Protocol of the Session on March 12, 2015

Was ist nun ein „vernünftiger“ Grund? – Wir halten Tiere als Nutztiere. Es geht also um das Töten zum Schlachten, weil man sie verwertet. Ein anderer Grund – Pi mal Daumen – ist, dass sie krank sind und man nicht mehr helfen kann. Das ist eigentlich so weit rechtlich ganz klar. Obwohl das so geregelt und vielfach auch abgesichert ist – rechtlich, vermeintlich –, werden in Deutschland pro Jahr zwischen 20 und 50 Millionen Küken getötet, ohne dass sie wirtschaftlich verwertet werden oder dass sie krank gewesen seien. Nein, sie werden nur deswegen getötet, weil es männliche Küken sind und diese keine Eier legen können. Diese Küken werden erstickt oder – noch viel häufiger – lebendig in riesige Schredder hineingeworfen. Das nennt sich Homogenisatoren.

(Zuruf von der CDU: Die werden betäubt! – Gegenruf von den GRÜNEN: Das stimmt nicht!)

Das sind Zustände, die einfach nicht haltbar sind. Dazu gibt es Alternativen. Warum werden sie da hineingeschmissen? – Weil sie keine Eier legen können, man braucht die Hähnchen nicht. Es sollen Legehennen werden, da braucht man das Fleisch nicht.

Aber auch früher gab es schon Alternativen – unsere Altvordern hatten das schon –: nämlich mehr Nutzungsrassen. Es gäbe auch hier die Möglichkeit, mindestens Zweinutzungsrassen zu haben, wobei man auch die Hähnchen verwenden kann.

Eine andere Möglichkeit ist, dass man die Hähnchen auch so vermarktet – da gibt es teilweise schon Initiativen auf freiwilliger Basis – oder dass man das Geschlecht schon im Ei bestimmt, bevor die Küken geschlüpft sind. Das ist

aber eben nicht Praxis – deswegen auch unser Antrag; um das zu untersagen.

Ein anderes Feld einer solchen Tiertötung von Jungtieren gibt es in der Ferkelproduktion. Auch hier werden jährlich Tausende Ferkel nicht getötet, weil sie krank sind, sondern weil man einfach völlig überzüchtete Sauen hat, die nicht mehr alle Ferkel, alle Jungtiere ernähren können. Dann gilt, wenn man überhaupt Tiere tötet, dass hier der vernünftige Grund nicht erkennbar ist. Man könnte, wenn man sich die Mühe machen würde, die Ferkel durchaus aufziehen, wenn die Sau es nicht kann.

Der nächste Punkt ist, wie man sie tötet. Eigentlich weiß man, Wirbeltiere müssen betäubt werden, und dann gibt es einen sicheren Weg: das Ausbluten. Aber die Praxis sieht so aus: Man geht durch die Stallanlagen, zählt kurz die Ferkel durch, und dann werden die überzähligen einfach genommen, an die Boxenkante oder auf den Boden geschlagen und zum Teil noch lebend in Mülleimer geworfen. Das ist alles vielfach dokumentiert und gängige Praxis und nicht irgendein Schreckensszenarium, das man an die Wand malt. Das ist traurige Praxis, an die wir herangehen müssen.

Es gibt als dritten Punkt noch die Praxis in Züchterkreisen für Geflügel, Kaninchen, Kleintierarten, Katzen, Hunde, wo es besondere Schönheitsideale, Zuchtideale gibt. Wenn in einem Wurf nicht jedes Tier die festgelegte Farbe hat, Fleckvarianten nicht stimmen, es nicht in die Zuchtlinie hineinpasst, dann kommt es auch dort zu Tötungen. Selbst wenn die meisten Zuchtordnungen es heute gar nicht mehr fordern, ist es doch gängige Praxis.

Das Landwirtschaftsministerium von Nordrhein

Westfalen hat 2013 einen Erlass herausgegeben, der die Tötung dieser Küken, wie ich sie beschrieben habe, untersagt. Das Ganze ist vor Gericht gekommen und das Gericht hat festgestellt: Es gibt gar nicht die richtige Rechtsgrundlage im Tierschutzgesetz, da müsste noch etwas geklärt werden – auch mit diesem vernünftigen Grund und den wirtschaftlichen Gründen, wie das alles zu betrachten ist. Das Gericht hat es in diesem Fall abgelehnt, aber gleich die Berufung zugelassen und festgestellt: So etwas müsse im Prinzip der parlamentarische Gesetzgeber regeln. Auch deswegen sind wir ja hier im Parlament. Das ist einfach noch offen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir wollen in diesem Bereich nicht einfach nur, dass es in einem Land passiert, sondern deswegen in dem Antrag eine Bundesratsinitiative. Das muss einfach schnell gehen und es muss bundesweit sein. Ich weiß durchaus, dass auch im Bundeslandwirtschaftsministerium schon davon die Rede ist, das Thema anzugehen, aber das können wir

nicht abwarten. Ich habe die Zahlen genannt: bis zu 50 Millionen im Jahr. Das sind Millionen von Einzeltieren, die bis dahin noch getötet werden – wenn es überhaupt passiert.

