Protocol of the Session on September 27, 2017

Ja, an dieser Stelle manchmal sehr wohl.

Im Übrigen, gerade an dieser Stelle, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sie sogar sinnvoll gehandelt. Das ELER-Vereinfachungsprogramm war keine Frage der Subsidiarität, sondern es ist in ganz anderen Prozessen des europäischen Austauschs zustande gekommen und nach Europa vermittelt worden, also nicht als Subsidiaritätskontrolle usw., sondern viel deutlicher im Wege des politischen Dialogs. Darum geht es.

Wir müssen uns von Sachsen aus – das ist das Defizit der vergangenen Jahre, auch hier im Hohen Haus, das Frustration in der Bevölkerung produziert – viel deutlicher dann einmischen, wenn es um Freiheitsinteressen der Bürgerinnen und Bürger geht, wenn es um soziale Interessen der Bürgerinnen und Bürger geht, wenn es um politische Interessen der Bürgerinnen und Bürger geht, wenn es um wirtschaftliche Interessen der Bürgerinnen und Bürger bzw. unserer Unternehmen geht, und zwar auch abseits der Subsidiaritätsvereinbarung zwischen Landtag und Staatsregierung. Das ist unsere Aufgabe.

In diesem Sinne – so glaube ich – wäre es dringend geboten, den Impuls sowohl von Jean-Claude Juncker als auch von Emmanuel Macron aufzunehmen und endlich zu dem zu kommen, was wir schon – wann es genau war, weiß ich nicht, vielleicht können Sie, Herr Staatsminister, mir da helfen – vorgeschlagen haben, nämlich gemeinsam in Bürgerforen hineinzugehen, als Staatsregierung, als Parlament, und Europa zu diskutieren. Das hatten wir anhand der Szenarien der Kommission vorgeschlagen. Jetzt sollten wir aus Anlass der beiden Reden mit diesem Gedanken fortfahren und ihn endlich umsetzen. Wir wollen unseren Vorschlag noch einmal unterstreichen. Lassen Sie uns gemeinsam in solche Foren gehen, weil Europa es verdient hat, von uns getragen und mit unseren europäischen Partnern weiterentwickelt zu werden.

Dazu lade ich Sie ein. Das stärkt den Zusammenhalt in Europa, nicht der Rückfall in Nationalismen.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Das war Herr Kollege Stange in dieser dritten Runde für die Fraktion DIE LINKE. Gibt es weiteren Redebedarf aus den Fraktionen heraus? Sollen wir sogar noch eine vierte Runde eröffnen, Kollege Stange?

(Enrico Stange, DIE LINKE: Habe ich noch Zeit?)

Ihre Fraktion hat noch Redezeit. Die können Sie noch verbrauchen.

Ich sehe aber, dass jetzt am Ende dieser dritten Runde die Staatsregierung am Zuge ist. Bitte, Herr Staatsminister Jaeckel, Sie können jetzt das Pult Ihr Eigen nennen.

(Valentin Lippmann, GRÜNE: Aber nicht mitnehmen!)

Nein, nur zum Reden.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete des Hohen Hauses, des Sächsischen Landtags! Es geht um die Frage – und das haben die Reden von Kommissionspräsident Juncker und von Staatspräsident Macron gezeigt –: Wie geht es weiter mit der EU?

Trotz aller Probleme, die die EU aktuell hat, wäre ein Rückfall in nationalistische Denk- und Verhaltensweisen ein gefährlicher Weg. Deshalb möchte ich auf etwas hinweisen, das hier in der Debatte an einigen Stellen ein bisschen durcheinandergeraten ist. Es gab – ich habe genau hingehört – in einigen Redebeiträgen keine Unterscheidung zwischen nationalen und nationalistischen Lösungswegen. Ich möchte ganz klar in Richtung AfDFraktion sagen: Nationalistische Lösungen zielen auf Abschottung, auf die eigene Scholle, auf der man meint, glücklich zu werden. Dieser Weg ist definitiv falsch.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD, den GRÜNEN und der Staatsregierung)

Eine zweite Bemerkung von mir. Da Sie Jurist sind, Herr Barth, habe ich mir das mitgenommen, falls es Debatten gibt. Ich möchte darauf hinweisen, dass das Bundesverfassungsgericht in zwei Urteilen, sowohl in der Maastricht- als auch in der Lissabon-Entscheidung, festgehalten hat, dass Europa ein Verbund souveräner Staaten ist. Das hat Marko Schiemann vorhin gesagt. Das bedeutet nämlich auch, dass Deutschland in Europa Deutschland bleiben muss.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den LINKEN und der SPD)

Das ist gar nicht anders zu verstehen. Deutschland muss auch in Europa Deutschland bleiben können. Wir haben – Herr Stange, Sie haben es gesagt – klar umgrenzte Befugnisse auf die Union übertragen. Zu denen stehen wir uneingeschränkt. Was ich gerade beschrieben habe, ist übrigens verfassungsrechtlich in Artikel 23 des Grundgesetzes unterlegt.

