Herr Baumann-Hasske! Wir stimmen tatsächlich darin überein, dass der Euro einen Konstruktionsfehler hat, dass man es in Maastricht unterlassen hat, neben einer Währungsunion eine Wirtschafts- und Sozialunion zu etablieren. Wer hat das unterlassen? Kanzler Kohl hat sich gegenüber Mitterrand nicht durchsetzen können. Dem Franzosen ging es aber darum, die starke deutsche Währung durch die deutsche Wiedervereinigung letztendlich in eine europäische Währung zu überführen. Insofern sind wir uns hinsichtlich des Konstruktionsfehlers völlig einig.
Wir haben in Deutschland aber auch ein paar Verfassungsgrundsätze, die der Ewigkeitsgarantie unterliegen. Dazu gehört auch das Demokratiegebot. Solange Europa weniger demokratische Grundsätze hat als unser Nationalstaat Bundesrepublik Deutschland, solange verbietet es sich vom Grundsatz her, weitere grundsätzliche Kompetenzen an Europa zu übertragen.
Das Budgetrecht des Bundestags, des Haushaltsausschusses teilweise nach Brüssel zu übertragen, um einen
gemeinsamen Eurohaushalt zu etablieren, greift in den staatlichen Bestand unserer Bundesrepublik Deutschland entschieden ein. Solange die Europa-Defizite bestehen, kann aus Sicht meiner Fraktion ein solcher Schritt nicht gegangen werden, Herr Baumann-Hasske. Das will ich hier ganz eindeutig sagen. Aus derselben Ursache ziehen wir sozusagen unterschiedliche Erkenntnisse.
Bevor die Fehler in Europa nicht behoben sind, keine weiteren Euroteilnehmer! Wenn ich hier in der Kurzintervention 5 Minuten lang sprechen könnte, würde ich noch etwas zu Target 2 sagen.
Aber die Redezeit für die Kurzintervention ist abgelaufen, Herr Barth. Sie hat eine bestimmte Zeitdauer. Sie bezog sich auf den Redebeitrag von Herrn Kollegen Baumann-Hasske, den vorhergehenden Redner. Er kann jetzt reagieren. – Bitte, Herr Kollege.
Herr Barth, Sie haben in einigen Bereichen dessen, was Sie gesagt haben, Recht. In der Tat gibt es Eingriffe in die nationale deutsche Souveränität, wenn wir weiter verlagern. Wie weit das allerdings gehen kann, ist bisher weder durch das Bundesverfassungsgericht festgesetzt noch durch andere Institutionen.
Darüber kann man lange debattieren. Es ist erforderlich, die Richtung mit Blick auf eine europäische Wirtschafts- und Finanzpolitik zu verfolgen und den Euro zu heilen, sofern man ihn heilen muss, und auf jeden Fall alles zu tun, was die politische Gestaltung ermöglicht.
Was das demokratische Defizit angeht, bin ich bei Ihnen. Wir müssen schauen, was wir tun können. Das ist allerdings schwierig. Das ist schwierig aufgrund von nationalen, wenn nicht sogar aus nationalistischen Gründen. Das müssen wir uns klarmachen. Wenn wir uns darüber einig sind, dann bin ich sofort dabei, den Euro zu stärken und eine Wirtschafts- und Finanzpolitik zu machen, die den Euro stärkt.
Das war eine Kurzintervention und Reaktion darauf. Wir könnten jetzt in der Rederunde weiter fortfahren. Für die Fraktion DIE LINKE spricht erneut Kollege Stange.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Kollege Baumann-Hasske, seien Sie mit den Gemeinsamkeiten mit der AfD nicht zu voreilig. Wenn man ihnen genau zugehört hat, dann weiß man genau, dass Sie im Grunde gar nicht wissen, was sie möchten. Herr Barth sagt hier in diesem Hause tatsächlich, dass man die EU auf eine Handelsunion – wie in den Neunzigerjahren – souveräner Nationalstaaten zurückführen solle. Das hat er gesagt.
