Protocol of the Session on August 31, 2017

haben, die keine Möglichkeit haben, ihr Kind am Nachmittag noch zum Sportverein, zur Jugendfeuerwehr oder wohin auch immer zu fahren. Die Jugendverbandsarbeit ist in den letzten Jahren in unseren ländlichen Räumen massiv geschrumpft. Ich denke, auch das ist etwas, bei dem wir definitiv viel Nachholbedarf und nach wie vor noch viel vor uns haben.

Gute Arbeit ist der Schlüssel, aber Teilhabe können wir auch über andere Faktoren ermöglichen. Ich denke, wir sind hier alle als Hohes Haus gefordert.

Noch ein Wort zu Herrn Wendt: Sie sagten gerade, wir fabrizieren sozialen Sprengstoff. Aber, Herr Wendt, genau das machen Sie doch eigentlich mit Ihrer unsäglichen Neiddebatte. Mit der Neiddebatte die Schwächsten und diejenigen, die auf unsere Unterstützung angewiesen sind, noch gegeneinander auszuspielen, das ist für mich pure Polemik und das ist absolut schäbig.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN und vereinzelt bei der CDU)

Für die einbringende SPD war das Frau Pfeil-Zabel. Jetzt spricht für die LINKE Frau Kollegin Schaper.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Keine Ahnung, Herr Krauß, welche Kröte Ihnen heute früh über den Pelz gelaufen ist. Aber ganz offensichtlich hat Ihnen diese Begegnung geschadet.

„Starke Wirtschaft, starke Löhne – weniger Kinder in Armut“ – der Titel der Aktuellen Debatte ist zynisch angesichts der Zahlen und der Ausführungen im Fünften Armuts- und Reichtumsbericht, nach welchem die in Armut Betroffenen nicht von der guten wirtschaftlichen Lage profitieren; nachzulesen auf Seite 100, von der Bundesregierung herausgegeben, die Sie stellen.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Mein Kollege Nico Brünler hat schon auf die Kleinteiligkeit der Wirtschaft hingewiesen und auch darauf, dass Ihre Leuchtturmpolitik gescheitert ist, zumindest wenn Sie es in den Kontext mit weniger Kinderarmut setzen.

Sachsen ist – wie schon gesagt – Schlusslicht bei Durchschnittslöhnen, dafür Spitzenreiter bei Aufstockern und Aufstockerinnen. Sie können also nicht so tun, als hätten Sie überhaupt nichts damit zu tun. Sie regieren dieses Land, liebe CDU, mehr als ein Vierteljahrhundert.

(Alexander Krauß, CDU: Das ist gut so!)

Da können Sie sich auch nicht mehr mit Ihrem SEDGequatsche herausreden!

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Das ist umso zynischer, als Tillich selbst über Jahre gemeinsam mit der FDP das Niedriglohnland Sachsen als Standortvorteil für Unternehmen propagiert und damit geworben hat. Mitverantwortung für das Ausmaß von

Armut in Sachsen – dazu müsste sich die CDU bekennen, anstatt sich angesichts statistisch sinkender Zahlen bei Kinderarmut unwürdig selbst zu feiern!

(Beifall bei den LINKEN – Zurufe von der CDU)

Wirtschaft und Armut hängen unmittelbar zusammen. Das ist richtig. Aber allein darauf zu hoffen, dass sich das Thema Kinderarmut durch wirtschaftlichen Aufschwung erledigt, ist naiv und weltfremd, weil unten immer weniger ankommt als oben.

Ihr Karl-Josef Laumann, der Bundesvorsitzende der CDA – dort sind Sie, glaube ich, auch Mitglied, Herr Krauß – sagte: „Armut grenzt aus und raubt Zukunftschancen. Kinderarmut entsteht auch dort, wo Eltern keine Arbeit oder nur kleine Löhne haben.“ – Als würde Herr Laumann Sachsen beschreiben. Wenn die Eltern sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze haben, können sie auch gut für ihre Kinder sorgen. Durch die Hartz-IV-Gesetzgebung ist es den Menschen gar nicht möglich, sichere und gut bezahlte Arbeitsplätze, die in Sachsen sowieso selten sind, im Fall von Arbeitslosigkeit zu finden, da sie gezwungen werden, jeden zumutbaren Job anzunehmen. Sie haben dafür gesorgt, dass der Niedriglohnsektor wächst.