Weil ich eine Rechtsdiskussion führe, möchte ich an der Stelle darauf hinweisen, dass ich als Vertreter der Staatsregierung nicht derjenige bin, der Anwalt des Parlamentarismus sein muss. Aber sowohl die heutige Debatte als auch die Beratungen, die wir im Ausschuss zu den von Ihnen erwähnten Reflexionspapieren haben, zeigen, dass ein politischer Dialog stattfindet. Meine Wahrnehmung als Staatsminister in diesem Ausschuss ist, dass die

Debatten, die wir da führen, immer deutlich zwischen politischen und rechtlichen Punkten unterscheiden. Die CDU- und die SPD-Fraktion weisen immer darauf hin, dass es Grenzen für die Rechtswahrnehmung des Freistaates Sachsen in europäischen Rechtsfragen gibt, aber keine für die politischen Themen.

Ich würde gern noch etwas zu den Grundsätzen dessen sagen, was wir in Deutschland und insbesondere in Sachsen für wichtig erachten und was von Europa intendiert ist, was von Europa kommt.

Zur Kohäsionspolitik, Herr Barth, kann man nur deutlich machen, dass es natürlich zwischen der Wirtschafts- und Währungsunion noch Unterschiede gibt. Aber gerade das Instrument der Kohäsionspolitik ist das Mittel, um insbesondere in den ärmeren Regionen einen wirtschaftlichen Ausgleich zu erreichen. Das ist ein Prozess, den wir nicht beenden, sondern den wir fortführen.

Ich will noch erwähnen, dass gerade Sachsen sehr davon profitiert, dass wir ein internationales Projekt von Gemeinschaftsinteresse haben, mit dem wir unsere Investitionen in Sachsen unterstützen. Das setzt nur fort, dass Sachsen in den vergangenen Jahrzehnten sehr von europäischen Mitteln profitiert hat.

Aber es profitiert nicht jeder von mehr Freihandel, Digitalisierung und freien Grenzen. Ein Beispiel dafür passiert gerade in unmittelbarer Nähe von uns, meine Damen und Herren. In einem Dax-Konzern wird die IT-Abteilung outgesourct, und zwar nach Tschechien, nach Polen, nach Portugal, möglicherweise sogar nach Indien. Die sächsischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in diesem Unternehmen schulen gerade diejenigen aus den europäischen Mitgliedsstaaten, die diese Aufgabe künftig übernehmen sollen. Das führt nicht gerade dazu, dass sich die Leute, die in diesem Unternehmen arbeiten, über diese europäische Möglichkeit freuen, in diesem Raum wirtschaftliche Effekte zu erzielen. Die Antwort darauf wird gerade sehr intensiv gesucht.

Es gibt handelsbedingte Arbeitsmarktprobleme. Es gibt grenzbedingte Anpassungsprobleme, mit denen auch der Freistaat Sachsen im Grenzgebiet seit etwa zehn Jahren kräftig zu tun hat. Es gibt Gebiete mit besonderem Ausgleichsbedarf, übrigens nicht nur in den Regionen Ostdeutschlands, sondern auch in vielen Regionen Europas. Deshalb bekennen wir uns weiterhin zu dem Instrument der Kohäsionspolitik. Aber man sollte einmal darüber nachdenken – und das sollte man politisch debattieren –, ob daneben ein neues Instrument gestellt wird. Das Stichwort ist hier der Europäische Globalisierungsfonds, bei dem man über Programme nachdenken könnte, die Mobilität, Erwerbstätigenneuorientierung oder Existenzgründungen massiv unterstützen. Frau Maicher, da – so ist es beim IPCEI, also bei dem Internationalen Projekt Gemeinsamen Europäischen Interesses – kann man sich durchaus vorstellen, dass Europa einen Großteil der Finanzierung übernimmt. Aber warum nicht auch der Nationalstaat, in Wahrnehmung der von mir beschriebenen verfassungsrechtlichen Befugnisse?

Das europäische Asylsystem ist angesprochen worden. Es muss vollendet werden. Wir brauchen eine verbesserte Sicherung der EU-Außengrenzen. Das sind übrigens Positionen, die Macron gestern in seiner Rede vertreten hat.

(Beifall bei der CDU)

Ohne den Schutz der Außengrenzen ist Schengen nicht möglich, meine Damen und Herren. Wir schauen bei Schengen natürlich auf das Thema illegale Migration, die durch Schengen verhindert werden muss, und zwar insbesondere durch ein wirksames Außenregime im Bereich der Grenzsicherung. Aber wir übersehen dabei leicht die wirtschaftliche Seite. Ich möchte einmal daran erinnern, dass BMW jeden Tag 800 Lkw-Ladungen mit Teilen für sein Automobilwerk bekommt. Die Zulieferungen erfolgen aus ganz Europa. Wenn wir dort keinen freien Warenverkehr mehr hätten, würde uns das in den internationalen Lieferketten – Großbritannien spürt das gerade – sehr stark beeinträchtigen.

