Protocol of the Session on March 14, 2018

Meine Damen und Herren! Der Breitbandausbau muss in Sachsen komplett neu aufgestellt werden. Weiter daran festzuhalten, die Verantwortung des Breitbandausbaus auf regionaler oder lokaler Ebene zu belassen, ist der falsche Weg. Da der vorliegende Antrag diesem Ziel nicht folgt, werden die fraktionslosen Abgeordneten diesem Antrag nicht zustimmen.

(Beifall bei den fraktionslosen Abgeordneten)

Das war Frau Kersten. – Gibt es Bedarf, eine zweite Runde zu eröffnen? – Das kann ich nicht feststellen. Damit kommt jetzt die Staatsregierung zum Zug. Das Wort ergreift Herr Staatsminister Prof. Wöller.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag versucht die Fraktion der

AfD wieder einmal, die Verantwortung für den Breitbandausbau in Sachsen allein und ausschließlich der Staatsregierung zuzuweisen. Über die Tatsache, dass zunächst die Telekommunikationsunternehmen in der Pflicht sind, die Menschen mit schnellem Internet zu versorgen, und darüber, dass für die aktuelle Situation offensichtlich ein Marktversagen verantwortlich ist, verlieren Sie kein Wort. Das zeigt mir, dass Sie vom Grundgesetz keine Ahnung haben oder es einfach nur ignorieren.

Lassen Sie mich aus Artikel 87 f Abs. 2 des Grundgesetzes zitieren, in dem es um das Postwesen und die Telekommunikation geht. Zitat: „Dienstleistungen … werden als privatwirtschaftliche Tätigkeiten durch … private Anbieter erbracht.“ Der Freistaat wie auch der Bund handeln beim Breitbandausbau, weil die Telekommunikationsunternehmen in den letzten Jahren nicht ausreichend investiert haben. Sie haben zu wenig in die Infrastruktur gesteckt, die für die Anforderungen einer zukunftsfähigen Datenübertragung geeignet ist. Es wurde auf der Basis von Kupferkabeln geplant und gebaut. Hier liegt Marktversagen vor. Deswegen gibt es eine Rechtfertigung für Handeln der öffentlichen Hand.

Die Förderstrategie des Bundes, auf die wir aufgebaut haben, ist bislang darauf ausgerichtet, möglichst zügig eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit mindestens 50 Mbit zu erreichen. Natürlich ist uns allen bewusst, dass dies nur ein Zwischenschritt sein kann. Der aktuelle Koalitionsvertrag von SPD und CDU/CSU im Bund legt als neues Ziel „Glasfaser in jedes Haus“ fest. Dieses Ziel verfolgt die Sächsische Staatsregierung schon seit Langem. Bei der von Ihnen kritisierten Nutzung von Übergangstechnologien wie Vectoring für einen Zwischenschritt hin zu einem Gigabit-fähigen Netz können wir dagegen nicht verhindern, dass Unternehmen entscheiden, Haushalte mit dieser Technologie anzuschließen. Diese Ausbauvorhaben erfolgen bislang ohne Förderung.

Bitte nehmen Sie zudem zur Kenntnis, dass mit dem Einsatz von Vectoring auch Bandbreiten von 100 Mbit pro Sekunde und gegebenenfalls sogar mehr möglich sind. Das ist aber nicht der Anspruch, den wir haben. Wir wollen das flächendeckende Gigabit-Netz. Der Bund hat sich – Herr Kollege Rohwer hat darauf hingewiesen – im Rahmen des Koalitionsvertrages auf Bundesebene auch deutlich dazu bekannt und wird bis zu 12 Milliarden Euro bereitstellen. In Zukunft werden wir auch in Sachsen nur noch Anträge bewilligen, die darauf ausgerichtet sind.

Meine Damen und Herren, die AfD bemängelt, dass Sachsen im Bundesvergleich an viertletzter Stelle bei der Versorgung mit 50 Mbit steht. Der Einsatz von Fördermitteln war darum notwendig und wird auch weiter notwendig bleiben. Wir können hier auf viele Erfolge verweisen. Die vom Bund zugesagten Förderungen aus den bisherigen fünf Calls dokumentieren die sehr gute Arbeit, die von Kommunen im Rahmen der Antragstellung geleistet wurde. Mit der Umsetzung der bisherigen Förderprojekte haben wir in Sachsen die Ausbauquote mit 50 Mbit um

nahezu zehn Prozentpunkte gesteigert. Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, bis Ende 2020 eine Versorgung von 100 Mbit bei mindestens 50 % der Haushalte zu erreichen. Das werden wir schaffen. Die Staatsregierung hat sich auch das Ziel gesetzt, diese Bandbreite bis Ende 2025 flächendeckend in Sachsen möglich zu machen.

