Unser Ausbildungssystem ist damit einen Schritt dynamischer und durchlässiger. Es verwirklicht sich wieder einmal die alte, auch sozialdemokratische Idee, Rahmenbedingungen zu
Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Jetzt führt auch der Freistaat Sachsen als eines der allerletzten Bundesländer die Amtsanwaltschaft ein. Ein wesentlicher Grund hierfür ist die zu erwartende Personalknappheit. In den Jahren 2025 bis 2031 wird ein großer Teil der sächsischen Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand treten. Der entstehende Personalmangel wird durch Neueinstellungen nicht vollumfänglich zu decken sein. Das Arbeitsaufkommen bei den Staatsanwaltschaften ist gegenwärtig besonders hoch. Leider ist es nach der Prognose des Justizministers nicht möglich, alle Stellen durch geeignete, qualifizierte Volljuristen zu besetzen. Daher sollen ab 2018 die Amtsanwälte aushelfen.
Für die Einführung der Amtsanwaltslaufbahn sprechen nach der Auffassung der AfD-Fraktion mehrere Punkte: die positiven Erfahrungen anderer Bundesländer bei der qualitativen und quantitativen Arbeitsbewältigung durch Amtsanwälte; den Rechtspflegern wird eine zusätzliche Karrieremöglichkeit geboten und entgegen der Auffassung der LINKEN, die generelle Bedenken gegen den Gesetzentwurf äußern, glaubt die AfD-Fraktion nicht, dass durch die Einführung der Amtsanwälte das Niveau der Amtsgerichte herabgesenkt wird. Ganz im Gegenteil. Die Rechtspfleger, die sich zu Amtsanwälten weiterqualifizieren, bringen eine solide Grundausbildung von der Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung in Meißen mit, sie sind hoch motiviert und hoch qualifiziert.
Die AfD-Fraktion sieht in der Einführung von Amtsanwälten auch eine große Entlastung für die überlasteten Staatsanwälte. Beamtenbund und Tarifunion beschreiben die Aufgaben der Amtsanwälte sehr passend: Amtsanwälte sind die Allrounder der Strafverfolger. Amtsanwälte, die Rechtsanwälte mit Fachhochschulabschluss und einer Spezialausbildung im Strafrecht, übernehmen in Deutschland die Verfolgung der sogenannten Alltagskriminalität. Bei Diebstahl, Betrug, Unterschlagung, Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verkehrsstraftaten leiten Amtsanwälte die Ermittlungen, verfügen die Einstellung des Verfahrens, erheben die öffentliche Klage, und auch in der Hauptverhandlung vor Gericht treten sie für die Staatsanwaltschaft auf.
Wir gehen davon aus, dass die Staatsanwälte es begrüßen werden, wenn ihnen rechtlich leichtere Fälle durch kompetente Amtsanwälte abgenommen werden und sie sich auf die rechtlich schwierigeren Fälle konzentrieren können.
Die Staatsregierung rechnet durch die Einführung des amtsanwaltlichen Dienstes nicht nur mit einer Entlastung des höheren Dienstes, sondern auch mit wirtschaftlichen Einspareffekten. Herr Bartl hat darauf hingewiesen. Bereits der Rechnungshof hat 2011 eine Empfehlung zur Einführung des Amtsanwaltsdienstes abgegeben, dazu geraten und ein jährliches Einsparvolumen von 1,8 Millionen Euro nach vollständiger Einführung der Amtsanwaltslaufbahn ausgemacht, wie es jetzt geschehen soll. Die Ausgaben für die 15-monatige Ausbildung und die Prüfung von Amtsanwälten werden bereits mittelfristig dadurch überkompensiert, dass die Amtsanwälte alterbedingt ausscheidende Staatsanwälte ersetzen. Das darf aber auf keinen Fall dazu führen, dass Staatsanwälte insgesamt und dauerhaft eingespart und die anfallenden Aufgaben auf den geringer besoldeten gehobenen Dienst abgeschoben werden.
Insgesamt sind die Amtsanwälte in Verfahren der einfachen Kriminalität gut einsetzbar. Die AfD-Fraktion wird aus diesem Grunde dem Gesetzentwurf zustimmen. Gleichzeitig möchten wir aber doch noch drei Punkte anmerken:
Derzeit werden in Sachsen viele Juristen ausgebildet, aber nur wenige Absolventen haben ein überdurchschnittliches zweites Examen und wollen in Sachsen bleiben. Die Anzahl der Volljuristen mit gutem Staatsexamen ist also nicht ausreichend, um die Altersabgänge im höheren Dienst der Justiz zukünftig aufzufangen. Sollte man nicht auch einmal über die Absenkung der Einstellungskriterien oder des Notendurchschnitts im Justizministerium nachdenken?
