Unsere Schulen befinden sich in einer extrem schwierigen Situation. Angesichts dessen gehört es sich einfach, dass die CDU aufhört, so zu tun, als ob sie einen Weisheitsbonus habe.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meiner Kollegin Sabine Friedel für ihren sehr guten Redebeitrag danken. Auch ich bin es leid, von dieser Stelle aus immer wieder über dieselben Problemlagen zu reden; denn wir tun dies seit Langem ununterbrochen. Dennoch, liebe Sabine, müssen wir diese Diskussion weiterhin führen.
Es gibt mindestens zwei Wahrnehmungen der Situation und daneben viele, viele Wünsche. Allgemein wird der Wunsch geäußert, zukunftsorientiert zu diskutieren. Aber wir müssen die aktuelle Situation an Sachsen Schulen im Blick haben. Ich habe mich in Vorbereitung auf die Aktuelle Debatte – wir alle wussten, dass sie kommen wird – umgehört. Wir müssen ganz klar feststellen: Der Start in das Schuljahr 2016/2017 ist ein Fehlstart gewesen. Frau Ministerin, das müssen auch Sie zur Kenntnis nehmen. Es kommt hinzu, dass – im Gegensatz zum Fehlstart im Sport – die Schülerinnen und Schüler keine zweite Chance haben. Es geht nicht zurück auf null. Man kann nicht erneut starten. Das müssen Sie alle zur Kenntnis nehmen.
Ich kann auch nicht akzeptieren, dass in einer Aktuellen Debatte nicht darüber geredet werden soll, worin die Ursachen der aktuellen Situation an den Schulen im Freistaat Sachsen liegen. Die Suche nach den Ursachen gehört dazu. Insofern ist es richtig, dass wir zum Schuljahresauftakt wieder die Debatte über die Ursachen führen. Ich möchte aber auch darlegen, wie nach Auffassung unserer Fraktion der Weg aus diesem Dilemma aussehen könnte.
Ein Journalist der „Freien Presse“ hat geschrieben, die Eltern befanden sich in Schockstarre. Ja, das ist so. Es war eine Schockstarre! Die Ministerin hat in diesem Jahr klugerweise nicht ihren mantrahaften Satz gesagt: „Vor jeder Klasse wird ein Lehrer stehen.“ Es war richtig, dass sie darauf verzichtet hat. Die Ministerin ist ja eine kluge Frau. Angesichts von 45 % Seiteneinsteigern hätte diese Aussage wohl ein „Ungenügend“ in Mathematik bedeutet. Also hat die Ministerin diese Aussage gelassen. Das fand ich gut.
Wovon ist der Schulstart konkret geprägt gewesen? An Chemnitzer Schulen gibt es seit Schuljahresbeginn in jeder Woche einen anderen Stundenplan. Wir verzeichnen Ausfälle und fachfremde Vertretungen. Nicht nur der Landesschülerrat und die Elternvertretungen befürchten, dass es zu einem Qualitätsabfall in sächsischen Schulen kommt. Deswegen muss es immer wieder gesagt werden: Der Lehrermangel ist hausgemacht. Er ist Ergebnis der CDU-Bildungspolitik. Sachsen ist unattraktiv für Lehrerinnen und Lehrer – auch ein Ergebnis der CDU-Politik. Bundesweit – Herr Bienst, das vergessen Sie regelmäßig – hat Sachsen die höchste Quote an Schülerinnen und Schülern ohne Abschluss. Auch das ein Ergebnis der CDU-Bildungspolitik.
Statt aus Fehlern zu lernen, wurschteln Sie frei nach dem Motto „Augen zu und durch!“ einfach weiter. Statt die Ursachen zu beseitigen, verstärken Sie bestehende Ungerechtigkeiten. Ein Ende ist leider nicht in Sicht, sehr verehrter Herr Kollege Bienst. Verdrängen, kaschieren, schönreden – das ist aktuell die Stärke der CDUBildungspolitik. Das alles passiert zulasten von Lehrerinnen und Lehrern, von Schülerinnen und Schülern und natürlich zulasten der Eltern.
Was sind aus der Sicht der GRÜNEN-Fraktion die Konsequenzen, um eine Erhöhung der Attraktivität des Lehrerberufs zu erreichen? Damit bin ich bei dem Nach-vornSchauen, bei dem wir ja auch mitmachen wollen. Morgen gehen die Verhandlungen mit den Lehrergewerkschaften weiter. Sabine, du hast dazu eine kleine Hausaufgabe mitgegeben. Auch wir möchten das machen. An erster Stelle steht für uns, dass die bestehenden Ungerechtigkeiten – die letztlich auch Ausdruck mangelnder Wertschätzung sind – bei der Eingruppierung der Lehrerinnen und Lehrer beseitigt werden. Alle Lehrerinnen und Lehrer mit einem Hochschulabschluss sollen, wenn sie anfangen, in die E 13 eingruppiert werden. Wir dürfen insoweit keine unterschiedlichen Bewertungen vornehmen. Das ist das A und O, wenn wir von Gerechtigkeit der Bezahlung sprechen.
Wir müssen zunehmend Verantwortung honorieren. Dafür brauchen wir mehr Funktionsstellen und Abminderungsstunden. Wir müssen ein Klima der Wertschätzung etablieren. Mir sagen immer wieder insbesondere die jungen Lehrerinnen und Lehrer, wir brauchen bessere Rahmenbedingungen. Es geht nicht nur um die Quantität, sondern auch um die Bedingungen, unter denen Schule stattfindet. Dazu gehören Schulhäuser, Turnhallen, eine moderne Ausstattung und das Thema digitales Lernen ebenso wie Familienfreundlichkeit. Was wir auch brauchen, und da haben wir leider eine traurige Entwicklung in Sachsen, –
Mit Frau Kollegin Zais von den GRÜNEN sind wir am Ende der ersten Runde angekommen. Die zweite Runde wird jetzt von Frau Kollegin Falken von der antragstellenden Fraktion DIE LINKE eröffnet.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ja, Frau Friedel, ich würde auch gern über inhaltliche Bildungsarbeit im Parlament reden und Überlegungen anstellen für eine bessere Methodik und die Gestaltung einer modernen
Schule. Das würde ich viel, viel lieber machen. Leider – und Frau Zais hat es gerade dargestellt – ist es momentan nach unserer Auffassung gar nicht möglich, über diese Thematik zu sprechen, sondern hier geht es im Moment nur darum, zu sehen, wo die Probleme liegen, diese auch auszusprechen und dann für die einfachen, aber auch für die komplizierten Probleme Lösungen zu finden.
Herr Bienst, ich muss Ihnen sagen, dass ich sehr gehofft habe, dass Sie heute nicht die sogenannte Studie der neuen sozialen Marktwirtschaft anführen. Ich habe nicht gedacht, dass Sie sich trauen, hier noch einmal diese Studie als besonders positiv für Sachsen darzustellen. Die Realität, Herr Bienst, ist eine ganz andere, und mit Zahlen, die aus dem Kultusministerium kommen, um eine Studie zu erstellen, habe ich ganz, ganz große Probleme und Bedenken.
Kommen wir aber trotzdem noch einmal zu den konkreten Punkten, wie es zurzeit an den Schulen aussieht. Wir hören vom Kultusministerium und von der Staatsministerin Frau Kurth immer, dass die Bildungsagentur der Stadt Leipzig besonders gut dran ist, weil die Lehrer alle nach Leipzig wollen. Ich nenne Ihnen nun die konkreten Zahlen, die bisher auch noch nicht in den Medien waren. In der Bildungsagentur Leipzig sind 127 Einstellungen im Grundschulbereich vorgesehen gewesen. Davon sind 75 Seiteneinsteiger eingestellt worden, 13 Gymnasiallehrer, die an der Grundschule arbeiten, zum Teil nicht einmal in dem Fach ausgebildet, das es an der Grundschule gibt, und ganze 39 Grundschullehrer mit einer klassischen Grundschullehrerausbildung.
An der Mittelschule sollten 116 Lehrer eingestellt werden. Ja, die Zahl ist erreicht worden, aber wie? 47 Seiteneinsteiger, 83 Gymnasiallehrer über den Trick – Herr Unland hat es gerade noch gemerkt, denn Frau Ministerin hätte sie mit der E 13 gleich mal für die Mittelschule eingestellt –, sie beim Gymnasium anzustellen, damit sie eine E 13 bekommen können und dann an die Mittelschule abgeordnet wurden. Das heißt, ganze 34 Mittelschullehrer sind in der Bildungsagentur Leipzig angestellt worden. Das Problem liegt nicht nur in der Mittelschule und bei der Förderschule, sondern selbstverständlich auch mit gut ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern an der Grundschule, weil 39 von 127 Einstellungen im Grundschulbereich wohl nicht zu vertreten sind. Das hat etwas mit der Attraktivität des Berufes zu tun, gar keine Frage.
Das heißt, wir müssen uns heute und auch schon in diesem Doppelhaushalt, Herr Unland, darüber Gedanken machen, wie wir die Grundschullehrer, die hier in Sachsen ausgebildet werden, auch halten können. Wie können wir sie hierbehalten? Das hat auch etwas mit der Eingruppierung zu tun. Da stimme ich Frau Zais zu, dass auch die Grundschullehrer die Entgeltgruppe 13 bekommen sollen.
Wie sieht es aus? Keine Reserven, gar keine Reserven. Ich habe in der letzten Woche einen Lehrer der PetriMittelschule getroffen. Er sagte: „Stell dir vor, bei uns bricht die Katastrophe aus. Drei Wochen vor Schuljahresbeginn sind von 25 Lehrern, die wir an der Schule haben, fünf krank. Das bedeutet Kürzung der Stundentafel, Zusammenlegung von Klassen, große Schüler nach Hause schicken.“
Das ist zurzeit der Bildungsstand, den wir haben. Aber nicht nur an Mittel- und Grundschulen gibt es die Probleme, sondern auch am Gymnasium. Schkeuditzer Gymnasium, Schuljahresbeginn: Stundentafelstreichung; keine Vertretung, sondern klassische Streichung in der Stundentafel im Gymnasium in Deutsch. Jetzt erzählen Sie mir nicht, dass wir keine Deutschlehrer haben, die wir hätten einstellen können.
Fachfremder Unterricht ist ganz normal. Bis heute gibt es an einzelnen Schulen immer noch Klassenleiterunterricht und es gibt zahlreiche Beispiele dafür, dass schon der dritte oder vierte Stundenplan für die Schüler erstellt werden musste. Es gibt Klassenzusammenlegungen und einen Krankenstand schon zu Beginn des Schuljahres. Das ist die Situation im Freistaat Sachsen, und das haben Sie, Herr Tillich, zu verantworten. Sie hätten jahrelang, zumindest zu dem Zeitpunkt, –
Die Fraktion DIE LINKE als Antragstellerin hatte gerade das Wort. Es sprach Frau Falken. Jetzt spricht für die CDU-Fraktion Herr Kollege Schreiber.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zur eigentlichen Debatte komme, möchte ich zwei Sätze zu Frau Kersten verlieren. Bei allem Respekt, aber Sie haben am Thema vorbei gesprochen. Es ging in der Debatte nicht um das Schulgesetz und was da alles passiert und nicht passiert, sondern es geht um den Schuljahresstart. So zumindest verstehe ich die eingereichte Debatte von den LINKEN.
Zu Ihrer Bemerkung zur Arbeit im Fachausschuss möchte ich Ihnen als Vorsitzender des Ausschusses für Schule und Sport etwas mit auf den Weg geben. Zum Thema Schulgesetz und Ihrer Kritik, dass wir keine inhaltliche Debatte führen würden, frage ich Sie, wie viele Änderungsanträge zum Schulgesetz Sie selbst schon eingereicht haben, über die man debattieren könnte: null. Das ist auch ganz logisch, weil noch keiner einen eingereicht hat, denn der Antragsschluss der Änderungsanträge, über die wir dann selbstverständlich – –
Herr Wurlitzer, auch Sie sind im entsprechenden Ausschuss in der Vergangenheit nicht besonders rege mit inhaltlichen Beiträgen aufgetreten – null. Hören Sie auf, nach außen etwas darzustellen, was Sie im Ausschuss, der nicht öffentlich tagt, selbst nicht erfüllen. Wir werden sehen, welche Änderungsanträge und inhaltlichen Dinge Sie zum Schulgesetz einbringen. Dann wird selbstverständlich eine Debatte stattfinden, Frau Kersten. Das kann ich Ihnen versichern.
Frau Falken, ich habe überlegt, was der Debattentitel bedeuten soll „Keine Lehrkräfte – kein Unterricht.“ Ist das eine Aussage? Ist das eine Vermutung? Ich habe dann überlegt: keine Abgeordneten, kein Parlamentarismus, Demokratie in Not. Dieser Titel ist – Entschuldigung – völliger Nonsens. Während der Debatte ist mir noch aufgefallen, dass Sie sich damit brüsten, dass Sie immer zu Schuljahresbeginn die Situation an den Schulen anmahnen. Ich finde es sehr interessant, dass Sie sich 2016 nach 25 Jahren Opposition hier hinstellen und sagen, wir müssen jetzt einmal analysieren, wo die Probleme sind, müssen das dann einmal auswerten usw. Da frage ich mich ganz ehrlich, wann Sie endlich mit einem konkreten Vorschlag hier öffentlich um die Ecke kommen und den Herrschaften im Haus und der Öffentlichkeit mitteilen – statt permanent alles in den Schmutz zu ziehen –, wo Ihr persönliches Konzept ist.