Annekatrin Klepsch
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Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich ist es erfreulich, wenn sich die Koalition auch neuen Herausforderungen stellt und das Thema Crystal oder die Bekämpfung des Crystal-Konsums zur besonderen Aufgabe macht. Aber – da gebe ich Volkmar Zschocke recht – es ist heute kein Anlass zum Jubeln.
Ich will noch einmal fünf Jahre zurückgehen und daran erinnern: Vor fünf Jahren – 2010 – hat die schwarze Regierung damals hier große Kürzungen im Sozialbereich vorgenommen. Präventionsmaßnahmen wirken aber eben nicht nur in den Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, die jetzt im aktuellen Doppelhaushalt wieder gestärkt werden, sondern sie greifen auch früher – das ist zum Teil bereits angesprochen worden –, indem wir professionelle Sozialarbeit in ganz verschiedenen Einrichtungen und Formen anbieten. Der Kahlschlag, der 2010 passiert ist, hat seine Auswirkungen gezeitigt. Insofern hat diese Regierung damals die Entwicklung mit befördert, weshalb wir heute über gestiegene Zahlen bei verschiedenen Varianten der Sucht sprechen. Es ist deshalb etwas verlogen, sich hier als Sanitäter auf die Schulter zu klopfen, wenn man das Kind hat in den Brunnen fallen lassen.
Warum ist die professionelle Sozialarbeit so wichtig? Nicht jeder Jugendliche, der ein Suchtproblem hat, geht damit zu seinen Eltern. Er kann damit auch nicht immer hingehen, weil es auch Eltern gibt, die suchtbelastet oder suchtgefährdet sind. Gerade deshalb ist es wichtig, vielfältige Angebotsformen vorzuhalten. Das sind eben nicht nur die Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen. Diese greifen erst dann, wenn jemand schon in einer schwierigen Situation ist.
Kommen wir noch einmal auf die Erhöhung der Fördermittel zu sprechen. Natürlich ist es erfreulich, wenn die Fördermittel in diesem Bereich von 3,5 Millionen Euro 2010 auf gegenwärtig 5,1 Millionen Euro erhöht worden sind. Das ist ein Aufwuchs von über 1 Million Euro im Vergleich zum Vorjahr. Aber – das ist schon angesprochen worden – es ist doch befremdlich, wenn am 18. August
die Staatsregierung auf eine Anfrage meines Kollegen Mirko Schultze mitteilen muss, dass man sich immer noch in der Prüfung der Bewilligungsbehörde befindet, wer denn nun wie viel Geld bekommt. Das heißt, die Suchtberatungsstellen haben mindestens acht bis neun Monate, also fast ein Dreivierteljahr, ohne sichere Planungsperspektive gearbeitet. Das ist genau kontraproduktiv zu dem, was Sie formuliert haben, Herr Krauß, dass Sie nämlich hier gezielt vorgehen wollen.
Lassen Sie mich auf einen zweiten Punkt eingehen. Ja, es gibt mehr Geld. Ich habe mir die Zahlen angeschaut. 2010 hatten wir 46 Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen. Gegenwärtig sind es nur noch 45. Das heißt, wir haben sogar weniger Suchtberatungsstellen, 45 statt 46 Einrichtungen. Auch die 184 Stellen, die jetzt finanziert werden sollen, erreichen nicht einmal die von Ihnen formulierte Zielmarge von 1 : 20 000 Fällen in den Beratungsstellen.
Lassen Sie mich noch auf einen weiteren Punkt eingehen. Herr Krauß war es, glaube ich, der auf die Schulleiterbriefe verwiesen hat. Ich glaube, dieser Ansatz greift viel zu kurz.
Ich will noch einmal verstärkt auf das Thema Fortbildung im schulischen Bereich eingehen. Wenn man sich ansieht, was für Fortbildungsangebote wir dort haben, so muss man feststellen, dass die zum Teil an Schultagen stattfinden, also dann, wenn eigentlich die Lehrer vor der Klasse stehen sollten – so wie jetzt am 29. Oktober. Wir wissen, wie groß der Unterrichtsausfall ist. Es ist also kontraproduktiv, das auch noch wochentags anzubieten. Außerdem fallen dort zum Teil Teilnehmergebühren von 30 oder 40 Euro an. Ich finde, es ist vermessen zu verlangen, dass die pädagogischen Fachkräfte, seien es Erzieherinnen oder Erzieher, seien es Lehrerinnen oder Lehrer, auch noch Geld dafür bezahlen sollen, dass sie eine Aufgabe des gesellschaftlichen Interesses wahrnehmen, indem sie sich selbst fortbilden, damit wir im Bereich Suchtprävention als Land gut aufgestellt sind.
Ich glaube, wir müssen politische Prioritäten setzen. Wir müssen Formate entwickeln, wie wir mit Suchtpräventionsangeboten, mit Fortbildungsangeboten in die Schulen gehen und die Lehrer- oder Erzieherteams in den Schulen und Kitas gemeinsam fortbilden, und dürfen nicht darauf hoffen, dass sie irgendwann vereinzelt an einer Fortbildung teilnehmen.
Ein letzter Punkt ist die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Das liegt weit vor der Suchtprävention.
Wollen wir in einer Gesellschaft leben, die von Leistungsdruck geprägt ist, oder wollen wir in einer wertschätzenden Gesellschaft leben, in der deutlich weniger Anlass besteht, sich mit
Suchtmitteln den Tag schönzutrinken oder sich aufzupuschen?
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß, die Redezeit ist zu Ende, Herr Landtagspräsident. Aber es war das letzte Mal, dass ich heute in diesem Hohen Hause als Abgeordnete zu Ihnen gesprochen habe. Ich will mich deshalb noch ganz kurz bei allen Kolleginnen und Kollegen bedanken, mit denen ich in den letzten sechs Jahren fachpolitisch sehr gern und auch durchaus kontrovers zusammengearbeitet habe. Ich will mich aber auch bedanken bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Parlamentsdienstes, die im Hintergrund eine ganz wichtige Arbeit leisten, und natürlich auch bei der Verwaltung in den Ministerien, die eine ganze Reihe von Kleinen Anfragen beantworten mussten.
Vielen Dank und Auf Wiedersehen!
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kinder sind ein hohes Gut. „Qualität in der Kinderbetreuung weiter schrittweise verbessern“ heißt unser Debattenthema. Ich sage es ehrlich, ich habe mich ein wenig gefragt, worüber Sie heute denn sprechen wollen. Wir haben diese Diskussion in den letzten Monaten und Jahren sehr oft geführt. Die erste minimale Verbesserung ist mit der aktuellen Haushaltsgesetzgebung beschlossen worden. Ich glaube aber, dass es noch keinen Anlass gibt, sich hier feiern zu lassen. Aus Sicht der LINKEN sind es keine großen Schritte, die wir hier machen, sondern es sind Trippelschritte –
Trippelschritte in der Kinderkrippe. Nur ist die Kinderkrippe bei den Verhandlungen zur Schlüsselverbesserung leider deutlich schlechter weggekommen als der Kindergarten. Der Hort findet gleich gar nicht statt, er bleibt in der sächsischen Kindertagesbetreuung das fünfte Rad am Wagen. Ich glaube, auch dort gibt es Handlungsbedarf. Das möchte ich der zuständigen Ministerin auch noch einmal ins Stammbuch schreiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir waren uns darin einig: Eine Schlüsselverbesserung war überfällig. Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass im Jahr 2005 Helma Orosz als Sozialministerin den sächsischen Bil
dungsplan für alle Kindertageseinrichtungen verbindlich eingeführt hat. Sie hat schon damals die notwendige Schlüsselverbesserung eingefordert. Es hat zehn Jahre gedauert und ist erst mit der SPD in der Koalition zustande gekommen, dass es somit eine Verbesserung gibt. Trotzdem ist diese Verbesserung nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Ich finde es schon ein bisschen – na ja – schwierig, wenn die CDU das Problem jahrelang vor sich hinköcheln lässt, dass es Demos über Demos gibt, Petitionen und Beschwerdeschreiben und die Situation erst so eskalieren muss, dass es nicht mehr zu vertuschen ist – und dann lässt man sich noch feiern.
Aber lassen Sie uns über Qualitätsaspekte sprechen. Natürlich kann man in einer solchen Studie, da gebe ich Patrick Schreiber recht, nicht Äpfel mit Birnen vergleichen. Ja, im bundesweiten Vergleich hat Sachsen ein gutes Netz in der Kindertagesbetreuung. Wir sind in der guten Situation, dass der Rechtsanspruch fast überall erfüllt werden kann – mit ganz wenigen Ausnahmen wie Leipzig. Wir haben auch zeitlich bei den Öffnungszeiten einen sehr guten Standard, der eine Vereinbarkeit von Familie und Beruf wirklich ermöglicht, wobei das Angebot sogar bezahlbar bleibt. Keine Frage – darin sind wir uns einig –: Da haben eher andere Länder Hausaufgaben zu machen.
Sich aber angesichts der Tradition, die Sachsen in der Kindertagesbetreuung über die letzten 60, 75, 80 Jahre hat, dann mit Niedersachsen zu vergleichen, macht es auch ein bisschen einfach. Denn ich will daran erinnern, dass es in den Neunzigerjahren vor allem die CDU war, die das ganze System der Kindertagesbetreuung herunterfahren und zurückbauen wollte. Da gab es nämlich überhaupt noch keinen Rechtsanspruch – den gibt es erst seit 1996, wie Sie wissen. Nur Dank der Proteste vieler Eltern konnte das System damals überhaupt in dieser Breite und Vielfalt erhalten werden.
Was zählt noch zu Qualitätskriterien? Neben den strukturellen Fragen – ich bin darauf eingegangen – müssen wir über räumliche sprechen. Ich glaube, wir haben dabei gute Standards, aber wir erleben auch, dass die Sanierung vorhandener Kindertageseinrichtungen und auch der Neubau im wahrsten Sinne des Wortes Dauerbaustellen sind. Da ist auch der Freistaat gefordert, die Kommunen weiterhin zu unterstützen, auch finanziell mit Investitionszuschüssen, und Hilfestellung zu leisten, damit wir die räumlichen Qualitätsstandards halten können. Die Kommunen schaffen das alleine nicht.
