Protocol of the Session on September 28, 2016

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Vor vier Wochen haben wir uns bereits im Rahmen einer Aktuellen Debatte mit dem Thema Kinderehen befasst, und ich hatte schon den Eindruck, dass wir in dieser Debatte klar herausgearbeitet haben, dass wir Kinderehen nicht dulden, dass Kinderehen nicht mit unseren Wertvorstellungen vereinbar sind und dass wir in Bezug auf die derzeitige Rechtslage Änderungsbedarf sehen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der AfD)

Gleichzeitig ist aber auch deutlich geworden, dass die Thematik komplex ist und es vieles zu bedenken gilt. Nicht umsonst gibt es eine eigens eingerichtete BundLänder-Arbeitsgruppe, die intensiv an konkreten Vorschlägen arbeitet. Vor diesem Hintergrund – ich will es deutlich sagen – enttäuscht mich der Inhalt des vorliegenden Antrages.

Nichtsdestotrotz will ich zunächst auf die Punkte des Antrags zu sprechen kommen, die brauchbar sind. Unter Punkt I geht es um die Abschaffung der Ausnahmeregelungen, die derzeit 16- oder 17-Jährigen das Eingehen einer Ehe ermöglichen, sofern das Familiengericht zustimmt. Diese Forderung entspricht der Beschlusslage des Vorstands der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und auch die SPD hat sich auf Bundesebene in dieser Richtung positioniert. Insoweit ist es schön, dass die AfD-Fraktion einer Forderung von CDU/CSU und SPD beispringt. Weiter so! Damit erhöhen Sie die Wahrscheinlichkeit deutlich, mit Ihren Positionen richtig zu liegen.

(Beifall bei der CDU – Lachen der Abg. Dr. Frauke Petry, AfD)

Weiterhin fordern Sie unter Punkt IV des Antrages das Verbot einer religiösen Voraustrauung, wie es bis zum Jahr 2009 galt. Auch hier sehen wir Gründe, die für ein solches Verbot sprechen. Ich will nur das Stichwort Parallelgesellschaften nennen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren von der AfDFraktion, würde Ihr Antrag nur diese beiden Punkte umfassen, könnte man zumindest feststellen: nicht viel Neues ausgedacht, aber auch nichts falsch gemacht. Aber wir haben noch die Punkte II und III des Antrages. Und da sind sie dann wieder, die Vorschläge nach dem typischen AfD-Muster: vermeintlich einfache Lösungen, die

schlichtweg nicht zu Ende gedacht sind. Sie fordern unter Punkt II für Eheschließungen auf deutschem Boden, dass allein deutsches Recht zur Anwendung kommen soll.

Lassen Sie mich beispielhaft auf einen problematischen Aspekt dieser Forderung eingehen.

Für uns als CDU steht fest, dass Flüchtlinge im Regelfall wieder in ihre Heimatländer zurückkehren sollen, sobald dort ausreichend sichere und stabile Verhältnisse hergestellt sind. Dabei stellt sich die Frage, ob es vor diesem Hintergrund sinnvoll ist, wenn beispielsweise für zwei syrische Staatsbürger eine Heirat nach syrischem Recht in Deutschland unmöglich gemacht wird. Es gibt gute Gründe, warum im internationalen Privatrecht derzeit genau das Gegenteil vorgesehen ist. Hier geht es um die Rückintegration ins Heimatland. Hier geht es um den rechtlichen Status der Familie im Herkunftsland, um Erbansprüche usw. Deshalb ist es besser, eine gesetzliche Neuregelung darauf zu beschränken, die Ehemündigkeit nach deutschem Recht zur zwingenden Voraussetzung für eine Eheschließung zu machen. Kinderehen sind damit unmöglich, unabhängig davon, welches Recht im Übrigen gilt. Es geht doch darum, dass wir Kinderehen verhindern wollen, und nicht darum, ausländischen Staatsbürgern das deutsche Eherecht in seiner Gesamtheit zu verordnen.

