Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts macht nämlich uneingeschränkt deutlich – darauf lege ich großen Wert –, welch hohen Stellenwert das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit hat. Es ist als Lehre für die Zukunft wichtig, sachgerechte polizeiliche Einsatzstrategien unter Beteiligung von Einsatzkräften der Länder und des Bundes zu entwickeln. Diese Einsatzstrategien sollen sicherstellen, dass genau dieses Recht von den Bürgerinnen und Bürgern in Anspruch genommen werden kann.
Unsere demokratische Rechtsordnung braucht diesen Diskurs der freien Meinungsäußerung. Gewichtige Möglichkeiten, dieser Meinung öffentlich Gehör zu verschaffen, sind die Durchführung von Demonstrationen und auch die Teilnahme an solchen.
Aber der Antrag der LINKEN entspricht schon inhaltlich überhaupt nicht der Wahrheit. Deswegen werden wir ihn ablehnen.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kolleginnen und Kollegen! Herr Modschiedler hat, wie nicht anders zu erwarten war, vieles von dem vorweggenommen, was auch ich sagen wollte. Wir sollten uns besser abstimmen, Herr Modschiedler. Aber kein Problem!
Herr Bartl, Ihre Begründung des Antrags hat mir insgesamt eigentlich ganz gut gefallen. In der Sache fand ich das sehr schön und sehr sachlich, aber eben auch deutlich sachlicher als Ihren Antrag. Dieser ist meines Erachtens recht polemisch.
Herr Bartl, Sie haben mehrfach nachgefragt, ob wir diese Vorgänge für diskussionswürdig in diesem Hohen Hause halten Dazu kann ich nur sagen: Natürlich. Es ist völlig klar, dass wir darüber reden müssen.
Wenn Verfügungen, zum Beispiel von kommunalen Behörden, vom Bundesverfassungsgericht aufgehoben werden, dann sollte man in diesem Hohen Hause darüber sprechen. Das finde ich völlig in Ordnung. Insofern bin ich Ihnen für die Gelegenheit zur Debatte grundsätzlich sogar dankbar. Das finde ich hervorragend.
Ich sehe allerdings nicht die Tendenz zu einer zunehmenden oder gar inflationären Verhängung präventiver Versammlungsverbote. Diese Vermutung aber transportieren Sie mit diesem Antrag. Dem, denke ich, kann man auf gar keinen Fall folgen.
Es ist in der Tat Anfang des Jahres so gewesen, dass es eine Allgemeinverfügung gegeben hat. Diese Allgemeinverfügung ist dann in diesem Hohen Hause auch in einer Anhörung ausführlich erörtert worden. Ich glaube, dass sich alle Beteiligten hinterher darüber im Klaren waren, dass an solche Verfügungen extrem hohe Anforderungen zu stellen sind. Wo die Meinungen auseinandergehen bzw. auseinandergingen, betrifft die Frage, ob diese Anforderungen tatsächlich vorlagen. Aber ich bin, ehrlich gesagt, ganz froh, dass wir das noch einmal deutlich herausgearbeitet haben.
Was wir jüngst in Heidenau erlebt haben, ist die Verfügung eines Landratsamtes. Das Landratsamt war in einer bestimmten Situation. Es hatte eine Woche vorher gewaltsame Ausschreitungen in Heidenau gegeben. Vor Ort bestand die Befürchtung, dass sich das wiederholen
könnte. Offensichtlich bestand auch die Befürchtung, dass sie dessen nicht würden Herr werden können, auch nicht mit polizeilicher Unterstützung.
Darüber kann man trefflich streiten. Ich kann Ihnen ganz offen sagen: Ich kann den Verantwortlichen nicht so richtig folgen, wenn es um die Frage geht, welche Erwägungen für die Entscheidung zugrunde gelegt wurden. Insoweit gebe ich Ihnen recht. Aber die Behörde hat das in dieser Situation so entschieden.
Das ist immer noch kein flächendeckender Erlass von Allgemeinverfügungen, sondern es geht um die Bewältigung einer spezifischen Notsituation. Dass die Situation nach den vorangegangenen Ereignissen für das Landratsamt bedrohlich erschien, kann man, glaube ich, nachvollziehen. Wohl auch aus Ihrer Fraktion sind Personen in der Woche vorher dort anwesend gewesen. Sie wissen, was in Heidenau passiert ist. Von uns waren zwei Kollegen dort. Ich kann schon verstehen, dass sie das ziemlich ungemütlich fanden.
Völlig unstreitig ist: Das berechtigte sie nicht, die Versammlungsfreiheit in unangemessener oder sogar verfassungswidriger Weise einzuschränken. Das ist so. Dazu hat das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung getroffen. Ich bin, ehrlich gesagt, ganz froh, dass zuvor schon das Verwaltungsgericht Dresden, also die sächsische Justiz, klar festgestellt hatte, dass das so nicht gehe. Der Hinweis auf einen polizeilichen Notstand reiche als solches nicht aus. Dass er vorliege, bedürfe der ausführlichen Begründung. Verzichte man darauf, dann könne man solche Verfügungen nicht treffen.
