Ein letzter Punkt sei mir noch gestattet anzumerken. Gerade wenn der Punkt der Aktenvernichtung thematisiert wird, die in der letzten Legislatur angeblich unter nicht ganz klaren Umständen erfolgt sei, verweise ich auf die bestehende Rechtslage und die entsprechenden Vorgaben, die es erforderlich gemacht haben, so zu handeln und unter Berücksichtigung der rechtlichen, auch datenschutzrechtlichen Belange diese Aktenbeseitigung vorzunehmen. Ich kann Sie nur einladen, sich im Rahmen der Diskussion zu der derzeit geführten Bundesinitiative von SPD und CDU über die Frage von Datenspeicherung in besonders schweren Fällen intensiv mit dem Thema auseinanderzusetzen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die SPD-Fraktion begrüßt auch die erneute Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Es ist Folgendes deutlich geworden: Nicht nur der Minderheitenbericht, den wir in der letzten Legislatur mit verfasst haben, sondern auch der Mehrheitsbericht ist zu der Ansicht gekommen, dass im letzten Untersuchungsausschuss nicht alle Themenkomplexe abgearbeitet werden konnten. Deswegen ist die erneute Einsetzung richtig und wichtig.
Was haben wir geschafft? Welche Punkte sind noch offen? Wir haben uns vor fünf Jahren Themenkomplexe vorgenommen, die mit den Strafverfolgungsbehörden zu tun hatten. Wir wollten wissen: Welche Fehler, Ungenauigkeiten und Versäumnisse sind in den Strafverfolgungsbehörden, der Polizei und Justiz möglicherweise passiert, die dazu beigetragen haben, dass das Trio untertauchen konnte und untergetaucht blieb im Freistaat Sachsen? Wir haben diesen Fragenkomplex für den Bereich der Polizei etwas eingehender untersuchen können. Wir haben mehrere Zeugen vernommen. Im Bereich der Justiz ließ uns der Zeitplan kaum diese Möglichkeit. Das ist auf jeden Fall ein Punkt, den wir erneut aufgreifen sollten.
Wir haben uns zweitens folgende Frage gestellt: Was haben neben den Strafverfolgungsbehörden die Sicherheitsbehörden für eine Rolle gespielt? Was ist möglicherweise unterlassen worden? Was müssen wir für die Zukunft lernen? Wenn man zwischen dem polizeilichen Staatsschutz auf der einen Seite und dem Verfassungsschutz auf der anderen Seite unterscheidet, sind wir im Bereich des polizeilichen Staatsschutzes etwas weitergekommen. Hierzu haben wir Erkenntnisse gewonnen, wie die Strukturen aussahen und die Zusammenarbeit mit anderen Behörden funktionierte. Im Bereich des Verfassungsschutzes gelang uns dies nur sehr eingeschränkt. Dieser Punkt steht auf unserer abzuarbeitenden Liste.
Schließlich haben wir uns damals Folgendes vorgenommen: Wir sollten nicht nur fragen, was die Behörden, die mit Sicherheit und Strafverfolgung zu tun haben, zu lernen haben. Wir sollten auch fragen, was die öffentliche Hand, die sonstigen Behörden und unser Gemeinwesen an sich zu lernen haben.
Was können Kommunen, Landkreise, Ordnungsämter und der Freistaat Sachsen dazu beitragen, dass kriminelle Netzwerke und Strukturen künftig schneller erkannt und besser bekämpft werden können?
Diese Frage konnten wir noch nicht beantworten. Das sind Gründe, die die Einsetzung auf jeden Fall wieder erforderlich machen.
Dass wir nun zu keinem einstimmigen Einsetzungsbeschluss kommen, ist eben so. Es wäre auf der einen Seite schön gewesen. Auf der anderen Seite ist mein Eindruck jedoch, dass alle Fraktionen, die bisher gesprochen haben, sehr deutlich gemacht haben, dass ihnen die Untersuchung ein Herzensanliegen ist und – ich sage es ein wenig flapsig – es eher innerlandtagspolitische Kleinigkeiten waren, die dazu geführt haben, dass der Beschluss nicht einstimmig eingereicht wurde. In der Sache aber scheinen sich alle einig zu sein. Letztendlich ist ein einstimmiger Beschluss zwar ein schönes Symbol, aber nur ein Symbol.
