Den überlebenden Frauen wollen wir heute mit unserer Zustimmung zu diesem Antrag ein Zeichen geben: Ihr seid nicht allein. Wir können euch helfen und wir werden euch helfen.
Ich möchte meine Rede mit den Worten der jesidischen Frau beenden, die im Programm der „Deutschen Welle“ sagte: „Es war mir egal, ob ich gefasst werden würde. Beides, Flucht oder Tod, alles ist besser, als dort zu bleiben.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt ist es an der Zeit, über den Schatten zu springen – ob aus Solidarität oder Nächstenliebe ist mir egal. Lassen Sie uns den 500 Frauen helfen, so schnell wir können. Stimmen Sie diesem Antrag zu!
Herr Schultze, wir haben jetzt schon einige Debattenbeiträge gehört und es zeichnet sich ab, dass für diesen Antrag wahrscheinlich keine Mehrheit im Plenum entstehen wird.
Selbstverständlich gehen uns allen die Geschichten von Einzelpersonen, die Krieg oder Verbrechen an sich selbst erlebt haben, ans Herz. Ich bitte Sie – und vielleicht können Sie auch die GRÜNE-Fraktion fragen –, wenn dieser Antrag keine Mehrheit findet: Starten Sie in Ihrer Partei unter Ihren Mitgliedern und Abgeordneten einen Aufruf für Spenden, um diese 500 Frauen durchzufinanzieren, damit sie hierherkommen können.
Wir fahren in der Rednerreihenfolge fort, und das Wort hat jetzt Kollege Pallas für die SPD-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen Abgeordnete! Wir debattieren anlässlich eines Antrages der GRÜNEN darüber, die Staatsregierung mit der Aufnahme von schutzbedürftigen Frauen und Kindern aus dem Nordirak zu beauftragen.
Konkret – wir haben es bereits gehört – soll ein Sonderkontingent von 500 Personen, besonders schutzbedürftige
Frauen und Kinder, aus der Gruppe der Jesiden aus humanitären Gründen im Freistaat Sachsen aufgenommen werden. Dazu soll Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern gemäß § 23 Aufenthaltsgesetz hergestellt werden.
Über die humanitären Hintergründe haben wir sehr eindrucksvolle Ausführungen von Petra Zais bei der Einführung des Antrages gehört, und ich möchte mir deshalb jetzt sparen, alles zu wiederholen. Ich denke, der Punkt ist sehr klar, und alle Redner haben es bisher zu würdigen gewusst. Es gibt keine Zweifel an der Notwendigkeit einer Abhilfe für die Jesiden, und es ist auch unbestritten, dass Deutschland, dass Sachsen einen Beitrag leisten kann und sollte. Ich finde, dass die GRÜNE-Landtagsfraktion mit diesem Antrag einen machbaren Weg aufzeigt.
Es ist ein Weg, den sich auch die SPD-Fraktion vorstellen kann. Ich möchte näher erläutern, warum. Seit dem Jahr 2015 hat sich die gesellschaftliche Debatte um Flucht, Asyl, Migration und Integration verschärft. Seitdem sind viele Menschen als Zuwanderer nach Deutschland, nach Sachsen gekommen, manche als Flüchtlinge, manche als Asylbewerber, manche als richtige Zuwanderer. Sehr viele Menschen haben sich in dieser Zeit für einen Asylantrag entschieden, obwohl offensichtlich kein Asylgrund vorlag oder vorliegt. Sie haben es gemacht, weil wir in Deutschland ein lückenhaftes Regelwerk für Zuwanderung haben. Es ist auch bedauerlich, dass die Union im Bund sich bis jetzt nicht dazu durchringen konnte, ein Einwanderungsgesetz innerhalb der Regierung aufzustellen. Ich prognostiziere – egal, wie die Bundestagswahl ausgeht –, dass die nächste Bundesregierung an diesem Thema nicht vorbeikommen wird.
In der Bevölkerung aber gibt es nach wie vor die grundsätzliche Bereitschaft, Menschen in Not zu helfen. Es gibt die Bereitschaft, Menschen in Not aufzunehmen und zu integrieren, seien es Flüchtlinge, Asylsuchende oder Zuwanderer. Natürlich gibt es auch Ablehnung in der Gesellschaft, teils aus fremdenfeindlichen Gründen, teils aus dem Gefühl der gesellschaftlichen Überforderung heraus und teils aus Angst.