Der nächste Punkt ist: Wenn sich etwas ändern soll – etwa auch in dem Bereich Kükenerkennen im Ei oder Mehrnutzungsrassen –, dann geht das nur mit einem Druck, der für alle gilt. Dann muss ein gesetzlicher Druck her und dann wird auch die Landwirtschaft darauf reagieren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Thema Ferkeltötung gibt es einen Erlass aus Niedersachsen aus dem Landwirtschaftsministerium, der es untersagt, solche überzähligen Jungtiere zu töten, und der Kriterien auflegt, wie man damit tierschutzgerecht umgeht. Nordrhein-Westfalen, Hessen und Sachsen-Anhalt – gleich um die Ecke – haben diese Vorgabe übernommen; in weiteren Bundesländern ist die Diskussion im vollen Gange.

Insbesondere Herr Aeikens, der Agrarminister von Sachsen-Anhalt, hat in diesem Zusammenhang geäußert, er weiß durchaus, dass es bei vielen Bauern Nachholbedarf gibt, und er kennt es, wie tierschutzgerecht mit solchen Ferkeln umzugehen ist.

Sie wissen auch, in Sachsen-Anhalt ist wegen Verstößen genau deswegen schon in mehreren Fällen die Schließung von solchen Anlagen ausgesprochen worden, in denen so etwas vorgekommen ist.

Was passiert in Sachsen? – Bisher noch gar nichts. Wir haben es ja schon im Parlament gehört, auch seitens der Staatsregierung: Ja, das Thema ist emotional diskutiert. Großstädter, die keine Ahnung haben, wollen mit ihren Vorstellungen den Landwirten vorschreiben, wie sie damit umzugehen haben. Es ginge darum, Produktionsweisen wie vor hundert Jahren zurückzuholen.

Darum geht es gar nicht – genau das Gegenteil ist der Fall.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die gesellschaftliche Realität ist heute einfach eine andere als vor hundert Jahren, und der Umgang mit Küken und Ferkeln bewegt heute die Menschen. Wir haben als Menschen, wenn wir diese Tiere nutzen wollen, auch eine Verantwortung, wie wir mit ihnen umgehen.

Deswegen müssen wir dieses Thema jetzt angehen und auch in Sachsen endlich einmal dazu kommen, hier etwas zu tun. Es gibt im Übrigen auch erschütternde Fernsehbilder aus den letzten Wochen und Monaten von Anlagen im Vogtland und in Nordsachsen, die solche Anlagen zeigen. Das ist also auch bei uns in Sachsen traurige Realität.

Ein wichtiger Punkt ist außerdem: Es gibt genügend Landwirte, die sich auch heute schon vernünftig und entsprechend dem Tierschutzgesetz verhalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie haben aber, wenn sie sich so verhalten, einen wirtschaftlichen Nachteil gegenüber denjenigen, die das nicht tun. Deshalb muss man für einen Gleichstand sorgen.

Ebenfalls ein wichtiger Punkt in der Landwirtschaft: Wir wollen, dass sie Zukunft hat. Das heißt, auch junge Menschen müssen Lust haben, in der Landwirtschaft zu arbeiten, und möchten, wenn sie in die Schweinezucht gehen, nicht als Tierquäler beschimpft werden, sondern sagen können, dass sie es tun, weil unsere Landwirtschaft vernünftige Standards hat. Das wird selbstverständlich durchgesetzt, das steht gar nicht in Frage, und dann hat man auch nicht diese Nachwuchsprobleme.

Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das war Kollege Günther für die einbringende Fraktion GRÜNE. Für die CDU-Fraktion ergreift Herr von Breitenbuch das Wort.

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Günther, um den moralischen Zeigefinger gleich am Anfang etwas tiefer zu hängen: Im Jahr 2014 wurden 100 000 Abtreibungen in Deutschland registriert – Abtreibungen von Menschen.