Meine Damen und Herren, in Ihrem Antrag fordern Sie eine Bestandsaufnahme der Internetdurchschnittsge

schwindigkeit in Sachsen. Es ist Aufgabe der Bundesnetzagentur, die tatsächlich bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommende Versorgung zu messen und diese Daten zur Verfügung zu stellen. Es hilft auch niemandem, zu wissen, was im Durchschnitt in Sachsen bei allen Internetnutzern ankommt. Dazu müsste man zum Beispiel auch berücksichtigen, welche Verträge die Nutzer im Einzelfall abgeschlossen haben. Wichtig ist doch vielmehr, dass jeder private und gewerbliche Nutzer sich informieren kann, welche Bandbreite er mit seinem Anschluss tatsächlich erreicht. Das kann man zum Beispiel mit Programmen und einer App der Bundesnetzagentur ganz einfach selbst machen, und dann kann jeder Nutzer gegenüber seinem Anbieter auf die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Leistung pochen.

Gestatten Sie mir zum Schluss noch eine Anmerkung zum DigiNetz-Gesetz. Die dadurch erfolgten Änderungen des Telekommunikationsgesetzes zeigen in die richtige Richtung. Für die Bürgerinnen und Bürger wird es sich auszahlen, dass die Straße vor ihrer Haustür nicht mehr für jedes einzelne Rohr aufgerissen werden muss. Jetzt wird das bei einer ohnehin erforderlichen baulichen Maßnahme vorsorglich mit gemacht. Das erspart ihnen zum einen die Belästigung, die jedes Straßenbauprojekt mit sich bringt; zum anderen werden dadurch bei den Telekommunikationsunternehmen Kosten gespart. Diese Einsparungen werden sie, so jedenfalls meine Überzeugung, an die Bürgerinnen und Bürger weitergeben.

Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Das war Staatsminister Prof. Wöller für die Staatsregierung. Wir kommen jetzt zum Schlusswort. Das hat die AfD, so sie denn möchte. – Kollege Beger, bitte.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Bereits im Jahr 2013 forderte der Bundesverkehrsminister Herr Dobrindt: „Deutschland braucht das schnellste und intelligenteste Netz der Welt.“ Unser sächsischer Wirtschaftsminister sprach sich 2017 für Gigabit-Verbindungen aus. Wenig später sprach er sogar davon, man müsse einen Schritt hin zur GigabitGesellschaft tun.

Wie sieht die Wahrheit in Deutschland aus? Es bestehen überall Breitbandflickenteppiche. Wir befinden uns in Bezug auf schnelle Internetzugänge im internationalen

Vergleich auf Platz 25. Im Bundesvergleich befindet sich Sachsen – – Na ja, Sie ahnen es schon.

Vor ein paar Tagen kam dann eine Nachricht, die für das ganze Versagen in hohem Maße Symbolcharakter hat: Für den Breitbandausbau standen Bundesmittel in Höhe von 1,57 Milliarden Euro zur Verfügung. Davon wurden zwischen 2015 und 2017 gerade einmal 27,7 Millionen Euro ausgegeben. Das sind gerade einmal 1,8 % der verfügbaren Summe.

Meine Damen und Herren, wie reagiert die Staatsregierung, und wie reagiert der Sächsische Landtag? Wir sehen es, die Staatsregierung hat ihren Schwerpunkt auf die Beobachtung des Breitbandgeschehens gelegt. Der Tatendrang ist rudimentär ausgeprägt. Der Landtag – lesen Sie sich noch einmal das Protokoll der 55. Plenarsitzung zu unserem Antrag „Breitbandversorgung für den ländlichen Raum und die sächsische Wirtschaft endlich flächendeckend erschließen“ durch.

