Protocol of the Session on June 22, 2017

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN)

Das war Frau Nagel für die Fraktion DIE LINKE. Nun spricht für die SPD Frau Kollegin Pfeil-Zabel.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir ging es ähnlich wie meinen Vorrednern. Natürlich habe auch ich überlegt: Wohin wollen Sie denn mit dieser Debatte? Aber ich glaube, ich lag gar nicht so falsch mit meiner Vorbereitung; denn ich habe mich ein Stück weit an Ihrem so geliebten Nationenbegriff abgehangelt.

Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie die AfD von der Vorstellung getrieben ist, dass die Nation einem vermeintlichen Untergang geweiht ist. Sie beziehen sich – Herr Spangenberg, Sie haben das vorhin ebenfalls getan – auf die Vorstellung von einem goldenen Zeitalter, blenden aber die zahlreichen unterschiedlichen Einflüsse gern aus oder negieren sie. Die Nation scheint in Gefahr – so schallt der Tenor allenthalben aus den Reihen der AfD. Sie, die Nation, wird abwechselnd von fremden Mächten belagert, von diesen unterwandert oder übermannt, und Ihre eigenen Mitglieder, selbsternannte geistige Größen in Dresden, verdammen dabei die Geschichte der Bundesrepublik in Bausch und Bogen.

(Karin Wilke, AfD: Nein!)

Schauen wir doch etwas genauer auf diese Nation, die angeblich dem Untergang geweiht ist. Die Zugehörigkeit zu einer Nation lässt sich nicht vermeintlich objektiv, anhand der Hautfarbe oder der Herkunft der Eltern, entscheiden, sondern nur subjektiv. Das Bekenntnis zu unseren demokratischen und rechtsstaatlichen Werten ist hierbei ausschlaggebend. Sie ist eine Gemeinschaft von Bürgerinnen und Bürgern, deren kollektive Souveränität den demokratischen Staat Bundesrepublik bildet. Die Kriterien der Staatsangehörigkeit, wie sie die AfD im Munde führt, sind unzutreffend. Nicht die Mitgliedschaft

in einer mystischen Schicksalsgemeinschaft ist entscheidend, sondern das Mitwirken am demokratischen Deutschland von morgen; und als überzeugte Europäerin bin ich zudem der Meinung, dass Deutschland nur innerhalb Europas eine Zukunft hat.

(Zuruf des Abg. Sebastian Wippel, AfD)

Dabei können wir den Herausforderungen der Globalisierung trotzen. Gemeinsam können wir uns und unseren Kindern eine Zukunft erschaffen. Gemeinsam können wir für den Erhalt unserer Welt streiten. Europa ist kein Gegensatz zu unserer Nation, sondern ihre Bedingung. Deutschland ist nicht im Niedergang begriffen. Dieses Land wird vielmehr immer erfolgreicher, und zwar gemeinsam mit Menschen mit Migrationshintergrund.

(Beifall bei der SPD – Uwe Wurlitzer, AfD: Aha!)

Deutschland wächst. Im vergangenen Jahr exportierten wir so viel wie noch nie. Noch nie gab es so viele sozialversicherungspflichtige Beschäftigte; wir sprechen immerhin von über 32 Millionen Menschen. Einen wesentlichen Anteil daran haben auch die in Deutschland ansässigen Migrantinnen und Migranten.

(Zuruf von der AfD: Freie Rede!)

Die Zahl der Arbeitsplätze, die durch sie besetzt wurden, ist allein zwischen 2005 und 2014 von 947 000 auf 1,3 Millionen Stellen gestiegen. Die Zahl der Unternehmer mit Migrationsgeschichte stieg im selben Zeitraum um ein Viertel auf 709 000 Personen. Der Erfolg unserer Nation hängt ebenso von Innovation und Forschung ab, und an der Spitze stehen auch jene Menschen, die Sie als unserer Nation nicht zugehörig empfinden. Zu den Gewinnern des Deutschen Zukunftspreises 2016 gehört unter anderem der Wirtschaftsingenieur Chokri Cherif aus Tunesien; 2015 bekam ihn unter anderem

Prof. Dr. Ardeschir Ghofrani aus dem Iran.

Unser Erfolg steht und fällt mit der Integration von Migrantinnen und Migranten. Somit stellen für mich integrative Maßnahmen, wie auch in Sachsen die Sprachkurse, die sozialen Hilfestellungen, die Bereitstellung von Wegweisern, Forschern und Arbeitsmarktmentoren, alles andere als eine Selbstaufgabe dar. Damit schmieden wir eine Nation in Freiheit und Gerechtigkeit, in der sich alle entfalten und eben auch zum Erfolg dieser Nation beitragen können.

Eine Nation, wie sie die AfD möchte, ist nicht mein Begriff einer Nation. Wir leben in einer Gesellschaft, in der sich alle frei entfalten können und in der wir allen die gleichen Möglichkeiten bieten wollen.

(Beifall bei der SPD, den LINKEN, den GRÜNEN und vereinzelt bei der CDU)

Für die SPD-Fraktion sprach Frau Kollegin Pfeil-Zabel. Jetzt spricht als Letzte in der ersten Rederunde Frau Kollegin Zais für die GRÜNEN.

Danke schön, Herr Präsident! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Was Sie auch immer mit diesem Titel sagen wollten, es wird nicht dazu beitragen, unser Land erfolgreicher zu machen. Das, denke ich, haben heute viele Vorrednerinnen und Vorredner zu dieser Aktuellen Debatte zu Recht vorgestellt.

Gestern – die meisten von Ihnen werden es wissen – wurde über einen Leak zu einer WhatsApp-Gruppe der AfD bekannt, dass maßgebliche Mitglieder ihrer Partei wieder wollen, dass Deutschland den Deutschen gehört.