Noch zwei Bemerkungen zu den Themen Transferunion und Vergemeinschaftung von Schulden. Die CDUFraktion im Sächsischen Landtag hat eine klare Position dazu, dass wir keine Schulden vergemeinschaften wollen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt keinen Plan für eine Transferunion. Aber Europa muss wettbewerbsfähiger werden. Soziale Mindeststandards müssen ebenfalls Beachtung finden und eingehalten werden. Ich führe hierzu Aussagen von Herrn Macron an. Er fordert einen neuen europäischen Sozialfonds, in den Länder mit den höchsten nationalen Sozialbeiträgen zahlen und aus dem Länder mit den niedrigsten Beiträgen Mittel erhalten sollen. Hier wird ein Transfermechanismus vorgeschlagen, der eine Gefahr für die nationalen finanziellen Spielräume begründet. Das ist angesichts meiner ersten Anmerkung ein wichtiger Punkt. Die Haushaltsmittel sollen nämlich dann bei Drittstaaten eingesetzt werden.

Ich denke, ohne dass wir hierzu abschließend politisch im Landtag darüber beraten haben, kann gesagt werden: Eine solche soziale politische Transferunion kann nicht gewollt sein und sollte deshalb auch klar abgelehnt werden.

(Beifall bei der CDU und der AfD)

Am Schluss meiner kurzen Ausführungen möchte ich noch darauf hinweisen, dass die Positionen, die hierzu von der AfD-Fraktion vertreten worden sind, im Grunde genommen Länder mit gleicher Wirtschaftsleistung konstruieren zu wollen, durch die Kohäsionspolitik beantwortet werden können. Gleichzeitig ist es so, dass in der Währungsunion maßgeblich gute Schritte erreicht werden. Am Montag dieser Woche hat die EU-Kommission dem EU-Ministerrat vorgeschlagen, dass das Defizitverfahren gegen Griechenland beendet wird, weil Griechenland das Defizitkriterium einhält. Die nächste Aufgabe ist, sich mit gleichen Reformthemen an Italien zu

wenden und ebenfalls darum zu bitten, dass die Defizitkriterien eingehalten werden.

Herr Barth, Sie haben hier zweimal zum Demokratiedefizit gesprochen. Frau von Storch ist diesbezüglich – ich habe mir das gerade noch einmal angesehen – nicht besonders hervorgetreten. Anscheinend hat sie die Demokratie in Europa überzeugt.

Die Mitglieder der Europaministerkonferenz der deutschen Länder tagen heute übrigens parallel zu dieser Landtagsdebatte. Aufgrund der Debatte im Sächsischen Landtag habe ich mich dort vertreten lassen.

Die Länder bekennen sich dort zur europäischen Integration als in der Welt einmaligem und erfolgreichem Pro

jekt, das es zu bewahren und weiter zu gestalten gilt. Ich wiederhole es noch einmal. Genauso richtig ist: Deutschland muss auch in Europa Deutschland bleiben können.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Herr Staatsminister Jaeckel vertrat am Ende dieser ersten Aktuellen Debatte die Staatsregierung. Ich sehe keinen weiteren Redebedarf. Wir können die erste Aktuelle Debatte abschließen und kommen nun zu

Zweite Aktuelle Debatte

Lieber gleichberechtigt als später – Landesaktionsplan zur

Vielfalt von Lebensentwürfen jetzt konsequent umsetzen!

Antrag der Fraktion DIE LINKE

Als Antragstellerin hat zunächst die Fraktion DIE LINKE das Wort. Es wird ergriffen von Frau Kollegin Buddeberg.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am vergangenen Donnerstag wurde ganz feierlich der Landesaktionsplan zur Akzeptanz der Vielfalt von Lebensentwürfen präsentiert. Für Sachsen, das in vieler Hinsicht gleichstellungspolitisch noch Entwicklungsland ist, ist das tatsächlich ein Grund zu feiern.

Ich möchte das zum Anlass nehmen für eine Danksagung. Zuerst möchte ich den vielen aktiven Haupt- und Ehrenamtlichen aus der LSBTTIQ-Community danken, die sich an der Strukturanalyse beteiligt sowie in Workshops und im Beirat mitgearbeitet haben. Sie haben den Landesaktionsplan inhaltlich qualifiziert, sie haben Themen und Problemlagen an die Ministerien herangetragen. Mit ihrer Arbeit wird der Landesaktionsplan mit Leben erfüllt. Ohne sie wäre der Aktionsplan sinnlos, und ohne sie würde es ihn gar nicht geben.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)