Die größte Baustelle bei den Qualitätsaspekten ist tatsächlich die Personalfrage. Ich erkläre es Ihnen gern noch einmal: Mit dieser minimalen Änderung, die Sie jetzt zum 1. September über die Haushaltsgesetzgebung eingeführt haben, ist mitnichten eine ganz andere Situation eingetreten. Den Schlüssel von 1 : 13 auf 1 : 12,5 zu verbessern bedeutet, es gibt ungefähr eine Fachkraft mehr, wenn Sie – jetzt halten Sie sich fest – eine Kita mit über 300 Plätzen haben. Wir haben solche Kitas hier; die DRK-Kita in
der Stauffenbergallee in Dresden hat 300 Plätze. Das heißt, dort steht seit diesem Monat eine zusätzliche Fachkraft zur Verfügung. Jetzt können Sie einmal ausrechnen, auf wie viele Gruppen sich das aufteilt und wie wenig mehr Zeit und Betreuung für die einzelnen Kinder wirklich übrig bleibt.
Deshalb müssen wir weiter daran arbeiten.
Ich komme zum Schluss; wir haben noch eine zweite Runde, in der ich auf einige Aspekte eingehen werde. Ich glaube aber, das ist nur ein Zwischenstand. Die Verbesserung der Kita-Qualität ist nach wie vor eine Aufgabe dieser Landesregierung und dieser schwarz-roten Koalition.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, niemand, lieber Kollege Schreiber, hat hier alles schlechtgemacht. Es ist Ihre Debatte, die Sie angeregt haben, und nicht wir. Das will ich noch einmal herausstellen. Sie wollten heute wieder einmal über das Thema KitaBetreuung und -Qualität sprechen. Die Debatte zeigt doch, dass wir dauerhaft einen Dialog über Qualitätsstandards brauchen und natürlich auch über die Finanzierung. Da sind wir uns einig.
Aber wenn Sie nach einem Konzept fragen, Herr Schreiber, dann sage ich: Nehmen Sie doch bitte einmal die Anregung des Städte- und Gemeindetages und des Landkreistages zum letzten Haushaltsentwurf auf. Hier gibt es nämlich durchaus Anregungen, auch die Finanzierung vom Kopf auf die Füße zu stellen und damit nicht mehr dem Sozialgesetzbuch zu widersprechen, sondern die Eltern tatsächlich nach ihrer Leistungsfähigkeit bei der Finanzierung zu belasten jenseits der Frage, ob das nicht eigentlich beitragsfrei sein sollte, wie es LINKE und SPD in ihren Programmen wollen. Aber wir hätten noch finanziellen Spielraum.
– Nein, danke.
Im Punkt 2 zu den Kosten. Herr Pecher hat jetzt noch einmal darauf hingewiesen, dass wir insgesamt mehr Geld aufwenden und dass Bayern mehr Kinder betreut. Ja, natürlich kostet die Kita-Betreuung mehr; wir haben aber auch deutlich mehr Kinder in den Kindertageseinrichtungen, nämlich aus zwei Gründen: Zum einen, weil die Geburtenrate in den beiden Großstädten Dresden und Leipzig erfreulicherweise steigt und weil wir zum anderen seit einem Jahr, nämlich seit 2013, einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz haben. Dieser führt natürlich dazu, dass es noch mehr Kinder gibt, die ab dem ersten Geburtstag in die Krippe gehen, und das kostet Geld.
Zu Bayern sage ich nur: Natürlich hat Bayern 800 000 Kinder in der Kindertagesbetreuung. Das ist mehr als in Sachsen. Aber dieses Bundesland hat ja auch deutlich mehr Einwohner als Sachsen und damit ein höheres Steueraufkommen. Da, Herr Pecher, vergleichen Sie Äpfel mit Birnen.
Kommen wir zurück zum eigentlichen Qualitätsdialog. Das Thema ist mir sehr wichtig. Da müssen wir sicher über Hausaufgaben jenseits ihrer Vereinbarung im Koalitionsvertrag sprechen, die die Koalition mitnehmen muss, wie der Schlüssel in den nächsten Jahren verbessert werden soll. Ich betrachte diesen Dialog, den wir in den entsprechenden Fachausschüssen führen, als das gemeinsame Ringen aller Fraktionen um die Zukunft unseres Landes, denn in der Kindertagesbetreuung werden bekanntlich die Grundlagen für einen erfolgreichen Bildungsweg der Kinder und Jugendlichen gelegt.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir uns darüber verständigen, welches Personal mit welchen Qualifikationen in diesen Einrichtungen arbeiten darf. Hier appelliere ich an die Koalition. Weichen Sie bitte die Fachkräfteverordnung nicht auf. Sie sind auf dem besten Weg mit dem Beschluss, Assistenzkräfte in die Krippen ab 2017 hineinzulassen. Aber jede Form von Hilfskräften und Unterstützungskräften ist nicht nur ein Mehr an Personal, sondern sie ist auch eine Zusatzbelastung für die Einrichtungen, wenn es Hilfskräfte sind wie Sozialassistenten, die durch die Fachkräfte noch einmal extra angeleitet werden müssen. Ich glaube, hier tun wir den Krippenerzieherinnen und -erziehern keinen Gefallen, wenn wir die Assistenzkräfte hineinlassen. Das hat auch die Anhörung im Schulausschuss, die wir neulich zum Thema Erzieherbild hatten, noch einmal deutlich gemacht.
Ich erzähle Ihnen noch einmal das Beispiel. Wenn ein Sozialassistent, der mit Mühe und Not die mittlere Reife geschafft hat und in Deutsch eine Vier hat, plötzlich den Kindern in der Krippe die deutsche Sprache beibringen soll, dann weiß ich nicht, was am Ende dort herauskommt. Dem müssen wir Einhalt gebieten. Wir brauchen eine Debatte über die Qualitätsstandards und die Fachkräfteverordnung.
Lassen Sie mich noch zwei Punkte nennen. Es ist zum einen die Fachberatung. Diese ist leider unterfinanziert, sie ist nicht so in der Menge der Fachberaterinnen und -berater mitgewachsen, wie die Gruppen und Einrichtungen gewachsen sind. Auch hier brauchen wir einen Ausbau. Warum? Wir haben einen Generationswechsel in den Kindertageseinrichtungen, der bewältigt werden muss, und wir haben auch neue Herausforderungen wie die Themeninklusion, interkulturelle Arbeit und Migration. Hier brauchen wir Qualität, die die Arbeit der Teams in den Einrichtungen sichert.
Daher ist es wichtig, dass wir uns heute noch einmal darüber verständigt haben, liebe Koalition. Sie wollten diese Debatte führen, aber Sie haben an meinen Ausführungen wie auch aus den Ausführungen der anderen Kollegen aus der Opposition gemerkt, dass es hier noch genug Hausaufgaben gibt, die erledigt werden müssen. Das heißt Qualitätsverbesserung ja, aber nicht auf dem Rücken der Fachkräfte und nicht auf dem Rücken der Kinder, sondern immer im Interesse einer guten Bildungsqualität in den Kitas.
Vielen Dank.
Korrekt, Herr Präsident. Herr Schreiber, selbstverständlich kenne ich das Kita-Gesetz. Ich will es Ihnen aber noch einmal erklären. Die kommunale Ebene hat in den Haushaltsdebatten darauf aufmerksam gemacht, dass es aufgrund des Sächsischen Kita-Gesetzes und der Deckelung der Elternbeiträge bei 23 bzw. 30 % der Betriebskosten nicht möglich ist, besser verdienende Eltern entsprechend an den Betriebskosten zu beteiligen, sondern dass das gedeckelt ist, während die Ermäßigungstatbestände für Eltern, die wenig verdienen, aber über den Ermäßigungstatbeständen liegen, diese Eltern über den Durchschnitt belasten. Dort ein neues Finanzierungssystem zu finden war eine Erwartung an den Gesetzgeber, und das ist der Sächsische Landtag. Das können die Kommunen nicht ändern. Das kann nur hier im Landtag geändert werden. Die Koalition hat sich an keiner Stelle positioniert, was sie von diesen Vorschlägen der kommunalen Ebene hält.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir bleiben beim Geld, aber schwenken zum Thema Bildungspolitik. „Der Antrag zur Lehramtsausbildung an sächsischen Universitäten ist eine Brücke, über die heute alle Abgeordneten des Sächsischen Landtags gehen können, die auch weiterhin eine Lehramtsausbildung in Dresden, in
Leipzig und in Chemnitz wollen. Die Region Südwestsachsen braucht die Universitäten mit ihrer pädagogischen Kapazität zur Sicherung und Hebung der Qualität an den Schulen durch Weiterbildung und Forschung.“
Es war am 6. März 1997 – es ist schon ein paar Jahre her – in diesem Hohen Haus, als die Chemnitzer SPDAbgeordnete Barbara Ludwig für den Erhalt des Lehramtsstudiums an der TU Chemnitz warb, nachdem der Entwurf des Hochschulentwicklungsplanes die Einstellung des Chemnitzer Lehramtsstudiums vorsah. Barbara Ludwig und die SPD warben 1997 erfolglos für den
Erhalt dieses Studienganges in Chemnitz. Die Studiengänge wurden 1999 eingestellt.
Ein Jahrzehnt ging ins Land – ein Jahrzehnt, in dem die sächsische Lehrerschaft überalterte und kaum Neueinstellungen stattfanden, ein Jahrzehnt, an dessen Ende der Unterrichtsausfall nicht mehr zu vertuschen war und Ausmaße annahm, die bis zum Rücktritt eines Kultusministers und eines Bildungspolitikers der CDU sowie zu Protesten Tausender Schülerinnen und Schüler führten, die die Absicherung des Unterrichts einforderten. Die meisten von Ihnen werden sich daran erinnern.
Es ist erst fünf Jahre her, dass die CDU-geführte Landesregierung den Handlungsbedarf für den Lehrernachwuchs nicht nur erkannte und akzeptierte – immerhin –, sondern mit dem Bildungspaket 2020 auch Maßnahmen einleitete. So wurde die Kapazität des Lehramtsstudiums an den Universitäten in Leipzig und Dresden erhöht und an der TU Chemnitz wieder ein Grundschullehramt eingerichtet. Doch weiter als bis 2020 reichte der Blick bisher nicht.
Doch bereits in diesen letzten vier Jahren gestaltete sich die Einstellung von Nachwuchslehrkräften für Grund- und Förderschulen, für Naturwissenschaften, für Sport und Musik als äußerst schwierig. Inzwischen verkauft es die amtierende Kultusministerin als Erfolg, wenn „vor jeder Klasse ein Lehrer zu Schuljahresbeginn steht“. Doch es muss die Frage erlaubt sein: Welche Lehrerinnen und Lehrer stehen vor den Klassen, und mit welcher Qualifikation?