Gleichzeitig sagt er, man solle Demokratiedefizite abbauen, das Europäische Parlament aufwerten usw. Wozu brauchen Sie in einer Handelsunion souveräner Nationalstaaten das Europäische Parlament überhaupt noch?
Überlegen Sie überhaupt, was Sie erzählen? Genau so treten Sie auf und so verwirren Sie im Hinblick auf die Fragen Europas, als dass Sie Klarheit schaffen.
Wir sind uns völlig einig, Kollege Baumann-Hasske, dass der Euro Geburtsfehler hat – das stimmt –: gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik, aber auch die gemeinsame Sozialpolitik, weil die sozialen Gefälle in Europa einfach zu groß sind. Sie sind im Prinzip das eigentliche soziale Problem für bestimmte Folgen: Binnenmigration, Arbeitsmigration usw. Das bezeichne ich aber nicht als Problem. In den anderen EU-Staaten ist dies mit großen Problemen versehen. Deshalb – Frau Kollegin Maicher, ich bin bei Ihnen – müssen wir die soziale Säule deutlich stärken. Das muss über die arbeitnehmerbezogenen Rechte hinausgehen. Es gibt entsprechende Vorschläge von der Europäischen Kommission, die ich nicht nur für diskutabel sondern auch für vertiefenswert halte, wenn es darum geht, die Beschäftigung von Frauen und ihre Rechte zu stärken. Dies betrifft ebenso das Einkommen und die Altersvorsorge. Diese Fragen müssen an dieser Stelle vertieft werden.
Herr Juncker hat nicht nur sinnvolle Punkte in seiner Rede angesprochen. Es sind Defizite vorhanden. Es sind Defizite vorhanden, die man deutlich machen muss. Es ist kein Pfadwechsel von der rein auf die Wirtschafts- und wirtschaftspolitische Orientierung der Europäischen
Union angelegte Diskussion zu erkennen. Eine grundlegende Erneuerung braucht sowohl eine Festigung als auch Vertiefung. Das ist richtig. Daneben braucht es aber ein Mehr an Transparenz, Demokratie und bürgerschaftlicher Partizipation. Es geht nicht nur um die Parlamente. Es geht auch um die bürgerschaftliche Partizipation. Es geht um die Organisation der regionalen Union. Wir als Regionen müssen ein Mehr an Gewicht erhalten.
Die soziale Säule hatte ich angesprochen. Beide große Reden tragen in sich den Gedanken der Festung Europas. Das muss deutlich angesprochen werden. Mit dem Schutz der Außengrenzen ist immer auch verbunden, dass es um die Abwehr von Migration geht. Dazu wird aber nicht gesagt, was getan werden muss, um Migrationsursachen zu bekämpfen. Wenn Herr Juncker sagt, dass Afrika ein „erhabener Kontinent“ sei, dann hört sich das gut an. Die Lösung kann aber nicht sein, dass europäische Tomaten und Billighähnchen die Grundlage der Ökonomie in
Das kann nicht sein. Darauf haben weder Jean-Claude Juncker noch Macron in irgendeiner Weise eine sinnvolle Antwort gegeben. Das muss an dieser Stelle klar und deutlich gesagt werden.
Europa als Wertegemeinschaft muss sich an solchen Fragen messen lassen. Davon bin ich fest überzeugt. Es geht nicht nur um die Bürgerrechte, Freizügigkeit und Freiheit in Europa. Es geht nicht nur um eine Gleichberechtigung, Bürger-, Arbeitnehmer- und Verbraucherrechte einer Klasse in Europa. Es geht nicht nur um die Rechtsstaatlichkeit, Anerkennung, Unterwerfung unter Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Es geht auch um folgende Fragen: Wie möchten wir mit unseren Nachbarn außerhalb der Europäischen Union umgehen? Wie lässt sich ein friedliches Europa gestalten? Diesen Ansatz sollten wir weiter verfolgen und vertiefen.
Jetzt stellt sich ebenfalls folgende Frage: Wie möchten wir in Sachsen mit Europa umgehen? Sind wir in Sachsen bereit, die Europäische Union weiterzuentwickeln?
