das Steueraufkommen belief sich in Deutschland auf rund 675 Milliarden Euro. Zu diesem guten Ergebnis trugen maßgeblich einkommens- und gewinnabhängige Steuerarten wie Lohnsteuer und Körperschaftsteuer bei. Auch in Sachsen sprudeln die Steuerquellen fleißig. Fast in jedem Jahr müssen die Steuerschätzungen im Freistaat um mehrere hundert Millionen Euro nach oben korrigiert werden.

Herr Beger, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Zu begrüßen wäre es, wenn der Bürger mit entscheiden dürfte, wofür das Geld ausgegeben wird. Lassen Sie uns in Zukunft doch einmal darüber debattieren und auch darüber, wie wir endlich die Kosten für den Faktor Arbeit senken können,

Herr Beger, bitte!

– sodass gute Arbeit wieder einen Mehrwert für alle Menschen hat, die damit Geld verdienen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Für die Fraktion GRÜNE Herr Abg. Zschocke, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen und Herren! Über Karl Marx wäre in der Tat viel zu sagen, über politische Indoktrination und über das, was er tatsächlich geschrieben hat, aber dafür fehlt mir schlicht und ergreifend die Redezeit. Ich möchte die heutige Debatte nutzen, um auf Realitäten im Jahr 2018 in Sachsen einzugehen.

In einer Anhörung im letzten Sozialausschuss hat ein Sachverständiger einen sehr provozierenden Vergleich aufgemacht. Er hat nämlich vorgerechnet, was eine KfzWerkstatt für die Wartung eines unserer Fahrzeuge bekommt und was ein Pflegedienst für die Pflege eines unserer Angehörigen bekommt. Diese Provokation – das war eine Provokation – trifft aber den wunden Punkt, weil sie zeigt, wie Aufmerksamkeit und Wertschätzung in unserer Gesellschaft verteilt sind, und das hat sehr wenig mit Karl Marx zu tun. Das hat Rückwirkungen auf das Image von Berufen, auf das Image von Einrichtungen, auf das, was Menschen als sinnstiftende Arbeit für sich entdecken und was unsere Arbeitswelt gerade verändert. Deshalb möchte ich das der Koalition und der Staatsregierung ganz deutlich ins Stammbuch schreiben.

Nehmen Sie diese Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt ernst, nehmen Sie die Entwicklungen in unserer Gesellschaft ernster. Hören Sie auf, mit Verweis auf fehlende Zuständigkeiten die Probleme von sich zu schieben. Hören Sie auf mit der Schönfärberei, mit der Relativierung offensichtlicher Probleme, und lösen Sie endlich Ihre Versprechen ein. Ich habe im Koalitionsvertrag nachgeschaut: Sie haben zum Beispiel versprochen, die Abwanderung von Fachkräften im Sozialbereich zu stoppen. Nehmen Sie die Planungs- und Gestaltungsverantwortung auch für diesen Teil des Arbeitsmarktes als Aufgabe der Staatsregierung an und nutzen Sie die Stellschrauben. Herr Minister Dulig, bleiben Sie nicht bei der Kampagne „Gute Arbeit für Sachsen“ stehen. Erkennen Sie die Zuständigkeiten, nutzen Sie die Einflussmöglichkeiten und vergessen Sie bitte dabei auch die sozialen Berufe nicht.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die CDU-Fraktion und die Fraktion DIE LINKE hätten noch Redezeit. – Herr Brünler, bitte.

Da gehen wir doch tatsächlich noch mal vor. Ich denke, einige Sachen müssen wir in aller Sachlichkeit, in aller Ruhe geraderücken. Kollege Ittershagen, wenn Ihnen nicht klar ist, worüber wir hier sprechen, hätten Sie sich vielleicht den Titel der Aktuellen Debatte noch einmal durchlesen sollen. Es ging hier nicht um ein Seminar für Marxismus-Leninismus, sondern es ging tatsächlich um Marx und sein wissenschaftliches Werk, das heißt, es geht um den Wissenschaftler und Ökonomen Marx, inwieweit er heute noch aktuell ist.

(Zuruf des Abg. Steve Ittershagen, CDU)

Sie haben vorgeworfen, dass Marx von Klassenkämpfen gesprochen hat. Natürlich hat er von Klassenkämpfen gesprochen. Sie hätten das Ganze im Kontext lesen müssen und nicht nur ein Stichwort herausgreifen sollen. Sie haben es augenscheinlich nicht gelesen und nicht begriffen, wovon Sie hier überhaupt irgendwelche Bekenntnisse abblubbern, weil die Klassenkämpfe, von denen Marx sprach, letztlich ganz konkrete Interessenkonflikte waren. Interessenkonflikte gibt es in einer Gesellschaft. Interessenkonflikte gibt es auch in unserer Gesellschaft. Wenn wir uns die Wirtschafts- und Finanzkrise 2007 anschauen, was da die Ursachen waren – –

(Robert Clemen, CDU: Nein, Sie müssen mal Karl Marx lesen!)

Hören Sie zu, da können Sie noch etwas lernen. Habe ich gemacht, im Gegensatz zu Ihnen.

(Zurufe der Abg. Robert Clemen und Steve Ittershagen, CDU – Lars Rohwer, CDU, meldet sich zu einer Zwischenfrage.)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Selbstverständlich, gern.

Herr Rohwer, bitte.

Herr Kollege Brünler, weil Sie auf die Theorie von Karl Marx abgehoben haben: Verstehe ich Sie dann richtig, dass Sie heute die Auffassung vertreten, dass man diese Klassenkämpfe, die Sie da beschreiben, mit Gewalt führen soll?