Ich persönlich glaube, dass Frau Staatsministerin Kurth tatsächlich bemüht ist, die nötigen und richtigen Lehrerinnen und Lehrer für die sächsischen Schulen zu finden. In der gestrigen Aktuellen Debatte zum Schuljahresbeginn haben wir gehört, dass bereits 20 % der gerade eingestellten neuen Lehrerinnen und Lehrer kein Lehramt studiert haben, sondern Quereinsteiger sind. Zweifelsohne sind Quereinsteiger besser als gar kein Lehrer vor der Klasse, aber wir leben nicht im Nachkriegsdeutschland vor 70 Jahren, sondern in einer Wissensgesellschaft, deren Kapital die Bildung der nachwachsenden Generation ist, und das sollte uns in der Hochschulpolitik mahnen.
Die gegenwärtig schwierige Suche nach ausgebildeten Lehrkräften vor allem für Grundschulen, Förderschulen und Mittelschulen ist auch das Ergebnis verfehlter Hochschulpolitik in den letzten 20 Jahren.
Lassen Sie uns noch einmal zurückschauen: Der einstige Wissenschaftsminister Prof. Hans Joachim Meyer hatte eben nicht recht, als er im März 1997 hier behauptete, es gebe „nur eine verantwortbare Lösung. Das ist die Konzentration der Lehrerausbildung an einer Universität. Die Universität, die dafür aufgrund ihres Fächerspektrums am ehesten geeignet ist, ist die Universität Leipzig. Zusätzlich benötigen wir nur noch die Ausbildung von Berufsschullehrern und Gymnasiallehrern an der Universität Dresden.“ Diese damalige Festlegung und Aussage hat heute fatale Folgen.
Die Behauptung von Prof. Meyer 1997 und die Schließung des Lehramtes an der TU Chemnitz erwiesen sich im Nachhinein als Irrtum und vor allem als volkswirtschaftlicher Irrweg. Volkswirtschaftlicher Unsinn deshalb, weil im Rahmen des Bildungspaketes 2020 zur Sicherung des Lehrernachwuchses 821 Millionen Euro ausgegeben werden müssen, davon allein jährlich mehr als
2 Millionen Euro für die Wiedereinrichtung des Grundschullehramtes an der TU Chemnitz.
Wie mühsam und wenig nachhaltig die Wiedereinrichtung des Lehramtsstudiums ist, lässt sich an der Besetzung der Professorenstellen ablesen. Anfang dieses Jahres war nur eine von sechs Professorenstellen überhaupt besetzt, weil es keine geeigneten Bewerber gab oder sich die Berufungsverfahren lange hinauszögerten. Offenbar ist es für qualifizierte Grundschuldidaktiker wenig attraktiv, sich auf Professorenstellen zu bewerben, die für zwei Jahre befristet sind.
Wie soll in dieser Situation, liebe Kolleginnen und Kollegen, gute Lehre stattfinden? Wie soll die nächste Lehrergeneration dort ausgebildet werden? Ich appelliere deshalb an die Staatsregierung: Wir brauchen Planungssicherheit für die Hochschulen und für die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die wir nach Sachsen holen.
Eine wesentliche Entscheidung des Bildungspaketes 2020 der schwarz-gelben Staatsregierung war vor vier Jahren auch die Erhöhung der Studienanfängerzahl von 1 000 auf 1 700 Plätze an den drei Universitäten.
Am 20. August 2015, also vor etwa vier Wochen, verkündete Wissenschaftsministerin Dr. Stange bereits die Erhöhung der Immatrikulationszahlen auf 2 000 Studierende sachsenweit. Schaut man sich die Zahlen jedoch genauer an, dann sieht man, dass wir trotz der Ausweitung der Studienkapazität eine dauerhafte Unterversorgung in den Schularten Mittelschule und berufsbildende Schule zu befürchten haben, denn dort schreiben sich nicht genügend Studienanfänger ein.
Darüber hinaus – das will ich betonen – ist es Augenwischerei, sich nur über die Menge der Lehramtsstudierenden zu freuen, wenn gleichzeitig nicht erfasst wird, wie viele und aus welchen Gründen das Studium nicht beenden. Es wurde bereits vor einem Jahr in der Staatlichen Kommission Lehrerbildung durch die studentischen Vertreter darauf hingewiesen, dass wir auch darüber eine Erhebung und Evaluation benötigen.
Dem Bericht des Sächsischen Rechnungshofes von 2014 ist zu entnehmen, dass es dem Kultusministerium bis dato nicht gelungen ist, eine schularten- und fächerspezifisch genaue Analyse für den künftigen Lehrerbedarf vorzulegen. „Im März 2011 legte das SMK auf Beschluss des Sächsischen Landtages zwar einen Bericht zum Thema ‚Lehrernachwuchs sichern – Bedarfsprognosen als Grundlage einer verbesserten Studienorientierung‘ vor. Eine fortgeschriebene Personalbedarfsermittlung wies diese jedoch nicht auf. Die Darstellungen beschränken sich vorwiegend auf die Bezifferung des Umfanges der altersbedingt ausscheidenden Lehrkräfte. Im Juli 2013 teilte das
Kultusministerium dem Sächsischen Rechnungshof mit, über keine aktuelle langfristige Lehrerbedarfsplanung zu verfügen.“ Es bleibt zu hoffen, dass das Kultusministerium daraus Schlussfolgerungen gezogen hat und an den eigenen Bedarfsanalysen nachbessert.
Der Hochschulentwicklungsplan soll laut schwarz-rotem Koalitionsvertrag nun bis zum Jahr 2025 fortgeschrieben werden. Das ist gut so. Die Gespräche des Wissenschaftsministeriums mit den Hochschulen laufen bereits seit einigen Monaten.
Deshalb fordere ich die Staatsregierung auf und komme damit zum Schluss: Ermitteln Sie den tatsächlichen Bedarf an künftig benötigten Fachlehrern und erzwingen Sie die Lehramtsausbildung an den drei Universitäten nicht auf Kosten anderer Studiengänge, sondern schaffen Sie Anreize und vor allem Planungssicherheit; denn die Studierenden von heute sind die Lehrerinnen und Lehrer an Sachsens Schulen von morgen!
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ausgangspunkt des Antrags der LINKEN waren tatsächlich die Hochschulpolitik und die laufenden Hochschulentwicklungsplanungen und -verhandlungen mit den Hochschulen. Ich bin sehr froh, dass wir diese Debatte heute führen konnten – einfach, weil die Vertreter aller Fraktionen gezeigt haben, wie wichtig dieses Thema für die Zukunftssicherung dieses Landes ist und welche Baustellen dort gemeinsam und ressortübergreifend zu bewältigen sind. An dieser Stelle will ich auch die Gelegenheit nutzen, Frau Staatsministerin Stange gute Besserung zu wünschen und, wenn sie wieder hier ist, viel Kraft für die weiteren Verhandlungen mit den Hochschulen und vor allem auch mit dem Finanzminister.
Das Angebot, im Wissenschaftsausschuss kontinuierlich zu berichten, wie die Hochschulentwicklungsplanung vor allem für das Lehramtsstudium voranschreitet, nehmen wir gerne an. Ich würde es begrüßen, wenn das analog auch im Schulausschuss dargestellt würde; denn ich glaube, die Hochschulplanung speziell für Lehrerinnen und Lehrer interessiert nicht nur die Hochschulpolitiker, sondern auch Schulpolitikerinnen und -politiker.
Natürlich ist es, da sind wir uns einig, eine schwierige Gratwanderung zwischen der Hochschulautonomie
einerseits – die Hochschulen können selbst festlegen, welche Studienangebote sie machen – und dem öffentlichen Interesse des Landes, den Unterricht mit guten Fachkräften abzusichern, andererseits. Daneben sind die individuellen Studierneigungen der Abiturientinnen und Abiturienten zu berücksichtigen. Da ist es besonders wichtig, auch die Studienberatung und die Studienorientierung tatsächlich so zu optimieren, dass eben nicht überdurchschnittlich viele den Gymnasiallehramtsweg einschlagen, sondern dass sich einige auch für die Schularten interessieren, an denen wir den größten Bedarf haben. Dann kann es gelingen.
Aber gerade weil das ein so schwieriges Thema ist, ist es wichtig, es hier immer wieder auf die Tagesordnung zu setzen und sich darüber zu verständigen, wohin wir in Sachsen mit der Ausbildung im Lehramt wollen.
Einen weiteren Aspekt will ich noch einmal betonen: Bei aller Begeisterung darüber, dass die sächsischen Hochschulen immer ganz weit oben auf der Liste der drittmittelstarken Hochschulen stehen, die über Forschungsprojekte überdurchschnittlich viele Mittel einwerben, ist es
mir wichtig, auch im Bewusstsein zu haben, dass die Lehramtsausbildung dort nicht unter die Räder kommt. Diese hat nämlich eine andere Aufgabe. Genau deswegen braucht sie besondere Aufmerksamkeit in der Hochschulentwicklungsplanung.
Zu guter Letzt: Ich würde mich natürlich freuen, wenn es auch aus anderen Fraktionen Zustimmung zu unserem Antrag gäbe. Wir werden das Thema im Auge behalten und immer wieder auf die Tagesordnung rufen, zumindest bis der Generationswechsel gelungen ist und bis der Hochschulentwicklungsplan im nächsten Jahr hier verabschiedet wird.
Vielen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, wir sind uns einig darin, dass die Eröffnung des Nationalen Leistungszentrums für Mikro- und Nanoelektronik Mitte Juni hier in Dresden eine Erfolgsmeldung genannt werden darf.
Ich will etwa 25 Jahre zurückblicken, zum Beginn der Neunzigerjahre. Was mussten wir dort erleben? Sachsen war schon immer ein Standort mit Innovationspotenzial. Dieses war aber bedroht – einerseits durch die Deindustrialisierung und andererseits durch die Privatisierungsstrategien der Treuhand zum damaligen Zeitpunkt. Offenbar war es gut, dass es gelungen ist, einen Teil der Forschungsabteilungen, die es damals in den Großbetrieben und Kombinaten gab, herauszulösen und diese durch die Privatisierung in Forschungs-GmbHs zumindest zum Teil zu erhalten. Das waren die Grundlagen, auf denen wir heute aufbauen.
In Vorbereitung auf die Debatte habe ich noch einmal in den Enquete-Bericht der Technologiekommission von 2013 geschaut. Die Enquete-Kommission hat ganz zu Recht herausgearbeitet, dass es vor allem die Hochschulen sind, die mit ihren Leistungen in Forschung und Leere zur technologischen Modernisierung Sachsens beitragen. Wenn wir uns anschauen, dass allein schon 2010 die Forschungs- und Entwicklungsausgaben der Hochschulen in Höhe von 722 Millionen Euro deutlich über dem bundesweiten Durchschnitt des Bruttoinlandsproduktes lagen, dann ist das einerseits eine Erfolgsmeldung. Andererseits müssen wir immer noch konstatieren, dass mehr als die Hälfte der Drittmitteleinnahmen an den Hochschulen aus öffentlich geförderten Forschungsprojekten kommt. Das zeigt uns, dass wir hier noch Schwachstellen der sächsischen Wirtschaftsstruktur haben. Es fehlen die Mittel aus der Industrie, um Forschung in Größenordnungen zu finanzieren.
