Protocol of the Session on September 28, 2016

Vielen Dank.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Nach Frau Buddeberg spricht jetzt Herr Kollege Baumann-Hasske für die SPDFraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich meinen Vorrednern Anton und Buddeberg weitgehend anschließen; ich glaube, wir liegen nicht sehr weit auseinander. Ich will auch nicht alles wiederholen, was schon gesagt worden ist. Wie wir als SPD-Fraktion zu diesem Antrag stehen, haben wir schon in der Aktuellen Stunde vor vier Wochen sehr deutlich gemacht, glaube ich.

Einen Punkt möchte ich aufgreifen, in dem ich mich vom Kollegen Anton unterscheide. Herr Kollege Anton, ich bin nicht der Meinung, dass wir das Mindestalter für Ehen hart und ausnahmslos auf 18 Jahre heraufsetzen sollten, weil ich meine, dass sich der Gesetzgeber in der Vergangenheit etwas dabei gedacht hat. Bisher gilt, dass Ehen mit gerichtlicher Billigung auch schon unter 18 Jahren geschlossen werden können. Wenn also ein 16-jähriges oder 17-jähriges Mädchen schwanger ist und sowohl sie selbst als auch der werdende Vater geistige Reife zeigen, wie das so heißt, dann kann das Gericht deren Wunsch entsprechen. Es kann eine Ehe genehmigen und damit für die Familie einen verbindlichen Rahmen zulassen, der der Verantwortung für das Kind entspricht.

Ich glaube, das ist eine Regelung, die seinerzeit mit viel Augenmaß getroffen worden ist. Ich würde es als sinnvoll erachten, diese Entscheidung weiterhin dem Gericht zu überlassen. Aber darüber kann man streiten.

(Beifall bei der SPD und der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Spannend finde ich nach wie vor, dass hier versucht werden soll, in bewährte Gesetzgebung einzugreifen, weil hier angeblich ein Einfallstor für ausländische Kulturverhältnisse bestehe. Bisher sind die Zahlen, um die es geht, sehr stark zu vernachlässigen.

Anlass für unsere Debatte ist eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg, das in der Tat eine auf den ersten Blick wenig nachvollziehbare Entscheidung getroffen hat. Die Ehe, um die es dort ging und die bestätigt

wurde, war mit einem 15-jährigen Mädchen geschlossen worden. Das ist in Deutschland ein krasser Einzelfall.

In aller Regel werden Fälle, in denen minderjährige Mädchen beteiligt sind, sofort unter Aufsicht des Jugendamts gestellt. Das Jugendamt sorgt dafür, dass für das Kind ein Vormund bestellt wird, und es gibt eine ständige Überwachung durch die Jugendämter. Die rechtlichen Voraussetzungen dafür sind allesamt vorhanden. Dazu brauchen wir überhaupt keine Änderung vorzunehmen.

Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass wegen einer Einzelfallentscheidung des OLG Bamberg, bezogen auf die spezifischen Verhältnisse der Beteiligten – diese Entscheidung mag sogar gerechtfertigt sein; ich kenne diesen Fall nicht so genau –, tatsächlich in eine bewährte Rechtsordnung eingegriffen und das internationale Privatrecht verändert werden soll? Das kann doch nicht Ihr Ernst sein!

(Dr. Frauke Petry, AfD: Sehr wohl!)

Hier geht es doch offensichtlich wirklich nur darum, unter dem Begriff Kinderehe populistisch Stimmung zu machen, um nichts anderes geht es.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Haben Sie auch Inhalte zu berichten?)

Sie reden nur über Kinderehen. Sie verwenden den Begriff pauschal, obwohl der Begriff Kinderehen, wenn man es denn genau nähme, tatsächlich nur für Beteiligte unter 14 Jahren gelten könnte. Die übrigen sind vor dem Gesetz keine Kinder mehr. Es geht nur darum, Schaum zu schlagen. Dazu kann ich nur sagen: Einem solchen Antrag können wir natürlich nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege BaumannHasske sprach für die SPD-Fraktion. Für die Fraktion GRÜNE hat jetzt Herr Zschocke das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Dr. Petry, die Kinderehe ist eine Menschenrechtsverletzung. Am 1. September haben sich alle demokratischen Fraktionen hier im Hause klar gegen Kinderehen und Zwangsverheiratung ausgesprochen.

Wenn wir genauer hinsehen, und dieser differenzierte Blick ist zwingend erforderlich, brauchen diese Mädchen aber mehr als eine Änderung von Gesetzen. Die durch Kinderehen verursachten Probleme sind nämlich viel komplexer als Ihre vier Punkte im Antrag. Gesetzgeberische Schnellschüsse sind nicht der richtige Weg. Bei Hinweisen auf Zwang und Gewalt nützt es den Mädchen nämlich gar nichts, wenn die Ehe formal für unwirksam erklärt wird. Dann sind Strafanzeigen, Strafverfolgung und Schutzangebote notwendig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dafür braucht man keine Gesetzesänderung, sondern Aufmerksamkeit und eine handlungsfähige Jugendhilfe.

