Protocol of the Session on February 1, 2018

Nichtsdestotrotz, wenn Sie die Zahlen interessieren, dann kann ich das sehr gern einmal zusammenstellen lassen und diese Zahlen illustrieren. Die Aussage ist damit noch viel präziser. Richtig ist, dass es Aufwand verursacht und dass man dafür Personal benötigt.

Die AfD, bitte; Herr Wendt.

Vielen Dank, Frau Präsidentin! Herr Staatsminister, noch einmal zum Thema „Asylklagen massiv gestiegen – Gerichte vor dem Kollaps“: Wie erklärt sich die Staatsregierung die gewaltige Diskrepanz zwischen den Entscheidungen des BAMF und der Gerichte?

Vielen Dank für die Frage. Ich schau mal in die Zahlen. Ich habe einige vorliegen, denn ich dachte mir schon, dass es um viele Zahlen geht.

Was man erst einmal abstrakt sagen kann: Die Diskrepanz zwischen den Zahlen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge und den Eingängen bei den Verwaltungsgerichten resultiert zum großen Teil daraus, dass Verfahrensabschlüsse beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, die letztlich einen positiven Bescheid für den Antragsteller zur Folge haben, sich nicht bei den Verwaltungsgerichten wiederfinden. Das heißt, mehr als die Hälfte dieser Diskrepanz zwischen den Zahlen beim BAMF und bei den Verwaltungsgerichten resultiert aus diesem Umstand.

Wir hatten im Jahr 2017 in Sachsen insgesamt 18 436 Asylanträge und darunter circa 8 000 ablehnende Bescheide. Im Bereich Asylrecht hatten wir insgesamt 7 750 Klagen und 1 276 Eilverfahren. Wenn man einmal die Quote aus den durch das Bundesamt in Sachen ablehnend

beschiedenen circa 8 000 Asylanträgen und den bei den drei sächsischen Verwaltungsgerichten anhängig gewordenen 7 750 Klagen in Asylsachen bilden möchte, dann beträgt die Quote letztendlich 96 % Das bedeutet, dass fast jeder, der einen ablehnenden Bescheid bekommen hat, auch tatsächlich ins Rechtsmittel gegangen ist.

Wenn man sich dann die Quote aus allen beim Bundesamt in Sachsen erledigten Asylverfahren, also aus diesen 18 436, und bei allen drei sächsischen Verwaltungsgerichten im Jahr 2017 anhängig gewordenen Verfahren in Asylsachen, das sind circa 10 000, anschaut, dann sind das 59,2 %.

Jetzt muss man aber sagen, dass man das gar nicht so leicht nebeneinanderstellen kann. Das wäre zu kurz gedacht, wenn man sagt: Eingangs- bzw. Abschlusszahlen Bundesamt 2017, Eingangszahlen 2017 bei den Verwaltungsgerichten, weil bei den Verwaltungsgerichten Verfahren eingehen, die zum Teil schon im Jahr 2016 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge abgearbeitet worden sind. Das heißt, diese Zahlen und Quoten, nach denen Sie fragen, sind mit Vorsicht zu genießen. Das kann man im Prinzip nicht in Deckung zueinander bringen.

Die CDUFraktion; Herr Anton, bitte.

Sehr geehrter Herr Staatsminister! Sie hatten zuletzt noch einmal ausgeführt, dass die Rechtsmittelzahlen doch gewaltig sind, aber die Abarbeitung, zumindest in der ersten Instanz, am Verwaltungsgericht zügig funktioniert. Welche Auswirkungen zeichnen sich denn für die Berufungsinstanz, sprich für die Verfahrenszahlen am Oberverwaltungsgericht, ab? Besteht die Besorgnis, dass es im Rechtsmittelverfahren zu einer erschwerten Abarbeitung kommt?

Wenn ich in die Zahlen schaue, dann spiegeln sich diese hohen Eingangszahlen bei den Verwaltungsgerichten auch beim Oberverwaltungsgericht wider. Wir hatten im Jahr 2016 noch 167 Eingänge beim Oberverwaltungsgericht in Asylsachen und im Jahr 2017 sind es schon 638 Eingänge gewesen. Das heißt, diese Entwicklung vollzieht sich dort nach.

Die Schwierigkeit für uns ist: Wenn wir Personal an das Oberverwaltungsgericht schicken wollten, dann müssten es reguläre, auf Lebenszeit verbeamtete Richter an den Verwaltungsgerichten sein. Das heißt, wir würden die Verwaltungsgerichte schwächen, wenn wir das Oberverwaltungsgericht in diesem Maß stärken. Proberichter können wir dafür nicht einsetzen. Deswegen sind wir dort weniger flexibel als bei den Verwaltungsgerichten.

Jetzt ist es mit Sicherheit beim Oberverwaltungsgericht so, dass es durchaus die angespannte Situation erkennt, aber noch im Griff hat. Mit Sicherheit ist es auch so, dass in den kommenden Jahren diese Bugwelle weg sein wird und man dort wieder auf Zahlen kommt, die man ohne Probleme in den Griff bekommt. Insofern bleibt die

Situation dort angespannt. Die Frauen und Männer tun alles, um das im Griff zu behalten, und das machen sie gut. Ich bin auch nicht bange, dass sich das in den kommenden Jahren wieder normalisieren wird.