(Uwe Wurlitzer, AfD, steht am Mikrofon.)

Die Umsetzung dieser nationalsozialistischen, völkischen Kernforderung hat Deutschland in den Abgrund geführt und die größten Verbrechen an der Menschheit ermöglicht. Es ist ein dünnes, sehr dünnes Seil, auf dem Sie mit dieser Aktuellen Debatte tanzen.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nein. – Was macht den Erfolg eines Landes aus? Ganz sicher – das ist unsere feste Überzeugung – ist es nicht die Homogenität seiner ethnischen Zusammensetzung. Im Jahr 2016 – darauf bin ich zum Beispiel besonders stolz – waren wir humanitärer Spitzenreiter. Die Bevölkerung Deutschlands hat bewiesen, dass bei der Aufnahme von Geflüchteten die Bereitschaft sehr, sehr groß ist. Sie hat eine große Bereitschaft gezeigt, in einer humanitären Krise Menschen zu helfen. Darauf können wir stolz sein.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD)

Hier können wir wirklich sagen: Das ist etwas, was Deutschland auch zu großer Anerkennung in der Welt verholfen hat.

Wir sind Exportweltmeister – das haben wir schon gehört. Wir haben im März dieses Jahres, letzten Jahres so viele Waren wie noch nie innerhalb eines Monats ins Ausland exportiert. Wir profitieren von den friedlichen Beziehungen, die wir mit anderen Nationen haben.

Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie nie zuvor in den letzten 26 Jahren. Migranten tragen zum Erfolg bei. Ja, sie schaffen Arbeitsplätze. Sie gehören – das war für mich eine erstaunliche Zahl – zu den erfolgreichsten Gründern in der Bundesrepublik Deutschland. Sie sind überdurchschnittlich gründungsaktiv, wie der KfW-Gründungsmonitor feststellt. Jede fünfte Gründung – das sind rund 170 000 Existenzgründungen – erfolgt in Deutschland durch Migranten, und das trotz aller dieser vielen Hürden, denen Migrantinnen und Migranten in Deutschland nach wie vor ausgesetzt sind.

Sie wissen, dass ich sehr oft kritisiere – Kollegin Nagel hat einige Punkte angesprochen –, was Teilhabe und Partizipation betrifft. Trotzdem sind diese Zahlen ein Ausdruck dafür, dass alle Menschen in der Bundesrepublik vor dem Gesetz gleich sind, dass sie alle die Chance

haben, am gesellschaftlichen Wohlstand nicht nur zu partizipieren, sondern auch zu dessen Mehrung beizutragen. Auch das ist ein Fakt, auf den wir stolz sein können.

Natürlich ist Integration keine einfache Aufgabe, aber – das sagen alle Studien – die Chance auf den Erfolg ist größer als in all den Jahren zuvor. Wir leben längst in einer multikulturellen Gesellschaft, und wer das Ende von Multikulti herbeischreit, der verkennt tatsächlich die Realität in unserer Gesellschaft. Diese Realität, das heißt diese Buntheit, diese Vielfalt, ist ein Garant für den Erfolg von Deutschland.

Wir GRÜNEN – das sage ich wirklich aus vollster Überzeugung – lehnen Ihr völkisches Verständnis von der Nation zutiefst ab. Wir wollen ein Zusammenleben, das auf der deutschen Sprache und den Werten unserer Verfassung aufbaut. Wir wollen ein Land, das Zuwanderer willkommen heißt. Wir fordern von ihnen Engagement – zu Recht – und Integrationswillen. Auch das fordern wir. Aber dafür, sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, braucht es gute Rahmenbedingungen, den Abbau von Schranken und die Ermöglichung von Teilhabe. Daran und nur daran müssen wir arbeiten.

Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN, den LINKEN und der SPD – Uwe Wurlitzer, AfD, steht am Mikrofon.)

Das war Frau Kollegin Zais für die Fraktion GRÜNE. Wir sind am Ende der ersten Rederunde angekommen. Bevor wir eine neue Rederunde eröffnen, gibt es eine Kurzintervention von Herrn Kollegen Wurlitzer auf den letzten Redebeitrag.

Vielen Dank. Sehr geehrte Frau Zais, bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass wir als AfD Sachsen uns heute ganz klar von den Aussagen des Herrn Poggenburg distanziert haben.

(Gelächter bei den LINKEN und des Abg. Sebastian Fischer, CDU)

Ich habe mich in der Öffentlichkeit – und darüber brauchen Sie gar nicht zu lachen – ganz klar und deutlich dazu geäußert,

(Zuruf des Abg. Patrick Schreiber, CDU)

dass diese Aussagen besser zur NPD als zur AfD passen.

(Zuruf der Abg. Sarah Buddeberg, DIE LINKE – Weitere Zurufe von den LINKEN und den GRÜNEN)

Ich würde mir an dieser Stelle auch wünschen, dass, wenn es derartige Auswüchse – –

(Zurufe von den LINKEN)

Können Sie einfach mal die Klappe halten, aus Versehen!

(Zurufe von den LINKEN)

Ja, ich bin dran mit der Kurzintervention. Das ist ein Benehmen, das ist ein echter Traum!

(Anhaltende Unruhe im Saal – Glocke des Präsidenten)

Fahren Sie mit Ihrer Kurzintervention fort.

Bevor Sie sich über die AfD erheben, würde ich mir wünschen, dass sich die GRÜNEN von Äußerungen einiger ihrer Parteimitglieder, zum Beispiel „Deutschland, verrecke!“ oder „Scheiß-Deutschland“, eben auch einmal öffentlich distanzieren, wie wir es hier tun.

Weil Sie es vorhin gerade angesprochen hatten: Wir haben auch kein völkisches Verständnis von einer Nation.