Zu unserem Antragspunkt „100 % Förderung für finanzschwache Kommunen“ wurde aus den Reihen der GRÜNEN wie folgt reagiert: Diese Politik der AfD ist nicht Giga, sondern eher gaga. – Ein SPD-Abgeordneter meinte, der Antrag sei unlogisch, weil man nicht auf eine flächendeckende Breitbandversorgung angewiesen sei, und aus den Reihen der CDU kam sinngemäß, dass die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen zu viel Geld in den Breitbandausbau investierte und dafür die Quittung bekommen habe und es das mit der CDU nicht geben werde.

Meine Damen und Herren! Diese Ignoranz, diese Arroganz hat Sie eingeholt. Herr Kretschmer hat nun endlich selbst wesentliche Forderungen unseres damaligen Antrags in seiner Regierungserklärung aufgegriffen.

(Zuruf von der CDU: So ein Blödsinn! – Gegenruf von der AfD: Das stimmt!)

Die Forderungen des vorliegenden Antrags sind nicht weniger relevant. Vergeuden Sie nicht wieder kostbare Zeit. Das hilft den Bürgern in Sachsen nicht weiter. Stimmen Sie unserem Antrag deshalb zu.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Wir hörten das Schlusswort und kommen nun zur Abstimmung.

Meine Damen und Herren, ich stelle nun die Drucksache 6/12102 zur Abstimmung und bitte bei Zustimmung um Ihr Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Keine. Damit ist die Drucksache 6/12102 nicht beschlossen und Tagesordnungspunkt 9 ist beendet.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 10

Umgang mit Ersatzfreiheitsstrafen in Sachsen

Drucksache 6/10018, Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,

mit Stellungnahme der Staatsregierung

Hierzu können die Fraktionen in folgender Reihenfolge Stellung nehmen: GRÜNE, CDU, DIE LINKE, SPD, AfD sowie die Staatsregierung, wenn gewünscht. Es beginnt die einbringende Fraktion GRÜNE. Das Wort ergreift Frau Kollegin Dr. Meier.

Ohne Doktortitel.

Macht nichts. Entschuldigung, ich war mir jetzt nicht sicher.

Sehr geehrter Herr Präsident, danke für die Adelung! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir sprechen seit Jahren über überfüllte Gefängnisse und zu wenig Personal. Sicher gibt es viele Ansätze, aber einer davon wäre, einmal zu schauen, wer eigentlich warum in Haft sitzt.

Da lohnt sich ein Blick nach Sachsen, denn circa 350 Personen verbüßen hier eine Ersatzfreiheitsstrafe. Das sind immerhin 10 % der in Sachsen einsitzenden Gefangenen. Um es vielleicht noch ein bisschen plastischer zu machen: Das entspricht einer kompletten Justizvollzugsanstalt, zum Beispiel Zeithain, die eine Belegungskapazität von 355 Personen hat. Das bedeutet also, dass im Freistaat Sachsen eine ganze Haftanstalt allein für Menschen benötigt wird, die in der Haft eigentlich nichts zu suchen haben.

Denn eine Ersatzfreiheitsstrafe verbüßen Personen, die von Gerichten zu einer Geldstrafe und eben nicht zu einer Haftstrafe verurteilt wurden. Dass sie dann doch im Gefängnis landen, widerspricht dem Ergebnis der gerichtlichen Entscheidung. Diese Menschen gehören nicht ins Gefängnis. Und doch unterhält der Freistaat faktisch ein ganzes Gefängnis allein für Personen, die in den allermeisten Fällen schlicht ihre Geldstrafen nicht zahlen können.

Natürlich gibt es auch Verurteilte, die nicht zahlen wollen, auch aus politischen Gründen. Aber man muss ganz klar sagen: Die Ersatzfreiheitsstrafe ist in den allermeisten Fällen eine Strafe, die vor allem arme Menschen trifft. Diese Menschen haben oftmals den Anschluss an die Erwerbsgesellschaft nicht geschafft. Mitunter weisen sie eine Suchterkrankung oder psychische Erkrankungen auf. Wenn ich einen solchen Menschen für ein paar Monate wegsperre, weil er seine Geldstrafe nicht aufbringen konnte, kann der Resozialisierungsauftrag des Sächsischen Strafvollzugsgesetzes nicht erfüllt werden.