Eine letzte Frage noch von der Fraktion DIE LINKE, bitte kurzfassen. Die Zeit ist gleich um. Herr Bartl, bitte.

Zur zusätzlichen Fragestellung der AfD: drohender Kollaps bei den Verwaltungsgerichten. Sie haben dargelegt, wie viele Richterinnen und

Richter zugeführt wurden. Kann man von einem drohenden Kollaps sprechen?

Man kann nicht von einem drohenden Kollaps sprechen.

Meine Damen und Herren! Ich bedanke mich noch einmal bei Herrn Staatsminister Gemkow für die Beantwortung der Fragen.

Damit ist dieser Tagesordnungspunkt abgeschlossen.

Ich rufe auf

Tagesordnungspunkt 3

Reform Dublin-Verordnung

Drucksache 6/12124, Prioritätenantrag der Fraktion AfD

Hierzu können die Fraktionen Stellung nehmen. Es beginnt die einreichende Fraktion, die AfD, mit Herrn Barth. Danach folgen CDU, DIE LINKE, SPD, GRÜNE, Herr Abg. Wurlitzer und die Staatsregierung, wenn sie es wünscht.

Bitte, Herr Barth, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Als ich am 22. Januar 2018 den Pressespiegel durchlas, fiel mein Blick auf einen sehr interessanten Artikel. In den „Dresdner Neuesten Nachrichten“ hieß es – ich zitiere wörtlich –: „Wöller warnt vor weiterer Zuwanderung, Innenminister besorgt über EU-Pläne beim Asylrecht.“

(Zuruf: Es heißt Wöller!)

Wörtliches Zitatende.

(Allgemeine Heiterkeit)

Spontan fragte ich mich, ob denn unser neuer Innenminister den Antrag der AfD-Fraktion unterstützen möchte, denn der vorgenannte Artikel klingt sehr danach. Innenminister Wöller warnte vor einer zweiten Zuwanderungswelle. Die Reform des Asylrechts führe zu einer Ungleichbehandlung Deutschlands. Ich sage es Ihnen ganz klar und deutlich: Die erste Zuwanderungswelle war schlimm genug. Mit deren Folgen kämpfen wir bis heute. Eine zweite Leidenswelle brauchen wir nicht.

Eine Änderung der Dublin-Regeln führt nicht nur zu einer Ungleichbehandlung, sondern auch zu einer Schlechterstellung unseres deutschen Vaterlandes. Hat denn Deutschland nicht schon genug ertragen?

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Ja!)

Wer nahm denn die Migrantenströme im Jahr 2015 überwiegend auf?

(Petra Zais, GRÜNE: Italien und Griechenland!)

Sind wir nicht zu Recht entschlossen, keine weiteren Migrantenmassen zu ertragen?

(Zuruf der Abg. Juliane Nagel, DIE LINKE)

Warum fragen wir, Frau Nagel – wir und viele besorgte Bürger –, uns das überhaupt? Im EU-Parlament gibt es nämlich Pläne, die Dublin-Regeln neu zu reformieren. Zukünftig – und jetzt hören Sie genau zu – soll nicht mehr das europäische Land zuständig sein, in dem der Asylbewerber angekommen ist, sondern das europäische Land, in dem er seine Familienangehörigen bereits seit dem Jahr 2015 oder vorher leben hat.

(Zurufe von den LINKEN)

Die bisherige Dublin-Verordnung, Frau Nagel, wird damit restlos entkernt.

(Juliane Nagel, DIE LINKE: Das ist richtig so!)

Liebe Frau Nagel, wer hat den Schaden davon, wenn wir künftig alle Flüchtlinge aufnehmen müssen? Deutschland, Deutschland und noch einmal die Bundesrepublik Deutschland. Sollten wir das hinnehmen, meine Damen und Herren? Nein, nein, nein!

(Zuruf von der CDU: Nein! – Allgemeine Unruhe)

Wieso aber eine solche Schnapsidee in einem Ausschuss des Europaparlaments eine Mehrheit finden konnte, das ist die entscheidende Frage.

(Petra Zais, GRÜNE: Das ist Demokratie!)

Liegt es vielleicht daran, dass der Zwergstaat Malta auf einen Abgeordneten nur 64 000 Einwohner vereinigt, während Deutschland für einen Abgeordneten 811 000 Einwohner stellen muss? Der „Spiegel“ berichtet, dass die umstrittenen Änderungen der Dublin-Reform im Paket mit anderen, für die Unionsparteien wichtigen Änderungen verabschiedet worden seien.

(Zuruf von den LINKEN: Na so was!)

Meine Damen und Herren, wenn ich es richtig verstehe, haben sich Deutschlands Europaabgeordnete von CDU und SPD für laue Versprechen breitschlagen lassen. Dies ist ein Paradestück eurokratischer Mehrheitsbeschaffungen. Verschiedene Themen werden in einer Suppe zusammengerührt, sodass für jeden Geschmack etwas dabei ist. Letztendlich schmeckt die Suppe aber keinem so richtig. Deutschland als stärkstes Land lässt sich hierbei auch gern über den Tisch ziehen. Die Briten haben es schlauer gemacht.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Na ja!)

Wenn die lieben Europaabgeordneten von CDU und SPD dies für einen fairen Interessensausgleich halten, so muss ich konstatieren: In Wahrheit ist dies ein fauler Kompromiss.