Ein Punkt, in dem ich Ihnen recht gebe, ist die Frage der mangelnden Transparenz. Völlig richtig. Es hat dem Abkommen und der Sache nicht gutgetan, diese Verhandlungen hinter verschlossenen Türen zu führen, nicht dafür Sorge zu tragen, dass eine öffentliche Debatte möglich war. Daraus sollte man lernen und bei den TTIPVerhandlungen nachsteuern. Es ist nicht gut für die Abgeordneten, wenn es im Bundeswirtschaftsministerium Lesesäle gibt, wo man nur lesen kann, wenn man das Handy abgibt, denn das ist eines Abgeordneten unwürdig und auch unzulässig für die deutsche Öffentlichkeit.
Meine Damen und Herren! Der Ort für diese Diskussion ist aber nicht der Sächsische Landtag. Ja, wir in Sachsen sind betroffen, aber die Europäische Kommission ist dafür zuständig, Freihandelsabkommen mit den Staaten zu schließen.
Deswegen ist es spätestens seit Lissabon richtig, dass die Europäische Kommission das getan hat. Der Ort der Diskussion und Entscheidung ist der Europäische Rat, ist das Europäische Parlament und sind dann die nationalen Parlamente, also der Deutsche Bundestag.
Lassen Sie mich zum Inhalt auf zwei Punkte eingehen, die aus meiner Sicht wesentlich sind, weil sie die künftigen Verhandlungen zu Freihandelsabkommen berühren.
Erstens. Es gibt ein klares Bekenntnis zum Recht der staatlichen Regulierung. Wenn wir die Standards, die in Deutschland und Europa zu Recht hoch sind, im Sinne von Gesundheit, Umweltschutz, Sozialem und Arbeitsmarkt, aber auch Verbraucherschutz hochhalten wollen, dann ist es richtig, dass sie im CETA-Freihandelsabkommen Verankerung finden.
Zweitens. Die Etablierung eines Investitionsgerichtes – ich betone noch einmal, es ist kein Schiedsgericht – ist ein Verhandlungserfolg der Europäischen Kommission, zu dem wir stehen. Es ist ein unabhängiges Gericht, das zwischen den Investoren und Staaten transparent und unabhängig die Streitfragen lösen soll, im Gegensatz zu
dem, was die Amerikaner wollen, nämlich Schiedsgerichte, wo eine Partnerautonomie herrscht, das heißt, die Partner haben gar keinen Einfluss mehr auf das Schiedsverfahren.
Was heißt das für unsere Unternehmen in Sachsen? Die großen Konzerne können sich selber helfen. Sie haben Rechtsabteilungen und eine gefüllte Portokasse. Sie können sich erlauben, internationale Rechtsfirmen zu engagieren, um jahrzehntelang mit Millionenbeträgen Rechtsverfahren durchzusetzen. Das wollen wir ausdrücklich nicht. Deswegen stehen wir zum CETA-Freihandelsabkommen, weil es ein staatliches Gericht ist und kein Schiedsgericht. Unter dem Strich können wir mit gutem Gewissen dort zustimmen. Die regionale Sichtweise ist gut, aber es ist besser, wenn man sie um die globale Sichtweise ergänzt. Der Blick nach außen zeigt, dass die WTO-Welthandelsrunden ins Stocken geraten sind. Deswegen gibt es auf der Welt immer mehr präferenzielle Handelsabkommen. Regionen und Staaten schließen bilaterale oder multilaterale Handelsabkommen ab, aber nicht mehr auf der globalen WTO-Ebene.
Denken Sie an die Nordamerikanische Freihandelszone, NAFTA, oder – jetzt kürzlich abgeschlossen; ein Erfolg der Obama-Regierung – an die Transpazifische Partnerschaft der USA mit 30 anderen Anrainerstaaten des Pazifiks, und das sind immerhin 40 % der Weltwirtschaftsleistung. Was heißt das für uns? – Die Welt wartet nicht auf Europa, die Welt wartet nicht auf Deutschland und die Welt wartet auch nicht auf Sachsen.
Wenn wir die hohen Standards im Gesundheitswesen, im Bereich der Medizin, im Bereich des Verbraucherschutzes, im Bereich des Sozialen und des Arbeitsmarktes und im Bereich des Umweltschutzes nicht nur in Europa umsetzen und harmonisieren, sondern auch weltweit zur Geltung bringen wollen, dann müssen wir das Zeitfenster nutzen. Deswegen ist CETA ein guter und richtiger Schritt auf diesem Weg.