Die Debatte über Zuwanderung ist dabei sehr vielschichtig und ein klares Regelwerk würde auch hier helfen. Aber sehr weit verbreitet ist die Haltung, Schutzbedürftigen helfen zu wollen, und damit komme ich zum Antrag.
Hier geht es um eine Gruppe, die Jesiden, welche zu einer religiösen und gesellschaftlichen Minderheit gehört und die massiven Angriffen durch den Islamischen Staat ausgesetzt war und ist. Offiziell sind diese Taten als Genozid eingestuft worden. Was liegt also näher, als den Menschen dieser Gruppe zu helfen, damit diese stabilisiert und nach Beendigung des Konflikts und dem Sieg über den Islamischen Staat ihre Heimat wieder aufbauen kann?
Mit dem konkret vorgeschlagenen Weg bewegt sich der Antrag auch im Rahmen der Möglichkeiten des § 23 Aufenthaltsgesetz. Demnach können die obersten Ausländerbehörden der Länder – in Sachsen ist es das Sächsische Staatsministerium des Innern – eine Aufnahmeanordnung erlassen und dafür Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern herstellen, durch welches eine einheitliche Handhabung dieses Instrumentes gewährleistet wäre. Man könnte sagen: Es gibt eine Teilverantwortung der Bundesländer, es gibt eine Gesamtverantwortung des Bundes in Deutschland und es gibt eine übergeordnete Verantwortung in Europa. Aus meiner Sicht könnte der Landtag das heute so beschließen.
In der jüngeren Vergangenheit ist deutlich geworden, dass auch ein Bundesland Kompetenzen bei der Bewältigung der Thematik Flucht und Asyl hat. Ich erinnere an Spitzengespräche aus Bundesländern heraus mit Vertretern der Maghreb-Staaten, in denen es darum ging, ausreisepflichtige Staatsangehörige wieder zurückzunehmen. Ich persönlich denke auch, dass es eine Kompetenz in den Bundesländern für dieses Thema gibt.
Aber dem Beitrag von Herrn Hartmann konnten Sie entnehmen, dass die CDU-Fraktion zu einer anderen Auffassung gekommen ist, was den Antrag betrifft. Das akzeptiere und respektiere ich.
Mir war wichtig, die grundsätzliche Möglichkeit der Zustimmung aus inhaltlichen Gründen hier zum Ausdruck zu bringen. Ich bedauere das sehr.
(Cornelia Falken, DIE LINKE: Haben Sie schon mal was von Demokratie gehört? – Weiterer Zuruf von den LINKEN: Das gibt es doch gar nicht!)
Ich bedauere es sehr. Es wäre ein gutes Zeichen aus Sachsen, für Sachsen, wenn der Landtag das heute so entscheiden würde. Es wäre auch kein Widerspruch zu einem stärkeren Engagement im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit oder bei der konkreten Hilfe in Flüchtlingslagern vor Ort. Denn beides ist notwendig: humanitäre Hilfe und Bekämpfung von Fluchtursachen.
Sie wissen es: Die Mechanismen in der Koalition sehen für diesen Fall vor, dass auch wir diesen Antrag ablehnen werden. Das werde ich, das werden wir schweren Herzens tun. Aber den Worten Herrn Hartmanns konnte ich auch entnehmen, dass es der CDU-Fraktion nicht egal ist, was mit diesen Menschen passiert. Das finde ich wichtig festzustellen.
An dieser Stelle möchte ich gern einen Appell an die Staatsregierung richten, diesem Impuls, der zu erkennen war und der auch in der Stellungnahme aus dem Innenministerium aufzunehmen war, zu folgen und an diesem Ansatz weiterzumachen, sich weiter beim Bund dafür einzusetzen, dass wir eine gesamtdeutsche Lösung für
Abschließend möchte ich feststellen: Es gibt aus meiner Sicht einen humanitären Kern der gesamten Zuwanderungsdebatte und dieser humanitäre Kern ist genau bei der Debatte um diese Gruppen erreicht. Ich empfinde es als eine der größten zivilisatorischen Leistungen, dass wir als Gesellschaft dazu in der Lage sind, anderen Gesellschaften, Menschen anderer Länder zu helfen und diese bei uns aufzunehmen. Ich bitte Sie, dass wir alle gemeinsam daran weiterarbeiten und diese Leistungen unserer Gesellschaft nicht preisgeben.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kollegen Abgeordnete! Ich habe leider nicht mehr viel Zeit; trotzdem ist es ein wichtiges Thema, und wir haben in vergangenen Reden auch hier zu erkennen gegeben, dass wir kein Problem damit hätten, wenn man ausgesuchten Frauen und Kindern helfen wollen würde oder Menschen, die besonders schutzbedürftig sind, insbesondere eben Frauen und Kindern, Alten und Kranken. Das haben wir schon immer gesagt.