Herr Homann, auch Gerhard Schröder prahlt damit, den besten Niedriglohnsektor aufgebaut zu haben. Das ist also das Ergebnis politischer Entscheidungen, die nicht vom Himmel gefallen sind. Das ist auch keine Verschwörungstheorie, sondern schlicht und ergreifend ein Fakt. In Sachsen verdienen die Menschen durchschnittlich immer weniger als im Rest der Republik. Deshalb ist man hier trotz Arbeit arm.

Im Bericht des Paritätischen Gesamtverbandes finden Sie die Armutsschwellen aufgeführt. Ich möchte es am Beispiel einer Alleinerziehenden mit einem Kind unter 14 Jahren bei 1 225 Euro zeigen. Wir erinnern uns an die Schlagzeilen von 2016, laut denen rund 250 000 bis 300 000 Sachsen vom Mindestlohn direkt profitieren. Dieser liegt aktuell bei 8,84 Euro brutto die Stunde. Das ergibt bei Vollzeit rund 1 414,40 Euro. Davon werden bei Alleinerziehenden rund 30 Euro für die Lohnsteuer abgezogen, dann sind rund 20,8 % Beiträge zur Sozialversicherung abzuführen. Das sind in der Summe 295 Euro weniger plus die 30 Euro Steuern, die man vom Brutto abzuziehen hat. Dann bleiben der oder dem Alleinerziehenden nur noch rund 1 090 Euro. Sie liegt also 135 Euro unterhalb der Armutsschwelle, wenn das Kind jünger als 14 Jahre ist. Ist es älter, sind es über 300 Euro darunter.

Die Redezeit ist zu Ende, Frau Kollegin.

Die Situation für Alleinerziehende und deren Kinder ist in Wirklichkeit trotz Arbeit viel prekärer, als wir uns das vorstellen können. Anstatt Scheindebatten zu führen, sollten wir Strategien finden, um Kinder zu schützen, sie gut auszubilden und denen eine Zukunft zu geben, die sozial abgehängt sind.

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN – Henning Homann, SPD, steht am Mikrofon.)

Das war Frau Schaper von der Fraktion DIE LINKE. Bevor der nächste Redner zum Zuge kommt, meldet sich Herr Kollege Homann mit einer Kurzintervention zu Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident. Ich möchte gern vom Instrument der Kurzintervention Gebrauch machen und beziehe mich auf den Redebeitrag von Frau Schaper. Ich möchte zunächst einmal klarstellen, dass hier niemand in irgendeiner Form froh darüber ist – zumindest nicht von der SPD –, dass es einen Niedriglohnsektor gibt, der so groß geworden ist. Wer uns das unterstellt, der möge mir bitte die Quelle des Zitates von Herrn Schröder nennen.

Weiterhin möchte ich gern sagen: Ich habe großen Respekt vor allen Leuten, die in diesem Land der Meinung sind, dass jedes Kind in Kinderarmut eines zu viel ist. Ich gehöre zu diesen Leuten. Aber ich glaube, es bringt uns nichts, wenn man die Erfolge, die es in den letzten Jahren auch in Sachsen gab, an dieser Stelle kleinredet.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Wenn der Anteil von Kindern im Hartz-IV-Bezug um über 10 % sinkt, dann ist das ein Erfolg. Ich glaube, wir haben deutlich dargestellt – das ist auch in allen Studien ablesbar –, dass der Mindestlohn hier eine große Rolle spielt. Wer das infrage stellt, der spielt das Spiel der Leute, die den gesetzlichen Mindestlohn mit der Begründung, er sei unwirksam, am liebsten wieder abschaffen wollen.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Das, liebe Frau Schaper, können Sie doch nicht ernsthaft wollen. Deshalb bleibe ich dabei: Wir müssen die guten Sachen, die positiven Entwicklungen hervorheben und stärken und gleichzeitig die Probleme, die wir noch haben, beim Namen nennen. Nur so wird gute Politik gemacht.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, der CDU und der Staatsregierung)

Das war die Kurzintervention von Kollegen Homann. Jetzt kommt die Reaktion der angesprochenen Kollegin Schaper. Bitte.