Ja, Sachsen kann zu Recht stolz sein, denn das Leistungszentrum für Mikro- und Nanoelektronik ist das dritte Pilotvorhaben dieser Art in Deutschland. Es gibt noch eines in Freiburg und eines in Erlangen.
Mich interessiert aber, wie es nach der zweijährigen Pilotphase weitergeht. Für die nächsten zwei Jahre wird das Leistungszentrum aus Mitteln des Freistaates – wir haben es gehört, das sind die 5 Millionen Euro – finanziert, und zwar aus Mitteln der Fraunhofer-Gesellschaft und von Industriepartnern. Danach verlässt man sich, so las ich es auf der Seite der Fraunhofer-Gesellschaft, auf
Bundesmittel. Aber was wird, wenn das nicht funktioniert? Darüber wird zu reden sein. Ich hoffe, dass wir darauf Antworten hören. Ich glaube, wir brauchen insbesondere in diesem Bereich langfristige Pläne.
Die Debatte ist überschrieben mit „Freistaat als attraktiven Wissenschaftsstandort weiterentwickeln“. Über dieses Ziel sind wir uns fraktionsübergreifend einig, das ist keine Frage. Es reicht aber nicht, uns gegenseitig die Wichtigkeit des Wissenschaftsstandortes zu bestätigen, wenn wir nicht auch ehrlich und kritisch über einige Punkte reden. Das ist durch die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten und die Kommentare der Fraktionsvorsitzenden heute Vormittag schon umfangreich passiert. Ich möchte trotzdem noch auf einige Punkte eingehen.
Ich glaube, dass dieser attraktive Wissenschaftsstandort nur weiterentwickelt werden kann, wenn es gelingt, alle Ressorts einzubinden. Im Ergebnis der Debatten, die wir heute früh und in den letzten Monaten immer wieder im Landtag geführt haben, möchte ich davor warnen, dass das Erreichte verspielt zu werden droht oder die goldene Kugel in den Brunnen fällt, wenn es nicht gelingt, beispielsweise die Wissenschaftslandschaft im Bereich der Arbeitsverhältnisse zu optimieren. Es muss sichere Arbeitsplätze an den Hochschulen, in der Wissenschaft geben. Wir müssen auch immer wieder über das Thema Willkommenskultur und Weltoffenheit in Sachsen reden.
Es ist eine Erfolgsmeldung, wenn wir sehen, dass im Zeitraum von 2000 bis 2010 der Anteil ausländischer Studierender um 60 % gestiegen ist. Aber bei den ausländischen Wissenschaftlern liegen wir immer noch unter dem Bundesdurchschnitt. Es reicht eben nicht, sich zu freuen, dass wir ausländische Rektoren an den Hochschulen haben. Der Ministerpräsident hat das vorhin genannt. Es reicht nicht, wenn wir keinen Konsens finden und nicht die Debatte darüber führen, dass wir in allen Bereichen der Gesellschaft Migrantinnen und Migranten brauchen, dass diese uns willkommen sind, nicht nur an Kunsthochschulen oder als Künstler an den großen Kultureinrichtungen.
Für die Stadt Dresden kann ich sagen: Pegida, Asylkritiker und rassistische Diskussionen in den letzten Monaten in der Öffentlichkeit, im Internet usw. haben dazu geführt, dass wir jetzt Meldungen bekommen, dass es einen Besucherrückgang im touristischen Bereich und zunehmend die Stornierung von wissenschaftlichen Kongressen gibt. Das ist ein Problem, das wir ernst nehmen müssen.
Lassen Sie mich auf einige Punkte eingehen.
Dann bedanke ich mich für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Titel vom attraktiven Wissenschaftsstandort ist recht weit gefasst, und wenn wir den Blick etwas weiter richten, dann müssen wir auch über die Fachkräftesicherung insgesamt sprechen und über verschiedene Generationen blicken.
Meine Vorredner haben bereits konkret über die Verzahnung von Wirtschaft und Wissenschaft gesprochen. Ich möchte noch einmal auf das Thema demografische Entwicklung zu sprechen kommen. Dass wir einen spürbaren Engpass an Fachkräften bekommen werden, hat bereits die Expertenkommission zum Technologiebericht festgestellt. Die Prognosen lauten, dass in den nächsten zehn Jahren bis zu 20 % weniger Erwerbstätige in Sachsen vorhanden sein werden. Daraus müssen wir schlussfolgern, dass mittel- bis langfristig alle Qualifikationsstufen und alle Wirtschaftsbereiche durch den Fachkräftemangel betroffen sein werden. Es schließen sich die Fragen an: Was tun? Woher sollen diese Fachkräfte kommen?
Gerade wenn wir uns – wie im Bereich Leistungszentrum der Fraunhofer-Gesellschaft – in hoch technologische und hoch qualifizierte Segmente begeben, müssen wir auch im Bereich der Bildungspolitik entsprechend nachziehen und von Beginn an unsere nächsten Generationen darauf vorbereiten. Nehmen Sie es mir nicht übel, aber dann fange ich wirklich im frühkindlichen Bereich an. Ich denke, nur mit der Sicherung eines guten Betreuungs- und Bildungssystems – auch im vorschulischen Bereich – schaffen wir die richtigen Grundlagen, damit jedes Kind später in einem leistungsfähigen Schulsystem, in dem wir noch viele Baustellen haben, den bestmöglichen Abschluss schafft.
Eine große Baustelle in diesem Bereich – das gehört dazu, wenn wir über den Wissenschaftsstandort sprechen – ist die Lehrernachwuchssicherung und auch die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer für den Bereich MINT. Woher bekommen wir die MINT-Lehrer, um die Kinder und Jugendlichen später bestens beraten zu können?
Eine Quote von 10 % der Schülerinnen und Schüler ohne Schulabschluss schwächt den Wissenschaftsstandort
Sachsen. Das möchte ich an dieser Stelle betonen. Wir als LINKE denken, dass das längere gemeinsame Lernen nach wie vor Abhilfe schaffen kann, damit in einem integrierten Schulsystem alle voneinander profitieren. Deshalb bringen wir das Thema immer wieder auf die Tagesordnung.
Das Stichwort Berufsorientierung hatte ich genannt. Das ist eine Baustelle, bei der es ebenfalls Nachholbedarf gibt, um Jugendliche optimal vorzubereiten, damit sie eine Ausbildung für die Berufe ergreifen, in denen wir in Sachsen Bedarf haben.
Ich möchte noch einmal auf die Hochschulpolitik eingehen. Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass die Studierendenzahlen bei 95 000 gedeckelt werden sollen. Das hat uns doch sehr verwundert; denn Sie wissen selbst, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition: Wissenschaft und Forschung sind nicht regional begrenzbar, sondern international. Davon auszugehen, wir bilden nur noch so viel Studierende aus, wie wir sie perspektivisch in Sachsen brauchen, ist etwas kurz gedacht. Insofern kann ich nur an Sie appellieren, nicht nur die 14 Hochschulstandorte, zu denen sich die Landesregierung bekennt – sie sind vor allem für die regionale Entwicklung außerhalb der Großstädte wichtig –, sondern die Vielfalt der Studiengänge zu erhalten. An Dresden-concept kann man sehen, wie genau die Interdisziplinarität von ganz verschiedenen Studiengängen und die Clusterung verschiedener Forschungsrichtungen neue Entwicklung hervorbringen.
Zum Thema Interkulturalität und Weltoffenheit Sachsens hatten wir uns bereits verständigt. Aber ich denke, das Thema ist inzwischen so eklatant, dass man noch einmal darauf insistieren muss. Der Enquete-Bericht hatte Vorahnungen, was 2014 in Sachsen passieren könnte. Man hat damals schon darauf gedrungen, „Sachsen als weltoffenen Lebenskultur- und Wissenschaftsstandort auszubauen und die Wirtschaft zu internationalisieren“. Das heißt aber im Gegenzug, wir müssen auch die Verwaltung internationalisieren. Hierbei ist die Rede von gezielter interkultureller Öffnung der Verwaltung. Man schlägt gezielte Maßnahmen zur Thematisierung und Beseitigung von Benachteiligung, Vorurteilen, alltäglicher Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit vor. Das will ich noch einmal in die Debatte einspeisen.
Insofern sage ich in Richtung Koalition: Es ist gut, dass wir heute früh die vorangegangene Debatte geführt haben. Es ist fünf nach zwölf bei der Frage, Weltoffenheit in Sachsen zu erhalten.
– Ja, politisch ist es fünf nach zwölf, Herr Piwarz.
Ich empfehle der Koalition: Bleiben Sie auf weltoffenem Kurs, und gehen sie den Ressentiments in den eigenen Reihen der CDU nicht auf den Leim.
Vielen Dank, Herr Präsident. Frau Ministerin, Sie hatten relativ früh zu Beginn Ihrer Amtszeit als KMK-Vorsitzende das Thema Schulsozialarbeit angesprochen und die Bundesländer aufgefordert, die frei werdenden BAföG-Millionen in die Schulsozialarbeit zu stecken. Das wären in Sachsen etwa 27 Millionen Euro. Ich würde gern wissen, wann wir in Sachsen damit rechnen können, dass in dieser Größenordnung flächendeckend die Schulsozialarbeit vorankommt.
In diesem Zusammenhang habe ich eine zweite Frage, da Sie nach wie vor auch auf die Förderung leistungsschwacher Schüler insistiert haben – was wir sehr wichtig finden: Wie geht es weiter mit der Finanzierung der Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern aus den ESF-Mitteln? Diese Mittel reichen im neuen Schuljahr nur noch wenige Monate. Sie sind zurzeit mit der Kollegin Sozialministerin unterwegs, wie wir der Presse entnehmen durften.
Es gibt ein Landesprogramm Kompetenzentwicklung von Schülerinnen und Schülern über den Förderbaustein Soziale Schule. Die Gelder sind deutlich abgesenkt worden. Aus diesem Grund sind Sie zurzeit mit Frau Klepsch in den Landkreisen unterwegs, wie ich vor zwei Wochen der „Freien Presse“ entnehmen durfte, um vor Ort zu prüfen, wie wir die Förderung der leistungsschwachen Schüler über diesen Baustein für das neue Schuljahr und darüber hinaus weiter sichern.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Zunehmend sind ungleiche Bildungschancen vor allen Dingen für Kinder aus sozial benachteiligten Gebieten, die Zunahme verhaltensauffälliger Kinder von Sprachstörungen, Bewegungsarmut, falschen Ernährungsweisen zu verzeichnen. Alle diese individuellen Lebenssituationen erfordern ein pädagogisch individuelleres Wirken von pädagogischen Fachkräften unter Einbeziehung und Begleitung der Kinder und ihrer Familien/Eltern.“ – Zitatende.