(Frank Kupfer, CDU: Jetzt schreit keiner!)

Das Thema ist „Verbot der Tötung überzähliger und unerwünschter Jungtiere“. Tiere sind unsere Mitgeschöpfe; ihr Wohlbefinden ist eine Verpflichtung für alle Menschen, die mit Tieren umgehen. Der Tierschutz steht als Staatsziel im Grundgesetz wie auch in der Sächsischen Verfassung und ist damit eine verbindliche Leitlinie für unsere Politik.

(Beifall des Abg. Marko Schiemann, CDU)

Tierwohl ist zunehmend auch ein Anliegen der Gesellschaft; verstärkter Tierschutz ist in Umfragen ein Wunsch von 85 % der Befragten.

Mit der Initiative „Eine Frage der Haltung“ setzt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft die Tierwohloffensive des Berliner Koalitionsvertrages um. Viele Vorschläge und Maßnahmen werden bereits von Tierschutzverbänden, der Wirtschaft, den Ländern sowie der Wissenschaft erarbeitet.

Gestatten Sie eine Zwischenfrage, Herr Kollege?

Bitte, Frau Klepsch.

Vielen Dank. – Kollege von Breitenbuch, geben Sie mir recht, dass das Abtreibungsrecht in Deutschland sehr streng geregelt ist und dass Frauen selbstbestimmt darüber entscheiden können, aber erst nach einem Beratungsgespräch und einem ausgefüllten Beratungsschein entscheiden dürfen,

ob sie eine Abtreibung durchführen lassen wollen, und dass im Unterschied dazu Tiere in der Massentierhaltung nicht gefragt werden, auf welchem Wege sie zu Tode kommen wollen?

(Frank Kupfer, CDU: Das war eine Scherzfrage! – Weitere Zurufe von der CDU)

Ich gebe Ihnen recht.

Ich fahre fort. Von Wirkungslosigkeit zu sprechen ist daher voreilig, Herr Kollege Günther. Ihr Antragsgebaren, bundesdeutsche Debatten auf Sachsen herunterzubrechen, geht wieder einmal schief und fehl. An dieser Stelle muss grundsätzlich klargestellt werden, dass es im Freistaat Sachsen keine Brütereien für Legehühner gibt und daher keine Tötung von männlichen Eintagsküken stattfindet.

In Sachsen besteht gerade aktuell keine Veranlassung, durch eine Verwaltungsvorschrift die Tötung von überzähligen und unerwünschten Tieren zu verbieten, da die von den GRÜNEN herangezogene Verordnung vom Verwaltungsgericht Minden in Nordrhein-Westfalen für ungültig erklärt wurde. Es hat dem Land NordrheinWestfalen per Erlass verfügt, das massenweise Töten männlicher Küken zu verbieten. Der Erlass Ihres grünen nordrhein-westfälischen Landwirtschaftsministers

Johannes Remmel zum Verbot des Tötens von männlichen Eintagsküken ist als unzulässig geurteilt, da es im Bundestierschutzgesetz dafür keine Rechtsgrundlage gibt. Die Richter hoben die Untersagungsverfügungen der betroffenen Kreise auf, da es angesichts des erheblichen Eingriffs in die Berufsfreiheit der Betreiber von Brütereien einer spezialgesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfe.

Die Generalklausel im Bundestierschutzgesetz, nach der niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen dürfe, reiche als Begründung für den ministeriellen Erlass nicht aus. Dem stehen die schutzwürdigen Interessen der Brütereibetreiber entgegen, die derzeit laut Gericht keine praxistauglichen Alternativen zur Tötung der männlichen Küken haben und bei einem Tötungsverbot vor dem Aus stehen.

Ob demgegenüber eine gewandelte gesellschaftliche Bewertung des Tierschutzes generell überwiegt, muss der parlamentarische Gesetzgeber auf Bundesebene entscheiden. An einer solchen Entscheidung fehlt es bisher – das wissen Sie eigentlich.

Unabhängig davon hält der NRW-Verbraucherschutzminister das Urteil für falsch und wird wohl Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht in Münster einlegen. Dies bedeutet für unsere sächsische Praxis, dass wir uns erst dann mit einer Gesetzesinitiative im Bundesrat beschäftigen können, wenn das Erfordernis auch in NordrheinWestfalen höchstrichterlich festgestellt ist. Alles andere wäre unklug.

Gleiches trifft für eine entsprechende Verwaltungsvorschrift auf Landesebene zu. Diese wäre ebenfalls vor dem Hintergrund des laufenden Gerichtsverfahrens nicht