Zum Abschluss lassen Sie mich noch sagen: Freihandel, ja. Das ist die notwendige Bedingung. Es ist aber keine hinreichende Bedingung. Wir wollen freien Handel, wir wollen aber auch fairen Handel mit hohen Standards, wie wir sie in Deutschland und Europa kennen, und deswegen bekennen wir uns zu diesem Abkommen.
Kollege Prof. Wöller sprach für die CDU-Fraktion. – Für die SPD-Fraktion ergreift jetzt Herr Baumann-Hasske das Wort.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Zunächst möchte ich mich, was die inhaltlichen Ausführungen angeht, meinem Kollegen Herrn Prof. Dr. Wöller anschließen. Ich glaube, bei dieser Thematik sind wir sehr weit einer Meinung. Allerdings gibt es natürlich nach wie vor auch Bedenken, was die Inhalte von CETA angeht.
Die SPD hat im Herbst 2014 in Bezug auf TTIP einen Beschluss gefasst, der in einigen Bereichen durchaus noch dem widerspricht, was jetzt für CETA ausgehandelt worden ist. Wir versprechen uns von weiteren Verhandlungen durchaus noch Erfolge.
Wir werden diesem Antrag, der hier vorliegt, nicht zustimmen, weil er sich gegen CETA insgesamt richtet. Wir bekennen uns zu internationalen Freihandelsabkommen. Wogegen wir als SPD aber durchaus etwas haben, ist – ich glaube, das ist der Anlass für unsere heutige Debatte – das vorläufige Inkrafttreten von Teilen des CETA-Abkommens.
In der Tat ist wohl geplant – die Europäische Kommission strebt das an –, dass Teile des CETA-Abkommens vor der Ratifizierung durch die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union in Kraft treten sollen. Das ist nicht unproblematisch. Ein solches Verfahren ist in der Europäischen Union zwar durchaus üblich. Es ist also nicht so, dass überraschend eine neue Karte aus der Tasche gezaubert worden wäre, als hätte so etwas noch nie stattgefunden. Ich halte es aber vor allen Dingen angesichts der großen Debatten, die wir im Augenblick über TTIP und CETA haben, für ein Problem, und zwar deswegen, weil das Abkommen so komplex ist, dass eine klare Trennung der Regelungen, die in die Kompetenz der Europäischen Union fallen, und der Regelungen, die in die nationale Kompetenz fallen, kaum möglich erscheint.
Dies ist schon deshalb deutlich erkennbar, weil die Europäische Kommission eigentlich davon ausging und, wenn man diskutiert, auch bis heute davon ausgeht, dass CETA eigentlich komplett auf europäischer Ebene entschieden werden könnte. Es ist ja ein Produkt der Verhandlungen der letzten Monate, dass die Europäische Kommission eingelenkt und gesagt hat, na gut, dann sollen die nationalen Parlamente auch darüber entscheiden. Das bedeutet also, es wird, wenn jetzt tatsächlich einige Teile abgesondert und separat vorläufig in Kraft gesetzt werden, schon wieder Streit geben.
Es war auch nicht unbedingt nur der öffentliche Druck, der dazu geführt hat, dass über CETA jetzt national mit abgestimmt werden soll. Es war vor allen Dingen auch die Erkenntnis, dass die Mitgliedsstaaten sonst gegebenenfalls gegen dieses Verfahren klagen würden. Man möchte, dass CETA in absehbarer Zeit in Kraft tritt, und möchte nicht auf Jahre hinaus durch ein Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof daran gehindert werden, es umzusetzen. Das gilt natürlich auch dann, wenn jetzt vorläufig einige Teile von CETA in Kraft gesetzt werden und Mitgliedsstaaten der Europäischen Union den Eindruck haben, dass damit in ihre nationale Kompetenz eingegriffen würde. Wir hätten also schon wieder einen Anlass für Auseinandersetzungen vor dem Europäischen Gerichtshof.
Machen wir uns klar, wie die Situation unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union momentan aussieht: Es würde sich garantiert jemand finden, der klagt. Deswegen, meine ich, sollte man das vorläufige Inkrafttreten
Es gibt eigentlich auch keinen Grund, so technokratisch vorzugehen; im Gegenteil, es gibt jeden Grund, sensibel vorzugehen. Wir müssen uns klarmachen, dass Europa im Moment extrem in der Kritik steht.