Das, meine Damen und Herren, hätte aus dem Programm der LINKEN sein können, ist es aber nicht. Ich zitierte zum wiederholten Male aus dem kinder- und jugendpolitischen Papier des Sächsischen Landkreistages vom November 2013. Seit der Erarbeitung des Papiers ist viel Wasser die Elbe hinuntergeflossen und es hat eine Landtagswahl stattgefunden. Ich darf anmerken, DIE LINKE fordert seit vielen Jahren in diesem Hohen Haus eine gezielte Familienbildung in den sächsischen Kindertagesstätten.
Im schwarz-roten Koalitionsvertrag vom Herbst 2014 durften wir nun lesen, dass es auch in Sachsen ElternKind-Zentren geben soll. Auf meine Nachfrage vom April dieses Jahres antwortete mir das Kultusministerium, dass man ohne einen beschlossenen Haushalt noch gar nichts zu diesem Projekt sagen könne. Das fand ich verwunderlich, denn schließlich sollen die 500 000 Euro pro Jahr hoffentlich in die Arbeit der Kitas fließen und nicht als Planungskosten versickern.
Jetzt haben wir Juli und Sie wollen nun mit Ihrem Antrag die Regierung beauftragen, ein Konzept für ein Modellprojekt zu entwickeln. Das ist doch nicht Ihr Ernst!
Nach Jahren der Projektitis in der sächsischen Kinder- und Jugendhilfe, nach unzähligen Landes- und Bundesmodellprojekten, in denen durch die Kindertageseinrichtungen ausprobiert und evaluiert wurde – ich nenne nur Familienbildung in Kooperation mit Kindertagesstätten oder das Landesmodellprojekt „Sprache fördern“ oder das Modellprojekt „Konsultationskitas“ –, kommen Sie mit einem Modellprojekt um die Ecke. Ich will Sie noch einmal daran erinnern: Die sächsischen Kommunen klagen seit Jahren über unendlich steigende Kosten für die Hilfen zur Erziehung, auf die bekanntlich ein Rechtsanspruch besteht. Zuletzt waren es mehr als 180 Millionen Euro nur in Sachsen für alle Kommunen.
Doch anstatt den bekannten Problemen wirksam, gezielt und in der Fläche zu begegnen, schließt sich ein befristetes Projekt an das nächste an. Da spreche ich noch nicht davon, wie es gelingen kann, wenigstens die Hälfte der mehr als 2 800 Kitas in Sachsen zu erreichen, oder wie
wir dahin kommen, multiprofessionelle Teams in den Kitas zu etablieren. Dann müssten wir nämlich auch über die Fachkräfteverordnung und Erzieherausbildung sprechen.
Ich darf daran erinnern, dass mit dem Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertageseinrichtungen“ aus dem Jahr 2004 – vor elf Jahren – bereits ein wissenschaftlicher Abschlussbericht vorliegt; er ist im Internet zu finden auf „familie.sachsen.de“.
Wir sind uns einig, liebe Kolleginnen und Kollegen der Koalition, dass es angesichts gestiegener Anforderungen an das System Familie und an berufstätige Eltern erhöhte Erwartungen auch an die Erziehungsfähigkeit von Eltern sowie durch kumulierte soziale Problemlagen in bestimmten Ortsteilen gibt und es dadurch einer besseren Unterstützung für Familien bedarf. Diese Unterstützung ist eben nicht mit Ehegattensplitting, sächsischen Familientagen oder Betreuungsgeld zu leisten. Die benötigte Form der Unterstützung – da sind wir wieder beim Programm – hat vor allem mit Vertrauen, mit Beziehungsarbeit und mit Wertschätzung zwischen Fachkräften und Eltern zu tun.
Ein viel gelobtes und über die Jahre entwickeltes Programm hat die Landeshauptstadt Dresden vorzuweisen, denn die vielerorts beklagten Probleme, wie von Herrn Gasse angesprochen: Entwicklungsverzögerungen der Kinder und Erziehungsdefizite, gepaart mit verstärkten sozialen Problemlagen, zum Teil auch Migration, sind auch in Sachsen mindestens seit der Jahrtausendwende zu beobachten.
Bereits 2005, also vor zehn Jahren, startete deshalb die Stadt Dresden das Programm KiNET „Frühprävention, Sozialisation und Familie“. Seit 2010 heißt das Programm „Aufwachsen in sozialer Verantwortung“ und wurde inzwischen auf weitere Stadtteile übertragen und wissenschaftlich begleitet.
Ebenfalls bereits vor zehn Jahren – deshalb will ich betonen, Eltern-Kind-Zentren sind nun wahrlich nichts Neues –, im Oktober 2005, legte das Deutsche Jugendinstitut einen Grundlagenbericht im Auftrag des Bundesfamilienministeriums zu Eltern-Kind-Zentren vor als die neue Generation kinder- und familienfördernder Institutionen. Sachsen ist also wieder einmal ganz weit vorn mit einem neuen Modellprojekt, und wenn der Landtag heute beschließt, dass die Regierung ein Modell entwickeln soll, dann hechelt Sachsen leider, wie so oft, einer bundesweiten Entwicklung hinterher.
Kommen wir zu Punkt 2. Hier fordern Sie richtigerweise die breite Einbeziehung der kommunalen Spitzenverbände, der freien Träger und des Landesjugendhilfeausschusses. Wenn das Konzept jedoch bereits am 31. Oktober dieses Jahres dem Landtag vorgelegt werden soll und vorher noch durchs Kabinett muss, dann ist es fraglich, wie eine ernst gemeinte Einbeziehung innerhalb von zwei Monaten funktionieren soll. Aber vielleicht haben Sie ja Glück und das zuständige Referat im Kultusministerium hat doch schon vorgearbeitet.
Unterschiedlichste Konzepte zu Eltern-Kind-Zentren liegen aus mehreren Bundesländern vor; ich verweise auf Thüringen und auf Brandenburg. Jetzt gilt es für Sachsen, das beste Modell in die Fläche zu implementieren, und da werden die 500 000 Euro kaum ausreichen, wenn der finanzielle Mehraufwand dieses richtigen Ansatzes nicht bei den Kommunen hängenbleiben soll.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Fraktion DIE LINKE wird sich deshalb bei diesem Antrag enthalten – nicht, weil die Richtung verkehrt ist, sondern weil es wieder nur um ein Modellprojekt geht, das nicht ausfinanziert ist, und weil wir stattdessen einen grundsätzlich anderen Ansatz für die Weiterentwicklung der sächsischen Kitas brauchen.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestern haben wir hier ausführlich über das Thema Asyl und Integration diskutiert. Konfliktherde und Krisen spitzen sich weltweit zu oder werden zum Dauerzustand. Diese Entwicklung macht um Sachsen bekanntlich keinen Bogen.
Innenminister Ulbig stellte gestern sein Unterbringungskonzept für die Erstaufnahme von 5 000 erwachsenen Flüchtlingen vor. Worüber wir jedoch auch dringend sprechen müssen – das ist Gegenstand unseres Antrages –, ist die Unterbringung der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge bzw. Asylbewerber, sogenannte UMA. Diese unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge fallen nicht unter die Asylgesetzgebung, sondern werden im Interesse der Wahrung des Kindeswohls als Subjekte des SGB VIII, des Kinder- und Jugendhilfegesetzes, behandelt. Das heißt in der Praxis, dass die UMA nach Ankunft in der Bundesrepublik durch die Jugendämter der Kommunen in Obhut genommen und analog zu jungen Menschen in den erzieherischen Hilfen betreut werden.
Bis vor drei oder vier Jahren waren die UMA bundesweit und auch in Sachsen eher ein spezielles Nischenthema in der Kinder- und Jugendhilfefachwelt. Noch vor fünf Jahren, 2010, gab es laut Statistik bundesweit 2 800 Inobhutnahmen von UMA, davon 84 in Sachsen, also eine eher verschwindend geringe Zahl. 2013 waren es bundesweit jedoch bereits 6 600 Inobhutnahmen, und im gleichen Jahr reisten auch in Sachsen 113 minderjährige Flüchtlinge ohne Eltern ein.
Aktuell geht man davon aus, dass sich circa 20 000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in der Bundesrepublik aufhalten und davon allein 5 000 in Bayern, die inzwischen in Turnhallen untergebracht werden müssen.
Was hat das nun mit Sachsen zu tun? Aufgrund der räumlichen und personellen Überforderung einzelner Bundesländer in der Inobhutnahme der UMA machte Bayern im September 2014 den Vorstoß über den Bundesrat und forderte eine bundesweite Verteilung der minderjährigen Flüchtlinge nach dem Königsteiner Schlüssel, also nach dem Prinzip der Verteilung der erwachsenen Flüchtlinge.
Angesichts dieser Entwicklung legte meine Fraktion im April den Antrag vor, über den wir heute diskutieren. Vier Wochen später, am 29. Mai, antwortete das Sozialministerium in seiner Stellungnahme, Sachsen gehöre nicht zu den Haupteinreiseländern von unbegleiteten minderjährigen Ausländern, und man verwies darauf, dass es bislang noch keinen Gesetzentwurf des Bundes gebe.
Fasst man die Stellungnahme zu unserem Antrag kurz zusammen, muss ich leider unterstellen: Das Sozialministerium weiß nichts, es hat auch keinen Plan und die Kommunen sind wie immer zuständig. Mit Verlaub, Frau Staatsministerin Klepsch, das ist schon etwas ignorant oder blauäugig. Denn auch die Sächsische Staatsregierung wusste spätestens seit dem Beschluss der Ministerpräsidenten vom Oktober und Dezember 2014, dass die Länder auf einen entsprechenden Gesetzentwurf warten. Die Ministerpräsidenten haben sogar den Auftrag erteilt.
Die Länder, auch Sachsen, haben nach dem SGB VIII § 82 den Auftrag zur fachlichen Steuerung und Weiterentwicklung der Jugendhilfelandschaft auch in diesem Bereich. Besagter Gesetzentwurf trudelte nur wenige Tage nach der Stellungnahme zu unserem Antrag, nämlich am 9. Juni, in Sachsen ein. Immerhin drei Wochen später, in der letzten Juniwoche, richtete auch unser Sozialministerium eine Stabsstelle zum Thema ein, während Kommunen wie Leipzig, Dresden und auch der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge längst mit den praktischen Problemen konfrontiert sind. Auch in Sachsen mehren sich die Anzeichen, dass die UMA teilweise mehrere Tage oder Wochen im Kinder- und Jugendnotdienst zubringen müssen, einfach weil es keine geeignete Unterbringung gibt.