In anderen Bundesländern – Hamburg und Niedersachsen – besetzen auch Volljuristen die Stelle von Amtsanwälten und erhalten dafür eine befristete Anstellung und eine an der A-13-Besoldung orientierte Bezahlung. Es gibt also bestens ausgebildete Volljuristen, die während ihres Referendariats bereits die wichtigsten Kenntnisse eines Staatsanwaltes erhalten haben und nicht erst geschult werden müssen. Es gibt sicherlich auch genügend Volljuristen, die eine solche Tätigkeit gern ausüben würden.
Ein weiterer Punkt: Wir bitten die Staatsregierung, auch zu berücksichtigen, dass es nicht nur bei den Staatsanwaltschaften an Personal mangelt, sondern auch bei den Rechtspflegern. Wenn diese zukünftig auch noch zu den Staatsanwaltschaften abgezogen werden, müssen ausreichend Nachfolger ausgebildet werden. Dazu ist die Ausbildung der Rechtspfleger an der Fachhochschule der Sächsischen Verwaltung in Meißen unbedingt aufzustocken. Auch dieser Aspekt muss bei den anstehenden Haushaltsverhandlungen berücksichtigt werden, genau wie die Schaffung von zusätzlichen Stellen für Richter und Staatsanwälte.
Wir bedauern es ausdrücklich, dass sich die Ankündigung des Herrn Justizministers, durch die Amtsanwälte den Justizdienst zu verstärken, offensichtlich nicht realisiert; denn Amtsanwälte werden anstelle von Staatsanwälten eingesetzt und nicht zusätzlich. Trotzdem werden wir zustimmen.
Meine Damen und Herren! Nun die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Frau Abg. Meier. Bitte sehr, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Als Sie, sehr geehrter Herr Staatsminister Gemkow, Ende vergangenen Jahres angekündigt haben, Amtsanwälte hier in Sachsen einführen zu wollen, haben wir GRÜNE das grundsätzlich im Gegensatz zu den LINKEN befürwortet, und zwar vor allem aus zwei Gründen: nämlich erstens – das wurde heute schon genannt – sollen sie die Staatsanwaltschaften entlasten und zweitens – das ist mir auch besonders wichtig – ist es eine Personalentwicklung für die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, vor allem wenn man bedenkt, dass 86 % der Rechtspflegerschaft Frauen sind.
So bieten sich eine gute Weiterentwicklungsmöglichkeit und Aufstiegschancen für Frauen. Das haben wir befürwortet, und das befürworten wir auch heute noch. Damals haben wir aber im gleichen Atemzug gesagt, dass wir Bedenken haben, ob durch die Einführung der Amtsanwälte Staatsanwälte eingespart werden sollen.
Deshalb habe ich Sie in der Staatsministerbefragung Ende letzten Jahres gefragt, ob sich das auf die Neueinstellungen der Staatsanwälte auswirken wird, wenn wir hier in Sachsen demnächst Amtsanwälte haben. Zu meiner – und ich glaube, zu unserer aller Beruhigung – haben Sie gesagt: Nein, die Einstellung von Amtsanwälten wird sich in keiner Art und Weise auf die Einstellung von Staatsanwälten auswirken, und Sie wollten die Möglichkeit, Amtsanwälte einzuführen, isoliert von dem Bedarf im Bereich der Staatsanwaltschaften betrachten. Ich habe Sie damals beim Wort genommen.
Jetzt legt die Staatsregierung diesen Gesetzentwurf vor, den Staatsvertrag mit NRW über die Ausbildung. Was muss ich da im Vorblatt lesen? Ich zitiere: „Die Amtsanwälte ersetzen altersbedingt ausscheidende Staatsanwälte.“ Vor einem halben Jahr stellen Sie sich hier hin und sagen, nein, es hat keine Auswirkungen auf die Neueinstellung von Staatsanwälten, und jetzt muss ich in der Begründung des Gesetzes lesen, dass genau das angeführt wird, nämlich dass Staatsanwälte eingespart werden sollen. Ich finde das, gelinde gesagt, ein wenig unverfroren.
Doch mit welchen Hiobsbotschaften warten Sie demnächst auf? Womöglich soll das so sein wie jetzt mit den Wachpolizisten, die Herr Ulbig eingeführt hat, zunächst lediglich zur Bewachung der Asylunterkünfte. Aber jetzt lässt er prüfen, ob die nicht auch noch andere Aufgaben übernehmen können. Sollen die Amtsanwälte, wenn sie sich hier in Sachsen bewährt haben, möglicherweise auch noch andere Aufgaben übernehmen? Das, meine Damen und Herren, würde zu einer Aushöhlung unseres Rechtssystems führen. Das dürfen wir nicht zulassen.
Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, dass gut ausgebildete Volljuristinnen und Volljuristen den Staat vertreten und da, wo Staatsanwaltschaft draufsteht, auch Staatsanwältinnen und Staatsanwälte drin sind. Alles andere wäre eine Mogelpackung par excellence. Die Staatsanwaltschaften – das wissen Sie mindestens genauso gut wie ich – sind heute schon völlig überlastet. Schauen Sie sich die Verfahrensdauern an. Die dauern teilweise bis zu über zwei Jahre. Wenn Sie also zur Entlastung der Staatsanwaltschaften Amtsanwälte einstellen, aber im gleichen Atemzug die Staatsanwaltsstellen streichen, ist das genauso – um im momentanen Fußballbild zu bleiben –, als wenn Sie Schweinsteiger und Özil vom Platz nehmen und zwei Leute aus der zweiten Bundesliga aufs Feld stellen. Das funktioniert nicht. Sie sind beide gute Leute. Sie machen einen guten Job. Es ist aber eine unterschiedliche Liga.
Zugutezuhalten ist Ihnen, dass Sie die geplante Streichung der 370 kw-Stellen im Justizbereich bei den Gerichten und Staatsanwälten ad acta gelegt haben. Nun haben Sie ebenfalls angekündigt, dass im Jahr 2017 neue Richterinnen und Richter sowie Staatsanwälte eingestellt werden sollen.
Das verhindert lediglich eine weitere Verschlechterung der Personalausstattung in der Justiz. An dem vollkommen unzureichenden Status quo ändert das noch lange nichts. Wir brauchen eine vorausschauende Personalpolitik mit festen Einstellungskorridoren und einer ausgewogenen Altersstruktur. Genau deshalb haben wir den Entschließungsantrag gestellt. Wir finden die Idee mit den Amtsanwältinnen und Amtsanwälten wegen der Entlastung und Personalentwicklung gut. Das darf aber nicht auf Kosten der Staatsanwaltschaften gehen.
Meine Damen und Herren! Das war die erste Runde. Gibt es aus den Reihen der Fraktionen weiteren Redebedarf für eine zweite Runde? Zunächst frage ich die CDU-Fraktion? – Das ist nicht der Fall. Hat die Fraktion DIE LINKE weiteren Redebedarf? – Herr Abg. Bartl. Bitte sehr.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Meier, wir können uns gern einmal treffen.
Mein Problem ist jedoch Folgendes: Ich habe nicht verstanden, in welchen Bereichen die Amtsanwälte tätig werden sollen.
Wir können inzwischen in Hamburg und BadenWürttemberg die Entwicklung verzeichnen, dass aufgrund der Personalnot Amtsanwälte – Menschen, die mit einer guten Qualität die Fachschulen absolviert und praktische Erfahrungen gesammelt haben – inzwischen Verbrechen, Sexualdelikte, Brandstiftung und andere schwerere Delikte verhandeln. Nun führen wir in Sachsen die Diskussion, dass wir den Amtsanwalt haben möchten. Wir haben ihn aber noch nicht definiert. Wir haben nirgendwo definiert, was er kann, was er darf, was er für Kompetenzen hat, worin er beschränkt ist und dergleichen mehr.
Wir sind, so glaube ich, beide Fraktionen gemeinsam, gegen eine Hilfspolizei als Fahndungstruppe, gegen eine Sicherheitswacht und dergleichen mehr. Unserer Auffassung nach ist das schwierig. Nun möchten wir aber in der Justiz – auf Deutsch gesagt – den Staatsanwalt light einführen. Das ist derselbe Weg. Er nennt sich nur anders.
Herr Kollege Modschiedler, der erste Schritt wäre doch, sich auf folgende Punkte zu verständigen: Was dürfen die Amtsanwälte in Sachsen, sofern wir sie wollen, meinethalben auch unter innovativer Aufnahme all dessen, was in anderen Bundesländern gemacht wurde? Was sind ihre Aufgaben? Wie regeln wir das: Geschieht das auf der Grundlage eines Gesetzes oder überlassen wir das dem Organisationsstatut der Staatsanwaltschaft? Dazu ist nichts geklärt. Wir reden über Bereiche, in denen fortwährend in Grundrechte eingegriffen wird. Sobald die Amtsanwälte unterwegs sind, machen sie das. Sie haben einen Fachschulabschluss und greifen jeden Tag, wenn es so extrem wie in Hamburg kommt, bei der Bearbeitung von Verbrechen wie dem Meineid und Sexualdelikten in Grundrechte ein.
Herr Kollege Bartl, ist Ihnen das Organisationsstatut der Staatsanwälte bekannt? Darin heißt es wie folgt: „Die Aufgaben der Staatsanwaltschaft können dort nur an Amtsanwälte übertragen werden, soweit der Richter bei einem Amtsgericht als Strafrichter entscheidet.“ Das ist also nur bei Vergehen und nicht bei Verbrechen der Fall.
Wir haben keine Begrenzung im Organisationsstatut. Wir hatten das bisher nicht. Ich möchte nicht, dass das Parlament seine Hoheit dafür abgibt, wenigstens die Befugnisse zu begrenzen. Das beinhaltet auch, wofür die Amtsanwälte zuständig sind.