Meine Damen und Herren, machen wir uns klar, Europa wird vorgeworfen, es bevormunde die Mitgliedsstaaten und es bevormunde seine Bürgerinnen und Bürger. In dieser Situation einer Ratifikation von CETA durch die Mitgliedsstaaten vorzugreifen würde alle Vorurteile und Verschwörungstheorien bestätigen, die so gern kursieren. Meines Erachtens wäre es ein grober politischer Fehler, den sich Europa nicht leisten sollte.
Meine Damen und Herren! Das Ratifikationsverfahren im Europäischen Parlament, aber auch und gerade in den nationalen Parlamenten böte die Chance nachzuholen, was die vertragsschließenden Parteien, nämlich die Europäische Union und Kanada, bei Vermeidung von Gesichtsverlust bisher nicht bereit waren, erneut auszuhandeln. Es ist nachverhandelt worden, aber es gibt Teilbereiche, in denen weiter hätte nachverhandelt werden müssen.
TTIP und CETA sind internationale Verträge neuen Typs. Sie gehen in ihrer Reichweite bis zu einer Größenordnung, die wir bisher nur von den Römischen Verträgen, von den Verträgen über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft und von deren Folgeverträgen bis hin zum Vertrag von Lissabon kannten. Solche Verträge kann man nicht mehr schließen, ohne die betroffenen Gesellschaften an einem demokratischen Diskussionsprozess zu beteiligen. Tut man es dennoch, führt dies zu einem erheblichen Vertrauensverlust in die demokratischen Institutionen.
TTIP und CETA sollen die Globalisierung des Handels und den Austausch von Dienstleistungen regeln. Damit sollen dem freien Spiel eines rein profitorientierten Weltmarktes bzw. den nicht mehr zeitgemäßen Regeln des GATT moderne Abkommen entgegengesetzt bzw. diese weiterentwickelt werden, die eine zeitgemäße wirtschaftliche Entwicklung zum Wohle der Menschen ermöglichen. Mit diesem Ziel ist die SPD bereit, TTIP und CETA zu unterstützen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das CETA-Freihandelsabkommen ist nun zwischen den Verhandlungspartnern unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgehandelt worden. Bei aller berechtigten Kritik ist ein geschützter Raum für die Diskussion zwischen den
Verhandlungspartnern natürlich notwendig gewesen. Aber, meine Damen und Herren, die Tür dieses Raumes muss dann geöffnet werden, sobald ein vorläufiges Ergebnis vorliegt.
Die Anhörung zum Bundesverkehrswegeplan ist ein gutes Beispiel dafür, wie es besser gemacht werden kann. Mit der dadurch eröffneten Öffentlichkeitsbeteiligung wird den Betroffenen nach einem vorläufigen Ergebnis ausreichend Zeit eingeräumt, ihre Bedenken und Anregungen vorzutragen. Nur auf diesem Weg kann, wenn überhaupt, eine hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung erreicht werden.
Es kann jedoch nicht sein, dass man damit so lange wartet, bis das Abkommen ausverhandelt ist, und dann noch versucht, im Schnelldurchlauf die Ratifizierungen zu erreichen. Dies nährt die Vermutung, dass die EUKommission die Öffentlichkeit überraschen und vor vollendete Tatsachen stellen will. Wenn die Kommission diesen Überraschungseffekt noch dadurch ausnutzt, dass sie dieses Abkommen vor dem Abschluss des dafür vorgesehenen Verfahrens vorläufig in Kraft setzen will, so ist die Absicht, die Öffentlichkeit und die Mitgliedsstaaten vor vollendete Tatsachen zu stellen, offensichtlich. Dies gilt umso mehr, solange die Beteiligung der jeweiligen nationalen Parlamente noch aussteht.
Gegen die Einführung von privaten Schiedsgerichten gab es von Anfang an erhebliche Bedenken. Daher hat man anstelle der privaten Schiedsgerichte – Prof. Wöller führte das schon aus – in Artikel 8 des Abkommens ein internationales Investitionsgericht sogar mit einer Berufungsinstanz vorgesehen. Es gibt aber seitens des Deutschen Richterbundes erhebliche Zweifel an der Kompetenz der Europäischen Union für die Einsetzung von Investitionsgerichten und der Unabhängigkeit der dann ernannten Richter. Das vorgesehene Verfahren zur Ernennung der Richter lasse nach Ansicht des Richterbundes und deren Stellung das Gericht nicht als internationales Gericht, sondern vielmehr als ständiges Schiedsgericht erscheinen. Uns kommt dies wie ein Etikettenschwindel vor, welcher die kritischen Stimmen ruhigstellen soll.