Nicht viel durchdachter ist Punkt III. Ohne jede Ausnahme fordern Sie die Unwirksamkeit von im Ausland geschlossenen Ehen mit unter 18-Jährigen. In Bezug auf Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren sind wir beieinander. Wir bewegen uns hier im Bereich des Missbrauchs, und eine solche Ehe sollte generell als unwirksam gelten. Dass Sie allerdings keinerlei Differenzierung vornehmen, wenn es um bereits bestehende Ehen von 16- oder 17-Jährigen geht, lässt fehlendes Problembewusstsein erkennen. Ist es tatsächlich verhältnismäßig, eine Ehe zwischen einer 17-Jährigen und einem 22-Jährigen, aus der bereits ein Kind hervorgegangen ist, Kraft Gesetzes für unwirksam zu erklären? Die junge Mutter verliert damit gegenüber ihrem bisherigen Ehemann ihr Erbrecht und ihre Ansprüche auf ehelichen Unterhalt. Ich glaube nicht, dass es eine angemessene Lösung ist; vielmehr sollte für diese Altersgruppe regelmäßig ein Eheaufhebungsverfahren durchgeführt werden. Das Familiengericht hat so Gelegenheit, eine Interessenabwägung in jedem Einzelfall durchzuführen.

Werte Kolleginnen und Kollegen von der AfD-Fraktion! Viele Gedanken haben Sie sich zu diesem wichtigen Thema leider nicht gemacht. Das Motto des Antrags war wohl einmal mehr: Hauptsache, wir haben zu dem Thema etwas gesagt und sind in den Schlagzeilen. Ihr Antrag als Ganzes ist nicht zu gebrauchen, wir werden ihn ablehnen.

(Beifall bei der CDU und der SPD)

Nach Herrn Kollegen Anton, CDU-Fraktion, kommt jetzt Frau Kollegin Buddeberg für die Fraktion DIE LINKE zu Wort.

(Uwe Wurlitzer, AfD, steht am Mikrofon.)

Entschuldigung. Eine Kurzintervention? – Ja, bitte.

Ich habe nur eine Anmerkung dazu: Ich hoffe nicht, dass wir in Zukunft die Straßenverkehrs

ordnung auch anpassen für den Fall, dass die Leute, wenn sie wieder nach Syrien gehen, fahren wollen, wie sie können.

(Christian Piwarz, CDU: Oh nein, Herr Wurlitzer, Sie haben es aber gar nicht verstanden!)

Doch, genauso ist es.

Das war eine Kurzintervention, aber ich sehe jetzt keine Reaktion darauf.

(Interne Wortwechsel zwischen Abgeordneten der AfD und der CDU)

Frau Kollegin Buddeberg, Sie haben jetzt das Wort.

Vielen Dank, Herr Präsident.

Ich bitte jetzt darum, dass wir Aufmerksamkeit walten lassen.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren von der AfD-Fraktion! Mal ernsthaft, wer soll Ihnen das abkaufen? Die AfD als Vorkämpferin für Frauenrechte und als Fürsprecherin für geflüchtete Mädchen – das ist nicht nur lächerlich, das ist auch anmaßend und absolut unglaubwürdig.

(Beifall bei den LINKEN – Dr. Frauke Petry, AfD: Sie sind anmaßend, oder?)

Ihre Doppelmoral wird an vielen Stellen deutlich. Sie sprechen pauschal von Kinderehen, obwohl nach deutschem Recht, um das es hier geht, Kind ist, wer noch nicht 14 Jahre alt ist. Bei dem Thema geht es aber auch um junge Menschen bis 18 Jahre. Trotzdem betonen Sie – das hat Frau Petry in der Aktuellen Debatte gemacht – die labile und empfindliche Persönlichkeit junger Menschen, die sich noch in der Entwicklung befinden. Wenn es aber um straffällige Jugendliche geht, kann Ihnen die Härte des Gesetzes gar nicht früh genug greifen. Da soll plötzlich die Strafmündigkeit auf zwölf Jahre herabgesetzt werden. Herr Wippel wollte heute Morgen unter 18-Jährige einfach mal ausweisen.

(Widerspruch bei der AfD)

Und während Sie sonst an jeder, aber auch an jeder Stelle nach der gesellschaftlichen Relevanz, zum Beispiel von Transgender, fragen, weil es ja nur so wenige betrifft, reichen Ihnen jetzt ganze 23 Fälle in Sachsen für eine Aktuelle Debatte plus Antrag.