Nach einem Dreivierteljahr bundesweiter Debatte zum Thema minderjährige Flüchtlinge hier eine Stabsstelle einzurichten, das nenne ich vorausschauende Politik. Immerhin erfuhr auch der Landesjugendhilfeausschuss am 1. Juli in seiner Beratung davon. In dieser Sitzung wurde auf Antrag der LINKEN zwei Stunden vertieft über die Themen minderjährige Flüchtlinge, Migration und Integration diskutiert. Es war eine sehr gute Debatte, ein sehr guter Austausch. Das will ich betonen. Ich möchte mich an dieser Stelle auch bei Frau Köpping und Herrn Mackenroth bedanken, die sich als Integrationsministerin und als Ausländerbeauftragter die Zeit genommen hatten, mit dem Landesjugendhilfeausschuss über die aktuellen Herausforderungen zu sprechen. Im Unterausschuss II Kita hatte ich vorgeschlagen, dass wir Frau Köpping
einladen, lieber Kollege Schreiber. Ihr Vorschlag war, das in den großen Ausschuss zu heben. Insofern war es doch ein erfolgreiches gemeinsames Vorgehen.
Weitergehende Konzepte oder Handlungsleitlinien jenseits dieser einen Woche jungen Stabsstelle waren aber aus dem zuständigen Sozialministerium noch immer nicht zu vernehmen. Umso mehr wurden sie am 1. Juli von den kommunalen Beigeordneten und Jugendamtsleitern mit dem Verweis auf fehlende Unterbringungsplätze und fehlendes Fachpersonal für die Jugendlichen, die zum Teil durch Krieg und Flucht traumatisiert sind, eingefordert. Der Verweis auf ambulante Pflegestellen, wie im Punkt 3 der Stellungnahme, führt ins Leere; denn bereits heute gibt es zu wenige Pflegefamilien für Kinder, die Jugendämter aus deutschen Familien weg und in Obhut nehmen müssen. Hinzu kommt: Bei den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen handelt es sich in der Regel nicht um niedliche kleine Mädchen, sondern zu 90 % um männliche Jugendliche im Alter von 15 bis 17 Jahren. Wenn jedoch – wie durch das Sozialministerium angenommen – ab dem nächsten Jahr nicht nur 150 dieser UMA, sondern 1 000 bis 1 500 nach Sachsen kommen, bedarf es einer Strategie, weil es um Unterbringungskapazitäten, Beschulung, pädagogisches Fachpersonal und auch um Investitionskosten in die Unterkünfte geht.
Es muss, verehrte Staatsregierung, auch im Interesse des Sozialministeriums sein, einheitliche Standards für die Alterseinschätzung der Jugendlichen für die Unterbringung und auch für die Betreuung der minderjährigen Flüchtlinge zu schaffen.
Kurzum: Meine Fraktion DIE LINKE ist der Auffassung, Sachsen benötigt dringend eine Strategie für die Unterbringung der Jugendlichen in den Kommunen, aber auch für die fachliche Steuerung durch das Landesjugendamt; da sind wir schon beim nächsten Problem. Das ist jetzt schon personell überfordert; und nicht einmal das nötige Personal für die regulären zahlreichen Betriebserlaubnisverfahren im Bereich Kindertagesbetreuung und Heime ist vorhanden, geschweige denn die personellen Ressourcen für eine neue Herausforderung wie die Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.
Ich will noch einmal betonen, es reicht nicht, 8,5 Millionen Euro im aktuellen Haushalt einzustellen und das Geld an andere Länder zu überweisen, wozu wir verpflichtet sind. Das funktioniert noch, aber nicht mehr in wenigen Monaten, denn diese UMA stehen quasi vor der Tür.
Frau Staatsministerin, ich fordere Sie auf: Bitte sitzen Sie das Problem nicht aus, sondern führen Sie eine konstruktive Debatte zum Gesetzentwurf der Bundesregierung – er liegt ja vor – und lassen Sie die kommunalen Jugendämter nicht allein mit der Herausforderung, sondern beginnen Sie zeitnah mit der Debatte über notwendige landesrechtliche Regelungen, wie in der Stellungnahme angemerkt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich komme zum Schluss. Greifen Sie unsere Vorschläge auf und unterstüt
zen Sie unseren Antrag zum Wohle der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge. Auch das ist ein Teil gelebter Willkommenskultur, wie wir sie in Sachsen dringend brauchen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was haben wir in den letzten Wochen erlebt? Wir haben nicht nur Lokführer- und Pilotenstreiks erlebt, sondern wir haben auch den ersten unbefristeten Streik von Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen im vereinten Deutschland überhaupt erlebt. Ich glaube, es war richtig, dass es diesen Streik gab. Warum gab es diesen Streik? Weil der KitaSektor, weil der Bereich der Betreuungsdienste inzwischen so groß geworden ist, dass dort auch eine Macht dahinter steht, dass es viele Tausende Beschäftigte sind, die sich dort das Recht herausnehmen zu streiken, und weil es weh tut.
Ich glaube, ein Streik muss auch manchmal weh tun. Warum? Zum einen hat der öffentliche Dienst eine Leitfunktion. Die Tarifabschlüsse, die dort beschlossen werden, greifen später bei der Landschaft der freien Träger. Volkmar Zschocke hat schon darauf hingewiesen, wie schwierig dort zum Teil die Entlohnung der Beschäftigten in den verschiedenen Berufsgruppen ist. Nur wenn im öffentlichen Dienst für den Sozial- und Erziehungsdienst auch die Tarife kontinuierlich steigen, wie sie in anderen Berufsgruppen steigen, dann können auch die Beschäftigten bei den freien Trägern nachziehen und gut bezahlt werden – wenn sie sich nicht von unterfinanzierten Kommunen und Kämmerern herunterhandeln lassen. Das muss man auch dazusagen.
Auch wenn wir uns einig sind, dass im Bereich Sozial- und Erziehungsdienst gute und wertvolle Arbeit geleistet wird, ist es notwendig zu sagen: Es ist ein Unterschied, ob wir über Mindestlohn reden, Herr Krauß, oder über hoch qualifiziertes Personal, das Abitur hat, das zum großen
Teil auch eine Fachhochschul- oder Hochschulausbildung hat und sich selbstverständlich nicht an der Lohnuntergrenze des Mindestlohnes orientieren sollte, sondern an anderen akademischen Berufen.
Genau deshalb, weil die Anforderungen in diesen Bereichen gestiegen sind. Da Sie darauf verwiesen haben, dass Sachsen großzügigerweise die Altenpflegeausbildung übernimmt, möchte ich Ihnen ins Stammbuch schreiben: Es ist ein Armutszeugnis und ein hilfloses Reagieren auf eine verfehlte Bildungspolitik im Berufsschulbildungsbereich. Warum müssen die Jugendlichen auch noch Schulgeld bezahlen, wenn sie eine Altenpflegeausbildung machen wollen?
Der Sektor im Bereich Altenpflegeausbildung war in den letzten 25 Jahren einem Markt ausgesetzt. Das war falsch. Ich fordere an dieser Stelle die Landesregierung noch einmal auf, mit Blick auf diese Pflegeberufe zu schauen, an welcher Stelle wir die staatliche Berufsschulausbildung stärken können, anstatt über Umwege die Pflegeausbildung zu finanzieren. Das ist ein anderes Thema.
Ich hatte gesagt, dass ein Streik wehtun muss. Es war für alle Eltern eine Belastung. Es war auch für meine Familie eine Belastung, als die Kinderkrippe an vielen Tagen geschlossen war. Anders wird man offensichtlich in der Politik in Deutschland nicht gehört.
Ich möchte noch ein anderes Beispiel nennen: Wenn das Jugendamt oder der Allgemeine Soziale Dienst streiken, dann tut das kaum jemandem weh, für die Familien, die nicht betreut werden, ist es aber schwierig. Die öffentliche Empörung oder der Druck sind bei Weitem nicht so groß, als wenn die Kitas streiken. Insofern habe ich großen Respekt davor, dass die Gewerkschaften und Erzieherinnen diesen Streik so lange durchgehalten haben. Vielleicht ist es nach 25 Jahren Demut endlich richtig, sich als Beschäftigter nicht mehr einreden zu lassen, dass es genug andere Leute gebe, die den gleichen Job machen würden, sondern die Situation des drohenden Fachkräftemangels zu nutzen, um zu sagen, dass soziale Arbeit mehr wert ist und sie mehr verdienen möchten.
Wir sind kein armes Land, das wissen Sie. Alle Berichte über Armut und Reichtum aus den letzten Jahren und Monaten bestätigen das. Die oberen 10 % haben so viel, dass durch eine kluge Steuerpolitik und ein Umdenken in der Steuerpolitik mehr Geld für den öffentlichen Sektor und die Finanzierung von Gehältern im Sozial- und Erziehungsdienst zur Verfügung stünde. Insofern fordere ich Sie auf – das betrifft vor allen Dingen die Kollegen aus der Koalition –, auf Bundesebene über eine andere Steuerpolitik nachzudenken. Es ist nicht so, dass das Geld nicht vorhanden wäre. Es ist in unserem Land, wie so oft, nur falsch verteilt.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Vielen Dank, Herr Staatsminister! Ich freue mich sehr, dass Sie gerade darauf verwiesen haben, dass insbesondere befristete Beschäftigungen im Bereich des Sozial- und Erziehungswesens nachteilig sind. Deshalb möchte ich Sie fragen, ob Sie sich auch dafür einsetzen werden, dass wir beispielsweise auch auf Landesebene im Bereich des Europäischen Sozialfonds oder in anderen Bereichen, in denen wir soziale Arbeit finanzieren, von einer jahres- oder monatsweisen befristeten Beschäftigung wegkommen?
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! In Zeiten, in denen sich viele Menschen weniger Streit und mehr Harmonie in der Politik und in den Parlamenten wünschen, scheint es fast ideal, dass CDU und SPD heute mit einem Antrag auf der Tagesordnung stehen, der auch von der Opposition sein könnte.
Allein diese Anträge zum wissenschaftlichen Nachwuchs und zu den Lehrbeauftragten an den Hochschulen gibt es bereits so ähnlich von den Fraktionen GRÜNE und LINKE. Sie sind minimal älter als der Ihrige. Das ist auch der GEW aufgefallen, wie wir der heutigen Pressemitteilung entnehmen können.