Vielen Dank. Es ist ein wenig unwürdig, aber ich reagiere trotzdem darauf. 2005 – ich zitiere Gerhard Schröder, Kanzler der Sozialdemokraten –: „Wir haben unseren Arbeitsmarkt liberalisiert. Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ Ich habe gesagt, dass auch Gerhard Schröder und nicht nur Herr Tillich damit geprahlt hat. Das war meine Aussage, Herr Homann.

Zweitens. Sie sprechen davon, 10 % seien abgesunken. Aber, bitte schön, wo sind denn Ihre Ansätze für die anderen 90 %? Davon war die Rede, und es sind 150 000 Kinder in diesem Freistaat in Armut, weil es 150 000 sind, die von Sozialleistungen abhängen. Hier spreche ich nicht nur von Hartz IV. Ich erkläre Ihnen später im Antrag, welche Sozialleistungen es sonst noch gibt und wo sich Armutsschwellen befinden.

Es geht darum, in welchem Kontext Sie das sagen. Sie führen eine Scheindebatte – starke Wirtschaft, weniger Kinder in Armut – und suggerieren nach außen, wir hätten kein Problem. Ich sage Ihnen eines – und das ganz emotional: Jedes Kind in diesem weltweit volkswirtschaftlich am besten aufgestellten Land, das in Armut lebt, ist eines zu viel.

(Zuruf des Abg. Alexander Krauß, CDU)

Dann sollten Sie sich hier über diese Klaubereien ein wenig schämen. Es ist einfach nur zynisch. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

(Alexander Krauß, CDU: Das ist auch besser!)

Sich hier irgendetwas herauszupicken und zu argumentieren ist kleinlich.

(Beifall bei den LINKEN)

Nach Kurzintervention und Reaktion geht es jetzt weiter in der zweiten Rederunde. Bitte, Herr Kollege Wendt. Sie haben das Wort für die Fraktion AfD.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Schaper, vielen Dank für die Zahlen. Ich kann das nur unterstützen. Man kann daraus ersehen, dass es hier in Sachsen noch sehr viel Nachholbedarf gibt.

(Unruhe)

Herr Krauß, in Ihre Richtung: Nicht wir blenden die Realität aus, sondern Sie. Eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sorgt nicht grundsätzlich dafür, dass man der Armut entflohen ist. Es gibt massenweise Familien in Deutschland und auch in Sachsen, die eine simple Waschmaschinen- oder Autoreparatur vor fast unlösbare Probleme stellt.

Frau Pfeil-Zabel, natürlich ist es so, dass eine unqualifizierte Zuwanderung schlecht für dieses Land ist. Was hat denn das mit Ausgrenzung zu tun? Werte SPD und CDU, das, was Sie machen, ist das, was Sie uns gestern vorgeworfen haben. Das ist Wahlkampf.

Dazu passt der heutige Bericht, der auf dem MDR veröffentlicht wurde, sehr gut: Sachsen startet Modellprojekt gegen Kinderarmut. – Dieser Bericht soll Sie lobhudeln. Ich sage Ihnen Folgendes ganz klar – das sehen wir auch hier heute im Plenum –: Das Ding ist gewaltig nach hinten losgegangen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der AfD)

Das war Herr Wendt, er sprach für die AfD. Jetzt hätten die GRÜNEN die Möglichkeit. Sie haben noch Redezeit – aber keinen Redebedarf.