Jetzt haben wir aber in Deutschland eine Situation erlebt, in der wir wirklich Hunderttausende junge Männer in wehrfähigem Alter hierhergeholt haben; die sind jetzt da.
Diese Männer fehlen dort, um das Land auch zu befrieden. Wir wollen uns Ihrem Anliegen gar nicht vollends verschließen, aber wir sehen hier trotzdem grundsätzlich eine Fehlsteuerung Ihrer Politik. Wenn Sie sich dazu durchringen können, das Anliegen insofern zu unterstützen, als wir in entsprechender Anzahl wehrfähige Männer in den Irak bringen, dann können wir Ihrem Antrag auch zustimmen.
Meine Damen und Herren, das war die erste Runde in der Aussprache. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen Redebedarf für eine weitere Runde? – Das ist offensichtlich nicht der Fall. Ich frage die Staatsregierung: Wird das Wort gewünscht? – Herr Staatsminister Ulbig; bitte sehr, Sie haben das Wort.
Ja, sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben gerade eine sehr emotionale Debatte zu einem sehr emotionalen Thema erlebt. Ich kann sagen, anders als in den vorangegangen Debatten nehme ich den allermeisten, die hier gesprochen haben, diese Emotionalität auch wirklich ab. Das Einzige, was mich gerade nur wirklich
wahnsinnig geärgert hat, Herr Wippel, ist Ihre Einlassung zu diesem Thema. Das will ich deutlich sagen.
Sie können Ihr krudes Weltbild verbreiten, aber wenn Sie hier am Landtagspult verkünden, wir hätten Hunderttausende wehrfähige Männer ins Land geholt oder sie bestellt oder wie auch immer, dann verkennen Sie meinens Erachtens wirklich die Realität. Aber das nur als kleinen emotionalen Ausbruch von mir.
Zum Antrag. Jesiden und insbesondere ihre Frauen und Kinder haben mitunter wirklich schwerstes Leid ertragen müssen und sind zum Teil schwer traumatisiert. Ihr Schicksal – wie insgesamt das Schicksal der Menschen im Nordirak – lässt deshalb jemanden, der vernünftig denkt, überhaupt nicht kalt – genauso wie das Schicksal Unzähliger in Syrien und anderen Regionen weltweit. Genau aus diesem Grund leistet Sachsen seinen Beitrag bei der Aufnahme von Flüchtlingen und kommt seiner humanitären Verpflichtung nach Kräften nach.
Argumente für das Für und Wider des Sonderkontingents für jesidische Frauen und Kinder wurden gerade in der Diskussion genannt. Ich habe meine Position in der Stellungnahme deutlich gemacht und will sagen – Frau Zais, anders, als Sie es dargestellt haben; ich will das wirklich persönlich an Sie adressieren –: Aus meiner Sicht können einzelne Länderprogramme das Problem kaum lösen. Die Bundesländer wären mit der Planung und Durchführung derartiger Evakuierungsmaßnahmen einer Minderheit in einem Land wie dem Irak schlicht überfordert. Das zeigen im Übrigen die Erfahrungen derjenigen, die das bisher gemacht haben. Es beginnt bei der Auswahl der aufzunehmenden Personen, es geht um speziell geschulte Jesiden, die gebraucht werden, die in das Kriegsgebiet kommen und vor Ort eine Beurteilung vornehmen, ob eine Frau oder ein Mädchen infolge von Vergewaltigung oder Sklaverei traumatisiert ist oder nicht. Anschließend bräuchte es das entsprechende Fachpersonal, welches in der Lage ist, die Patientinnen zu behandeln. Die Traumatherapeuten müssen Grundkenntnisse über die psychologischen und kulturellen Hintergründe der Jesiden mitbringen.