Am 12. Mai reichte die Fraktion DIE LINKE einen Antrag ein mit dem Titel „Arbeitsbedingungen für den wissenschaftlichen Nachwuchs an den Hochschulen im Freistaat Sachsen verbessern und verlässliche Karriereperspektiven schaffen“. Am 12. Juni folgte die Fraktion GRÜNE unter dem Titel „Situation des wissenschaftlichen Nachwuchses nachhaltig verbessern“. Am 29. Juni schließlich wurden wir gewissermaßen links überholt vom Antrag der Koalition.
Es freut mich, wenn sich die Hochschulpolitikerinnen und -politiker von Schwarz-Rot durch die Arbeit der Opposition herausgefordert fühlen. Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft, auch das politische. Der Antrag der Koalition trägt die Handschrift der Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange und des Abg. Holger Mann.
Ich bewerte es positiv, dass es der SPD gelungen ist, wesentliche Herausforderungen in der Hochschulpolitik wie die Eindämmung prekärer Beschäftigungen in Teilzeit, von Befristungen und unzulässigen Kettenarbeitsverträgen für Daueraufgaben in die Koalition einzubringen. Liebe Kollegin Fiedler, ich glaube schon, dass wir einen Richtungswechsel in der Hochschulpolitik wahrnehmen können, seit das Wissenschaftsministerium wieder in SPD-Hand ist.
Kommen wir nun zum Thema. Das Wissenschaftszeitvertragsgesetz war gut gemeint. Es hat aber in der Umsetzung zu einer Erosion des Mittelbaus an den Hochschulen bundesweit, nicht nur in Sachsen, geführt. Nicht umsonst, darauf wurde schon verwiesen, befindet es sich gerade in der Novellierung. Über die Vorschläge von Bundesforschungsministerin Johanna Wanka wird auch noch zu sprechen sein. Den viel gelobten Wettbewerb in der Forschung in allen Ehren – Daueraufgaben an den Hochschulen müssen aber von festangestelltem Personal erbracht werden, damit die Qualität in der Lehre und Forschung stimmt.
Etwas seltsam mutet es an, da wir uns vor zwei Wochen, nämlich am 22. Juni 2015, in der Beratung des Wissenschaftsausschusses darauf verständigt hatten, am 31. August 2015 eine Anhörung zur Thematik Arbeitsbedingungen des wissenschaftlichen Nachwuchses durchzuführen, und nun heute Ihren Antrag diskutierten sollen. Ich möchte aber versuchen, Ihr Vorgehen im Interesse einer stärkeren öffentlichen Aufmerksamkeit für die Belange des wissenschaftlichen Nachwuchses positiv einzuordnen, gerade weil der Gesetzentwurf auf Bundesebene unterwegs ist. Deshalb wird die Fraktion DIE LINKE Ihrem Antrag heute zustimmen, auch weil er inhaltlich richtig ist.
Die Forderungen nach einem Bericht zur Personalstruktur an den sächsischen Hochschulen finden wir richtig. Ebenso begrüßen wir die Idee, Mindeststandards für die Befristung von Arbeitsverhältnissen festzulegen. Ich möchte jedoch darauf verweisen, dass die Hochschulen in Sachsen dafür auch die nötigen finanziellen Mittel benötigen. Ich möchte die Koalition noch einmal ermuntern, spätestens ab dem nächsten Doppelhaushalt 2017/2018 die Gelder auch aus den sogenannten freigewordenen BAföG-Mitteln in die Grundfinanzierung der Hochschu
len zu investieren und nicht nur über Sonderfinanzierungsprogramme Geld einzuspeisen. Daueraufgaben müssen auf Dauer finanziert werden.
DIE LINKE stimmt dem Antrag zu. Die wesentlichen Herausforderungen werden benannt. Wir erwarten aber auch, dass sich die richtigen Weichenstellungen in den Zielvereinbarungen, die zwischen den Hochschulen und dem SMWK abgeschlossen werden, wiederfinden, auch in der Hochschulentwicklungsplanung, die uns zum Ende des Jahres vorgelegt werden soll.
Kurz und gut, die Koalition weckt mit diesem Antrag hohe Erwartungen. Ich sage aber Folgendes deutlich: Sorgen Sie für die Erfüllung, liefern Sie! Sachsen braucht die Zuwanderung auch von Wissenschaftlern, die dauerhaft hier leben möchten, sich nicht schon wieder nach einer neuen Stelle an einer anderen Hochschule umsehen müssen und gute Arbeitsbedingungen in Sachsen vorfinden können.
Vielen Dank.
Vielen Dank, Patrick Schreiber. Ich möchte Sie fragen: Halten Sie es für besser, wenn Grundschüler, 3. oder 4. Klasse, sich gegenseitig als schwul beschimpfen, weil sie mit dem Begriff gar nichts anfangen können? Oder ist es vielleicht sinnvoller, auch schon in der Grundschule über diese Begriffe aufzuklären, damit es eben nicht zur Diskreditierung von Menschen mit anderen sexuellen Neigungen kommt?
Vielen Dank. – Kollege von Breitenbuch, geben Sie mir recht, dass das Abtreibungsrecht in Deutschland sehr streng geregelt ist und dass Frauen selbstbestimmt darüber entscheiden können, aber erst nach einem Beratungsgespräch und einem ausgefüllten Beratungsschein entscheiden dürfen,
ob sie eine Abtreibung durchführen lassen wollen, und dass im Unterschied dazu Tiere in der Massentierhaltung nicht gefragt werden, auf welchem Wege sie zu Tode kommen wollen?
Nein, Herr Präsident, ich wollte gern dem Staatsminister eine Frage zu seinen Ausführungen stellen. Ich würde die Kurzintervention trotzdem nutzen, um die Frage in den Raum zu stellen.
Vielleicht kann Herr Staatsminister bei anderer Gelegenheit darauf reagieren.
Herr Ulbig, ich wollte Sie eigentlich fragen, ob es richtig ist, dass es beim Dialog letzte Woche im Congress Center nicht vorgesehen war, dass die Sorgen, Ängste, Meinungen der Teilnehmer verschriftlicht werden. Da frage ich Sie:
Es beschäftigt mich die Frage,
wie die Ergebnisse aus dem Dialog aufgearbeitet werden sollen, wenn es keine Aufzeichnungen aus dieser Veranstaltung gibt, sondern es dort nur ausgesprochen wird, am Ende im Raum stehen bleibt und alle nach Hause gehen.
Ich glaube, hier muss man methodisch überlegen, wie man diesen Dialog besser führt.
Vielen Dank.
Es freut mich, Herr Krauß, dass Sie das Modellprojekt „Familienbildung in Kooperation mit Kindertagesstätten“ angesprochen haben. Vielleicht können Sie mir bitte einmal erklären, warum sich die alte Landesregierung unter der vorhergehenden Sozialministerin, Frau Clauß, leider nicht dazu durchringen konnte, dieses Projekt dauerhaft fortzuführen und in allen Kitas zu implementieren, sondern Sie die Ergebnisse im Raum verpuffen lassen?
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie solidarisch ist das „Abendland“? Muss das „Abendland“ – nur wenige Meter von hier – verteidigt werden? Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer Woche werden wahrscheinlich die
meisten von Ihnen unter dem Tannenbaum sitzen, vielleicht mit Ihrer Familie. Einige von Ihnen hören sicher im Konzert oder von einer Musik-CD das Weihnachtsoratorium. Was hören wir dort? Die Weihnachtsgeschichte. Das ist eine Flüchtlingsgeschichte, nämlich die älteste Flüchtlingsgeschichte der Welt.
Um so verwunderlicher ist es, dass gerade in der von der FDP benannten Weihnachtshauptstadt Dresden seit
einigen Wochen Demonstrationen und Spaziergänge stattfinden und Dresden als Landeshauptstadt des Freistaates bundesweit und international in die Schlagzeilen gerät. „So geht sächsisch“ hatte ich mir anders vorgestellt.
Die Geschichte von der Suche nach Obdach und von der Geburt des Flüchtlingskindes Jesus spielt sich auf unzähligen Weihnachtspyramiden aus dem Erzgebirge ab, auch in atheistischen Haushalten in Dresden und in ganz Sachsen. Bei dieser Geschichte wurde nicht nach der Herkunft der Flüchtlinge gefragt. Umso bizarrer ist es deshalb, dass die Spaziergänge von Pegida in Dresden, dieser selbst ernannten Weihnachtshauptstadt, stattfinden.
Lassen Sie mich betonen, dass das Demonstrationsrecht ein hohes Gut ist, auch für uns als LINKE und gerade in Dresden und Sachsen, weil es wieder erkämpft werden musste. Was Pegida veranstaltet, nämlich den Bezug auf die christliche Kultur, ist aus meiner Sicht lächerlich. Das Besinnen auf christliches Handeln hieße nämlich, dass man Flüchtlingen Obdach gewährt, ohne die Frage nach der Herkunft zu stellen. Das gebietet einfach die Mitmenschlichkeit. Ich will an der Stelle auch erwähnen, dass es beschämend ist, wenn im Stadtrat in Dresden die CDUFraktion es war, die vergangene Woche zusammen mit der AfD die Unterbringungskonzeption für die Flüchtlinge abgelehnt hat und die Oberbürgermeisterin Helma Orosz nur dank der Stimmen von Rot-Rot-Grün überhaupt in der Lage war, die Unterbringung für die Flüchtlinge im nächsten Jahr durchzusetzen.
Ich möchte an dieser Stelle die Gelegenheit nutzen und Danke sagen, Danke an diejenigen Menschen, die sich seit vielen Jahren und vor allen Dingen ehrenamtlich und ohne großen Rückhalt der bisherigen Landesregierung als Flüchtlingspaten, Sprachlehrer, Ärzte oder Spender engagieren, weil sie glauben, dass es die Humanität gebietet, auch für Flüchtlinge in unserem Land etwas zu tun.
Lassen Sie mich noch einmal auf den Abendlandbegriff eingehen. In der Pegida-Position Nr. 13 ist davon die Rede, man müsse die christlich-jüdisch geprägte Abendlandkultur verteidigen. Wer sich ein bisschen mit Geschichte befasst hat, der weiß, dass dieser Abendlandbegriff eine Illusion ist, der zu verschiedenen Zeiten immer wieder hervorgekramt worden ist. Er wurde insbesondere vor 200 Jahren in der Romantik zur Beschreibung kultureller Gegensätze benutzt. Aufgrund der Tatsache, dass alle drei Religionen, also Judentum, Christentum und Islam, aus derselben Tradition hervorgegangen sind, sie quasi monotheistische Religionen sind, die verwandt sind, ist dieser Gegensatz, den Pegida jetzt aufmacht, äußerst bizarr. Es gibt eine gemeinsame Entstehungsgeschichte und die Verwobenheit. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionen haben auch im vermeintlichen „Abendland“ die Geschichte über Jahrhunderte
geprägt. Es ist sicher eine Errungenschaft, dass wir heute in einem befriedeten Mitteleuropa leben können. Ich glaube aber auch, dass es eine Illusion ist, Religionskonflikte von hier fernzuhalten. Unsere Aufgabe ist es, den Dialog zwischen den Religionen und Kulturen zu pflegen und auszubauen und nicht Dinge abzuwehren.