Entscheidend ist die Arbeit im Ausschuss. Hierzu habe ich in der letzten Legislatur mit – damals als Opposition – dem überwiegenden Teil der damaligen Koalition sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir haben sehr konstruktiv und intensiv zusammengearbeitet. Das gilt sowohl für den Vorsitz im Ausschuss – Herr Kollege Schreiber hatte diese Funktion inne – als auch für Herrn Hartmann als Obmann der CDU-Fraktion. Wir haben fraktionsübergreifend sehr intensiv an der Sache gearbeitet. Wenn wir das auf allen Seiten mit gleicher Energie in dieser Legislatur wieder hinbekommen, dann werden wir ein gutes Stück Weg gemeinsam geschafft haben.
Dann ist es auch unerheblich, mit wie vielen Stimmen dieser Ausschuss eingesetzt wird; denn die Frage, die für uns bleibt, lautet: Was lernen wir aus dem, was passiert ist? Was ändern wir, damit so etwas nicht mehr passiert? Hierfür ist Wissen nötig. Das wollen wir in diesem Ausschuss gemeinsam erarbeiten.
Deshalb – jetzt ist schon zweimal dieses Wort Beschäftigungstherapie gefallen – ist ein solcher Ausschuss für all diejenigen, die von den Vorkommnissen, den Verbrechen und den Opfern tatsächlich berührt werden, eine ethische Pflicht des Herzens und des Verstandes. Wir freuen uns, dass es diesen Ausschuss wieder geben wird.
Das war Frau Kollegin Friedel für die SPD-Fraktion. – Für die AfD-Fraktion spricht jetzt Herr Kollege Hütter.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten! Der Antrag, einen zweiten Untersuchungsausschuss zu etablieren, der sich mit der Aufklärung der NSU-Gräueltaten beschäftigt, hat viele Facetten, die mich dazu bewegen, ihn als positiv einzuschätzen.
Die wichtigste Facette gleich vorab: Ein neuer Untersuchungsausschuss kann dafür sorgen, dass die gebotene Transparenz erreicht wird, die in diesem Fall zwingend nötig ist. Was wussten die sächsischen Verfassungsdienstler zu welchem Zeitpunkt? Hätten sie sogar verhindern
können, dass es zu dieser Mordserie kommen konnte? Weshalb wurden die Täter nicht zu einem früheren Zeitpunkt festgenommen und der Justiz zugeführt?
Vor allem könnte man in einem neuen Untersuchungsausschuss auch klären, weshalb die Behörden so schlecht zusammengearbeitet haben. Denn schnell nach dem Bekanntwerden der Morde im Herbst 2011 kam ans Tageslicht, dass der sächsische Verfassungsschutz, die sächsische Polizei, die Staatsanwaltschaft nicht so funktioniert haben, wie man es hätte wünschen dürfen. Es ist für die Sicherheit in Sachsen unerlässlich, dass sich diese gravierenden Fehler nicht mehr wiederholen. Ein Untersuchungsausschuss, in dem sich alle Beteiligten ernsthaft bemühen, diese Mängel abzustellen, ist eine sinnvolle Einrichtung.
Sinnvoll ist sie auch deshalb, weil es den Hinterbliebenen nicht länger zuzumuten ist, dass ihnen der Blick auf die Hintergründe der Taten wie durch Nebel verschleiert wird. Es muss glasklar werden, wo die Defizite lagen, welche Fehler begangen wurden und – wie schon gesagt – vor allem, wie diese Fehler in Zukunft ausgeschlossen werden können.
Das ist deshalb extrem wichtig, weil zu befürchten ist, dass auch in Sachsen die Sicherheit in zunehmendem Maße durch Links- und Rechtsextremisten bedroht wird. Nur wenn alle zuständigen Behörden, wenn Polizei, Geheimdienst, Verfassungsschutz und Staatsanwaltschaft reibungslos zusammenarbeiten, ist es möglich, diese Gefahren schon in der Phase ihrer Entstehung zu erkennen und geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um Straftaten zu verhindern, bevor Menschen oder Sachwerte zu Schaden kommen.
Sicher hat der erste Untersuchungsausschuss gute Arbeit geleistet, aber es ist unverkennbar, dass noch Fragen offen sind, Fragen, die noch beantwortet werden müssen. Deshalb ist es aus Sicht der AfD-Fraktion richtig, sich der Beantwortung der ausstehenden Fragen und ungeklärten Umstände in einem zweiten Untersuchungsausschuss zu widmen.