Warum verweisen wir die Verhandlungspartner nicht auf die bestehenden nationalen Gerichte in der EU? Sollten hier Mängel im Justizsystem einzelner Mitgliedsstaaten bestehen, so müssten diese klar definiert und vom jeweiligen nationalen Gesetzgeber ausgeräumt werden. Es kann nicht sein, dass wir stattdessen mit jedem neuen Abkommen das neu eingerichtete Investitionsgericht stärken und damit einen neuen internationalen Gerichtszweig etablieren. Wenn wir es zulassen, dass immer mehr zusätzliche internationale Gerichte eingerichtet werden, dann zementieren wir die Zweifel an den nationalen Gerichten. Das ist der falsche Weg. Vielmehr muss es unser Ziel sein, europäische Nationalstaaten bei der Verbesserung ihrer Justizsysteme zu unterstützen. Auch insoweit können wir dem Antrag der Linksfraktion, allerdings aus anderen Gründen, in diesem Teil zustimmen.
Die Standstill- und Ratchet-Klauseln lehnen wir ebenfalls ab, weil sie den Entscheidungsspielraum der Regierungen und Parlamente unzumutbar einschränken. Durch diese Klauseln wird die Rücknahme von Liberalisierungen nicht mehr möglich, ohne dass eine Klagewelle kanadischer Investoren droht. Damit wären Regierungen an die Entscheidungen ihrer Vorgänger gebunden und könnten nicht mehr auf aktuelle Entwicklungen und Ereignisse reagieren.
Durch den Negativlistenansatz, meine Damen und Herren, wird das Risiko erhöht, dass der Schutz der Daseinsvorsorge vor Liberalisierungsverpflichtungen ausgehöhlt wird. Deutschland hat sich hier zwar weitergehende Ausnahmen einräumen lassen, dabei sind jedoch nicht alle Sektoren der Daseinsvorsorge erfasst, wie beispielsweise Fernwärme oder die öffentliche Beleuchtung.
Effektiver, meine Damen und Herren, wäre ein Positivlistenansatz, da hierdurch künftig entstehende Aufgaben der Daseinsvorsorge geschützt würden. Durch den vereinbarten Negativlistenansatz kann es leichter zu unbeabsichtigten Liberalisierungsverpflichtungen kommen. Daher ist der Negativlistenansatz dem Grunde nach abzulehnen.
Sehr geehrte Damen und Herren! Freier Handel ist die Grundlage unseres Wohlstandes. Deshalb trägt meine Fraktion die im CETA-Abkommen vorgesehene Abschaffung von Zöllen grundsätzlich bereits allein unter dem Gesichtspunkt des Bürokratieabbaus mit. Was wir jedoch nicht mittragen können, sind die angesprochenen Regeln, die zur Beschränkungen von nationalen Souveränitäts- und Hoheitsrechten führen oder führen können.
Da die Liberalisierungsverpflichtungen in dem Abkommen die nationalen Kompetenzen berühren, ist dies ohne Zustimmung der nationalen Parlamente ohnehin nicht denkbar, jedenfalls wenn wir uns in einem gelebten demokratischen System bewegen. Im Rahmen dieser Beteiligung des Bundestages sollte das Inkrafttreten des CETA-Abkommens aus unserer Sicht verhindert werden.
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Zunächst mein Dank an DIE LINKE für die heutige Debatte zum CETA-Abkommen. Der EU-Handelsministerrat will bereits im Oktober dieses Jahres über das Abkommen beschließen. Das Abkommen liegt aber immer noch nicht in deutscher Sprache vor. Höchstwahrscheinlich wird es erst Ende Juni/Anfang Juli, also zu Beginn der parlamentarischen Sommerpause, vorliegen. Können Sie sich angesichts der Tatsache, dass es sich um 500 Seiten Vertragstext und
1 500 Seiten Anhänge handelt, irgendein geordnetes parlamentarisches Beratungsverfahren im Deutschen Bundestag oder eine Meinungsbildung in den Landtagen bis dahin vorstellen?