Wir bleiben dabei: Es gibt bereits geltende Gesetze. Unser Rechtssystem ist nicht in Gefahr. Das Kinder- und Jugendhilferecht bietet Schutzmechanismen, insbesondere im Hinblick auf sexuelle Selbstbestimmung. Trotzdem ist es ein sehr sensibles Thema, und es ist eine Zumutung, dass Sie dieses sensible Thema reißerisch in die Öffentlichkeit zerren, denn es gibt Fälle von Zwangsheirat und es gibt Fälle von verheirateten Minderjährigen. Das steht ja auch in der Antwort auf Ihre Anfrage, die Sie jetzt zum

Pranger machen, um Ihre ausgrenzende Politik zu verkaufen.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Wenn man sachlich nichts zu sagen hat, verbreitet man Phrasen!)

Aber wenn Sie sich nur ein bisschen, nur mal ganz, ganz oberflächlich mit der Situation der Betroffenen auseinandergesetzt hätten, dann wäre Ihnen klar gewesen, dass Sie mit Ihrem Holzhammerantrag hier gar nichts erreichen.

Aber gut, so viel Empathie gegenüber Menschen aus anderen Kulturen habe ich Ihnen auch gar nicht zugetraut. Sie wollen Mädchen und jungen Frauen helfen, die gegen ihren Willen verheiratet werden? Dann investieren Sie in die Vereine und Strukturen, die Beratung, Begleitung und Unterstützung bieten.

(Beifall der Abg. Kerstin Köditz, DIE LINKE)

Setzen Sie sich für Forschungsstellen ein, die kulturelle Fragen geschlechtersensibel betrachten und daraus Konzepte erarbeiten.

(Vereinzelt Lachen bei den LINKEN)

Stärken Sie Fachkräfte für interkulturelle Arbeit in der Kinder- und Jugendhilfe. Verstärken Sie Schulaufklärungsprojekte. Fördern Sie Projekte, die Schutzräume für geflüchtete Frauen in Erstaufnahmeeinrichtungen schaffen. Das wären wirkungsvolle Maßnahmen, die wir hier in Sachsen direkt durchführen könnten.

(Beifall bei den LINKEN sowie vereinzelt bei der SPD und den GRÜNEN)

Aber nein, kein Wort davon in Ihrem Antrag. Dafür haben Sie auch nichts übrig. Sie polemisieren doch die ganze Zeit gegen den Haushaltsentwurf, weil aus AfD-Sicht zu viel Geld für Geflüchtete ausgegeben wird. Für Sie ist doch jeder Euro, der nicht für Deutsche ausgegeben wird, ein Euro zu viel.

Klar ist also, dass es Ihnen gar nicht um die 23 Mädchen und jungen Frauen geht, die in Sachsen in von Ihnen so genannten Kinderehen leben. Die sind Ihnen völlig egal. Deshalb instrumentalisieren Sie sie auch völlig ungeniert für Ihren Kulturkampf. Es ist ja auch kein Zufall, dass Ihre Fraktionsvorsitzende in der Aktuellen Debatte religiös aufgeladene Begriffe wie „Sündenfall“ benutzt hat. Das ist es doch, was Sie mit dem Antrag und der gesamten Debatte wollen.

(Oh-Rufe von der AfD)

Sie wollen die Angst vor dem Islam schüren, vor der Scharia, vor den Fremden, vor der Überfremdung. Sie wissen ganz genau, dass dies auf fruchtbaren Boden fällt.

(Dr. Frauke Petry, AfD: Tja, das ist Ihr Problem!)

Die Zahl der rassistischen Übergriffe in Sachsen steigt massiv an. Wir reden hier nicht mehr von „Wutbürgerinnen“ und „Wutbürgern“, die ihren Unmut äußern. Wir reden von brennenden Unterkünften; wir reden von Sprengstoffanschlägen.

(Zuruf von der AfD: Reden Sie doch mal zum Thema!)

Dieser Hass, der sich gegen das Fremde richtet, richtet sich auch gegen Mädchen und Frauen. Sie tragen mit Ihrer hetzerischen Politik dazu bei. Hören Sie also auf, zu behaupten, es gehe Ihnen um die Betroffenen.

(Beifall bei den LINKEN und den GRÜNEN)

Wir lehnen Ihren Antrag ab, weil er keine konstruktive Problemlösung bietet und weil wir Ihre ausgrenzende und brandstiftende Politik ablehnen.

Vielen Dank.