Wir müssen fragen: Geht es Pegida eigentlich um die Identitätsfrage Sachsens und Mitteleuropas oder geht es in Wirklichkeit um soziale Abstiegsängste einer Mittelschicht? Darüber wird heute in dieser Debatte zu reden sein.
In Richtung der CDU-Fraktion sage ich ganz deutlich: Sie sind hier als langjährige Regierungspartei gefordert aufzuklären, warum viele Tausend Mitläufer seit Wochen bei den Pegida-Spaziergängen mitmachen, warum sie unzufrieden sind mit der Politik in diesem Land und dieses „wir hier unten und die da oben“ predigen. Wie viel hat der Zulauf zu diesen Spaziergängen damit zu tun, dass Politik in diesem Land in den letzten Jahren durch den Ministerpräsidenten entpolitisiert wurde? Es gab über herausragende Fragen keine Debatten. Wie gehen wir mit neuen Herausforderungen in diesem Land um?
Meine Redezeit ist gleich zu Ende, ich weiß. Ich will deshalb nur noch wenige Punkte benennen.
Ich bin sehr froh, dass sich der Rektor der TU Dresden positioniert hat und dass er ganz klar gesagt hat, Wissenschaft ist international.
Und ich sage dazu auch: Sachsen als „Land der Ingenieure“ wird nicht zukunftsfähig sein ohne die Weltoffenheit. – Meine Kollegen werden in der zweiten und dritten Runde noch auf weitere Punkte eingehen.
Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich bin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN dankbar, dass sie das Thema „Freie BAföG-Mittel“ auch in Anbetracht der neuen schwarz-roten Landesregierung heute noch einmal aufgegriffen hat, denn – darin sind wir uns sicherlich einig – mit Bildung, Forschung und Transfer spielen die sächsischen Hochschulen eine entscheidende Rolle für die Zukunft dieses Landes.
Tatsache ist aber – daran möchte ich erinnern –, dass die sächsischen Hochschulen bisher unterfinanziert sind. Die sächsischen Universitäten im Vergleich der Bundesländer belegen es: Unsere Universitäten erreichen bei der Betreuungsrelation nur Platz zehn. Bei den laufenden Ausgaben, also den Grundmitteln im Jahr 2010 mit 6 540 Euro je Studierendem für Forschung und Lehre, landete Sachsen auf Platz 14 von 16. Im Vergleich der laufenden Ausgaben je Professor bzw. je Professorin rangierte Sachsen im Jahr 2010 sogar auf dem vorletzten Platz aller Bundesländer. Das muss sich ändern, auch mit den BAföG-Mitteln.
Umso erstaunlicher ist es, dass unsere Universitäten bei der Einwerbung von Drittmitteln bundesweit an der Spitze standen und stehen. Das spricht zwar für die engagierte Arbeit der Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer, aber es spricht nicht für die sächsische Hochschulpolitik, denn – das will ich der neuen Ministerin und vor allem dem Finanzminister ins Stammbuch schreiben – Wissenschaft, die überdurchschnittlich stark auf die Finanzierung durch Drittmittel angewiesen ist, ist nicht mehr frei in Forschung und Lehre, sondern sie macht sich von ihren Geldgebern abhängig. Das darf nicht sein.
Allein die sächsischen Universitäten haben einen jährlichen Mehrbedarf von 60 Millionen Euro. Da wären diese 85 Millionen Euro, die aus den frei werdenden BAföGMitteln kommen, sehr gut angelegt – auch nur im Hochschulbereich. Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD auf Bundesebene wurde vor einem Jahr bereits angekündigt, dass der Bund die Länder im Bildungsbereich finanziell entlasten möchte. Im Mai dieses Jahres, also vor einem halben Jahr, gelang es Bundesbildungsministerin Wanka und Bundesfinanzminister Schäuble,- sich endlich zu einigen, wie denn die Entlastung aussehen solle. Es wurde eine Vereinbarung über die Verwendung der frei werdenden BAföG-Millionen geschlossen.
Im Juni erfuhren wir im Sächsischen Landtag, auch dank der Aktuellen Debatte der SPD-Fraktion, dass die damalige Landesregierung für die frei werdenden Mittel einen Zukunftsfonds für die Hochschulen anlegen möchte. – So weit, so gut. Doch der Landtag als Haushaltsgesetzgeber erfuhr bis heute nicht – Herr Mackenroth, wir als Opposition kennen den Haushaltsentwurf nicht –, wofür genau diese 57 Millionen Euro im Interesse der Hochschulen eingesetzt werden sollen. Die Landesregierung hat gewechselt. Der Finanzminister und der Sparkommissar Prof. Unland ist derselbe. Nur das Wissenschaftsministerium hat das Parteibuch von schwarz in rot getauscht.
Es ist deshalb zu befürchten, dass die neue Wissenschaftsministerin weiterhin mit dem Finanzminister darum wird ringen müssen, genügend Geld für die Hochschulen zu bekommen. Ich kann Ihnen, liebe Frau Dr. Stange, dabei nur ganz viel Kraft und Durchhaltevermögen wünschen.
Im Koalitionsvertrag der schwarz-roten sächsischen Regierung heißt es nämlich salomonisch – ich zitiere –: „Die frei werdenden BAföG-Mittel werden wir auch künftig im Verhältnis Studierenden‐ und Schüler‐BAföG im Haushalt veranschlagen.“
Aber, Herr Mackenroth, was heißt das denn genau? Soll es für Investitionen oder für Personal, für Forschung und Lehre oder für Technik ausgegeben werden? Das möchten wir gern wissen.
Es ist auch die Rede von einer Abkehr vom geplanten Stellenabbau, jedoch nur, wenn die Hochschulen bereit sind, entsprechende Zielvereinbarungen einzugehen bzw. fortzuschreiben. Zielvereinbarungen an sich sind nichts Schlechtes. Es ist aber aus meiner Sicht keine Verhandlungssituation zwischen Landesregierung und Hochschulen auf Augenhöhe, sondern es ist schlicht Erpressung. Herr Zschocke hatte es heute bereits gesagt. Ich bin nicht die Erste, die diesen Vorwurf hier erhebt.
Auch die Hochschulrektorenkonferenz mahnte mit Blick auf die Verwendung der BAföG-Mittel nicht umsonst zu Beginn dieser Woche an – ich zitiere –, „dass einige Länder nur den falschen Anschein einer Stärkung der Hochschulmittel erweckten“.
Die neue Staatsregierung wird uns beweisen müssen, dass sie es mit der Verwendung der BAföG-Mittel für eine
bessere Lehre und Personalausstattung der Hochschulen ernst meint.
Holger Mann kritisierte im Juni als hochschulpolitischer Sprecher der SPD – ich zitiere –: „Statt sich um eine verlässliche Finanzierung und eine vernünftige Stellenausstattung zu kümmern, wird mit diesem Fonds, dem Zukunftsfonds, das nächste Drittmittelprogramm aus der Tasche geholt. Damit wird die Chance verpasst, die finanziellen Spielräume für den längst überfälligen Stopp des Stellenabbaus an den Hochschulen zu nutzen.“
Wir haben jetzt gehört, dass eine andere Richtung eingeschlagen werden soll. Ich bin, wie gesagt, gespannt auf den Haushaltsentwurf.
Noch ein Punkt, der mich heute Vormittag bei der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten verstimmt hat. Der Ministerpräsident sagte heute Vormittag: Man setze auf „Qualität statt Quantität“ an den sächsischen Hochschulen. Ich halte das – mit Verlaub – für eine vergiftete Botschaft. Denn Qualität statt Quantität, Herr Tillich, unterstellt nicht nur, dass man vernünftigerweise Parallelstrukturen auf Synergieeffekte überprüft – das ist legitim, das muss Hochschulpolitik leisten –, sondern Qualität statt Quantität unterstellt auch, dass es offenbar in der Vielfalt der sächsischen Studienangebote überflüssige Studiengänge gebe.
Ich kann heute nur noch einmal an Frau Dr. Stange appellieren, dass Fächer wie Pharmazie, Archäologie und Theaterwissenschaft an der Leipziger Universität auch zukünftig zum sächsischen Studienangebot gehören und nicht verzichtbar sind, weil: Es gibt sie nur einmal in diesem Freistaat.
Die zusätzlichen finanziellen Mittel aus dem BAföG machen einen Erhalt der gefährdeten Studienfächer möglich. Darauf wies bereits im Juni die Landesrektorenkonferenz hin. Denn mit dem BAföG-Anteil, der bisher den Studierenden zugutekam – 57 Millionen Euro sind es –, könnten 1 000 Vollzeitstellen finanziert und damit der Stellenabbau verhindert und auch diese Fächer gerettet werden.
Zum Antrag selbst: Die Fraktion DIE LINKE wird dem Antrag der GRÜNEN in seinem grundsätzlichen Anliegen zustimmen. Auch wir sind der Auffassung, dass die Hochschulen und die Studentenwerke mehr finanzielle Unterstützung brauchen. Allerdings bitten wir um punktweise Abstimmung, da wir die Priorität bei der Verwendung der BAföG-Mittel bei den Hochschulen und zur Unterrichtsabsicherung in den Schulen sehen.
Zur Schulsozialarbeit sagen wir Ja. Ein Landesprogramm ist zweifelsohne unverzichtbar. Auch wir haben es in den vergangenen Jahren bereits eingefordert. Es sollte jedoch aus unserer Sicht als Vorhaben der Kinder- und Jugendhilfe im Sozialministerium etabliert und aus zusätzlichen Landesmitteln finanziert werden. Das Land Sachsen hat hier die Hausaufgabe, die Schulsozialarbeit auf sichere
finanzielle Füße zu stellen. Das sei in Richtung Sozialministerium gesagt.
Die Fraktion DIE LINKE setzt die Priorität auf die BAföG-Millionen für die Schulen und Hochschulen. In Richtung Koalition möchte ich sagen: Werte Mitglieder der Koalition, setzen Sie sich dafür ein, dass die BAföGMillionen an den Hochschulen in der Lehre ankommen und damit die gefährdeten Studiengänge erhalten werden.