Resozialisierungsmaßnamen sind in der Kürze schlicht nicht umsetzbar. Es ist kein nachhaltiges Arbeiten an den

individuellen Problemen der Betroffenen möglich. Im Gegenteil, zusätzliche Problemlagen werden geschaffen: Für viele bedeutet ein Gefängnisaufenthalt den Verlust des sozialen Umfelds, gegebenenfalls den Verlust bestehender Einkünfte aus Arbeitsverhältnissen und oft auch den Verlust der Wohnung. Damit verschlechtert sich die Zahlungsfähigkeit der Betroffenen noch weiter. Das ist, glaube ich, das Gegenteil von dem, was eigentlich gefragt wäre, nämlich Hilfe zur Selbsthilfe und Resozialisierung.

Letztlich werden Menschen in hochgesicherten Gefängnissen einige Wochen lang vor sich hin verwaltet, um dann wieder in ihre prekäre und meist noch weiter verschlechterte Lebenssituation zurückzukehren. Ich glaube, vor diesem Hintergrund müssen wir auch auf Bundesebene ganz grundsätzlich eine Debatte über die Entkriminalisierung bestimmter Delikte und die Schaffung anderer Sanktionsarten führen.

Wir sind hier aber im Land Sachsen. Es gibt bereits landesrechtliche Regelungen, die die ausschließlich negativen Folgen der Ersatzfreiheitsstrafe für die Gesellschaft und den Einzelnen verringern sollen. Beispielsweise wäre es sinnvoll, in den sächsischen Strafvollzugsgesetzen zu verankern, dass Ersatzfreiheitsstrafen eben nicht im geschlossenen Vollzug, sondern im offenen Vollzug verbüßt werden. Natürlich sollte es auch eine individuelle, persönliche Begleitung dieser Personen durch Sozialarbeiter geben. Doch dazu heißt es dann aus dem Justizministerium, dass die Betreuung im geschlossenen Vollzug besser sei.

Im gleichen Atemzug will die Staatsregierung aber die Strafvollzugsgesetze novellieren und sieht dabei in einem ersten Referentenentwurf empfindliche Einschnitte beim Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen vor. Von einer Ersatzfreiheitsstrafe Betroffene sollen quasi einen „Vollzug light“ durchlaufen. Es wird künftig also eine Akte angelegt, es werden einige Formulare ausgefüllt und fertig. Übrig bleibt ein Verwahrvollzug. Hier wird der Resozialisierungsauftrag des Strafvollzugs zur Makulatur. Das, meine sehr verehrten Damen und Herren, halten wir nicht für zielführend.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen den Vollzug von Ersatzfreiheitsstrafen in Sachsen neu regeln. Wir wollen, dass zur Vermeidung von Ersatzfreiheitsstrafen verstärkt gemeinnützige Arbeit vermittelt wird. Ja, das ist schon heute möglich, aber 350 Personen – wobei die Anzahl jedes Jahr steigt – sind meines Erachtens zu viel.

Deswegen fordern wir regionalspezifische Pools mit geeigneten Trägern und möglichen Tätigkeiten. Allen ist klar, dass wir es hier meist mit einer sehr schwierigen Klientel zu tun haben, die in der Regel eine engmaschige Betreuung und Kontrolle benötigt. Daher müssen notwendige sozialarbeiterische Standards für die Träger der gemeinnützigen Arbeit definiert werden.

Zudem braucht es eine – die gesamten Lebensumstände umfassende – enge und persönliche Betreuung, die eben nicht an den Mauern der Justizvollzugsanstalten endet, sondern bereits nach einer Verurteilung zur Geldstrafe am Wohnsitz des Betroffenen beginnt. Wir brauchen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, die gut vernetzt sind und zum Beispiel mit der örtlichen Suchtberatung individuelle Lösungen suchen. Das ist nicht nur Aufgabe der Justiz, aber die Justiz sperrt diese Personen letztlich ein und sollte es sich schon deshalb zur Aufgabe machen, Impulse in die anderen Ressorts hineinzusetzen, zum Beispiel ins Sozialministerium, aber auch in die Kommunen.

Ich denke, wir müssen dieses Problem an der Wurzel angehen. Das kann meines Erachtens nur mit einem vernetzten Arbeiten zwischen den Ressorts funktionieren – dem Sozialressort, der Justiz, aber auch mit den Kommunen. Die Ressorts müssen dann auch die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen.