Protocol of the Session on June 22, 2016

Gern, Herr Präsident.

Ich wollte gern noch den Satz zu Ende hören. – Herr Modschiedler.

Herzlichen Dank. Ich hätte solange auch gewartet, Herr Kollege Bartl.

(Christian Piwarz, CDU: Auch noch die nächsten fünf Minuten!)

Kein Problem.

Ist es richtig, dass bei einfach gelagerten Fällen, für die die Amtsanwaltschaft zuständig ist, nicht ohnehin in allen Bundesländern – ich meine, 13 Bundesländer können sich bei der Amtsanwaltschaft nicht irren – schon jetzt in Ausbildung befindliche Referendare diesen Dienst für die Staatsanwalt übernehmen, die ebenfalls kein zweites Staatsexamen haben?

Herr Kollege, das ist in einer Reihe von Ländern üblich. Wir haben nur den bösen Verdacht, dass es aus demselben Grund eingeführt worden ist, wie es hier eingeführt werden soll, um nämlich Finanzen zu sparen, Geld zu sparen und um den Personalproblemen, die in der Bestellung – in Anführungsstrichen – ordentlicher Staatsanwältinnen und Staatsanwälte bestehen, aus dem Weg zu gehen.

Ich komme darauf noch einmal zurück. Das lassen Sie in der Begründung im Grunde genommen ziemlich deutlich durchschimmern.

(Geert Mackenroth, CDU: Steuergelder sparen ist nichts Unehrenhaftes!)

Wenn die Qualität und die Rechtssicherheit dadurch nicht verloren gehen.

(Geert Mackenroth, CDU: Deswegen werden die Leute ausgebildet!)

Wenn die Qualität und die Rechtssicherheit dadurch nicht verloren gehen – ich komme darauf noch einmal zurück.

Kategorie einfache Kriminalität sagen Sie jetzt hier – nichts anderes ist momentan beschrieben. Sie sollen für einfache Kriminalität eingesetzt werden. Die einen verstehen unter einfacher Kriminalität – sie ist nicht legal definiert – reine Bagatelldelikte: strafbewehrte Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung und gegen das Urheberrecht. Die anderen sagen, dazu gehörten Leistungserschleichung, also Schwarzfahren, Ladendiebstähle,

Diebstähle geringwertiger oder minderwertiger Sachen, Hausfriedensbruch, Beleidigung oder die Verletzung anderer Persönlichkeitsrechte, die nicht schwer seien. Wieder andere meinen, dass bei der Zuordnung Staatsanwaltschaft oder Amtsanwaltschaft auch Straftaten der mittleren Qualität berücksichtigt werden sollten. Wir haben sogar Bundesländer, die Schöffengerichtsprozesse von Amtsanwälten führen lassen. Es ist schon eine Eigendynamik aufgrund der Personalsituation eingetreten.

Weil es nirgends exakt bestimmt ist, wird, wenn Sie es jetzt über diesen Weg einführen, also ohne eine Änderung

des Organisationsstatuts und ohne, dass Sie wie die Berliner ein Ausführungsgesetz zum § 142 des Gerichtsverfassungsgesetzes haben, eine Rechtssituation geschaffen, in der jede Staatsanwaltschaft oder jeder Leitende Oberstaatsanwalt für sich selbst entscheiden kann, wen er für welches Delikt einsetzt, und wenn Not an der Frau oder am Mann ist, dann geht unter Umständen auch bei Kriminalität, die weit über die einfache hinausgeht – wie gesagt, nicht legal definiert –, ein Amtsanwalt. Damit haben wir unsere Schwierigkeiten, unsere Probleme.

Wodurch soll es sich auch rechtfertigen, dass derjenige, der sich einer einfachen Straftat beschuldigt sieht, der Bürger, die Bürgerin, gewissermaßen nur Anspruch auf einen Amtsanwalt, aber der Schwerverbrecher – in Anführungsstrichen – der Schwerkriminelle immer einen Staatsanwalt haben soll? Das ist ein Problem für uns, mit dem wir prinzipiell Schwierigkeiten haben.

Für Angehörige dieser oder jener Berufsgruppe – etwa Polizisten, Journalisten oder Politiker – kann es im übertragenen Sinne ohne Weiteres tödlich sein, wenn er nach dem Tanken zwei-, dreimal vergisst zu bezahlen.

Das ist dann ein Bagatelldelikt. Das ist einfache Kriminalität, die aber eine gewisse Reichweite hat, bis hin zum Verlust des Berufs. Deshalb sage ich auch als Verteidiger einfach einmal: Das ist nicht so einfach. Verfahren zu Straftaten, bei denen es um relativ geringfügige Vorwürfe geht, laufen nicht immer einfacher als bei einer relativ schweren, kapitalen Kriminalität. Ich war mit Raubsachen schon in zwei Stunden fertig, während wir uns bei ganz normalen Ladendiebstählen fünf, sechs Tage herumgedrückt haben. So einfach ist das nicht.

Für Angehörige dieser oder jener Berufsgruppe ist das, wie gesagt, bei Rechtsfolgen disziplinarischer Art – bei Beamten und dergleichen mehr – gar nicht so leicht.

Um keinerlei Missverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich ausdrücklich noch einmal betonen: Tatsächlich sind in der mit dem Gesetzentwurf angesprochenen Amtsanwaltslaufbahn vor allem Angehörige der Laufbahngruppe 2, Einstiegsebene 1 eingesetzt, in aller Regel Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger. Wir haben überhaupt keine Probleme mit der Würdigung, die Sie, Herr Kollege Modschiedler, vorgenommen haben. Wir finden, unsere Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger machen eine ausgesprochen gute Arbeit, eine wichtige Arbeit. Wir haben auch nichts dagegen, ihre Arbeit besser zu besolden.

Wir haben aber Probleme damit, dies jetzt aufgrund der bevorstehenden Personalsituation heraus zu tun, aufgrund der Tatsache, dass ab 2022, 2023 die Hälfte der Richterinnen und Richter, der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte in Pension geht – oder weil wir gewissermaßen auf sonstige Weise Geld einsparen wollten. Wenn dieser Weg jetzt gegangen werden soll, ohne dass wir uns inhaltlich damit befasst haben, dann hätten wir uns wenigstens gewünscht, dass im Ausschuss, im Parlament zunächst einmal auf einer gesetzlichen oder einer Beschlussgrund

lage darüber gesprochen wird, was denn für die Amtsanwälte spricht und was dagegen.

Jetzt kommen Sie sofort mit einem Staatsvertrag, in dem festgeklopft wird: Wir haben sie, und jetzt geht das los. Nirgendwo ist definiert, wie wir sie einsetzen wollen und dass es bei uns eben nicht infrage kommt, dass sie zum Schöffengericht gehen. Das ist nirgendwo festgehalten im Parlament. Da liegt für uns der Hase im Pfeffer.

Erstmals ins Gespräch gebracht wurde die Amtsanwaltschaft – das wissen Sie genau, Kollege Modschiedler; das ist im Vorblatt ganz knapp in einem Halbsatz angedeutet – durch den Rechnungshof. In einer Debatte zum Einzelplan 06 des Haushaltsplanes 2011 hat der Rechnungshof Rechenbeispiele entwickelt, was man einsparen könnte, wenn man anstelle von Staatsanwältinnen und Staatsanwälten an bestimmten Stellen Amtsanwältinnen und Amtsanwälte einsetzte. Amtsanwälte werden nach Besoldungsgruppe 12 und Richter oder Staatsanwälte regelmäßig nach R 1 bezahlt. Mit dem geringeren Anspruch spart man natürlich Mittel ein: 1,8 Millionen Euro pro Jahr hat der Rechnungshof ausgerechnet. Doch aus genau diesem Ansatz heraus jetzt diesen Vorschlag einzubringen, das wollen wir nicht. Das lehnen wir ab.

Auch das ist im Ausschuss nur angerissen worden: Dass der Freistaat Bayern die Amtsanwaltschaft abgeschafft hat, dass er darauf verzichtet, mit Amtsanwälten zu arbeiten, hatte ja auch seinen Grund.

Schließlich noch ein letzter Gedanke. Der Freistaat Bayern war es auch, der zunächst 2006 und noch einmal 2009 einen Gesetzentwurf in den Bundesrat eingebracht hat, mit dem Amtsanwälte aus dem Kreis der ausgeschiedenen Staatsanwälte oder Richter rekrutiert werden sollten bzw. aus dem Bereich der Rechtspflege, die für den Sitzungsdienst eingeteilt werden. Das wurde 2006 eingebracht und 2009 noch einmal inhaltsgleich. Der Vorschlag hat im Bundesrat keine Mehrheit gefunden und ist nicht in den Bundestag eingebracht worden. Ein vergleichbares, ähnliches Modell ist seinerzeit also auch im Bundesrat gescheitert.

Summa summarum: Wir verschließen uns dem überhaupt nicht. In einer bestimmten Phase der Entwicklung, zu einem bestimmten Zeitpunkt können andere Vorstellungen, andere Wahrnehmungen aufkommen, welche Funktionsgruppen innerhalb der Justiz disponibel eingesetzt werden können. Wir haben nichts dagegen, Debatten über Amtsanwältinnen und Amtsanwälte zu führen – dann aber bitte von vornherein unter dem Aspekt, dass ein qualitativer Zuwachs an Rechtssicherheit, an Bürgernähe, an bestimmten Leistungen für den Bürger entsteht, aber nicht unter dem Aspekt, über den Weg der Amtsanwältinnen und Amtsanwälte Geld zu sparen.

Danke schön.

(Beifall bei den LINKEN und des Abg. Valentin Lippmann, GRÜNE)

Meine Damen und Herren, für die SPD-Fraktion spricht nun Herr Abg. Baumann-Hasske. Bitte sehr, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag soll sich der Freistaat Sachsen in die Reihe der Bundesländer einreihen, die bisher schon Amtsanwaltschaft ausbilden. Herr Bartl, das einzige Land, das das nicht tut oder nicht mehr tut – Sie haben es gerade gesagt – ist Bayern. Wir nehmen Bayern sonst ja eigentlich nicht so oft als Beispiel. Ich bin da schon ein bisschen – –

(Zuruf: Na ja! – Klaus Bartl, DIE LINKE: Baden-Württemberg?)

Ich tue es in der Regel nicht. In diesem Hohen Hause ist es schon eher üblich, aber Herr Bartl, dass von Ihnen Bayern als Beispiel herangezogen wird, ist nicht so regelmäßig der Fall.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir haben doch keine Vorurteile!)

Ist ja gut – erlauben Sie doch bitte diese kleine Bemerkung.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Nicht mal gegen Bayern!)

Nicht einmal? Na, sehen Sie. Dann haben wir ja etwas gemeinsam.

(Rico Gebhardt, DIE LINKE: Wir reden ja nicht über die CSU!)

Als der Entwurf auf den Tisch kam, hatte ich, um es offen zu sagen, zunächst natürlich auch Bedenken, ob hier nicht möglicherweise zulasten der Staatsanwaltschaft und dann auch zulasten der Bürgerinnen und Bürger eingespart werden soll. Doch die Zahlen des Rechnungshofs, die Sie genannt haben, sind natürlich deutlich höher als das Potenzial, dass mit diesem Gesetzentwurf tatsächlich auf dem Tisch liegt. Sie sprachen eben von 1,8 Millionen Euro bis zum Jahr 2030 oder 2035; das hat der Rechnungshof in der Tat einmal so ausgerechnet. Was ich jetzt im Moment kommen sehe, sind angesichts des diskutierten Umfangs etwa 600 000 Euro im Jahr, also ungefähr ein Drittel davon, weil zunächst ja auch nur bis zu dieser Größenordnung Ausbildung stattfinden soll. Was jetzt vorgesehen ist, sind im Jahr zwei Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, die in Bad Münstereifel ausgebildet werden sollen, zwei Personen über mehrere Jahre hinweg. Dann kommen irgendwann 30 oder 32 Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger – in dieser Größenordnung – in die Amtsanwaltschaft hinein.

Ich glaube nicht, dass wir bei diesen Zahlen befürchten müssen, dass die Qualität der Staatsanwaltschaft leidet, vor allem, wenn man betrachtet, dass diese Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger ja eine solide Ausbildung in der Justiz durchlaufen haben, sich in der Justiz also auskennen, und anschließend noch eine sehr fundierte zusätzliche Ausbildung in Bad Münstereifel durchlaufen werden.

Das sieht dann so aus, dass sie dort ein Semester, also etwa vier Monate lang, eine theoretische Ausbildung absolvieren. Anschließend durchlaufen sie neun Monate lang eine praktische Ausbildung bei einer sächsischen Staatsanwaltschaft. Ich will jetzt nicht den direkten Vergleich zum Referendardienst ziehen, weil das doch dann etwas gewagt wäre, aber ich glaube, dass auch Rechtsreferendare nicht ohne Weiteres neun Monate praktische Ausbildung im Strafrecht bekommen. Das ist jedenfalls nicht der Regelfall.

Danach folgt eine weitere theoretische Ausbildung, die nach zwei Monaten mit einer Abschlussprüfung beendet wird. Ich glaube, damit ist gewährleistet, dass diese Personen eine sehr solide Ausbildung haben. Man muss ja auch hinzurechnen, was sie schon vorher als Voraussetzung mitbringen. Zählt man das zusammen, ist das, wie ich denke, eine solide Grundlage.

Ich gebe Ihnen durchaus recht, im Zweifel bringen Volljuristen eine andere Qualität mit. Ich glaube aber auch, dass es für die Justiz eine Bereicherung ist, eine Kombination aus Erfahrung im gehobenen Dienst der Justiz mitzubringen und danach in der Staatsanwaltschaft diese Ausbildung durchlaufen zu haben.

Wir erwarten von den Leuten viel Engagement. Es werden engagierte Leute sein, denn sonst würden sie nicht noch einmal lange Zeit die Schulbank drücken und dieses Verfahren über sich ergehen lassen. Ich glaube, dieses Engagement kann durchaus frischen Wind in die Justiz bringen. Diese Leute werden auch eher bereit sein, ihre eigene Vorgehensweise noch einmal zu hinterfragen, als das bei Staatsanwälten gelegentlich der Fall ist, die schon viele Jahre im Dienst sind und eben auch auf eingefahrenen Schienen laufen. Ich glaube, man sollte erst einmal abwarten, was tatsächlich dabei herauskommt.

Was ich Ihnen zugestehen will und was wir in diesem Haus noch diskutieren müssen: Um welche Bereiche geht es eigentlich? Wo sollen sie tätig werden? Das wird, denke ich, noch zu diskutieren sein. Wir haben heute auch noch einen Antrag der Fraktion GRÜNE auf dem Tisch liegen, der sich ebenfalls mit diesen Fragen befasst. Das wird noch Gegenstand unserer Beratungen sein müssen. Ich glaube aber, dass wir das noch tun werden und dass wir als Landtag damit auch den Rahmen abstecken können.

Was für mich ganz wichtig ist und was ich an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich unterstreichen will: Mit diesem Angebot wird ein weiterer Weg geschaffen, sich in der Justiz zu bewähren und einen Aufstieg zu ermöglichen, der sonst schon durch die Wahl der Ausbildung nach dem Abitur oder der Fachhochschulreife ausgeschlossen ist.

Herr Baumann-Hasske, gestatten Sie?

Ich bin gleich am Ende.

Okay.