Welche Visionen – Kollege Schiemann, ich habe von Ihnen noch keine gehört – möchten wir aus Sachsen nach Europa tragen, um sie dort miteinander zu diskutieren und zu entwickeln? Das können wir in einer dritten Runde gemeinsam diskutieren.
Das war Herr Kollege Stange für die Fraktion DIE LINKE. Jetzt meldet sich Kollege Barth erneut zu einer Kurzintervention auf diesen Redebeitrag. Bitte.
Danke, Herr Präsident! Herr Kollege Stange, wenn Sie alles miteinader verrühren, dann muss ich noch einmal deutlich werden. Das Europäische Parlament gibt es seit dem Jahr 1979. Wenn wir über die Neunzigerjahre sprechen, bedeutet das, dass auch in den Neunzigerjahren bereits das Demokratiedefizit im Europäischen Parlament bestand. Wenn Sie also in zeitlicher Hinsicht Äpfel mit Birnen vergleichen, Herr Stange, dann handeln Sie unseriös. Ich stehe zu allen Forderungen, die Sie zitiert haben.
wir uns in den Neunzigerjahren an? Zweitens. Wie viel Souveränität hatten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu diesem Zeitpunkt schon abgegeben? Sie möchten eine Handelsunion – ich wiederhole –, Sie möchten eine Handelsunion der souveränen Nationalstaaten. Das liegt etwas weiter zurück. In den Neunzigerjahren waren bereits Souveränitätsrechte an die Europäische Union abgegeben worden. Punkt.
Wir fahren in der Rednerrunde fort. Nun hätte die AfD-Fraktion in der zweiten Rednerrunde das Wort. – Das ist nicht gewünscht. Möchte die Fraktion GRÜNE sprechen? – Das ist auch nicht der Fall. Möchten die Fraktionslosen das Wort ergreifen? – Das ist auch nicht der Fall. Wir eröffnen jetzt, wie aus den Ankündigungen entnommen werden konnte, eine dritte Runde. Die einbringende CDU-Fraktion möchte nicht sprechen? – Die SPD? – Die Fraktion DIE LINKE? – Herr Stange, Sie haben eine dritte Runde angekündigt. Sie können fortfahren. Bitte.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich hätte mich gar nicht hinsetzen müssen. So viel zu den Visionen, Kollege Schiemann. Vielen Dank.
Fakt ist, dass Sie damit angefangen haben. Sie stellen Visionen gegen Utopie. Sie wissen wahrscheinlich nicht einmal genau, was Sie damit meinen. Sie lassen uns auch noch ohne jeglichen Ausfluss dazu zurück. Das kann man machen, muss man aber nicht. Das zeigt, wie Sie mit Europa umgehen. Das zeigt, welche Vorstellungen Sie, Herr Kollege Schiemann, von Europa haben. Ich bin sehr enttäuscht.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen eine stärkere Beteiligung der Regionen in Europa. Wir brauchen eine stärkere Beteiligung an den europäischen Prozessen. An dieser Stelle, weiß ich, haben wir hier in diesem Hohen Hause schon mehrfach versucht, sowohl als Fraktion DIE LINKE als auch als Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, mit Ihnen, sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, einen vernünftigen Weg zu finden, wie sich das Hohe Haus – der parlamentarische Vertreter des Souveräns in Sachsen – viel stärker in europäische Angelegenheiten einmischen kann. Dann werden wir immer zurückgepfiffen, weil es heißt: Es ist alles nicht Subsidiarität im engeren Sinne usw. usf.
Liebe Leute, das gehört zur Wahrheit dazu, Kollege Schiemann. Wie wollen Sie denn Visionen entwickeln, wenn Sie in Fragen europäischer Politik nicht einmal
wirklich mit den Rechten des Parlaments umgehen können? Sie kommen da mit Ihrem Waschbärenantrag usw. Wir wissen alle, was daraus geworden ist. Wir wissen auch, wie sinnvoll das war. Das, worauf es aber ankommt, will ich als Parlamentarier sehr wohl, wenn es die Staatsregierung sinnvoll angeht, unterstützen. Warum denn nicht?