Die Vorredner haben es gesagt: Wir haben ein ausdifferenziertes System der Kinder- und Jugendhilfe, das immer dann greift, wenn eine Kindeswohlgefährdung droht oder schon vorliegt. In erster Linie brauchen die Jugendämter Handlungssicherheit. Sie müssen gestärkt werden, im Fall von Kinderehen konsequent und ausschließlich das Kindeswohl in den Vordergrund zu stellen. Wir müssen die Jugendämter fragen, welche Unterstützung sie brauchen, damit sie diese verantwortungsvolle Aufgabe, nämlich das Kindeswohl zu schützen, erfüllen können.

Sie wissen ja, dass sich derzeit eine Bund-LänderArbeitsgruppe mit dem Thema Kinderehe befasst. Wenn diese zu dem Ergebnis kommt, dass auch gesetzgeberischer Handlungsbedarf besteht, wird sich der Bundestag und werden auch wir uns nicht verschließen.

Sie würden die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe abwarten, wenn Sie wirklich an rechtsstaatlichen Lösungen interessiert wären; aber darum geht es Ihnen nicht – wie immer nicht. Dass Sie sich tatsächlich für das Wohl der Mädchen interessieren, nehme ich Ihnen einfach nicht ab, Frau Dr. Petry. In Ihren Pressemitteilungen sagen Sie das ja auch ganz unverhohlen: Sollen die Asylbewerber doch in Länder reisen, in denen sie nach Scharia-Regeln leben können.

Sie brauchen diesen Antrag heute hier, um erneut eine Hasswelle gegen die anderen Fraktionen hier im Hause zu erzeugen. Ich sage Ihnen auch, wie Sie das machen.

(Carsten Hütter, AfD. Was hat dieser Antrag denn mit einer Hasswelle zu tun? Das ist doch Unsinn!)

Sie schreiben die Namen von Politikern der anderen Fraktionen auf Ihre Facebook-Seite, und dann behaupten Sie, dass SPD, CDU, GRÜNE und LINKE der politischen Debatte um Kinderehen ausweichen, obwohl hier genau das Gegenteil davon stattfindet. Dann schauen Sie zu, wie sich die Fans auf Ihrer Facebook-Seite mit ihren Kommentaren gegenseitig aufputschen. Ich kann da einige Beispiele zitieren: „Das war ja nicht anders zu erwarten von diesen Idioten.“

(Zuruf von der CDU: Hört, hört!)

Oder: „Mit was für Assozialen von Rot-Grün-Schwarz muss man sich da abgeben?“ Das steht bei Ihnen auf der Facebook-Seite.

(Zuruf von der CDU: Pfui Teufel! – Vereinzelt Lachen bei der AfD)

„CDU, SPD, LINKE und GRÜNE sind der letzte Scheiß. Diese Vollpfosten!“ Zitat aus der Facebook-Seite der AfD Sachsen. „Die Regierung ist echt geisteskrank, ein geistiger Müllhaufen.“ – „Diese Leute muss man doch auf die Straße zerren.“ – „Dreckschweine.“ – „Zum Fraß vorschmeißen.“ – „Ich hoffe immer noch, dass ein Kind der Regierung missbraucht wird.“ Das steht alles auf Ihrer Facebook-Seite, Frau Dr. Petry.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Können Sie auch etwas zum Thema sagen?)

Meine Damen und Herren von der AfD! Für diesen Hass sind Sie politisch verantwortlich.

(Beifall bei der CDU, den LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – Unruhe im Saal)

Das war die Fraktion GRÜNE. Mit Kollegen Zschocke sind wir am Ende der ersten Runde angekommen.

(Zuruf von der SPD: Gebt doch mal Butter

bei die Fische! Los, kommt nach vorn! –

Das ist doch nur bloße

Angst! – Zurufe von der SPD: Nennt doch mal

Fakten! – Das war gar nicht Ihre Facebook-Seite!

Sie halten besser den

Mund, Herr Panter! – Starke Unruhe im Saal)

Soll es eine weitere Rederunde geben? – Bitte, Frau Dr. Petry.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Kriegen wir Ruhe im Saal, Herr Präsident?)

Sie beginnen Ihren Redebeitrag und ich sorge für Ruhe.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Danke!)

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist wieder einmal interessant, wie aus einer sachlichen Debatte durch Sie eine Hasstirade entfacht wird.

(Unruhe)

Herr Zschocke, Sie haben das ganz besonders schön gemacht, und Sie haben zudem noch juristischen Unsinn verbreitet. Wie wollen Sie denn die jungen Frauen, die Mädchen, die Sie heute Morgen, als es um Bautzen ging, Kinder genannt haben – nur so viel zu unscharfen Definitionen, die von allen benutzt werden, also auch von Ihnen – schützen, wenn Sie sie nicht zuerst aus der Ehe befreien? Es ist schlichtweg Unsinn, den Sie erzählt haben. Sie sollten sich besser vorbereiten.

(Beifall bei der AfD)