Ich meine, wir sollten aus der ganzen Angelegenheit den Schluss ziehen, dass die Verfahrensweise unserer Versammlungsbehörden gerade nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts noch einmal überprüft wird. Es gilt, sorgfältig abzuwägen und mit den Beamtinnen und Beamten in den verantwortungsvollen Positionen noch einmal zu sprechen. Wir haben im Moment in Sachsen eine angespannte Situation. Deswegen sollte man das Ganze noch einmal sehr sorgfältig mit den Leuten besprechen.
Aber wenn jetzt gefordert wird, flächendeckende Weiterungen einer angeblichen Aushöhlung eines Grundrechts zu verhindern, ist das nur Polemik. Ich verstehe gut, dass die Opposition das so sieht, dass also ein solcher Beschluss gefasst werden müsse. Aber dann müssen Sie auch verstehen, dass wir diesen Antrag ablehnen müssen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es besteht kein Zweifel daran, dass das in Artikel 23 der Sächsischen Verfassung geregelte Recht auf Versammlungsfreiheit ein
hohes und schützenswertes Gut ist. In Abs. 1 ist festgelegt, dass sich alle ohne Anmeldung, ohne Erlaubnis, friedlich und ohne Waffen versammeln dürfen. Die Versammlungsfreiheit ist eine der Grundfesten unserer Demokratie. Wir alle sind aufgerufen, uns dafür einzusetzen, dass dieses Recht für alle gewährleistet ist. Deshalb war es richtig, dass das Bundesverfassungsgericht das Verbot von Versammlungen im gesamten Gebiet der Stadt Heidenau in diesem Einzelfall für nicht rechtens erklärt hat. Richtig ist das vor allem deshalb, weil, wie in der Urteilsbegründung zu lesen, für viele Bürgerinnen und Bürger das arbeitsfreie Wochenende oftmals die einzige Möglichkeit ist, sich am Prozess der öffentlichen Meinungsbildung zu beteiligen.
Es stellt sich jetzt die Frage, ob wir, wie im Antrag der Fraktion DIE LINKE zu lesen, von „wiederholt in kurzer Zeit erfolgten verfassungswidrigen Eingriffen in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit“ und auch von einer Aushöhlung derselben sprechen müssen. Meine Antwort ist ein klares Nein. Ich stelle fest, dass davon keine Rede sein kann.
Auch argumentiert die Fraktion DIE LINKE in der Antragsbegründung mit dem Versammlungsverbot von Pegida und Gegnern im Januar, also mit einem Versammlungsverbot, das noch Gegenstand von Untersuchungen ist. Die Begründung zu dem Antrag schießt über das Ziel hinaus.
Unstrittig ist aber auch, dass es gute Argumente dafür gibt, wegen derer dem Artikel 23 ein zweiter Absatz hinzugefügt worden ist, der regelt, dass das Recht auf Versammlung durch ein Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden kann. Ein Grund ist – ich denke, darüber gibt es im Sächsischen Landtag einen Konsens –, dass das Versammlungsrecht dann eingeschränkt werden muss, wenn die öffentliche Sicherheit nicht mehr gewährleistet ist.
Unstrittig ist auch, dass es in den letzten Wochen oft genug Aktionen linksextremistischer Gewalttäter waren – seien es Blockaden oder Übergriffe –, die dafür gesorgt haben, die öffentliche Sicherheit zu gefährden. Dazu gehören auch Attacken auf Bahneinrichtungen, die das Anreisen von Teilnehmern zu genehmigten Versammlungen verhindern sollten. Dass diese Haltung durch Aktionen von hochrangigen Politikern wie dem GRÜNEN Cem Özdemir, der sich über das zunächst erlassene Versammlungsverbot ungerührt hinwegsetzte und nach Heidenau anreiste, noch angeheizt wird, steht außer Frage.
Politiker sind Vorbilder und haben sich an Recht und Gesetz zu halten. Es ist nicht zu akzeptieren, wenn sie darauf pfeifen und ihre persönlichen politischen Ziele über geltendes Recht stellen. Das ist ein fatales und gefährliches Signal.
Es ist ein Fakt, dass es im linken Spektrum Personen gibt, denen das in Artikel 23 genannte Wort „friedlich“ völlig egal ist. Der Glaubwürdigkeit des Antrags der Fraktion DIE LINKE würde es guttun, wenn sich die Partei von solchen gewalttätigen Aktionen aus dem ihr nahestehenden Spektrum deutlich abgrenzen würde. Man muss auch feststellen, dass das Nichtverurteilen dieser Aktionen dazu führt, dass sich die linken Chaoten von einer demokratisch gewählten Partei berechtigt fühlen.
Die Verfassung des Freistaats Sachsen, mithin auch Artikel 23, gilt für alle Personen. Sie ist, wie schon erwähnt, ein hohes und schützenswertes Gut. Sie dient nicht dazu, sich parteipolitisch zu profilieren. Das aber versucht die Fraktion DIE LINKE mit dem vorliegenden Antrag. Anders ist es nicht zu erklären, dass Mitglieder genannter Partei immer schnell dabei sind, wenn es darum geht, Demonstrationen oder Versammlungen stören zu lassen, deren Inhalte nicht vollumfänglich ihrem Gedankengut entsprechen, im umgekehrten Fall aber die Untersagungen immer wieder verteufeln.
Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Es müsste allen Mitgliedern des Sächsischen Landtags Warnung genug sein, wenn, wie in Heidenau, das Landratsamt des Landkreises SOE von einem polizeilichen Notstand spricht, egal wie der Sachverhalt anschließend juristisch bewertet wird. Offensichtlich haben sich die Verantwortlichen gesorgt, dass die öffentliche Sicherheit in Gefahr ist. Ein politisch motiviertes Handeln ist den Entscheidungsträgern ganz sicher nicht zu unterstellen, ein polizeilicher Notstand, der die öffentliche Sicherheit gefährdet, eine Situation, die in den letzten Wochen oft thematisiert wurde.
Es würde den Rahmen meiner Redezeit sprengen, würde ich die zahllosen Hilferufe der Polizeigewerkschaft zitieren, in denen immer wieder mehr Personal und eine bessere Ausstattung gefordert werden, weil man sich kaum noch in der Lage sieht, die Sicherheit in Sachsen zu gewährleisten. Die Beamten sind im Dauereinsatz, schieben Überstunden, werden krank, sind demotiviert. Hagen Husgen, der Geschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei
entschuldigen Sie bitte; der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei –, sagt, die Menschen fühlten sich in Sachsen nicht mehr sicher. Ich ergänze: Schon jetzt bleiben viel zu viele Straftaten in Sachsen unaufgeklärt. Was tut die Staatsregierung? – Anstatt schnell und sofort zu handeln, wird lange evaluiert, was nichts anderes heißt, als dass man sich der Sache in Seelenruhe annimmt und wenig tut.
Sehr geehrte Damen und Herren! Wenn ich von einer permanenten Überforderung der Polizei spreche, dann soll das nicht als Kritik an der Polizei gelten, nein, das ganz sicher nicht. Es ist die Schuld der Politik, dass die Beamten Überstunden schieben, dass sich der Krankenstand
stetig erhöht, dass die Kollegen ausgebrannt sind und sich von der Politik im Stich gelassen fühlen. Gerade wegen der durch politische Fehler verursachten Überforderung der sächsischen Polizei ist im Einzelfall immer abzuwägen, ob eine Versammlung durchgeführt werden kann oder aufgrund der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit eben nicht. Zum Artikel 23 der Sächsischen Verfassung gehört eben auch der Abs. 2.
Des Antrags der Fraktion der LINKEN bedarf es nicht. Die AfD-Fraktion wird den Antrag daher ablehnen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir, dass ich meinen Redebeitrag etwas mehr auf die Ursachen fokussiere und weniger auf die Frage der gerichtlichen Auswertung.
Zugrunde lag in Heidenau ein erklärter polizeilicher Notstand, deklariert durch die Polizei, die gegenüber der Versammlungsbehörde erklärt hat, dass sie das Versammlungsgeschehen nicht mit ausreichenden Kräften begleiten könne, und deswegen der Versammlungsbehörde empfohlen hat, Maßnahmen zu treffen. Jetzt so zu tun, als hätte die Polizei damit nichts zu tun und es wäre Sache der Versammlungsbehörde, läuft insoweit fehl, als dass dies Grundlage dieser Entscheidung war. Ich hatte bislang den Eindruck, dass das nicht ganz im Hinterkopf ist.
Wir erleben gerade im Freistaat Sachsen, dass die sächsischen Bürgerinnen und Bürger sehr ausufernd und vielfältig von ihrem Versammlungsrecht Gebrauch machen. Das ist gut so; denn das Versammlungsrecht gilt nun einmal als eines der höchsten Grundrechte in einer Demokratie, was es auch stets zu wahren gilt. Das gilt auch für Versammlungen von Neonazis und Rassisten, die genauso zu schützen sind. Genau deswegen fand ich die Debatte in Heidenau etwas schräg, dass man darauf fokussiert hat, man möchte das Willkommensfest durchführen, aber an der Allgemeinverfügung festhalten. Das ist eine Symbolpolitik im Versammlungsrecht, die vollkommen fehlläuft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Zu den bitteren Erkenntnissen der letzten Monate gehört tatsächlich, dass das Versammlungsrecht im Freistaat Sachsen faktisch der vollständigen Disposition durch Sicherheitsbehörden unterliegt, nämlich aufgrund der Gefahrenprognosen und der darauf erfolgenden Deklaration polizeilicher Notstände. Das Versammlungsverbot am 19. Januar ist heute schon mehrfach artikuliert worden. Es folgten das Versammlungsverbot am 9. Februar in Leipzig
Es läuft doch etwas gewaltig schief, wenn ausgerechnet eines der zentralen Abwehrrechte der Bürgerinnen und Bürger gegen den Staat und damit auch gegen die Staatsgewalt unter dem permanenten Damoklesschwert der faktischen Disposition durch die Sicherheitsbehörden steht, liebe Kolleginnen und Kollegen.