Mit Herrn Abg. Hütter sind wir jetzt am Ende der ersten Rednerrunde angekommen. Die Staatsregierung hat keinen Redebedarf angemeldet. Wir könnten eine zweite Rednerrunde eröffnen, wenn denn Redebedarf bestünde. – Diesen kann ich nicht erkennen. Dann bleibt noch das Schlusswort für die einbringenden Fraktionen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich glaube, Frau Friedel hat mit vielen Formulierungen das Thema noch einmal richtig in den Fokus gerückt. Wir sollten uns hier und heute durch Plänkeleien hier im Plenum, im Hohen Haus nicht davon ablenken lassen, worum es bei der ganzen Thematik geht. Auf jeden Fall danke ich Herrn Lippmann,
Herrn Hartmann und Frau Friedel für ihre Worte zur Notwendigkeit einer Fortsetzung der Arbeit, die wir vier Fraktionen im letzten Sächsischen Landtag miteinander begonnen haben.
Allerdings halte ich es nicht unbedingt für unerheblich, mit wie vielen Stimmen dieser Untersuchungsausschuss heute eingesetzt wird. Das mag vielleicht für uns unerheblich sein, aber für die Opfer und die Hinterbliebenen ist es mit Sicherheit nicht unerheblich.
Ich möchte gerade Sie von der SPD ganz herzlich bitten, diesem Einsetzungsauftrag heute zuzustimmen. Es war die SPD-Fraktion, die zusammen mit den GRÜNEN und uns LINKEN im Minderheitenbericht Entsprechendes formuliert hat.
Ich möchte mich an dieser Stelle – auch den Worten von Frau Friedel folgend – für die konstruktive Arbeit vieler CDU-Abgeordneter im letzten Untersuchungsausschuss bedanken, insbesondere bei Herrn Schreiber und bei Herrn Hartmann. Ich wünsche mir im Sinne der Opfer und der Hinterbliebenen ganz einfach,
dass wir heute hier im Sächsischen Landtag diesen Untersuchungsausschuss zu neonazistischen Terrornetzwerken mit möglichst vielen Stimmen der demokratischen Fraktionen einsetzen.
Das war das Schlusswort für die einbringende Fraktion DIE LINKE von Frau Köditz. Noch bleibt Redezeit. Damit ergreift auch Herr Lippmann für die miteinbringende Fraktion GRÜNE das Wort. Bitte, Herr Kollege.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollgen! Frau Kollegin Köditz, ich möchte mich Ihrem Appell vollumfänglich anschließen. Zunächst ist dafür zu danken, dass es in der Koalition
offensichtlich einen sehr deutlichen Willen gibt, die Arbeit des letzten Untersuchungsausschusses fortzusetzen und weiterhin eine konstruktive Begleitung des Ausschusses vorzunehmen. Ich hoffe, dass das auch Auswirkungen auf das Ergebnis dieses Untersuchungsausschusses haben wird, bei dem wir nicht mehr unter dem zeitlichen Druck der letzten Legislaturperiode stehen, als die Zeitspanne zugegebenermaßen generell relativ kurz war.
Ich möchte mich aber auch dem Appell anschließen, dass es wichtig wäre, wenn heute ein Signal von diesem Hause ausginge und wenn es eine große Einigkeit gäbe, diesen Untersuchungsausschuss einzusetzen. Eine breite Mehrheit für diesen Antrag würde auch nach außen signalisieren, dass der Sächsische Landtag seiner Verpflichtung nachkommt, diesen Komplex weiter aufzuarbeiten.
Das war das Schlusswort der miteinbringenden Fraktion GRÜNE, vorgetragen durch Herrn Kollegen Lippmann.
Meine Damen und Herren! Der Sächsische Landtag hat gemäß Artikel 54 Abs. 1 Satz 1 der Verfassung des Freistaates Sachsen sowie gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 des Untersuchungsausschussgesetzes das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
Der vorliegende Antrag Drucksache 6/1241 trägt die notwendige Anzahl an Unterschriften. Trotzdem muss der Landtag einen förmlichen Beschluss über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses fassen. Ich bitte daher, diesen Beschluss zu fassen, und darf Sie darauf hinweisen, dass im vorliegenden Fall nach Artikel 54 der Sächsischen Verfassung der Landtag diesen Ausschuss einsetzen muss.
Wir kommen zur Abstimmung. Wer der Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Vielen Dank. Gegenstimmen? – Keine. Stimmenthaltungen? – Vielen Dank. Damit hat der Landtag der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zugestimmt.